Titel:
Kein Differenzschaden wegen Vorteilsausgleichs
Normenketten:
BGB § 823 Abs. 2, § 826
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bei der Bemessung des „kleinen Schadensersatzes“ nach § 826 BGB im Zusammenhang mit dem Dieselabgasskandal sind die vom Geschädigten gezogenen Nutzungen und der Restwert des Fahrzeugs im Wege des Vorteilsausgleichs schadensmindernd anzurechnen, allerdings erst dann und nur insofern, als sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen. Dies gilt gleichermaßen für den sog. Differenzschaden. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zwar tritt im Falle der Veräußerung des Fahrzeugs – sowohl im Rahmen des sog. großen Schadenersatzes, gerichtet auf Rückabwicklung, als auch im Zuge des Vorteilsausgleichs beim beim Differenzschaden – grundsätzlich der tatsächlich erzielte Veräußerungserlös an die Stelle des Fahrzeugwertes. In diesem Verkaufserlös setzt sich nämlich der anzurechnende Vorteil aus dem Fahrzeugerwerb fort. Jedoch gilt dies nur dann, wenn der erzielte Veräußerungserlös auch marktgerecht erscheint. (Rn. 27 – 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
SCR-Katalysator, Thermofenster, unzulässige Abschalteinrichtung, Aufwärmstrategie, Differenzschaden, Vorteilsausgleich
Vorinstanz:
LG Ingolstadt, Urteil vom 17.12.2021 – 34 O 1801/21 Die
Fundstelle:
BeckRS 2024, 7137
Tenor
1 . Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 17.12.2021, Az. 34 O 1801/21 Die, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 25.272,00 € festgesetzt.
Entscheidungsgründe
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Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche, die der Kläger gegen die Beklagte als Herstellerin wegen des Erwerbs eines Diesel-Pkws geltend macht.
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1. Der Kläger erwarb am 13. März 2021 das Fahrzeug Audi, Modell: A6 3.0 TDI Quattro Allroad, Motortyp: ... mit der FIN: ... und einem Kilometerstand bei Kauf von 69.157 km bei der Autohaus ... in ... für EI-JR 26.700,00 €, Das Fahrzeug mitsamt des darin verbauten Motors wurden von der Beklagten hergestellt. Es unterfällt der Abgasnorm Euro 6 und verfügt über einen SCR-Katalysator. In dem Fahrzeug kommt eine Abgasrückführung zur Anwendung, die sich mindernd auf die Stickoxidemissionen auswirkt, jedoch außerhalb eines bestimmten Außentemperaturbereichs abgeschaltet beziehungsweise reduziert wird (sogenanntes Thermofenster).
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Ein amtlicher Rückruf des Kraftfahrtbundesamts (KBA) liegt in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug nicht vor.
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Der Kläger veräußerte am 01 .12.2023 das streitgegenständliche Fahrzeug an einen Dritten bei einem KM-Stand von 147.425 zum Preis von 12,500 €.
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Die Klagepartei behauptet, das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge über mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen, u.a. über eine sog. Aufwärmstrategie, die das KBA in anderen Fahrzeugen als unzulässige Strategien A-E bezeichnet habe, eine Lenkwinkelerkennung, die auf die Schaltpunktsteuerung des Getriebes Einfluss nehme und Manipulationen im NOX – Speicherkatalysator. Zudem stelle auch der Einsatz eines Thermofensters eine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Schadenersatz in Form der Rückabwicklung des Kaufvertrages gemäß §§ 826, 31 BGB zu. Hilfsweise beantragt der Kläger festzustellen, dass die Beklagte an den Kläger Schadenersatz zu zahlen habe für Schäden, die aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung resultieren. Zudem beantragt der Kläger auch die Feststellung von Annahmeverzug und dass der Anspruch aus Ziff. 1 aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung der Beklagten herrührt. Ferner begehrt der Kläger die Freistellung von den Kosten der vorgerichtlichen Rechtsverfolgung.
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Im Übrigen wurde die Klage durch die Klagepartei in Höhe von 915,98 € für erledigt erklärt.
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Der Beklagtenvertreter stimmte der teilweisen Erledigterklärung nicht zu und beantragte im Übrigen, die Klage vollumfänglich abzuweisen.
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Die Beklagte bringt vor, im streitgegenständlichen Fahrzeug sei keine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut, insbesondere verfüge das Fahrzeug nicht über einen NOX-Speicherkatalysator (NSK). Das vorhandene Thermofenster in Bezug auf die Abgasrückführung sei aus Motorschutzgründen nach den geltenden Vorschriften (Art. 5 Abs. 2 S. 2 EG (VO) 715/2007) zulässig.
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2. Mit Endurteil vom 17.12.2021 wies das Landgericht die Klage ab. In den Urteilsgründen führt das Landgericht aus, dass der nicht widerrufene Typgenehmigungsbescheid Tatbestandswirkung entfalte und deshalb das Gericht gehindert sei, Feststellungen über unzulässige Abschalteinrichtungen zu treffen. Zwar kämen trotz Tatbestandswirkung im Falle der Täuschung der Genehmigungsbehörde bei Erlass des Typgenehmigungsbescheides Ansprüche in Betracht. Zu einer Täuschung habe die Klagepartei aber nicht hinreichend dargelegt und substantiiert vorgetragen.
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Auch fehle es an objektiv greifbaren Anhaltspunkten für eine Täuschung, insbesondere habe das KBA in Bezug auf das streitgegenständliche Fahrzeug – anders als bei den von der Klagepartei erwähnten vom KBA beanstandeten Fahrzeugen – eben keinen Rückruf angeordnet, obwohl ausreichend Zeit zur Überprüfung vorhanden gewesen sei.
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Im Übrigen wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts Ingolstadt vom 17.12.2021, Az. 34 O 1801/21 Die, Bezug genommen.
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3. Hiergegen wendet sich die Klagepartei mit ihrer Berufung und begründet diese mit Schriftsatz vom 25.08.2022. Sie verfolgt ihre erstinstanzlichen Anträge im Wesentlichen weiter. Die Klagepartei meint, die Beklage hafte nach S. 826 BGB, S. 823 Abs. 2 i.V.m. S. 263 StGB bzw. §§ 6, 27 EG-FGV. Die Berufung rügt sowohl die fehlerhaften tatsächlichen Feststellungen erster Instanz als auch fehlerhafte rechtliche Bewertungen. Das Landgericht überspanne die Substantiierungsanforderungen, habe die angebotenen Beweise fehlerhaft nicht erhoben und klägerischen Sachvortrag kommentarlos übergangen. Zum Thermofenster bringt der Kläger vor, die Reduktion der AGR-Rate (Ausrampung) erfolge bereits unterhalb einer Temperatur von + 17 0 C. Mit Schriftsatz vom 25.01.2024 begehrt der Kläger nurmehr einen Differenzschaden in Höhe von 10% des Kaufpreises. Die Klage im Hinblick auf die überschießenden Anträge nahm der Kläger mit Zustimmung der Beklagten teilweise zurück. Auf Basis einer Gesamtfahrleistung von 250.000 km betrage der Nutzungsersatz 1 1.555,63 €. Zunächst ging die Klagepartei auf Grundlage einer DAT-Abfrage von einem Restwert in Höhe von 18.200 € aus. Nach erfolgter Veräußerung legt die Klagepartei nunmehr den Veräußerungserlös von 12.500 € für die Berechnung des Vorteilsausgleichs zugrunde.
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Zuletzt beantragte der Kläger:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag bezüglich des Fahrzeugs der Marke Audi mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ..., dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens EUR 2.644,37 betragen muss, zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
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Die Beklagte beantragt,
die Zurückweisung der Berufung.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Der Vortrag der Klagepartei zur Bedatung des Thermofensters sei in seiner Pauschalität nicht zutreffend. Das Thermofenster habe bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs des streitgegenständlichen Fahrzeugs folgende Bedatung aufgewiesen: Der Temperaturbereich der aktiven Abgasrückführung, d.h. der Bereich, in dem die AGR tatsächlich aktiv ist (AGR-Bereich), liege in einem repräsentativen Betriebspunkt zwischen ca. -1 O O C und ca. +39 0 C. Innerhalb dieses Temperaturfensters finde zwischen ca. +5 0 C und ca. +38 0 C in Abhängigkeit von der Umgebungslufttemperatur keine aktive Veränderung der AGR Rate durch das Thermofenster statt. Die temperaturabhängige Anpassung der Abgasrückführung sei erforderlich, um plötzliche und außergewöhnliche Schäden des Motors zu vermeiden und den sicheren Fahrzeugbetrieb zu gewährleisten.
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Für einen Differenzschaden verbleibe auch schon deshalb kein Raum, weil sich die Summe aus Restwert und Nutzungsvorteil auf 32.003,63 € belaufe und damit über dem Kaufpreis liege. Auszugehen sei von einem Nutzungsvorteil in Höhe von 1 1 «555,63 € auf Basis einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km. Nach der ausstattungsbezogenen DAT-Abfrage ergebe sich ein Restwert von 20.448 € für das streitgegenständliche Fahrzeug.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie der Anträge erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, S. 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, sowie auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
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Einer weitergehenden Darstellung des Sachverhalts bedarf es vorliegend nicht, da ein Rechtsmittel mangels Überschreitung einer Beschwer von 20.000,00 € (S. 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) unzweifelhaft nicht zulässig ist, S. 540 Abs. 1 Nr. 1, 2 ZPO i.V.m. S 313a Abs. 1 S. 1 ZPO.
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Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
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Es kann dahinstehen, ob im streitgegenständlichen Fahrzeug die behaupteten und von der Beklagten bestrittenen, unzulässigen Abschalteinrichtungen verbaut sind. Es kann auch offenbleiben, ob der Kläger auf Grundlage des unstreitig im Fahrzeug verbauten Thermofensters und der vorhandenen Fahrkurvenerkennung vorsätzlich sittenwidrig geschädigt wurde oder ob sich hieraus ein Schadenersatzspruch dem Grunde nach aus S. 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6 und 26, 27 EG-FGV ergibt, denn sowohl ein etwaiger Anspruch auf kleinen Schadenersatz als auch ein etwaiger Anspruch auf einen Differenzschadenersatz scheitern vorliegend am Vorteilsausgleich.
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Zwar steht dem Kläger für die in seinem Fahrzeug verbauten unzulässigen Abschalteinrichtungen – das Verschulden der Beklagten unterstellt – gegen den Fahrzeughersteller dem Grunde nach auch dann ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6, 26, 27 Abs. 1 EG-FGV nach Maßgabe der Entscheidungen des BGH vom 26.06.2023 (BGH Via ZR 335/21, Via ZR 533/21 und Vla ZR 1031/22) auf Ersatz des Djfferenzschadens im Bereich von 5 bis 15% des Kaufpreises zu, wenn die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nicht vorliegen. Auch ein solcher Anspruch ist jedoch durch den vorzunehmenden Vorteilsausgleich vollständig aufgezehrt.
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Die Summe aus Nutzungsersatz und Restwert (11.555,63 EUR + 17.924,00 EI-JR) in Höhe von 29.479,63 EUR übersteigt hier den ursprünglichen Kaufpreis von 26.700 EUR deutlich und lässt sowohl den Anspruch auf kleinen Schadenersatz nach S. 826 BGB als auch auf den Differenzschaden nach S. 823 Abs. 2 i.V.m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV nachträglich entfallen.
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1. Nach den von der Rechtsprechung im Bereich des Schadensersatzrechts entwickelten Grundsätzen des Vorteilsausgleichs sind dem Geschädigten in gewissem Umfang diejenigen Vorteile zuzurechnen, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zugeflossen sind. Es soll ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Der Geschädigte darf einerseits im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersat2anspruch anzurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, also dem Geschädigten zumutbar ist und den Schädiger nicht unangemessen entlastet.
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Die Grundsätze des Vorteilsausgleichs gelten auch für einen Anspruch aus vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung (vgl. BGH, Urteil vom 25.5.2020, VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 Rn. 65, 66 mwN) und auch dann, wenn lediglich der „kleine Schadenersatz“ geltend gemacht wird (vgl. BGH, Urteil vom 17.112022 – VII ZR 260/20, BeckRS 2022, 34973). Insoweit hat der BGH auch im zusammenhang mit seiner Rechtsprechung zum sog. Dieselabgasskandal festgestellt, dass bei der Bemessung des „kleinen Schadensersatzes“ nach S. 826 BGB die vom Geschädigten gezogenen Nutzungen und der Restwert des Fahrzeugs im Wege des Vorteilsausgleichs schadensmindernd anzurechnen sind, allerdings erst dann und nur insofern, als sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen (BGH, Urteil vom 24.01.2022 – Vla ZR 100/21, NJW-RR 2022, 1033). Dies gilt gleichermaßen für den sog. Differenzschaden (vgl. BGH, Urteil vom 26.6.2023 – Via ZR 335/21 -NJW 2023, 2259, Rn.80; Urteil vom 24.07.2023 Via ZR 752/22 – BeckRS 2023, 23033, Rn.12, beck-online).
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2. Die Beklagte ist hinsichtlich der Tatsachen zum Vorteilsausgleich darlegungs- und beweispflichtig (BGH, Urteil vom 26.06.2023 – Via ZR 335/21, Rn. 80).
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3. Der Vorteil durch die Nutzung des Fahrzeugs beträgt hier auch nach den übereinstimmenden Angaben der Parteien 1 1 .555,63 EUR. Dabei waren eine Gesamtfahrleistung von 250.000 km, eine Nutzung von 78.268 gefahrenen Kilometern (Kilometerstand anfänglich 69.157, bei Veräußerung 147.425) sowie ein Kaufpreis von 26.700 EUR zugrunde zu legen. Die Bemessung der Höhe der anzurechnenden Vorteile ist in erster Linie Sache des nach S. 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters (BGH, Urteil vom 24.07.23 – Vla ZR 752/22 – Rn.12). Die Regelung des S. 287 ZPO befreit das Gericht vom Erfordernis des Strengbeweises nach S. 286 ZPO und ermöglicht eine Schätzung. Sie schafft damit Erleichterungen für das Beweismaß und das Beweisverfahren (vgl. MüKoZPO/Prütting, 6. Aufl. 2020, ZPO S. 287 Rn. 3) auch aus Gründen der Prozessökonomie. Die tatsächlich gezogenen Nutzungen waren vorliegend in Anwendung der linearen Berechnungsmethode und auf Grundlage einer Gesamtfahrleistung, die der Senat bei dem streitgegenständljchen Fahrzeugmodell gem. S. 287 ZPO auf 250.000 km schätzt, zu ermitteln. Eine derartjge Schätzung hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich gebilligt, ebenso wie eine lineare Berechnungsweise (vgl. BGH, Urteil vom 27.04.2021, Az. VI ZR 812/20 = NJW-RR 2021, 1388; BGH, Urteil vom 23.3.2021, Az. VI ZR 3/20 = NJW-RR 2021, 1534; zitiert nach beck-online).
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4. Nach der Schätzung des Senats beträgt der Restwert vorliegend mindestens 17.924,00 EUR. Zwar tritt im Falle der Veräußerung des Fahrzeugs – sowohl im Rahmen des sog. großen Schadenersatzes, gerichtet auf Rückabwicklung, als auch im Zuge des Vorteilsausgleichs beim beim Differenzschaden – grundsätzlich der tatsächlich erzielte Veräußerungserlös an die Stelle des Fahrzeugwertes. In diesem Verkaufserlös setzt sich nämlich der anzurechnende Vorteil aus dem Fahrzeugerwerb fort (BGH, Urteil vom 20.7.2021 – VI ZR 575/20, SVR 2021, 455, beck-online).
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Jedoch gilt dies nur dann, wenn der erzielte Veräußerungserlös auch marktgerecht erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 20.7.2021 -VI ZR 533/20, NJW 2021, 3594). Dies ist hier nicht der Fall.
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Die von der Parteien selbst vorgelegten Gebrauchtfahrzeugbewertungen über DAT weisen einen Marktwert von 18.200 EUR (Kläger; Anlage BK3) und von 20.448 EUR (Beklagte; Anlage BE 1 1) aus. Der vom Senat unter Verwendung des kostenpflichtigen Bewertungsportals SilverDAT und unter Berücksichtigung der individuellen Ausstattungsmerkmale ermittelte Händlereinkaufswert für das Fahrzeug beträgt 17.924 EUR. Der Senat wies in der Verhandlung vom 26.02.2024 darauf hin, dass sich der niedrigere Veräußerungserlös nicht erschließe und der Senat von einem marktgerechten Restwert in Höhe von mindestens 17.924 EUR ausgehe. Trotz nachgelassener Schriftsatzfrist legte der Kläger nicht dar, warum er in Kenntnis des Marktwertes nach DAT nur einen um ca. 30% niedrigeren Veräußerungserlös habe erzielen können. Auch zu einem Hagelschaden, der auf den Verkaufsunterlagen aufgeführt wird, fehlt es trotz Frage des Gerichts an Sachvortrag, insbesondere auch zu etwaigen Versicherungsleistungen. Vor diesem Hintergrund war ein marktgerechter Restwert in Höhe von 17.924 EUR bei der Berechnung des Vorteilsausgleichs zugrunde zu legen.
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5. Die Anrechnung vom Geschädigten gezogener Vorteile kann, wie hier, zu einem vollständigen Wegfall des Schadenersatzanspruchs führen, ohne dass dem Grundsätze des Unionsrechts entgegenstehen (BGH Urteil vom 24.07.23 – Via ZR 752/22 – Rn.12).
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a) Es ist nicht zu beanstanden, dass eine positive Wertentwicklung auf dem Gebrauchtwagenmarkt und damit ein hoher Restwert den Schadenersatzanspruch bis auf Null verringern kann.
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Beim Vorteilsausgleich handelt es sich gerade nicht um eine Methode der Schadensberechnung. Ausgangspunkt der Schadensberechnung sowohl beim „kleinen Schadenersatz“ als auch beim Differenzschaden ist vielmehr der objektive Wert des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unter Berücksichtigung der mit der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen Nachteile, insbesondere des Risikos behördlicher Anordnungen (BGH, Urteil vom 26.06.2023 – Vla ZR 335/21, Rn.76). Beim Vortejlsausglejch werden hingegen nur Vorteile berücksichtigt, die sich nicht unmittelbar aus dem schädigenden Ereignis ergeben, sondern die auf einen zusätzlich, vielleicht gar zeitlich versetzt hinzutretenden Umstand zurückzuführen sind. Diese nachträglich eingetretenen Umstände – wie hier die Entwicklung des Gebrauchtwagenmarktes – fließen also nicht in die Schadensberechnung ein, sondern sind nur im Wege des auf dem Gedanken von Treu und Glauben beruhenden Vorteilsausgleichs zu berücksichtigen (hierzu ausführlich BGH, Urteil vom 24.07.2023 – Via ZR 752/22- NJW 2023, 3010 Rn. 14, beck-online). Der Geschädigte soll im Hinblick auf das schadenersatzrechtliche Bereicherungsverbot nämlich nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde.
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Die Kostenentscheidung beruht auf S. 97 Abs. 1 ZPO und ergänzend im Hinblick auf die teilweise Klagerücknahme auch auf S. 269 Abs. 3 S.2 ZPO.
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit regelt sich nach §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 47 Abs. 1 S. 1, 48 Abs. 1 S. 1 GKG in Verbindung mit S. 3 ZPO und gründet sich auf die ursprünglichen Berufungsanträge des Berufungsklägers. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung des Gebührenstreitwertes ist nach S. 40 GKG der Zeitpunkt der Antragstellung, also der Eingang der Berufungsanträge. Später eingetretene Veränderungen (tw. Berufungsrücknahme; tw. Erledigterklärung etc.) bleiben in Bezug auf den Gebührenstreitwert außer Betracht (vgl. OLG München, Beschluss vom 13. Dezember 2016 – 15 U 2407/16 –,Rz. 16; Toussaint/Ezer, Kostenrecht, 52. Auflage, zu S. 40 GKG Ilff).
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Der Antrag auf Freistellung von den Kosten für die vorgerichtliche Rechtsverfolgung wirkt nicht streitwerterhöhend (BGH, Beschluss vom 25.09.2007, VI ZB 22/07, NJW-RR 2008, 374, juris Rdnr. 4 ff.). Der Antrag auf Erstattung der Kosten für die vorgerichtliche Rechtsverfolgung ist nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen (BGH, Beschluss vom 25. September 2007 – VI ZB 22/07 –, juris).
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Wegen der wirtschaftlichen Identität der Streitgegenstände ist der hilfsweise gestellten Feststellungsantrag nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen (S. 45 Abs. 1 S.3 GKG). Auch die zusätzlich gestellten Anträge auf Feststellung, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet und der Anspruch aus einer vorsätzlich unerlaubten Handlung herrührt, erhöhen den Streitwert nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 06.07.2010 – XI ZB 40/09; OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.12.2008 7 w 79/08).
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Die Revision ist nicht zuzulassen, die Voraussetzungen des S. 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beantworten. Im Übrigen handelt es sich um einzelfallbezogene, tatrichterliche Würdigungen.