Titel:
Unzulässiger Antrag auf Zulassung der Berufung in einem Verfahren über die Erhebung von Gebühren für die "Fehlbelegung" einer Asylbewerberunterkunft
Normenketten:
AsylblG § 2
DVAsyl § 25 Abs. 2
Leitsätze:
1. Hat eine die Asylbewerberunterkunft nutzende Person im jeweiligen Nutzungszeitraum bedarfsdeckende Einkünfte bezogen, greift der grundrechtlich fundierte „Freistellungsanspruch“ grundsätzlich nicht ein. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird der Betroffene im Wege einer Sammelabrechnung für in der Vergangenheit liegende Zeiträume mit der Gebührenabrechnung in Anspruch genommen, kann gleichwohl ein auf den Monat der Fälligkeit der Gebührenforderungen bezogener Anspruch auf existenzsichernde Leistungen bestehen; diesen einzufordern obliegt grundsätzlich dem Gebührenschuldner. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gebühren für Benutzung einer Asylbewerberunterkunft, Bedarfsdeckendes Erwerbseinkommen, Asylbewerberunterkunft, Gebührenerhebung, Fehlbelegung, bedarfsdeckendes Einkommen, Sammelabrechnung
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 23.11.2023 – Au 2 K 22.2474 u.a.
Fundstelle:
BeckRS 2024, 7458
Tenor
I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 23. November 2023 – Au 2 K 22.2474 – wird verworfen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben
Gründe
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1. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin die Aufhebung der Gebührenbescheide des Beklagten vom 22. November 2022 weiter. Vom 14. August 2014 bis zum 8. Juni 2022 bewohnte sie eine staatliche Unterkunft für die Unterbringung von Asylbewerbern in der Stadt L.. Im genannten Zeitraum war die Klägerin ausländerrechtlich im Besitz einer Duldung. Für den Zeitraum Januar 2018 bis August 2021 setzte der Beklagte in den streitgegenständlichen Bescheiden Gebühren für die Inanspruchnahme eines 2-4-Bett-Zimmers in Höhe von 79,- € monatlich fest. Abweichend hiervon betrug die festgesetzte Gebühr für den Monat April 2021 55,85 €, für den Monat November 2018 0,- €. Von Januar bis Oktober 2018 war die Klägerin nicht erwerbstätig, bezog jedoch Arbeitslosengeld. Seit November 2018 ist sie als Reinigungskraft tätig, zuletzt mit unbefristetem Arbeitsvertrag bei der Stadt L.. Mit Urteil vom 23. November 2023 wies das Verwaltungsgericht Augsburg die gegen die Gebührenbescheide gerichteten Anfechtungsklagen – nicht vom Klageantrag umfasst waren dabei die Gebührenbescheide betreffen die Monate Februar, März und November 2018 – als unbegründet ab. Gegen diese Entscheidung richtet sich nunmehr der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung, mit dem sie die Verletzung rechtlichen Gehörs als Verfahrensfehler im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, ferner die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geltend macht.
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2. Der Zulassungsantrag erweist sich als unzulässig, da das Vorbringen des Bevollmächtigten der Klägerin im Zulassungsverfahren bereits dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht genügt.
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2.1 Die Darlegung von Zulassungsgründen verlangt, dass der Antragsteller den Sachverhalt inhaltlich durchdringt und sich mit den Gründen des angefochtenen Urteils substanziell auseinandersetzt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 63). Zur Darlegung der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bedarf es dabei der substantiierten Darstellung, wodurch das rechtliche Gehör verletzt ist und warum die angefochtene Entscheidung auf dem behaupteten Mangel beruhen kann (Roth in BeckOK VwGO, Stand 1.1.2024, § 124a Rn. 79.1). Speziell die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfordert, dass der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formuliert, ausführt, weshalb diese Rechtsfrage für den konkreten Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, erläutert, weshalb die konkrete Frage klärungsbedürftig ist und schließlich darlegt, weshalb der Rechtsfrage eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. ebenfalls Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 72). Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit der Rechtsfrage muss unter inhaltlicher Durchdringung der Materie und Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts anhand des konkreten Sachverhalts deutlich machen, dass die Entscheidung dem bestehenden Klärungsbedarf nicht gerecht wird.
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2.2 Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin in der Zulassungsbegründung zunächst auf die Situation anerkannter und nicht anerkannter mittelloser Flüchtlinge sowie auf die hierzu ergangene Rechtsprechung des Senats (BayVGH B.v. 10.7.2023 – 12 C 23.30311 – BeckRS 2023, 18920) Bezug nimmt, fehlt es bereits an der Darlegung, dass die genannte Rechtsprechung auf die Klägerin, die während des streitgegenständlichen Zeitraums zunächst Arbeitslosengeld sowie anschließend Erwerbseinkommen als Reinigungskraft bezogen hat, überhaupt Anwendung findet. Völlig unsubstantiiert, weil nicht fallspezifisch konkret, erweist sich ferner die Rüge, die „rechtsunkundige“ Klägerin sei mangels entsprechender „Beratung“ „um ihre Rechte gebracht worden“. Im Übrigen handelt es sich bei dem entsprechenden Vorbringen auch nicht um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Gleichfalls ohne entsprechende substantiierte Durchdringung des Falls und entsprechende Darlegung bleibt die Behauptung, für die Klägerin sei auch die Erbringung von Ratenzahlungen nicht möglich, da sie neben laufenden Unterkunftsgebühren auch die Raten aus zurückliegenden angesammelten Unterkunftsgebühren zu begleichen habe. Ungeachtet dessen, dass es sich auch insoweit nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung handelt, wird schon nicht dargelegt, dass die Klägerin für Unterkunftsgebühren aus der Vergangenheit aktuell Ratenzahlungen leistet. Ferner bleibt unberücksichtigt, dass der Klägerin inzwischen aus der Unterkunft ausgezogen ist.
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Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin schließlich die „Rechtsfrage“ formuliert, ob „die Forderungen der Regierung von Unterfranken ausschließlich bezogen auf Asylbewerber/innen, sowie anerkannte Asylbewerber/innen“ bestehen und ob diese „bei einer Vielzahl der zahlreichen Betroffenen zu einer ‚Schuldenfalle‘ bzw. ‚Schuldknechtschaft‘ [führen], die sie selbst nicht verursacht haben“, liegen die unter Ziffer 2.1. für die Darlegung des Berufungszulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache offensichtlich nicht vor.
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2.3 Auch die Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs der Klägerin bleibt gemessen an den unter 2.1 dargestellten Vorgaben unsubstantiiert. Dies gilt zunächst, soweit das die Klägerin betreffende Urteil „die in diesem Zusammenhang auch eine auf alle Betroffenen zutreffende Sachlage nicht ausgeführt und zu Gehör gebracht“ haben soll. Auch liegt in der Forderung des Bevollmächtigten der Klägerin nach Übertragung der Grundsätze der Senatsrechtsprechung zur Gebührenforderung bei mittellosen anerkannten Flüchtlingen auf nicht anerkannte Flüchtlinge keine Gehörsrüge. Auch das behauptete „Ignorieren“ der Senatsrechtsprechung zum Erlass von Gebührenforderungen stellt keinen Gehörsverstoß dar. Ein Erlass der Gebührenforderung war nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens.
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Angesichts des vorstehend Ausgeführten war daher der Berufungszulassungsantrag mangels substantiierter Darlegung von Zulassungsgründen als unzulässig zu verwerfen.
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3. Ungeachtet dessen weist der Senat im Zusammenhang mit der gegen die Klägerin gerichteten Gebührenforderung auf Folgendes hin:
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Während des vorliegend streitgegenständlichen Zeitraums, in dem die Klägerin die Unterkunft des Beklagten genutzt hat, hat sie zunächst von Januar 2018 bis November 2018 Arbeitslosengeld, in der Folgezeit aufgrund einer Tätigkeit als Reinigungskraft bei verschiedenen Unternehmen, zuletzt bei der Stadt L. Erwerbseinkommen bezogen. Aufgrund ihres aufenthaltsrechtlichen Status im streitgegenständlichen Zeitraum – die Klägerin war im Besitz von Duldungen nach § 60a Abs. 2 AufenthG – sowie ihrer Einreise in die Bundesrepublik bereits im Jahr 2014 zählte die Klägerin zum Personenkreis des § 2 AsylbLG. Dieser Umstand führt nach § 22 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des Asylgesetzes, des Asylbewerberleistungsgesetzes, des Aufnahmegesetzes und des § 12a des Aufenthaltsgesetzes (DVAsyl) zu einer grundsätzlichen Kostentragungspflicht für die anfallenden Unterkunftsgebühren, sofern der jeweilige Kostenschuldner – wie die Klägerin – über Einkommen oder Vermögen verfügt. Weiter trägt für diesen Personenkreis § 25 Abs. 2 DVAsyl der verfassungsrechtlich gebotenen Freistellung des Existenzminimums Rechnung, indem die Gebühren auf den Differenzbetrag zwischen dem anrechenbaren Einkommen und Vermögen einerseits und dem laufenden sozialhilferechtlichen Bedarf andererseits reduziert werden. Dementsprechende Berechnungen finden sich in der elektronischen Akte des Beklagten jeweils im Anhang an die monatsbezogenen Gebührenbescheide. Angesichts der Regelung in § 25 Abs. 2 DVAsyl sowie des Umstands, dass für Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz grundsätzlich kein Anspruch auf Leistungen nach SGB II und SGB XII besteht, kommt die Rechtsprechung des Senats betreffend die Unterkunftsgebühren bei (teilweise) mittellosen anerkannten Asylberechtigten im vorliegenden Fall auf die Klägerin nicht zur Anwendung. Das Beziehen eines bedarfsdeckenden Einkommens sowie die fehlende Leistungsberechtigung nach dem SGB II und dem SGB XII stehen der Abtretung entsprechender Ansprüche an Erfüllungs statt an den Beklagten entgegen.
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Wird die Betroffene, wie im vorliegenden Fall, indes im Wege einer Sammelabrechnung für in der Vergangenheit liegende Zeiträume mit der Gebührenabrechnung in Anspruch genommen, kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 19.5.2021 – B 14 AS 19/20 R – BeckRS 2021, 22925, Rn. 29 und Amtlicher Leitsatz) gleichwohl ein bezogen auf den Monat der Fälligkeit der Gebührenforderungen begrenzter Anspruch auf existenzsichernde Leistungen bestehen, wenn die entsprechenden Einkünfte für die Begleichung der gesammelten Gebührenforderung nicht ausreichen. Dies liegt im Fall der Klägerin nahe, da der Beklagte mit den Bescheiden vom 22. November 2022 für insgesamt 44 Monate rückwirkend Benutzungsgebühren nach der DVAsyl geltend gemacht hat. Es obliegt insoweit jedoch der Gebührenschuldnerin selbst, eventuell im Monat der Fälligkeit der Gebührenbescheide bestehende Ansprüche gegenüber dem jeweiligen Sozialleistungsträger einzufordern.
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4. Die Klägerin trägt nach § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden in Angelegenheiten der Fürsorge wie der vorliegenden nach § 188 Satz 2, 1 VwGO nicht erhoben.
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Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.