Inhalt

VGH München, Urteil v. 15.03.2024 – 1 N 21.1251
Titel:

Normenkontrollantrag gegen Bebauungsplan der Innenentwicklung

Normenketten:
BauNVO § 16, § 17
BauGB § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3, § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 13a, § 214 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 215 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
VwGO § 47 Abs. 2
Leitsätze:
1. Eine Verknüpfung der Größe der Grundfläche mit der Anzahl der Wohneinheiten ist unzulässig. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Unwirksamkeit einer Festsetzung des Bebauungsplans hat nur dann nicht die Gesamtunwirksamkeit zur Folge, wenn die restlichen Festsetzungen auch ohne den ungültigen Teil noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung iSd § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können und mit der gebotenen Sicherheit anzunehmen ist, dass die Gemeinde auch einen Bebauungsplan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ist keine Grundflächenzahl festgesetzt, so ist nach Maßgabe der verwendeten absoluten Maßbestimmungsfaktoren und unter Berücksichtigung aller übrigen Festsetzungen des Bebauungsplans und sonstiger einschlägiger baurechtlicher Vorschriften, insbesondere derjenigen des Landesbaurechts, zu ermitteln, ob eine städtebauliche Dichte entstehen kann, die die jeweils zu beachtenden Obergrenzen einhält. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unzulässige Verknüpfung der Festsetzung der Grundfläche mit Anzahl der Wohneinheiten, Überschreiten der Obergrenze des § 17 Satz 1 BauNVO 2017, Normenkontrollantrag, Antragsbefugnis, unzulässige Verknüpfung der Festsetzung der Grundfläche mit Anzahl der Wohneinheiten, Überschreiten der Obergrenze des § 17 S. 1 BauNVO, Verfahrensfehler, beschleunigtes Verfahren, Ermittlungsdefizite, Abwägungsfehler
Fundstelle:
BeckRS 2024, 7464

Tenor

I.    Der Bebauungsplan Nr. 76 „H. Straße West“ mit integriertem Grünordnungsplan, bekanntgemacht am 30. April 2020, ist unwirksam.
II.    Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III.    Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Antragstellerin wendet sich gegen den im beschleunigten Verfahren nach § 13a BauGB aufgestellten Bebauungsplan Nr. 76 „H. Straße West“ mit integriertem Grünplan, den die Antragsgegnerin am 21. April 2020 als Satzung beschlossen und am 30. April 2020 bekanntgemacht hat.
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Das weitgehend bereits bebaute, ca. 2,9 ha große Planungsgebiet, erstreckt sich entlang der H.. Straße im Ortsteil L.. Der Bebauungsplan weist ein allgemeines Wohngebiet aus. Es werden die überbaubaren Grundstücksflächen sowie die zulässige Grundfläche für die Bauräume festgesetzt; für Terrassen ist eine zusätzliche Grundfläche bis 20 m² je Wohnung, für Balkone bis 10 m² je Wohnung und für eine Außentreppe eine zusätzliche Grundfläche bis 7 m² je Gebäude zulässig. Eine Überschreitung der Baugrenze kann für Terrassen und Außentreppen bis zur zulässigen Grundfläche für diese Bauteile ausnahmsweise zugelassen werden. Durch Anlagen im Sinn des § 19 Abs. 4 BauNVO darf die Grundfläche um mehr als 50% überschritten werden, maximal jedoch bis zu einer Grundflächenzahl von 0,6. Weiter wird die Zahl der Vollgeschosse sowie die maximal zulässige Wandhöhe festgesetzt. Unterer Bezugspunkt ist die Oberkante Fertigfußboden im Erdgeschoss, der max. 40 cm über der Erschließungsstraße, gemessen am Straßenrand in Höhe der Grundstückseinfahrt, liegen darf. Der Bebauungsplan sieht für einzelne Bauräume die Bauweise Doppelhaus vor. In Wohngebäuden der Bauweise Doppelhaus sind maximal 2 Wohnungen zulässig, wobei eine Doppelhaushälfte als ein Wohngebäude gilt. Im Übrigen sind in Wohngebäuden maximal 6 Wohnungen zulässig. Der Bebauungsplan setzt im Bereich der H.. Straße eine öffentliche Verkehrsfläche fest. Weiter sind drei von der H.. Straße nach Norden abgehende Wege als Verkehrsflächen mit besonderer Zweckbestimmung „Wirtschaftsweg“ vorgesehen.
3
Die Antragstellerin ist (Mit-)Eigentümerin der im nordwestlichen Bereich des Planungsgebiets gelegenen Grundstücke FlNr. … und FlNr. …, Gemarkung H.. Das Grundstück FlNr. …, das mit einem Wohngebäude bebaut ist, liegt in zweiter Reihe nördlich der H.. Straße. Der Bebauungsplan setzt für dieses Grundstück eine Grundfläche von 180 m², eine Wandhöhe von 6 m sowie maximal zwei Vollgeschosse fest. Das Grundstück FlNr. …, das mit einem Wohngebäude bebaut ist, grenzt hieran nördlich an und liegt in dritter Reihe zur H.. Straße. Der Bebauungsplan sieht dort eine Grundfläche von 110 m², eine Wandhöhe von 3,7 m sowie maximal ein Vollgeschoss vor.
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Nach der Begründung des Bebauungsplans ist Ziel der Planung die Erhaltung und Entwicklung der bestehenden kleinteiligen Baustruktur, eine maßvolle Nachverdichtung im bebauten Bereich entlang der H.. Straße, die bauliche Abstufung zum planungsrechtlichen Außenbereich bei Bebauungen in zweiter und dritter Reihe, die bauplanungsrechtliche Sicherung der Erschließungsanlage und Bereinigung von Erschließungsmängeln sowie die Eingrünung des nördlichen Siedlungsrandes zur freien Landschaft.
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Am 28. April 2021 stellte die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag und beantragt,
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Der Bebauungsplan Nr. 78 „H. Straße West“ der Stadt K.., bekanntgemacht durch Anschlag an der Amtstafel und auf der Internetseite der Stadt K.. am 30. April 2020, ist unwirksam.
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Der Bebauungsplan sei wegen Verfahrensfehlern, Festsetzungsfehlern sowie Mängeln der Abwägung unwirksam. Die Grundflächenfestsetzung sei unwirksam, weil die Obergrenze des § 17 BauNVO überschritten werde. Bei Addition der Überschreitungsmöglichkeiten für Terrassen, Balkone und Außentreppen werde bei einem Großteil der im Planungsgebiet gelegenen Grundstücke eine GRZ von 0,4 nicht eingehalten. Weiter lägen Ermittlungsdefizite und Abwägungsfehler vor. Die Antragsgegnerin habe im Rahmen der Planung nicht bzw. nicht hinreichend ermittelt, in welchem Maße sie nach § 34 BauGB bestehendes Baurecht einschränke. Sie habe diesbezüglich im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses keine ausreichende Vorstellung gehabt. Die Antragsgegnerin habe lediglich die Grundflächen der Hauptbaukörper ermittelt, eine Ermittlung der Geschossflächenzahlen, der Anzahl der Geschosse sowie der Wand- und Firsthöhen sei nicht erfolgt. Zudem habe die Antragsgegnerin die maßstabsgebende prägende Bebauung außerhalb des Planungsgebiets nicht berücksichtigt. Die durch die Planung berührten Eigentümerinteressen seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Das der Planung zu Grunde liegende Ziel des Erhalts und der Entwicklung der bestehenden kleinteiligen Baustruktur sowie einer maßvollen Nachverdichtung ständen einem höheren Baurecht insbesondere auf dem Grundstück FlNr. … entsprechend der Umgebungsbebauung nicht entgegen. Das Planungsziel, die Bebauung zum Außenbereich abzuflachen, wäre zwar grundsätzlich ein denkbares und zulässiges städtebauliches Ziel, das hier aber nicht widerspruchsfrei und konsequent umgesetzt werde.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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Der Antrag wird abgelehnt.
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Der Bebauungsplan sei wirksam, insbesondere lägen keine Festsetzungsfehler vor. Der Bebauungsplan setze bauraumbezogene Grundflächen fest, die auch hinreichend bestimmt seien. Die Obergrenze des § 17 Abs. 1 BauNVO von 0,4 für ein allgemeines Wohngebiet werde nicht überschritten. Da maximal drei Erdgeschosswohnungen verwirklicht werden könnten, kämen maximal 60 m² hinzu, Balkone seien in der Regel über den Terrassen angeordnet, so dass sie nicht anzurechnen seien. Da sich die Festsetzungen der Grundfläche an einer Grundflächenzahl von 0,23 orientierten, könne selbst unter Hinzurechnung von Terrassen, Balkonen und Außentreppen eine GRZ von 0,4 im Planungsgebiet nicht erreicht werden. Der Bebauungsplan sei auch nicht abwägungsfehlerhaft. Sie habe sich ein hinreichendes Bild über das nach § 34 BauGB bestehende Baurecht gemacht, dabei habe sie insbesondere im Bereich der Grundstücke der Antragstellerin berücksichtigt, dass sie hier möglicherweise Baurecht einschränke. Es sei ein legitimes städtebauliches Ziel, die Tiefe der Bebauung auf eine Reihe entlang der H.. Straße zu beschränken und die Bebauung zum Außenbereich hin abzustufen und so zu begrenzen, dass sich diese nicht weiter in den Außenbereich entwickle.
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Der Senat hat am 5. März 2024 eine Ortseinsicht genommen. Für die dortigen Feststellungen und die gefertigten Fotos sowie den Verlauf der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2024 wird auf die jeweiligen Protokolle verwiesen. Im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die Normaufstellungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der zulässige Normenkontrollantrag hat Erfolg. Der am 21. April 2020 beschlossene und am 30. April 2020 bekannt gemachte Bebauungsplan ist unwirksam.
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1. Der Normenkontrollantrag ist zulässig.
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Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Eine solche Rechtsverletzung kommt regelmäßig in Betracht, wenn sich der Eigentümer eines im Plangebiet liegenden Grundstücks gegen bauplanerische Festsetzungen wendet, die unmittelbar sein Grundstück betreffen. Denn bei den Festsetzungen eines Bebauungsplans handelt es sich um Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinn des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Diese muss der Eigentümer nur hinnehmen, wenn der Bebauungsplan rechtmäßig ist (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 4 BN 17.17 u.a. – BauR 2018, 814).
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Damit ist die Antragsbefugnis der Antragstellerin als (Mit-)Eigentümerin von Grundstücken, für die der Bebauungsplan Festsetzungen trifft, gegeben.
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2. Der Normenkontrollantrag ist begründet. Die Festsetzung zum Maß der baulichen Nutzung ist in Bezug auf die Grundflächen unwirksam; dies führt zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans (2.1). Weiter stellen die Festsetzungen des Bebauungsplans – deren Wirksamkeit unterstellt – nicht sicher, dass die Obergrenze des § 17 Satz 1 BauNVO 2017 hinsichtlich der Grundflächenzahl eingehalten wird (2.2). Im Übrigen teilt der Senat die vorgetragenen Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans nicht (2.3).
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2.1 Die im Bebauungsplan vorgesehenen Festsetzungen zur zusätzlichen Grundfläche von 20 m² für Terrassen und 10 m² für Balkone je Wohnung sind unwirksam. Die Verknüpfung der Größe der Grundfläche mit der Anzahl der Wohneinheiten ist von der Festsetzungsmöglichkeit des § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sowie der BauNVO nicht gedeckt. Die Festsetzungsmöglichkeiten zum Maß der baulichen Nutzung sind abschließend in § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. §§ 16 ff. BauNVO geregelt. Der Gemeinde kommt kein bauplanerisches Festsetzungsfindungsrecht zu (vgl. BVerwG, U.v. 11.2.1993 – 4 C 18.91 – BVerwGE 92, 56). Vielmehr besteht für bauplanungsrechtliche Festsetzungen ein Typenzwang (BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28.91 – BVerwGE 94, 151). Das gilt sowohl hinsichtlich des Katalogs der zulässigen Bestimmungsfaktoren als auch hinsichtlich deren Kombination und der Notwendigkeit ihrer Festsetzung (BVerwG, B.v. 5.7.1991 – 4 NB 22.91 – juris Rn. 7).
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Nach § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO kann das Maß der baulichen Nutzung durch eine Grundflächenzahl oder durch die Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen bestimmt werden. § 16 Abs. 5 BauNVO ermöglicht unterschiedliche Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung für Teile des Baugebiets, für einzelne Grundstücke oder Grundstücksteile und für Teile baulicher Anlagen, sodass die Festsetzung zusätzlicher Grundflächen für Terrassen, soweit sie als Bestandteil der Hauptanlage anzusehen sind (vgl. zur bauplanungsrechtlichen Einordnung von Terrassen als Bestandteil des Hauptgebäudes oder als Nebenanlage: BayVGH, U.v. 17.11.2021 – 1 N 20.1182 – juris Rn. 19), Balkone und Außentreppe keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Die Vorschrift ermächtigt jedoch nicht dazu, das festgesetzte Maß der baulichen Nutzung von weiteren Voraussetzungen, insbesondere von der Art der Nutzung bzw. Gestaltung, abhängig zu machen (vgl. NdsOVG, U.v. 7.10.2021 – 1 KN 92/19 – juris Rn. 124; U.v. 21.3.2019 – 1 KN 9/17 – BauR 2019, 1279; OVG NW, U.v. 9.11.2010 – 10 D 15/08.NE – juris Rn. 41; Seith in Brügelmann, BauNVO, Stand Januar 2021, § 16 Rn. 66). Die Verknüpfung der zusätzlichen Grundfläche für Terrassen und Balkone mit der Anzahl der Wohneinheiten eines Vorhabens ist daher nicht zulässig. Auch wenn sowohl die Beschränkung der Anzahl der Wohneinheiten sowie die Festsetzung der Grundfläche jeweils für sich von den Festsetzungsmöglichkeiten des § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i.V.m. § 16 BauNVO und § 9 Abs. 1 Nr. 6 BauGB gedeckt ist, bewirkt hier ihre Kombination eine gesetzlich so nicht vorgesehene Modifizierung der Grundfläche in Abhängigkeit von der Ausgestaltung des Vorhabens. Soweit man aus der Entscheidung des Senats vom 8. November 2023 (Az. 1 N 20.558 – juris Rn. 27) Gegenteiliges entnehmen könnte, hält der Senat an dieser Rechtsauffassung nicht fest.
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Die Unwirksamkeit der Grundflächenfestsetzung für Terrassen und Balkone führt hier zur Unwirksamkeit der Grundflächenfestsetzung insgesamt. Die Antragsgegnerin geht ersichtlich davon aus, dass die festgesetzte Grundfläche durch die „Hauptbaukörper“ ausgeschöpft werden kann und hat daher zusätzliche Grundflächen für Terrassen und Balkone vorgesehen. Wäre ihr die Unwirksamkeit der Festsetzungen bewusst gewesen, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie für die Grundflächen insgesamt eine andere Regelung getroffen hätte. Die Unwirksamkeit der Grundflächenfestsetzung als notwendige Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO) führt zur Unwirksamkeit der Maßfestsetzungen (vgl. BayVGH, U.v. 28.11.2023 – 1 N 20.2264 – juris Rn. 37). Die Unwirksamkeit der Maßfestsetzungen führt zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans. Die Unwirksamkeit einer Festsetzung des Bebauungsplans hat nur dann nicht die Gesamtunwirksamkeit zur Folge, wenn die restlichen Festsetzungen auch ohne den ungültigen Teil noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinn des § 1 Abs. 3 BauGB bewirken können und mit der gebotenen Sicherheit anzunehmen ist, dass die Gemeinde auch einen Bebauungsplan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (vgl. BVerwG, B.v. 6.11.2007 – 4 BN 44.07 – juris Rn. 3; BayVGH, U.v. 19.2.2019 – 1 N 16.350 – juris Rn. 20). Ziel der Planung ist hier u.a. die Steuerung der Bebauung im Hinblick auf das Maß der baulichen Nutzung, um die weitere städtebauliche Entwicklung dort zu regulieren und eine Abstufung der Bebauungsdichte und Höhe der hinterliegenden Grundstücke zu erreichen. Die Antragsgegnerin hätte deshalb den Bebauungsplan ohne Maßfestsetzungen nicht erlassen.
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2.2. Im Übrigen stellen die Festsetzungen des Bebauungsplans – deren Wirksamkeit unterstellt – nicht sicher, dass die Obergrenze des § 17 BauNVO 2017 im Hinblick auf eine GRZ von 0,4 für ein allgemeines Wohngebiet eingehalten wird.
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Maßgeblich ist § 17 Satz 1 BauNVO in der Fassung von 2017, da die öffentliche Auslegung des Bebauungsplans vor dem 23. Juni 2021 erfolgt ist (§ 23e BauNVO). Nach § 17 Satz 1 BauNVO 2017 darf bei der Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung nach § 16 BauNVO eine Grundflächenzahl von 0,4 in allgemeinen Wohngebieten nicht überschritten werden. Ist – wie vorliegend – keine Grundflächenzahl festgesetzt, so ist nach Maßgabe der verwendeten absoluten Maßbestimmungsfaktoren und unter Berücksichtigung aller übrigen Festsetzungen des Bebauungsplans und sonstiger einschlägiger baurechtlicher Vorschriften, insbesondere derjenigen des Landesbaurechts, zu ermitteln, ob eine städtebauliche Dichte entstehen kann, die die jeweils zu beachtenden Obergrenzen einhält. Dabei müssen die gesamten Bestimmungen eines Bebauungsplans Gewähr dafür bieten, dass die jeweilige Obergrenze tatsächlich eingehalten wird (vgl. BVerwG, U.v. 25.11.1999 – 4 CN 17.98 – NVwZ 2000, 813; VGH BW, U.v. 7.11.2017 – 5 S 1003/16 – BauR 2018, 636; VGH Kassel, U.v. 22.4.2010 – 4 C 2607/08.N – juris Rn. 106), d.h. es ist auf die nach den Festsetzungen des Bebauungsplans zulässige Bebauung und die sich daraus ergebende rechnerische Überschreitung abzustellen. Ob die spätere Bebauung tatsächlich die Möglichkeiten des Bebauungsplans ausschöpft bzw. dies zu erwarten steht, ist nicht entscheidend. Die Obergrenze muss dabei für jedes einzelne Baugrundstück gewahrt werden (vgl. Schilder in Bönker/Bischopink, BauNVO, 3. Auflage 2024, § 17 Rn. 9).
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Hiervon ausgehend bietet der Bebauungsplan nicht die Gewähr dafür, dass die Obergrenze des § 17 Satz 1 BauNVO 2017 im Hinblick auf die GRZ von 0,4 für ein allgemeines Wohngebiet eingehalten wird. Zwar ergibt sich im Hinblick auf die Festsetzungen durch Planzeichen, wonach individuell für jeden Bauraum die Grundfläche festgesetzt wird, keine Überschreitung der Obergrenze. Diese Grundflächen orientieren sich nach den Darstellungen des Planers im Aufstellungsverfahren im Wesentlichen an einer angestrebten GRZ von 0,23. Der Bebauungsplan lässt jedoch zusätzliche Grundflächen für Terrassen, Balkone und Außentreppen zu, die für die Berechnung der Obergrenze des § 17 Satz 1 BauNVO 2017 – anders als die in § 19 Abs. 4 BauNVO genannten Anlagen – zu berücksichtigen sind. Der Senat legt ausgehend von den Festsetzungen des Bebauungsplans eine Bebauung mit einem Wohngebäude mit einer maximal zulässigen Anzahl von sechs Wohneinheiten zugrunde, sodass die zusätzlichen Grundflächen pro Wohngebäude jedenfalls mit 127 m² anzusetzen sind (120 m² für Terrassen sowie 7 m² für Außentreppe). Für die Berechnung der GRZ ist dabei nach § 19 Abs. 3 Satz 2 BauNVO auf das jeweilige Baugrundstück abzustellen, wobei die festgesetzten privaten Grünflächen sowie die von Bebauung freizuhaltenden Flächen innerhalb des Schutzstreifens der Mineralölpipeline nicht zum Bauland zu rechnen sind, da sie nicht für eine Bebauung vorgesehen sind (vgl. Bielenberg in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauNVO, Stand August 2023, § 19 Rn. 15). Die Obergrenze einer Grundflächenzahl von 0,4 wird auf mehreren Grundstücken im Planungsgebiet überschritten, insbesondere für das Grundstück FlNr. … ergibt sich ausgehend von der Größe des Baugrundstücks von 582 m² und einer zugelassenen Grundfläche (inkl. Terrassen und Außentreppe) von insgesamt 262 m² eine GRZ von 0,45. Zu weiteren Überschreitungen kommt es beispielsweise auf den Grundstücken FlNr. … (Größe des Baulands nach Abzug privater Grünfläche und von Bebauung freizuhaltender Fläche ca. 750 m², zulässige Grundfläche inkl. Terrassen und Außentreppe 392 m² = GRZ 0,52) sowie auf den neu zu bildenden Flurnummer … * im südwestlichen Bereich des Planungsgebiets (Größe Baugrundstück 620 m², zulässige Grundfläche inkl. Terrassen und Außentreppe 257 m² = GRZ 0,41). Die festgesetzten Bauräume bieten unabhängig von der Frage, inwieweit sich diese Festsetzung auf die Obergrenze des § 17 BauNVO 2017 auswirken kann, keine ausreichende Gewähr dafür, dass die Obergrenze des § 17 Satz 1 BauNVO 2017 im Hinblick auf die Grundflächenzahl eingehalten wird. Denn ungeachtet dessen, dass bei einzelnen Grundstücken wie FlNr. … auf Grund der Größe des Baufensters keine Begrenzung erfolgt, die einer GRZ von 0,4 entspricht, sieht der Bebauungsplan für Terrassen und Außentreppen eine Ausnahmemöglichkeit nach § 23 Abs. 2 Satz 2 BauNVO für die Überschreitung der Baugrenzen vor, sodass die Festsetzungen insgesamt nicht sicherstellen, dass eine GRZ von 0,4 nicht überschritten wird. Die Frage, ob für die Überschreitung der Obergrenze städtebauliche Gründe nach § 17 Satz 2 BauNVO 2017 vorliegen, stellt sich nicht, da der Satzungsgeber solche hier nicht erwogen hat.
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Geht man davon aus, das die Verknüpfung der festgesetzten Grundfläche für Terrassen und Balkone zulässig ist, hat der Verstoß gegen § 17 Abs. 1 BauNVO 2017 die Unwirksamkeit der Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung zur Folge, da es sich um einen Festsetzungsfehler handelt (so zutreffend VGH BW, U.v. 7.11.2017 – 5 S 1003/16 – BauR 2018, 636). Die Unwirksamkeit der Maßfestsetzungen führt hier nach den obenstehenden Ausführungen zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans.
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Es kann daher offenbleiben, ob die grundstücksübergreifenden Grundflächenfestsetzungen für den Bauraum auf den Grundstücken FlNr. … und … bzw. … und …, die im Bestand mit Doppelhäusern bebaut sind, unwirksam sind. Der Bauraum erstreckt sich bei den vorgenannten Grundstücken jeweils über zwei Flurnummern und setzt für den grundstücksübergreifenden Bauraum jeweils eine Grundfläche von 200 m² fest. Zwar kann die Festsetzung der Grundfläche nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO anlagenbezogen erfolgen (vgl. BVerwG, U.v. 14.6.2012 – 4 CN 5.10 – BVerwGE 143, 192). Weiter kann die Grundfläche nach § 16 Abs. 5 BauNVO für Teile von Grundstücken und damit bauraumbezogen festgesetzt werden. Gleichwohl entfällt durch die Festsetzung einer absoluten Grundfläche nicht der Grundstücksbezug, sodass Zweifel an der Wirksamkeit einer Grundflächenfestsetzung bestehen, die ein Gesamtmaß für mehrere bereits bestehende Buchgrundstücke festlegt, da das auf dem einzelnen Grundstück zulässige Nutzungsmaß nicht hinreichend bestimmt ist und zudem die gleichen Bedenken wie gegen eine baugebietsbezogene vorhabenunabhängige Verkaufsflächenobergrenze in einem Sondergebiet für den großflächigen Einzelhandel bestehen könnten (vgl. Petz in König/Roeser/Stock/Petz, BauNVO, § 16 Rn. 20 unter Bezugnahme auf VG München, U.v. 9.8.2010 – M 8 K 09.929 – juris Rn. 35; a.A. Seith, in Brügelmann, BauNVO, Stand Januar 2021, § 16 Rn. 38 der die Thematik des „Windhundrennens“ im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB verortet). Die Frage bedarf angesichts der Unwirksamkeit des Bebauungsplans aus den vorstehenden Gründen keiner Entscheidung. Ebenso kann daher offenbleiben, ob ausreichende städtebauliche Gründe für eine Begrenzung der Anzahl der Wohneinheiten im gesamten Planungsgebiet sowie für die Differenzierung zwischen Doppelhäusern und sonstigen Häusern vorliegen. Die Begründung des Bebauungsplans zu der vorgenommenen Beschränkung der Anzahl der Wohneinheiten bezieht sich insoweit im Wesentlichen auf das Grundstück FlNr. … Offenbleiben kann weiter die in der mündlichen Verhandlung von der Antragstellerseite aufgeworfene Frage, ob § 23 Abs. 5 und 1 BauNVO die Festsetzung tragen, dass Garagen, Carports und Nebenanlagen nach näher bezeichneten Maßgaben außerhalb der festgesetzten Bauräume zulässig sind (vgl. zur Zulässigkeit: VGH BW, U.v. 24.2.1992 – 5 S 2408/91 – NVwZ-RR 1993, 128) bzw. ob – bei deren unterstellter Unwirksamkeit – eine Umdeutung in eine Ausnahmeregelung nach § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO in Betracht zu ziehen ist (Umdeutungsmöglichkeit bei Festsetzungen eines Bebauungsplans offengelassen: BVerwG, B.v. 9.1.2024 – 4 BN 9.23 – juris Rn. 6). Der Senat neigt zu der Auffassung, dass über die Verweisung des § 23 Abs. 1 Satz 2 BauNVO auf § 16 Abs. 5 BauNVO eine nach Art der baulichen Anlagen differenzierende Festsetzung für die überbaubaren Grundstückflächen getroffen werden kann und der Satzungsgeber insoweit nicht auf die Möglichkeit der Festsetzung von Ausnahmen nach § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO beschränkt ist. Aus dem Umstand, dass § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO eine negative Festsetzungsmöglichkeit vorsieht, dürfte nichts Gegenteiliges folgen, denn § 23 Abs. 5 Satz 1 BauNVO gibt dem Satzungsgeber die Möglichkeit, die dort vorgesehene Befugnis der Bauaufsichtsbehörde zur Zulassung näher bezeichneter baulicher Anlagen außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen einzuschränken. Daraus kann indes nicht geschlossen werden, dass es dem Satzungsgeber verwehrt ist, die Wirkung der Baugrenzen über die Verweisung des § 23 Abs. 1 Satz 2 BauNVO in entsprechender Anwendung von § 16 Abs. 5 BauNVO auf bestimmte bauliche Anlagen zu beschränken (a.A. OVG RhPf, U.v. 17.6.2021 – 8 A 11487/20 – NVwZ-RR 2021, 1007; Hornmann in Spannowsky/Hornamnn/Kämper, BeckOK BauNVO, Stand Januar 2024, § 23 Rn. 77; Blechschmidt in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauNVO, Stand August 2023, § 23 Rn. 51).
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2.3 Im Übrigen teilt der Senat die vorgebrachten Bedenken gegen die Wirksamkeit des Bebauungsplans nicht. Der Bebauungsplan weist keine beachtlichen Verfahrensfehler auf (2.3.1), die weiter geltend gemachten Festsetzungsmängel liegen nicht vor (2.3.2), ebenso wenig wie beachtliche Ermittlungsdefizite bzw. Abwägungsfehler (2.3.3).
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2.3.1 Beachtliche Verfahrensfehler bestehen nicht.
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Ein beachtlicher Verfahrensfehler bei der Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung liegt nicht vor.
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Der Vortrag, dass das Rathaus jedenfalls ab dem 27. März 2020 coronabedingt geschlossen gewesen sein soll und daher der Auslegungszeitraum nicht für die Öffentlichkeitsbeteiligung zur Verfügung gestanden habe, erfolgte erst nach Ablauf der Rügefrist, sodass der grundsätzlich nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB beachtliche Verfahrensfehler mangels rechtzeitiger Rüge nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB unbeachtlich wurde. § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB verlangt für eine Rüge ein hinreichendes Maß an Substantiierung und Konkretisierung. Der Gemeinde soll durch die Darlegung die Prüfung ermöglicht werden, ob Anlass besteht, in eine Fehlerbehebung einzutreten. Insoweit kommt dem Rügeschreiben eine „Anstoßfunktion“ zu (vgl. BVerwG, B.v. 11.9.2019 – 4 BN 17.19 – NVwZ 2019, 1862). Das schließt eine nur pauschale Rüge aus. Andererseits dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden. So kann man von einem Bürger nicht verlangen, dass die angeblich verletzte Vorschrift bezeichnet wird oder rechtliche Darlegungen vorgebracht werden. Es genügt, wenn mit erkennbarem Rügewillen und hinreichender Klarheit ein Sachverhalt dargelegt wird, aus dem die Gemeinde erschließen kann, welcher Verfahrens- oder Formvorgang auf die Einhaltung der Planaufstellungsvorschriften überprüft werden muss. Innerhalb der Rügefrist erfolgte hier lediglich ein pauschaler Hinweis auf die fehlerhafte Öffentlichkeitsbeteiligung ohne Bezug auf eine (coronabedingte) Schließung des Rathauses sowie zum konkreten Fall, sodass die Anstoßfunktion gegenüber der Gemeinde, das Verfahren auf Fehler zu überprüfen, nicht erfüllt wurde.
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Auch soweit eine fehlerhafte Auslegungsbekanntmachung geltend gemacht wird, fehlt es dem Rügeschreiben an einem substantiierten Vortrag. Ein etwaiger Mangel der Auslegungsbekanntmachung nach § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB ist daher unbeachtlich geworden ist. Im Übrigen genügt die Auslegungsbekanntmachung den gesetzlichen Vorgaben, insbesondere erfüllt sie durch die Angabe der Bezeichnung des Bebauungsplans „H.. Straße …“ die ihr zukommende Anstoßfunktion, da hierdurch die Bürger in die Lage versetzt wurden, das Planungsvorhaben einem bestimmten Raum zuzuordnen (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2002 – 4 C 15.01 – BVerwGE 117, 287).
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Ein beachtlicher Fehler im Hinblick auf die Wahl des beschleunigten Verfahrens nach § 13a BauGB liegt nicht vor. Die diesbezüglich innerhalb der Jahresfrist geltend gemachte Überschreitung des Schwellenwerts des § 13a Abs. 1 Satz 2 BauGB von 20.000 m² wird angesichts der jeweils festgesetzten Grundflächen von insgesamt 4.635 m² nicht überschritten. Auch bei Berücksichtigung der im Bebauungsplan zusätzlich für Terrassen, Balkone und Außentreppen zugelassenen Grundflächen wird der Schwellenwert nicht erreicht. Bei der Ermittlung des Schwellenwertes nach § 13a Abs. 1 Satz 2 BauGB sind über die Summe der nach § 19 Abs. 2 BauNVO zulässigen Grundflächen hinaus mögliche Überschreitungen nach § 19 Abs. 4 Satz 2 BauNVO nicht zu berücksichtigen (vgl. (OVG NW, U.v. 6.4.2020 – 10 D 31/18.NE – juris Rn. 33). Im Übrigen würde auch die Berücksichtigung der Überschreitungsmöglichkeit nach § 19 Abs. 4 BauNVO zu keinem anderen Ergebnis führen. Der Vortrag, dass zusätzlich noch die festgesetzten Flächen aus dem benachbarten Planungsgebiet wegen des engen räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs für die Berechnung des Schwellenwerts herangezogen werden müssten, erfolgte außerhalb der Rügefrist, sodass hierauf ein beachtlicher Verfahrensfehler nicht gestützt werden kann. Auch betrifft die von der Antragstellerin angeführte 5. Änderung des Bebauungsplans Nr. … „…“ nur drei Grundstücke, auf denen die Grundfläche von 300 m² auf 390 m² erhöht wurde, sodass selbst unter Berücksichtigung dieser Grundflächen der Schwellenwert von 20.000 m² deutlich unterschritten bleibt, unabhängig davon, dass für die Zusammenrechnung der Grundflächen aus mehreren Bebauungsplänen nur die Bebauungspläne zu berücksichtigen sind, die im beschleunigten Verfahren aufgestellt wurden (Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberger, BauGB, Stand August 2023, § 13a Rn. 44). Soweit die Antragstellerin weiter geltend macht, dass der Bebauungsplan keine Maßnahme der Innenentwicklung darstelle, da lediglich Baurecht eingeschränkt bzw. auf den Bestand gesetzt werden solle, hat sie die aus ihrer Sicht aus diesem Grund fehlerhafte Wahl des beschleunigten Verfahrens ebenfalls nicht innerhalb der Rügefrist geltend gemacht. Im Übrigen erfüllt der Bebauungsplan auch insoweit die Voraussetzungen des § 13a Abs. Satz 1 BauGB. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass § 13a BauGB in einem weiten Sinn eine Planung fördern soll, die der Erhaltung, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und dem Umbau vorhandener Ortsteile dient, sodass auch rein qualitative städtebauliche Maßnahmen eine Innenentwicklung darstellen (vgl. vgl. BVerwG, U.v. 25.4.2023 – 4 CN 5.21 – NVwZ 2023, 1498). Mit dem Bebauungsplan werden hier nicht nur qualitative Maßnahmen wie eine Ortsrandeingrünung festgelegt, sondern mit den Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung soll die bauliche Entwicklung entsprechend der Lage der Grundstücke gesteuert werden.
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2.3.2 Die weiteren von der Antragstellerin geltend gemachten Festsetzungsmängel liegen – abgesehen von den oben dargestellten Mängeln der Grundflächenfestsetzung – nicht vor. Dass die Knödellinie zur Abgrenzung der Festsetzung des Maßes der baulichen Nutzung für den Bauraum auf den Grundstücken FlNr. … und … nicht bis zu den Grundstücksgrenzen durchgezogen ist, ist unschädlich, da sich im Wege der Auslegung ermitteln lässt, dass sich die Festsetzung insbesondere zur Grundfläche auf den auf dem Grundstück liegenden Teil des Bauraums bezieht. Ebenso begegnet die Festsetzung der Wandhöhe im Hinblick auf die Bestimmtheit keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Nach § 18 Abs. 1 BauNVO sind bei der Festsetzung der Höhe baulicher Anlagen die erforderlichen Bezugspunkte zu bestimmen. Aus Gründen der Bestimmtheit und Vollziehbarkeit muss es sich dabei um eindeutig bestimmte oder bestimmbare feste Bezugspunkte handeln (vgl. BayVGH, U.v. 15.6.2021 – 15 N 20.1650 – juris Rn. 37; U.v. 23.6.2020 – 1 N 17.972 – juris Rn. 18). Die Festsetzung etwa der Höhenlage eines bestimmten Punkts einer vorhandenen Verkehrsfläche kann als unterer Bezugspunkt in Betracht kommen, wenn im Zuge der Realisierung des Bebauungsplans eine erhebliche Veränderung dieses Punktes nicht zu erwarten ist (BayVGH, U.v. 7.9.2021 – 1 N 18.870 – juris Rn. 45). Diesen Anforderungen genügt die vorgenommene Höhenfestsetzung. Angesichts des geringen Gefälles der Straße im Planungsgebiet begegnet es im Hinblick auf die Bestimmtheit der Festsetzung keinen Bedenken, dass der Satzungsgeber mangels Festlegung der Grundstückszufahrten dem Bauherrn eine gewisse Bandbreite innerhalb des durch die Straßenhöhe vorgegebenen Rahmens einräumt. Auch für die Hinterliegergrundstücke ist der untere Bezugspunkt ausreichend bestimmt bzw. bestimmbar. Sie werden über die im Bebauungsplan festgesetzte Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung – Wirtschaftsweg – „erschlossen“, sodass bei der gebotenen Auslegung der Bestimmungen des Bebauungsplans für sie die Höhenlage dieser – im Bestand ebenfalls bereits vorhandenen – Wege maßgeblich ist. Die Festsetzung der Verkehrsfläche mit besonderer Zweckbestimmung – Wirtschaftsweg – begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Bei dem Begriff „Wirtschaftsweg“ handelt es sich um einen im allgemeinen Sprachgebrauch gängigen Begriff für einen Weg, der der Bewirtschaftung land- oder forstwirtschaftlicher Grundstücke dient, sodass sich die Zweckbestimmung im Wege der Auslegung ermitteln lässt. Die Festsetzung einer Verkehrsfläche nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BauGB erfordert keine Festlegung, ob es sich um eine öffentliche oder private Verkehrsfläche handelt (vgl. VGH BW, U.v. 18.12.2014 – 5 S 584/13 – DVBl 2015, 442). Auch soweit die Antragstellerin bemängelt, dass die „Umgrenzung von Flächen zum Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen gem. Grünordnung“ unbestimmt sei, liegt ebenfalls kein Festsetzungsmangel vor. Dass die in der Zeichenerklärung dargestellte schwarze Linie bei der planerischen Festsetzung fehlt, ist offensichtlich ein redaktionelles Versehen, das im Wege der Auslegung überwunden werden kann.
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2.3.4. Die geltend gemachten Ermittlungsdefizite bzw. Abwägungsfehler im Hinblick auf die Grundstücke der Antragstellerin liegen nicht vor.
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Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), zu ermitteln und bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB). Denn die Berücksichtigung aller bedeutsamen Belange in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB setzt deren ordnungsgemäße Ermittlung und zutreffende Bewertung voraus (vgl. BVerwG, B.v. 12.6.2018 – 4 B 71.17 – ZfBR 2018, 601). Gemäß § 1 Abs. 7 BauGB sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Das Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss, oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 5.5.2015 – 4 CN 4.14 – NVwZ 2015, 1537; B.v. 15.5.2013 – 4 BN 1.13 – ZfBR 2013, 573). Der Satzungsgeber muss ebenso wie der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden (vgl. BVerfG, B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 727). Dies gilt auch für das Verhältnis der von der Planung betroffenen privaten und öffentlichen Belange untereinander. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks muss von der Gemeinde als ein wichtiger Belang privater Eigentümerinteressen in der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung beachtet werden. Eine Gemeinde‚ die vorhandene Baurechte mit den Mitteln der Bauleitplanung einschränkt‚ muss ein zutreffendes Bild von deren Umfang haben. Nur unter dieser Voraussetzung kann sie das private Interesse am Erhalt dieser Rechte mit dem öffentlichen Interesse an einer Neuordnung des Plangebiets sachgerecht abwägen (BVerfG‚ B. v. 19.12.2002 a.a.O.). Das gilt insbesondere auch für den Umfang eines nach § 34 BauGB bestehenden Baurechts. Letzteres kann und muss zwar in der Regel nicht quadratmetergenau ermittelt werden; die Gemeinde muss aber eine auf einer zutreffenden überschlägigen Ermittlung beruhende Vorstellung davon haben‚ ob und in welchem Umfang die beabsichtigte Planung bestehendes Baurecht einschränkt (BayVGH‚ U.v. 22.5.2023 -1 N 17.817 – juris Rn. 21; U.v. 25.10.2010 – 1 N 06.2609 – BayVBl 2011‚ 764).
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Hieran gemessen liegen die geltend gemachten Ermittlungsdefizite sowie Abwägungsfehler nicht vor. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat die Gemeinde für die Ermittlung des Baurechts zu Recht primär auf die Bebauung im Planungsgebiet abgestellt. Die westlich durch den H.weg vom Planungsgebiet getrennte großflächige Bebauung stellt nach dem Ergebnis des Augenscheins einen Fremdkörper dar, dem keine prägende Wirkung für das Plangebiet zukommt. Soweit die Antragstellerin die außerhalb des Planungsgebiets gelegene Bebauung im Bereich H.. Straße …, …, …, und … als prägend ansieht, ist bereits nicht dargetan, dass sich dies auf das Abwägungsergebnis auswirken könnte. Die dortige Bebauung entspricht nach dem im Augenschein gewonnen Eindruck im Wesentlichen der im Planungsgebiet entlang der H.. Straße gelegenen Bebauung. Die weiter von der Antragstellerin angeführte Bebauung A.. Straße … und …, die jedenfalls zum Teil landwirtschaftlich genutzt wird, entfaltet keine prägende Wirkung für das Planungsgebiet.
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Die Gemeinde hat im Rahmen des Aufstellungsverfahrens die Grundflächen der Hauptbaukörper sowie die im Planungsgebiet im Bestand vorhandenen Wandhöhen sowie die Anzahl der Vollgeschosse ermittelt. Anhand der Grundflächen, der Wandhöhen, der Anzahl der Vollgeschosse sowie der Dachformen hat die Antragsgegnerin ein ausreichendes Bild der für die Frage des Einfügens nach § 34 BauGB relevanten Kubatur der Bestandsbebauung gewonnen; die Ermittlung der Geschossfläche ist hierfür nicht erforderlich. Die von der Antragstellerin im Rahmen des Aufstellungsverfahrens erhobenen Einwendungen mit den hierzu vorgelegten Plänen haben der Antragsgegnerin in Zusammenschau mit den von ihr selbst vorgenommenen Ermittlungen zur Bestandsbebauung einen ausreichenden Eindruck hinsichtlich des von der Antragstellerin beanspruchten Baurechts verschafft. Hiervon ausgehend hat die Antragsgegnerin für die Grundstücke der Antragstellerin in nicht zu beanstandender Weise die Festsetzungen für das Maß der baulichen Nutzung sowie der überbaubaren Grundstücksflächen getroffen. Dabei kann offenbleiben, ob hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung die Bebauung entlang der H.. Straße das in dritter Reihe, deutlich von der Straße und der dortigen Bebauung zurückversetzt gelegene Grundstück FlNr. … der Antragstellerin prägt. Denn die Antragsgegnerin hat bei ihrer Abwägung auch berücksichtigt, dass eine Einschränkung eines bestehenden Baurechts der Antragstellerin jedenfalls in Bezug auf die städtebauliche Zielsetzung gerechtfertigt ist. Die Antragsgegnerin strebt im Bereich der Hinterliegerbebauung eine geringere Nachverdichtung mit einer Abstufung der Bebauungsdichte und Höhe zum Außenbereich hin an. Sie greift damit die bereits im Bestand vorhandene Bebauung auf, die – wie der Augenschein bestätigt hat – einen harmonischen Übergang zum Außenbereich herstellt und schreibt diesen fort. Angesichts der exponierten Lage des Grundstücks FlNr. … – deutlich zurückversetzt von der H.. Straße und direkt am Übergang zum Außenbereich, der an der nördlichen und östlichen Hauswand der dortigen Bestandsbebauung beginnt, begegnet es keinen Bedenken, dass die Festsetzungen des Bebauungsplans sich im Wesentlichen auf die Festsetzung des Bestands beschränken. Der auf dem Grundstück FlNr. … vorhandene Bestand ist gegenüber der Bebauung auf dem Nachbargrundstück Grundstück FlNr. … deutlich nach Norden zum Außenbereich hin orientiert. Der Bauraum auf dem letztgenannten Grundstück wird zudem gegenüber dem Bestand noch etwas nach Süden zurückversetzt, sodass das städtebauliche Konzept der Antragsgegnerin auch insoweit widerspruchsfrei umgesetzt wird. Für das in zweiter Reihe gelegene Grundstück FlNr. … sieht der Bebauungsplan eine gegenüber dem Bestand deutlich Erhöhung der Grundfläche sowie der Wandhöhen vor. Dass die im Bebauungsplan getroffenen Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung hinter der in erster Reihe der H.. Straße gelegenen Bebauung zurückbleiben, ist auf Grund der Lage des Grundstücks, das von der H.. Straße zurückversetzt ist und an das sich nordöstlich und östlich der Außenbereich anschließt, städtebaulich nachvollziehbar. Die für das Grundstück FlNr. … festgesetzte Wandhöhe sowie die festgesetzte Grundfläche entsprechen den Festsetzungen des östlich ebenfalls in zweiter Reihe gelegenen Grundstücks FlNr. … Soweit die Antragstellerin meint, dass die Antragsgegnerin bei der Bebauung im Bereich der M.. Straße keine Staffelung vorgenommen habe, lässt sie unberücksichtigt, dass die dortige Bebauung sich nicht als Hinterliegerbebauung zur H.. Straße darstellt, sondern als eigene Siedlungsentwicklung entlang der dortigen Straße. Auch der Einwand, dass die gesamte Bebauung entlang der H.. Straße an den Außenbereich angrenze, dort aufgrund der festgesetzten Bauräume ebenfalls eine zweireihige Bebauung entstehen könne und damit das städtebauliche Konzept der Antragsgegnerin nicht widerspruchsfrei umgesetzt werde, greift nicht durch. Unabhängig davon, dass bei einem Großteil der Grundstücke entlang der H.. Straße die Bauräume so eng gefasst werden, dass angesichts von einzuhaltenden Abstandsflächen eine zweireihige Bebauung nicht zu erwarten steht, orientieren sich die Baugrenzen zum Außenbereich hin an der Flucht des umliegenden Bestands und bleiben deutlich hinter der Bautiefe für die Grundstücke der Antragstellerin zurück. Die Abwägungsentscheidung der Antragsgegnerin, dass eine Einschränkung des Baurechts der Antragstellerin im Hinblick auf ihre städtebauliche Zielsetzung gerechtfertigt ist, begegnet daher unter den von der Antragstellerin ausgeführten Gründen keinen rechtlichen Bedenken.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
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Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Ziffer I der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen wie die angefochtene Satzung (§ 10 Abs. 3 BauGB).