Titel:
Regress des Rechtsschutzversicherers wegen anwaltlicher Pflichtverletzung
Normenketten:
VVG § 86
BGB § 280, § 675 Abs. 1
ZPO § 287
Leitsätze:
1. Ist eine Rechtsfrage zulasten des Auskunft suchenden Mandanten durch den BGH geklärt (hier: Gesetzlichkeitsfiktion der Widerspruchsinformation), hat der Rechtsanwalt die Pflicht, den –rechtsschutzversicherten – Mandanten von einer dieser Rechtsprechung entgegenstehenden Rechtsverfolgung abzuraten. (Rn. 15 – 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer solchen Fallgestaltung greift zugunsten des den Anwalt wegen der verauslagten Rechtsverfolgungskosten in Regress nehmenden Rechtsschutzversicherer der Anscheinsbeweis ein, dass der Versicherungsnehmer dem gebotenen anwaltlichen Rat, von der Rechtsverfolgung abzusehen, gefolgt wäre. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsschutzversicherung, Regress, Rechtsanwalt, Pflichtverletzung, Rechtsverfolgungskosten, Widerrufsinformation, Gesetzlichkeitsfiktion
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 17.08.2023 – 4 O 15279/22
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 19.02.2024 – 15 U 3572/23 Rae e
Fundstellen:
NJOZ 2024, 1169
BeckRS 2024, 7274
LSK 2024, 7274
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 17.08.2023, Az. 4 O 415279/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist. Die Zurückweisung der Berufung ist mit der Maßgabe beabsichtigt, das vorgenannte Urteil in Ziffer 1 dahingehend zu berichtigen, dass „an die Widerklägerin“ durch … ersetzt wird.
2. Es ist beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 5.688,63 € festzusetzen.
3. Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Entscheidungsgründe
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Die Parteien streiten um einen auf den Rechtsschutzversicherer übergegangenen Schadensersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen die Klägerin, eine Rechtsanwaltsgesellschaft, aufgrund erfolgloser Geltendmachung von Ansprüchen aus einem Darlehenswiderruf.
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Die Beklagte ist das Schadensabwicklungsunternehmen bei der … der Versicherungsnehmer … rechtsschutzversichert war.
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Der Versicherungsnehmer hatte den als Anlage B4 vorgelegten Darlehensvertrag vom 21.07.2016 über einen Nettodarlehensbetrag von 20.000,00 € mit einer Sparkasse geschlossen. Mit Schreiben vom 04.01.2019 (Anlage B 5) widerrief er persönlich den Darlehensvertrag wegen nicht ordnungsgemäßer Belehrung über das Widerrufsrecht. Der Versicherungsnehmer beauftragte die Klägerin mit der Geltendmachung seiner Rechte. Mit Schreiben vom 14.04.2020 (Anlage B 13) erklärte die Klägerin nochmals den Widerruf und forderte die Sparkasse zur Rückabwicklung auf. Gemäß Klageschrift vom 03.06.2020 (Anlage B 17) erhob sie für den Versicherungsnehmer Klage auf Feststellung des Nichtbestehens von Ansprüchen der Sparkasse auf Zahlung von Zinsen und Tilgung aus dem Darlehensvertrag. Mit Endurteil vom 17.08.2021 (Anlage B 18) wies das Landgericht Arnsberg die Klage ab … Mit E-Mail vom 27.09.2021 (Anlage B 21) teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sich der Mandant letztendlich gegen die Einlegung der Berufung entschieden habe. Die Beklagte hatte Deckungszusage für die außergerichtliche Tätigkeit sowie den ersten und zweiten Rechtszug erteilt.
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Mit Schreiben vom 15.08.2022 (Anlage B 2) forderte die Beklagte die Klägerin zum Ersatz entstandener Kosten in Höhe von 5.688,63 € auf mit der Begründung, die Gegenseite habe sich auf den Musterschutz berufen können, was die Klägerin nach sorgfältiger Prüfung hätte erkennen müssen.
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Mit der vorliegenden Klage hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass der Beklagten aus dem Vorprozess und der außergerichtlichen Tätigkeit keine Ersatzansprüche gemäß § 86 Abs. 1 VVG zustehen. Nachdem die Beklagte Widerklage auf Zahlung von 5.688,63 € nebst Zinsen an die … erhoben hatte, haben die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der Klage übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Nach Vernehmung der Ehefrau des Versicherungsnehmers als Zeugin hat das Landgericht der Widerklage vollumfänglich stattgegeben und die Klägerin zur Zahlung von 5.688,63 € nebst Zinsen verurteilt.
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Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin erscheint unbegründet. Die Prüfung der Berufung durch den Senat hat weder ergeben, dass das angefochtene Urteil auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO beruht, noch dass die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen würden, § 513 Abs. 1 ZPO. Das Ersturteil hält den Angriffen der Berufung stand.
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Dem Versicherungsnehmer steht gegen die Klägerin ein Schadensersatzanspruch wegen fehlerhafter anwaltlicher Beratung aus §§ 280 Abs. 1, 675 Abs. 1 BGB zu, der auf Ersatz eines Kostenschadens in Höhe von 5.688,63 € gerichtet ist und auf die … als Rechtsschutzversicherer übergegangen ist (§ 86 Abs. 1 VVG).
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1. Die Prozessführungsbefugnis der Beklagten als Schadensabwicklungsunternehmen des Rechtsschutzversicherers ist gegeben. Die Beklagte macht den streitgegenständlichen Schadensersatzanspruch aus Anwaltshaftung in zulässiger Weise in gewillkürter Prozessstandschaft geltend. Die Ermächtigung zur Prozessführung ergibt sich aus dem 2. Nachtrag vom … zum Ausgliederungsvertrag über die Rechtsschutz Leistungsbearbeitung vom … Mit der Neufassung von § 2 („Vollmacht“) bevollmächtigt die … die Beklagte …, sie außergerichtlich und gerichtlich bei allen Rechtsgeschäften zu vertreten, die im Zusammenhang mit der Erbringung der vertragsgegenständlichen Leistungen stehen, wozu ausdrücklich auch die Regressführung zählt (§ 2 Abs. 1). Die Regelung ist in Verbindung mit der ergänzenden Regelung in § 2 Abs. 2 („Die … ist insbesondere berechtigt, im eigenen Namen […]“) dahingehend zu verstehen, dass die der Beklagten erteilte Berechtigung nicht auf ein Handeln im fremden Namen beschränkt ist und dies nicht nur („insbesondere“) für die in § 2 Abs. 2 genannten Handlungen gelten soll. Damit liegt nach Auffassung des Senats eine ausreichende Ermächtigung der Beklagten zur Führung des streitgegenständlichen Regressprozesses vor.
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2. Aufgrund des Anspruchsübergangs gemäß § 86 Abs. 1 VVG ist die … aktivlegitimiert. An diese wird mit der Widerklage Zahlung verlangt. Der in der mündlichen Verhandlung vom 15.06.2023 gestellte Widerklageantrag ausdrücklich auf Zahlung an die … gerichtet (Schrift vom …, S. 41 = Bl. 77 d.A.). Der Widerklageantrag wird im Tatbestand des Ersturteils korrekt wiedergegeben (EU S. 6). Auch in den Entscheidungsgründen wird das Zahlungsbegehren im Rahmen der Ausführungen zur Aktivlegitimation zutreffend erfasst (EU S. 8/9). Die abweichende Tenorierung ist offensichtlich versehentlich erfolgt und einer Urteilsberichtigung gemäß § 319 Abs. 1 BGB durch den Senat zugänglich. Solange der Rechtsstreit in der Rechtsmittelinstanz schwebt, ist auch das mit der Sache befasste Rechtsmittelgericht zur Berichtigung zuständig (Zöller/Feskorn, ZPO, 35. Aufl., § 319 Rn. 34 m.w.N.).
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3. Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin die ihr nach dem Anwaltsvertrag gegenüber dem Versicherungsnehmer obliegende Beratungspflicht verletzt hat und es bei pflichtgemäßem Handeln der Klägerin nicht zu einem Vorgehen des Versicherungsnehmers gegen die Sparkasse gekommen wäre.
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a) Dabei ist von folgenden in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen auszugehen:
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Eine mandatsbezogene Pflicht, einen von Anfang an aussichtslosen Rechtsstreit nicht zu führen, gibt es als solche nicht. Maßgeblich ist, ob der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur Beratung des Mandanten über die Erfolgsaussichten des in Aussicht genommenen Rechtsstreits genügt hat. Für den Inhalt dieser Pflicht ist es ohne Bedeutung, ob der Mandant eine Rechtsschutzversicherung unterhält oder nicht. Verletzt der Rechtsanwalt die ihm obliegende Beratungspflicht, kommt es darauf an, wie sich der Mandant im Falle pflichtgemäßer Unterweisung verhalten hätte. Insoweit kann von Bedeutung sein, ob der Mandant eine Rechtsschutzversicherung unterhält (BGH, Urteil vom 16.09.2021 – IX ZR 165/19, Rn. 26, 35). Die Frage, wie sich der Mandant bei vertragsgerechter Belehrung durch den rechtlichen Berater verhalten hätte, zählt zur haftungsausfüllenden Kausalität, die der Anspruchsteller nach dem Maßstab des § 287 ZPO zu beweisen hat. Zugunsten des Anspruchstellers ist jedoch zu vermuten, der Mandant wäre bei pflichtgemäßer Beratung den Hinweisen des Rechtsanwalts gefolgt, sofern im Falle sachgerechter Aufklärung aus der Sicht eines vernünftig urteilenden Mandanten eindeutig eine bestimmte tatsächliche Reaktion nahegelegen hätte. Eine solche Vermutung kommt hingegen nicht in Betracht, wenn nicht nur eine einzige verständige Entschlussmöglichkeit bestanden hätte, sondern nach pflichtgemäßer Beratung verschiedene Handlungsweisen ernsthaft in Betracht gekommen wären, die unterschiedliche Vorteile und Risiken in sich geborgen hätten. Greift die Vermutung beratungsgerechten Verhaltens ein, so liegt hierin ein Anscheinsbeweis, der durch den Nachweis von Tatsachen entkräftet werden kann, die für ein atypisches Verhalten des Mandanten im Falle pflichtgemäßer Beratung sprechen (BGH a.a.O. Rn. 36 m.w.N.). Bestanden im Falle pflichtgemäßer Aufklärung mehrere in vergleichbarer Weise erfolgversprechende Handlungsmöglichkeiten oder war das Ausmaß der zu erteilenden Risikohinweise gering, kommt die Annahme des Anscheinsbeweises in der Regel nicht in Betracht. Anders liegt der Fall, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung derart risikobehaftet war, dass der pflichtgemäß handelnde Rechtsanwalt von dieser abzuraten hatte (BGH a.a.O. Rn. 37). Ist das Kostenrisiko durch eine (versicherungs-) rechtlich einwandfrei herbeigeführte und daher bestandsfeste Deckungszusage weitestgehend ausgeschlossen, können schon ganz geringe Erfolgsaussichten den Mandanten dazu veranlassen, den Rechtsstreit zu führen oder fortzusetzen (BGH a.a.O. Rn. 38 m.w.N.). Die Bestandskraft einer erteilten Deckungszusage ist notwendige Bedingung für den Ausschluss des Anscheinsbeweises, wenn die Rechtsverfolgung nur ganz geringfügige Erfolgsaussichten hat. Im Falle der Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung reicht auch eine bestandskräftige Deckungszusage nicht aus. Entscheidend dafür ist, dass eine aussichtslose Rechtsverfolgung nicht im Interesse eines vernünftig urteilenden Mandanten liegt, sondern allein dem (Gebühren-)Interesse des Rechtsanwalts dient. Hierzu wird ein vernünftig urteilender Mandant den Deckungsanspruch gegen seine Rechtsschutzversicherung nicht einsetzen (BGH a.a.O. Rn. 39). Über die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung hat der Tatrichter zu befinden. Ausgangspunkt der Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der bei pflichtgemäßem Handeln des Rechtsanwalts zu erteilenden Beratung. War danach die Rechtsverfolgung des Mandanten aussichtslos, kann selbst eine einwandfrei herbeigeführte Deckungszusage den für ein beratungsgerechtes Verhalten des Mandanten sprechenden Anscheinsbeweis nicht hindern. Die Annahme der Aussichtslosigkeit unterliegt allerdings hohen Anforderungen. Die Rechtsverfolgung muss aus der maßgeblichen Sicht ex ante aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen objektiv aussichtslos gewesen sein. Dies kommt etwa in Betracht, wenn eine streitentscheidende Rechtsfrage höchstrichterlich abschließend geklärt ist. Regelmäßig ist dies dann der Fall, wenn eine einschlägige Entscheidung ergangen ist. Auch dann können aber im Schrifttum geäußerte Bedenken, mit denen sich die Rechtsprechung noch nicht auseinandergesetzt hat, Veranlassung zu der Annahme geben, die Rechtsprechung werde noch einmal überdacht (BGH a.a.O. Rn. 40).
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b) Den vorstehenden Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung gerecht.
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aa) Der Senat teilt die rechtliche Bewertung des Landgerichts, wonach das außergerichtliche Vorgehen der Klägerin und die von ihr erhobene Klage gegen die Sparkasse objektiv aussichtslos waren. Auf die zutreffenden Gründe des Ersturteils wird Bezug genommen. Die Anspruchsgegnerin konnte sich auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB a.F. berufen, weil die in dem Darlehensvertrag (Anlage B4) in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form enthaltene Widerrufsinformation dem Muster in Anlage 7 a.F. entsprach. Ausgangspunkt für die Beurteilung der Aussichtslosigkeit der beabsichtigten Rechtsverfolgung war die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gebotenen anwaltlichen Beratung vor dem anwaltlichen Aufforderungsschreiben vom 14.04.2020 (Anlage B13) und der Klage vom 03.06.2020 (Anlage B17). Zu diesem Zeitpunkt war die Frage der Anwendung der Gesetzlichkeitsfiktion unter Berücksichtigung der bis dahin ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs höchstrichterlich abschließend geklärt durch die Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 26.05.2020 (XI ZR 262/19, XI ZR 372/19 und XI ZR 544/19) und seine darin in Bezug genommenen Entscheidungen vom 05.11.2019, 11.02.2020 und 31.03.2020. In Anbetracht dessen entsprach das Eingreifen der Gesetzlichkeitsfiktion zugunsten der Sparkasse gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung. Bei Zugrundelegung der maßgeblichen ex ante-Sicht vermag der Senat auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens hinreichende Anhaltspunkte für die Annahme, der Bundesgerichtshof werde an seiner eigenen gefestigten Rechtsprechung womöglich nicht festhalten, nicht zu erkennen.
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bb) Damit lag eine Fallgestaltung vor, in der die beabsichtigte Rechtsverfolgung derart risikobehaftet war, dass der pflichtgemäß handelnde Rechtsanwalt von dieser abzuraten hatte (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.2021 a.a.O. Rn. 37). Eine solche Beratung des Versicherungsnehmers ist seitens der Klägerin unstreitig nicht erfolgt. Sie ergibt sich insbesondere schon aus ihrem eigenen Vorbringen nicht. Angesichts des Berufungsvorbringens, die Erfolgsaussichten seien offen oder ungewiss gewesen, bestand aus Sicht der Klägerin kein Anlass für eine dahingehende Beratung.
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cc) Zugunsten der Anspruchstellerin greift bei dieser Sachlage der Anscheinsbeweis ein, dass der Versicherungsnehmer dem gebotenen anwaltlichen Rat, von der Rechtsverfolgung abzusehen, gefolgt wäre. Tatsachen, die für ein atypisches Verhalten des Versicherungsnehmers bei pflichtgemäßer Beratung sprechen, lassen sich gerade nicht feststellen. Vielmehr hat sich das Erstgericht im Rahmen der vorgenommenen Beweiswürdigung nach den für glaubhaft befundenen Angaben der Zeugin … fehlerfrei die nach dem Maßstab des § 287 ZPO notwendige Überzeugung davon verschafft, dass sich die Zeugin und ihr Ehemann, der Versicherungsnehmer, schon im Falle einer eher schlechten Erfolgsaussichten genügenden Risikoaufklärung gegen ein Vorgehen gegen die Sparkasse entschieden hätten. Hieran ist der Senat mangels konkreter Anhaltspunkte zur Begründung von Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen gebunden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Für den vorliegenden Fall der Aussichtslosigkeit, die die Klägerin zum Abraten von der Rechtsverfolgung hätte veranlassen müssen, ist auf dieser Grundlage erst recht anzunehmen, dass der Versicherungsnehmer davon abgesehen hätte, kostenauslösende Maßnahmen gegen die Sparkasse zu ergreifen und den Deckungsanspruch gegen seine Rechtsschutzversicherung hierfür einzusetzen.
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Die Beweiserhebung durch das Landgericht ist nicht zu beanstanden. Die Beweisanordnung beruht auf einem entsprechenden Beweisangebot der Beklagten. Sie hat erstinstanzlich vorgetragen und unter Zeugenbeweis gestellt, dass der Versicherungsnehmer die Rückabwicklung insgesamt nicht eingeleitet hätte, wenn er zutreffend über die fehlenden Erfolgsaussichten aufgeklärt worden wäre (Schriftsatz vom 28.11.2022, S. 17 = Bl. 53 d.A.). Dabei war es Sache der Beklagten zu entscheiden, wen sie für ihre Behauptung als Zeugen anbietet. Sie war in diesem Rahmen nach den Vorschriften der ZPO nicht gehindert, ihr ursprüngliches Beweisangebot auf Vernehmung des Versicherungsnehmers durch das Beweisangebot auf Vernehmung seiner Ehefrau zu ersetzen, zumal sie dieses Vorgehen mit der Führung der gesamten Korrespondenz durch die Ehefrau nachvollziehbar begründet hat (Schriftsatz vom 19.05.2023 = Bl. 134 d.A.).
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c) Wollte man in Übereinstimmung mit dem Berufungsvorbringen unterstellen, dass die Rechtsverfolgung nicht aussichtslos, sondern lediglich risikobehaftet war, weil die Erfolgsaussichten offen oder ungewiss waren, ergibt sich keine abweichende Beurteilung zugunsten der Klägerin.
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aa) Die in dem Fall gebotene Risikoaufklärung des Versicherungsnehmers wurde seitens der Klägerin pflichtwidrig nicht vorgenommen. Ein pflichtwidriges Verhalten des Rechtsanwalts ist vom Mandanten darzulegen und zu beweisen, selbst soweit es dabei um negative Tatsachen geht. Der Rechtsanwalt darf sich aber nicht damit begnügen, eine Pflichtverletzung zu bestreiten oder ganz allgemein zu behaupten, er habe den Mandanten ausreichend unterrichtet. Vielmehr muss er den Gang der Besprechung im Einzelnen schildern, insbesondere konkrete Angaben dazu machen, welche Belehrungen und Ratschläge er erteilt und wie darauf der Mandant reagiert hat (BGH, Urteil vom 09.06.2011 – IX ZR 75/10, NJW 2011, 2889, Rn. 10 bei juris m.w.N.). Genügt die Darlegung des Anwalts den genannten Anforderungen nicht, hat dies zur Folge, dass auch nach dem Vorbringen des Anwalts von einer Pflichtverletzung auszugehen ist (G. Fischer in: Handbuch der Anwaltshaftung, 5. Aufl., § 4 Rn. 20). So liegt der Fall hier. Das klägerische Vorbringen lässt nicht erkennen, in welchem Rahmen und mit welchem konkreten Inhalt der Versicherungsnehmer über die bestehenden Risiken eines Vorgehens gegen die Sparkasse und die genauen Gründe hierfür aufgeklärt worden wäre.
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bb) Zwar greift in dem Fall nicht der Anscheinsbeweis zugunsten der Anspruchstellerin ein, da bei pflichtgemäßer Aufklärung mehrere gleichwertige Handlungsmöglichkeiten bestanden hätten: Trotz bestehender Risiken hätte gegen die Sparkasse vorgegangen werden können oder aber von der Rechtsverfolgung abgesehen werden können. Indessen ist das Erstgericht wie ausgeführt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit dem Beweismaß des § 287 ZPO fehlerfrei zu der Überzeugung gelangt, dass sich der Versicherungsnehmer bei ordnungsgemäßer Beratung trotz Bestehens einer Rechtsschutzversicherung gegen die Rechtsverfolgung entschieden hätte. Dabei wird im Ersturteil zwar von eher schlechten Erfolgsaussichten und 50 % übersteigenden Risiken ausgegangen (EU S. 16/17). Indessen hat die Ehefrau des Versicherungsnehmers im Rahmen ihrer Zeugenvernehmung – sofort und ohne jegliches Zögern (EU S. 16) – bekundet, dass sie es auch bei 50 : 50 sicher nicht gemacht hätte (Protokoll vom 15.06.2023, S. 4 = Bl. 151 d.A.). Eine dahingehende Risikoeinschätzung entspricht dem Berufungsvorbringen zu offenen bzw. ungewissen Erfolgsaussichten. Gerade wenn die Zeugin als dominante Ehefrau des Versicherungsnehmers anzusehen ist, wie in der Berufungsbegründung betont wird, lässt sich aus ihrer Aussage darauf schließen, dass sich der Versicherungsnehmer selbst nicht anders verhalten hätte.
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4. Infolge der anwaltlichen Pflichtverletzung ist ein Kostenschaden in der zugesprochenen Höhe von insgesamt 5.688,63 € entstanden. Die Beklagte hat den Kostenschaden im Einzelnen dargelegt (Schriftsatz vom 28.11.2022, S. 19/20 = Bl. 55/56 d.A.). Davon entfallen 3.057,28 € (2.161,69 € + 277,38 € + 618,21 €) auf die Vergütung der Klägerin, was von ihr nicht in Frage gestellt wird. Hinzu kommen Gerichtskosten in Höhe von 801,00 € und festgesetzte Kosten der Prozessgegnerin in Höhe von 1.830,35 €. Die Zahlung dieser Kosten ergibt sich zur Überzeugung des Gerichts (§ 287 ZPO) aus der zwischen den Parteien geführten Korrespondenz. Den mit Vorschussrechnung vom 16.07.2020 angeforderten Gerichtskostenvorschuss in Höhe von 801,00 € hat die Beklagte ausweislich ihres Schreibens vom 29.07.2020 gezahlt (Anlagenkonvolut B 22). Nach Maßgabe von § 12 Abs. 1 Satz 1 GKG kann zudem davon ausgegangen werden, dass die Klage andernfalls nicht zugestellt worden wäre. Die Zahlung der festgesetzten Kosten in Höhe von 1.830,35 € (1.820,70 € zzgl. Zinsen) auf Aufforderung der Klägerin vom 20.10.2021 hat die Beklagte mit Schreiben vom 22.10.2021 bestätigt (Anlagenkonvolut B 23).
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Die Anrechnung einer Beratungs- und Prüfgebühr hat das Landgericht zu Recht abgelehnt. Die Berufungsbegründung lässt die gebotene Auseinandersetzung mit den dahingehenden Gründen des Ersturteils (EU S. 17/18) vermissen. Sie beschränkt sich auf die wörtliche Wiederholung des Klagevorbringens zum fehlenden Schaden auf Seite 21/22 der Klageschrift und nimmt hiervon lediglich den Satz zum Vorliegen eines Gutachtens aus.
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Da die Berufung nach alledem keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).