Titel:
Untersuchungsanordnung, Krankheitszeiten während vorläufiger Dienstenthebung
Normenketten:
BeamtStG § 26
BayBG Art. 65
Schlagworte:
Untersuchungsanordnung, Krankheitszeiten während vorläufiger Dienstenthebung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 02.02.2024 – RN 1 E 24.73
Fundstelle:
BeckRS 2024, 7437
Tenor
I. In Abänderung von Nummer I. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 2. Februar 2024 wird die Antragstellerin vorläufig von der Verpflichtung zur Durchführung etwaiger, vom Dienstherrn nicht gesondert angeordneter fachärztlicher Zusatzuntersuchungen freigestellt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. In Abänderung von Nr.
II. des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 2. Februar 2024 trägt die Antragstellerin die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und des Beschwerdeverfahrens zu drei Vierteln, der Antragsgegner zu einem Viertel.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe
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Die zulässige Beschwerde ist nur teilweise begründet. Die fristgerecht dargelegten Beschwerdegründe, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen es nur, dem erstinstanzlich erfolglosen Antrag, die Antragstellerin im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO vorläufig von der gemäß § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. Art. 65 BayBG angeordneten Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung freizustellen, insoweit stattzugeben, als sich die Anordnung des Antragsgegners vorsorglich auch auf die Durchführung etwaiger vom Amtsarzt für erforderlich erachteten fachärztlichen Zusatzbegutachtungen erstreckt.
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1. Die Antragstellerin hat einen Anspruch, sie im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig von der Durchführung einer allgemeinmedizinischen amtsärztlichen Untersuchung bei der Medizinischen Untersuchungsstelle der Regierung von Oberbayern zur Überprüfung ihrer Dienstfähigkeit freizustellen, nicht glaubhaft gemacht, da die Anordnung des Antragsgegners vom 23. Oktober 2023 insoweit formell und inhaltlich nicht zu beanstanden ist.
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1.1 Nach Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG ist die Behörde zur Anordnung einer ärztlichen Untersuchung berechtigt, wenn Zweifel über die Dienstunfähigkeit des Beamten bestehen. Aufgrund hinreichend gewichtiger tatsächlicher Umstände muss zweifelhaft sein, ob der Beamte wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen noch in der Lage ist, die Dienstpflichten seines abstrakt-funktionellen Amtes zu erfüllen. Der Aufforderung müssen tatsächliche Feststellungen zugrunde liegen, die die Dienstunfähigkeit des Beamten als naheliegend erscheinen lassen (BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68.11 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 18.2.2016 – 3 CE 15.2768 – juris Rn. 21). Die Anordnung gemäß Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG muss nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit inhaltlichen und formellen Anforderungen genügen (vgl. etwa BVerwG, U.v. 10.4.2014 – 2 B 80.13 – juris Rn. 8). Der betreffende Beamte muss anhand der in der Anordnung mitgeteilten tatsächlichen Umstände nachvollziehen und prüfen können, welcher Vorfall oder welches Ereignis zur Begründung der Aufforderung herangezogen wird und ob die angeführten Gründe tragfähig sind (BVerwG, U.v. 30.5.2013 a.a.O. juris Rn. 20).
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Diesen Anforderungen genügt die streitgegenständliche Untersuchungsaufforderung, indem sie auf die durch ärztliche Bescheinigungen nachgewiesenen Zeiten der Arbeitsunfähigkeit der Antragstellerin im Zeitraum vom 11. März bis 8. Mai 2023 und vom 26. Juni bis 6. September 2023 verweist. Denn nach der gesetzlichen Vermutungsregel des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, Art. 65 Abs. 1 BayBG kann als dienstunfähig auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. Dies stellt der angefochtene Beschluss (BA S. 13) zutreffend fest und wird von der Antragstellerin nicht infrage gestellt. Die amtsärztliche Untersuchung dient in diesen Fällen dem Zweck festzustellen, ob Aussicht besteht, dass innerhalb der gesetzlich bestimmten Frist die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist (vgl. BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris Rn. 48).
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1.2 Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. Art. 65 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BayBG entfallen entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht aufgrund des Umstands, dass sie bereits vor und auch noch während des Zeitraums der festgestellten Arbeitsunfähigkeit während eines Disziplinarverfahrens, das keinen Zusammenhang mit Erkrankungen aufweist, vorläufig des Dienstes enthoben war.
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Die in § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG aufgestellte Vermutung (BT-Drs. 16/4027, S. 28) stellt einen Unterfall des § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG dar. Danach ist entscheidend, ob der Beamte wegen seines körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung seiner Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) ist. Es kommt also auf die gesundheitliche Fähigkeit zur Dienstleistung an. Aus dem systematischen Zusammenhang sowie dem Sinn und Zweck ergibt sich mithin, dass (allein) aus den in § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, Art. 65 Abs. 1 BayBG definierten Krankheitszeiten auf die Dienstunfähigkeit bzw. Zweifel an der Dienstfähigkeit geschlossen wird. Der Wortlaut des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, Art. 65 Abs. 1 BayBG steht dem nicht entgegen, da die bescheinigten Zeiten der Arbeitsunfähigkeit eine weitere Ursache für die fehlende Dienstleistung darstellen, die diese unabhängig von der verfügten vorläufigen Dienstenthebung selbständig bedingen. Denn aufgrund der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen stand fest, dass die Antragstellerin während der darin ausgewiesenen Zeiten infolge Erkrankung keinen Dienst leisten konnte. Wäre also die – lediglich vorläufige – Dienstenthebung während der Arbeitsunfähigkeit der Antragstellerin aufgehoben oder von ihrer Verhängung gänzlich abgesehen worden, wäre die Antragstellerin gleichwohl aus gesundheitlichen Gründen zur Dienstleistung außer Stande gewesen. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Regelung rechtfertigen es, im Rahmen der dem Dienstherrn zukommenden Ermächtigung zur Aufklärung der Dienstfähigkeit eines Beamten mittels eines amtsärztlichen Gutachtens danach zu unterscheiden, ob diesbezügliche begründete Zweifel zeitlich vor oder nach einer etwaigen vorläufigen Dienstenthebung hervortreten. Auch erfordern oder rechtfertigen die von Seiten der Antragstellerin angeführten Zweckmäßigkeitserwägungen es nicht, im Hinblick auf die vorläufige Dienstenthebung von der Klärung der Dienstfähigkeit Abstand zu nehmen. Zum einen folgt dies mit Blick auf die Vorläufigkeit der verfügten disziplinarischen Maßnahme aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber der Antragstellerin, die im Falle deren Aufhebung unmittelbar wieder zur Dienstleistung verpflichtet wäre. Zum anderen entspricht eine zeitnahe Klärung der Dienstfähigkeit bei begründeten Zweifeln dem öffentlichen Interesse an einer sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln. Liegt – aufgrund der im Verfahren getroffenen Feststellungen – Dienstunfähigkeit vor und kommen Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation (anderweitige Verwendung nach § 26 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Abs. 2 und 3 BeamtStG oder begrenzte Dienstfähigkeit nach § 27 BeamtStG) nicht in Betracht, ist der Dienstherr aufgrund des klaren Gesetzesbefehls des § 26 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG („sind in den Ruhestand zu versetzen“) zur Ruhestandsversetzung verpflichtet; ein Ermessen steht ihm hierbei nicht zu.
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Dass neben den bescheinigten Erkrankungen noch ein weiterer Umstand (vorläufige Dienstenthebung) ursächlich für die fehlende Dienstleistung war, schließt nach alledem den Tatbestand des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG i.V.m. Art. 65 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BayBG nicht aus und vermag die aus den Fehlzeiten resultierenden Zweifel an der Dienstfähigkeit weder zu beseitigen noch es zu rechtfertigen, diesen nicht nachzugehen (so auch OVG Bremen, B.v. 26.6.2023 – 2 B 29/23 – juris Rn. 24; vgl. auch OVG NW, B.v. 3.9.2018 – 6 B 860/18 – juris Rn. 44).
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1.3 Der Auffassung der Antragstellerin, die Untersuchungsanordnung sei hinsichtlich Art und Umfang der Untersuchung zu unbestimmt, ist – soweit sie die Anordnung einer allgemeinmedizinischen amtsärztlichen Untersuchung betrifft – ebenfalls nicht zu folgen.
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1.3.1 Eine Beschränkung des Untersuchungsumfangs auf das kardiologische und internistische Fachgebiet war auch vor dem Hintergrund, dass sich die Antragstellerin in der Zeit von 11. März bis (wohl) 26. März 2023 in stationärer Behandlung in einer Klinik für Innere Medizin, Kardiologie, Konservative Intensivmedizin und Angiologie befand und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von einem Kardiologen ausgestellt wurden, nicht erforderlich.
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Die vorgelegten Bescheinigungen sind nicht geeignet, dem Dienstherrn zuverlässige Kenntnis über die Art der Erkrankung zu vermitteln (zur erforderlichen Auseinandersetzung mit den vorliegenden Bescheinigungen vgl. BVerwG, B.v. 10.4.2014 – 2 B 80.13 – juris Rn. 11). Zunächst ist der Zweck bzw. Hintergrund des stationären Aufenthalts der Antragstellerin in der genannten Klinik nicht bekannt. Auch kann nicht eindeutig festgestellt werden, dass die Arbeitsunfähigkeit (allein) auf der Erkrankung beruht, derentwegen die Antragstellerin in stationärer Behandlung war, da sie nach dem stationären Aufenthalt offenbar für sieben Wochen arbeitsfähig war, bevor sie erneut für einen Zeitraum von mehr als zwei Monaten arbeitsunfähig erkrankte. Dass die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von einem Kardiologen ausgestellt wurden, bedeutet ebenfalls noch nicht, dass die Fehlzeiten allein auf eine Erkrankung aus dem kardiologischen Fachgebiet zurückzuführen sind. Denn ein Facharzt ist nicht gehindert, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf Grundlage einer Diagnose auszustellen, die außerhalb seines Fachgebietes liegt (vgl. VG Berlin, B.v. 1.12.2021 – 5 L 259/21 – juris Rn. 27). Allein der Umstand, dass es – wie der Bevollmächtigte der Antragstellerin in seiner Replik vom 9. April 2024 ausführt – nicht fernliegend ist, dass von einem Facharzt bescheinigte mehrmonatige Arbeitsunfähigkeitszeiten auf einer in sein Fachgebiet fallenden Diagnose beruhen, erfordert in Abwägung mit dem Interesse des Dienstherrn an einer umfassenden und zeitnahen Klärung, ob die durch die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit ausgelöste Vermutung der Dienstunfähigkeit (§ 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, Art. 65 Abs. 1 BayBG) widerlegt ist und Aussicht besteht, dass innerhalb von sechs Monaten die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist, auch vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit keine Einschränkung des Untersuchungsumfangs auf das betreffende Fachgebiet.
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1.3.2 Die streitgegenständliche Untersuchungsanordnung erweist sich auch nicht deshalb als rechtswidrig, weil die Antragstellerin im Vorfeld nicht aufgefordert bzw. ihr nicht Gelegenheit gegeben wurde, Angaben zur Art ihrer Erkrankung zu machen. Derartige vorherige Ermittlungsmaßnahmen des Dienstherrn sind nicht stets aus Verhältnismäßigkeitsgründen geboten, um sich so Kenntnis zu verschaffen, welche ärztlichen Untersuchungen im konkreten Fall angezeigt sind (OVG NW, B.v. 23.3.2023 – 6 B 308/23 – juris Rn. 40 ff.; offen gelassen in BVerwG, B.v. 16.5.2018 – 2 VR 3.18 – juris Rn. 7).
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Solche behördlichen Vorermittlungen dürften – trotz des gebotenen Hinweises auf die Freiwilligkeit entsprechender Angaben (vgl. Nr. 1.3.4 VV BeamtR) – nur einen unwesentlich milderen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Beamten darstellen. Zugleich erscheint die Erreichung des Ziels, sich zuverlässige Kenntnis über die Gründe der Fehlzeiten zu verschaffen, welche eine Eingrenzung des Untersuchungsauftrags erlauben würde, zweifelhaft, da die fehlende Offenbarungspflicht des Beamten gegenüber dem Dienstherrn (vgl. Nr. 1.3.4 VV BeamtR) die Gefahr unzureichender Verlässlichkeit bzw. Unvollständigkeit etwaiger Informationen des Beamten birgt und es für den Dienstherrn ungleich schwieriger als für den Amtsarzt zu beurteilen ist, ob die Angaben des Beamten plausibel und die angegebenen Gründe die Ursache für die Dienstunfähigkeit sind. Dem Dienstherrn ist es daher grundsätzlich nicht verwehrt, gestützt auf die gesetzliche Vermutungsregel des § 26 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, Art. 65 Abs. 1 BayBG zur Klärung der Frage, ob Aussicht besteht, dass der Beamte innerhalb weiterer sechs Monate wieder voll dienstfähig sein wird, unmittelbar auf das hierfür gesetzlich vorgesehene Mittel der amtsärztlichen Untersuchung (vgl. Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG) in Form einer orientierenden, allgemeinmedizinischen Erstuntersuchung zurückzugreifen. Hat die Behörde keinerlei weitergehende Erkenntnisse als die, dass und in welchem Umfang der Beamte krankheitsbedingte Fehltage aufweist, kann sie auch nur dies als Grund für ihre Zweifel an der dauernden Dienst(un) fähigkeit des Beamten anführen; ist den vom Beamten eingereichten ärztlichen Attesten (Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigungen, „Krankschreibungen“) kein Grund der gesundheitlichen Beeinträchtigung zu entnehmen und ist ein solcher Grund von dem Beamten auch nicht anderweitig freiwillig offenbart worden oder sonst wie bekannt geworden, kann die Behörde – naturgemäß – auch die Art und den Umfang der ärztlichen Untersuchung nicht näher eingrenzen (BVerwG, B.v. 14.3.2019 a.a.O. juris Rn. 50).
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1.4 Soweit die Antragstellerin schließlich einwendet, es sei ihr nicht zuzumuten, der medizinischen Untersuchungsstelle die geforderten Unterlagen (Beurteilungsgrundlage, Fragebogen, aktuelle Befundberichte der behandelnden Ärzte, Abschlussberichte von Krankenhausaufenthalten sowie schriftliche Befunde technischer Untersuchungen wie Röntgenaufnahmen) vorzulegen, weil der Antragsgegner die medizinische Untersuchungsstelle mit Schreiben vom 15. Januar 2024 ausdrücklich gebeten habe, ihm etwaige von der Antragstellerin bereits eingereichte Unterlagen zu übersenden, damit diese dem Verwaltungsgericht vorgelegt werden könnten, und die Antragstellerin somit befürchten müsse, dass der Dienstherr in den Besitz von ihr eingereichten ärztlichen Unterlagen komme und Kenntnis von gestellten Diagnosen erhalte, führt dieser Vortrag nicht dazu, dass die Antragstellerin vorläufig von der Verpflichtung zur Vorlage der geforderten Unterlagen an die medizinische Untersuchungsstelle zu entbinden wäre.
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Zwar ist in der Tat unklar, auf welche Art von von der Antragstellerin bereits eingereichten Unterlagen sich die im Schreiben vom 15. Januar 2024 gegenüber der Untersuchungsstelle ausgesprochene Bitte beziehen soll. Zum einen hatte der Dienstherr die medizinische Untersuchungsstelle im Gutachtensauftrag hinsichtlich der Übermittlung des Untersuchungsergebnisses jedoch ausdrücklich auf die Anforderungen und Beschränkungen des Art. 67 BayBG hingewiesen. Zum anderen ist das einstweilige Rechtsschutzverfahren vor dem Verwaltungsgericht, auf das sich das Schreiben vom 15. Januar 2024 ausdrücklich bezog, bereits abgeschlossen. Eine naheliegende Gefahr, die Untersuchungsstelle werde dem Dienstherrn entgegen Art. 67 BayBG unmittelbar die Antragstellerin betreffende medizinische Unterlagen übersenden, besteht vor diesem Hintergrund im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nicht. Unabhängig hiervon obliegt es der anwaltlich vertretenen Antragstellerin – sollte sie Derartiges dennoch befürchten –, die medizinische Untersuchungsstelle nachdrücklich auf die Regelung des Art. 67 BayBG hinzuweisen und aufzufordern, die Übermittlung medizinischer Befunde unmittelbar an den Dienstherrn zu unterlassen. Dass die medizinische Untersuchungsstelle dies (dennoch) beabsichtigen würde, ist weder ersichtlich noch glaubhaft gemacht.
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2. Soweit sich die Anordnung des Antragsgegners vorsorglich auch auf die Durchführung etwaiger vom Amtsarzt für erforderlich erachteter fachärztlicher Zusatzbegutachtungen erstreckt, erweist sie sich allerdings voraussichtlich als rechtswidrig, so dass die Antragstellerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig von der Durchführung etwaiger, vom Dienstherrn nicht gesondert angeordneter fachärztlicher Zusatzuntersuchungen freizustellen ist.
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2.1 In der streitgegenständlichen Untersuchungsanordnung wurde bereits „die Zustimmung“ zur Einholung etwaiger Zusatzgutachten erteilt, bei denen der Dienstherr vor Auftragserteilung lediglich wegen der voraussichtlichen Kosten kontaktiert werden soll. Das ist mit dem Verwaltungsgericht dahingehend zu verstehen, dass der Antragsgegner selbst bereits jetzt vorsorglich die Anordnung getroffen hat, die Antragstellerin habe sich über die angeordnete allgemeinmedizinische Untersuchung hinaus einer fachärztlichen Zusatzbegutachtung zu unterziehen, soweit dies aus amtsärztlicher Sicht erforderlich sei. Eine solche vorsorgliche Anordnung des Dienstherrn verstößt im Lichte der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 14.1.2022 – 2 BvR 1528/21; B.v. 21.10.2020 – 2 BvR 652/20 – jeweils juris) gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (BayVGH, B.v. 28.3.2022 – 3 CE 22.508 – juris Rn. 16 ff.; HessVGH, B.v. 23.8.2021 – 1 B 2452/20 – juris Rn. 26; a.A. BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris Rn. 58; OVG NW, B.v. 17.1.2022 – 6 B 54/22 – juris Rn. 9).
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Der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen (BA S. 17 f.) Feststellung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B.v. 14.3.2019 a.a.O. juris Rn. 58), wonach in einer vom Dienstherrn selbst bereits vorsorglich getroffenen Anordnung, dass sich die Beamtin bzw. der Beamte ggf. einer vom Amtsarzt für erforderlich gehaltenen Zusatzbegutachtung zu unterziehen hat, keine unzulässige (Vorab-)Delegation liege, vermag sich der Senat vor dem Hintergrund der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (B.v. 14.1.2022 a.a.O. juris Rn. 25; B.v. 21.10.2020 a.a.O. juris Rn. 35) nicht anzuschließen. Aufgrund des Eingriffs in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 21.10.2020 a.a.O. juris Rn. 32; BVerwG, U.v. 30.5.2013 a.a.O. juris Rn. 22) muss der Beamte der Weisung des Dienstherrn, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, nur dann Folge leisten, wenn ein hinreichender Anlass für die Untersuchungsanordnung besteht und wenn diese in ihrem Umfang nicht über das Maß hinausgeht, welches für die Feststellung der Dienstfähigkeit des Beamten erforderlich ist. Sowohl Anlass als auch Art und Umfang der durchzuführenden Untersuchung sind – insbesondere, um dem Beamten effektiven Rechtsschutz noch vor dem Untersuchungstermin zu ermöglichen – in der Untersuchungsanordnung zu benennen (BVerfG, B.v. 21.10.2020 a.a.O. juris Rn. 35; BVerfG, B.v. 14.1.2022 a.a.O. juris Rn. 25; vgl. BVerwG, U.v. 30.5.2013 a.a.O. juris Rn. 23). Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beamte das alleinige Risiko der späteren gerichtlichen Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Anordnung trägt. Hat er die Untersuchung verweigert, weil er die Anordnung als rechtswidrig angesehen hat, geht es bei der Würdigung aller Umstände nach dem Rechtsgedanken des § 444 ZPO regelmäßig zu seinen Lasten, wenn das Gericht nachträglich die Rechtmäßigkeit der Anordnung feststellt. Unterzieht sich der betroffene Beamte demgegenüber der angeordneten Untersuchung, so kann das Gutachten auch dann verwendet werden, wenn sich die Aufforderung als solche bei einer gerichtlichen Prüfung als nicht berechtigt erweisen sollte. Die Rechtswidrigkeit der Gutachtensanordnung ist nach Erstellung des Gutachtens ohne Bedeutung (BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17.10 – juris Rn. 18 m.w.N.; vgl. auch BVerfG, B.v. 14.1.2022 a.a.O. juris Rn. 18 m.w.N.).
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Unterschiedliche fachärztliche Begutachtungen und Untersuchungsmethoden greifen unterschiedlich stark in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf körperliche Unversehrtheit ein. Gerade wenn – wie im vorliegenden Fall – jegliche Anhaltspunkte für ein Krankheitsbild fehlen, kann eine entsprechend weitgehende (Vorab-)Legitimation des Amtsarztes zu erheblichen Grundrechtseingriffen führen, ohne dass diese letztendlich in der konkreten Ausgestaltung unter der Kontrolle der Behörde verblieben; diese würde letztlich die ausschließlich ihr zustehende Eingriffsbefugnis „aus der Hand“ geben. Die Entscheidung über die Einholung von fachärztlichen Zusatzbegutachtungen darf daher nicht in das alleinige Ermessen des untersuchenden Amtsarztes gestellt werden. Eine erneute bzw. ergänzende Untersuchungsanordnung stellt keine „bloße Förmelei“ dar, die lediglich Zeitverlust durch eine „zusätzliche Schleife“ produziert, sondern trägt den (grund-)rechtlichen Interessen des betroffenen Beamten Rechnung, der nur dadurch in die Lage versetzt wird, die voraussichtliche Reichweite des zu erwartenden Eingriffs in seine körperliche Unversehrtheit und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht ermessen zu können und sich erneut für oder gegen die Durchführung der weiter angeordneten Untersuchung zu entscheiden. Auch wenn grundsätzlich davon auszugehen ist, dass eine amtsärztlich angeordnete Ausweitung der Untersuchung in andere Fachbereiche in der Regel aus medizinischen Gründen gerechtfertigt sein wird, und selbst wenn der Dienstherr mangels eigener medizinischer Fachkunde „regelmäßig“ nicht umhinkönnen sollte, sich der amtsärztlichen Einschätzung anzuschließen (BA S. 17 f. unter Verweis auf BVerwG, B.v. 14.3.2019 a.a.O. juris Rn. 58), ist er gleichwohl gehalten, sich eine eigene Meinung zu bilden und die ärztliche Einschätzung zu überprüfen (erkennbare Mängel, unzutreffende tatsächliche Voraussetzungen, unlösbare inhaltliche Widersprüche, Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen). Dem betroffenen Beamten wiederum muss im Vorfeld einer fachärztlichen Zusatzbegutachtung, die aufgrund ihrer Intensität mit gravierenden Grundrechtseingriffen verbunden sein kann (vgl. zur fachpsychiatrischen Untersuchung: BVerwG, U.v. 26.4.2012 – 2 C 17.10 – juris Rn. 17), die Möglichkeit verbleiben, nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit deren Rechtmäßigkeit zu überprüfen (BVerwG, B.v. 10.4.2014 a.a.O. juris Rn. 10).
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Es ist auch nicht von vornherein auszuschließen, dass schon durch eine sich an vom Beamten vorgelegten Unterlagen orientierende (Erst-)Untersuchung die Schwere eines Krankheitsbildes sinnvoll festgestellt werden kann. Dies gilt auch im Hinblick auf die Notwendigkeit der Klärung einer weiteren Verwendungsmöglichkeit. Die Vergabe solcher etwaiger Zusatzgutachten hängt vom Ergebnis der Erstuntersuchung ab. Sollte der Amtsarzt zu der Auffassung gelangen, dass eine abschließende medizinische Aussage über die Dienstfähigkeit des Beamten nicht möglich ist, etwa weil dafür weitergehende Untersuchungen oder eine Zusatzbegutachtung durch einen Facharzt erforderlich sind, hat der Dienstherr die hinreichende Möglichkeit, durch eine weitere Untersuchungsanordnung hierauf zu reagieren.
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2.2 Abschließend wird zur Klarstellung darauf hingewiesen, dass lediglich die Durchführung solcher Untersuchungen einer gesonderten Anordnung durch den Antragsgegner bedarf, welche nicht auch zur Erstellung medizinischer Erstdiagnosen herangezogen werden. Insbesondere gehören auch technische Untersuchungen wie EKG- oder Röntgendiagnostik zum Standarduntersuchungsprogramm im Rahmen einer allgemein-medizinischen Untersuchung (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2023 – 3 CE 23.2135 – juris Rn. 6; B.v. 2.8.2022 – 3 CE 22.1586 – juris Rn. 7).
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und 2 GKG (vgl. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).