Titel:
Vorarbeiten für die Anlegung eines Flutpolders, Duldungsanordnung, Bestimmtheit der Anordnung (hier bejaht)
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
BayWG Art. 41
BayEG Art. 7
Schlagworte:
Vorarbeiten für die Anlegung eines Flutpolders, Duldungsanordnung, Bestimmtheit der Anordnung (hier bejaht)
Fundstelle:
BeckRS 2024, 7110
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 3.750.- EUR festgesetzt.
Gründe
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Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen die sofortige Vollziehbarkeit einer Anordnung zur Duldung von Vorarbeiten für einen Hochwasserflutpolder durch den Antragsgegner.
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Das Wasserwirtschaftsamt I* …t (im Folgenden: Wasserwirtschaftsamt) bereitet die Planung des Hochwasserflutpolders K* … vor. Dieser Flutpolder ist Teil eines Gesamtkonzepts von geplanten Flugpolderstandorten an der Donau und ihren Nebengewässern und wesentlicher Bestandteil der bayerischen Hochwasserschutzstrategie. Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung O* … Das Wasserwirtschaftsamt beabsichtigt auf diesem Grundstück drei Bohrungen zur Baugrundermittlung für die Errichtung des geplanten Polderdeichs niederzubringen. Nachdem die Antragstellerin dem Ersuchen zur entsprechenden Betretung und Benutzung ihres Grundstücks nicht entsprochen hatte und dazu insbesondere dem Abschluss eines ihr unterbreiteten Gestattungsvertrages nicht nähergetreten war, beantragte das Wasserwirtschaftsamt bei dem Antragsgegner den Erlass einer entsprechenden Duldungsanordnung. Mit Bescheid vom 13. Februar 2024, den Bevollmächtigten der Antragstellerin zugestellt am 22. Februar 2024, verfügte der Antragsgegner gegenüber der Antragstellerin das Betreten und Befahren des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung O* … zur Durchführung von drei Bohrungen (Dauer max. 2 Arbeitstage) durch das Wasserwirtschaftsamt bzw. des zur Durchführung der Arbeiten beauftragten Unternehmens längstens bis 30. Juni 2024 zu dulden (Nr. 1), ordnete dazu die sofortige Vollziehung an (Nr. 2), drohte für den Fall, dass der Verpflichtung nach Nr. 1 nicht nachgekommen werde, ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000.- EUR an (Nr. 3) und verpflichtete die Antragstellerin zur Tragung der Kosten des Verfahrens, wobei eine Gebühr in Höhe von 200.- EUR festgesetzt wurde (Nr. 4).
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Die Antragstellerin erhob gegen diesen Bescheid mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 22. März 2024 Klage, die bei Gericht unter M 31 K 24.1507 geführt wird und über die noch nicht entschieden ist. Sie beantragt zugleich
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 13. Februar 2024 wiederherzustellen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, der Bescheid stütze sich bereits nicht auf die zutreffende Rechtsgrundlage. Selbst wenn man einen Austausch der Rechtsgrundlage in Erwägung zöge, fehle es an der notwendigen Bestimmtheit der getroffenen Regelung. Der betroffene Bereich des Grundstücks der Antragstellerin, einer Ackerfläche mit knapp 1,4 ha Fläche, sei nicht näher eingegrenzt, Lagepläne mit den ungefähren Bohrpunkten und Beschrieb der beabsichtigten Bohrungen seien dem Bescheid nicht beigefügt. Jedenfalls im Kostenpunkt seien die Bescheide eindeutig rechtswidrig.
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Der Antragsgegner verteidigt den Bescheid und beantragt
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des Eil- und Hauptsacheverfahrens sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag ist unbegründet.
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1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell nicht zu beanstanden. Der Antragsgegner hat nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der Duldungsanordnung im Interesse des staatlichen Vorhabensträgers angeordnet und in Übereinstimmung mit § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung auch schriftlich begründet.
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2. Im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotenen summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache erweist sich die zwangsgeldbewährte Duldungsanordnung in Nr. 1 und 3 des streitbefangenen Bescheids jedenfalls im Ergebnis als rechtmäßig.
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2.1 Hinsichtlich der Kostenentscheidung in Nr. 4 des Bescheids kommt der Klage bereits von Gesetzes wegen nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung zu, da nach zutreffender Auffassung die mit der Sachentscheidung verbundene unselbstständige behördliche Kostenentscheidung nicht von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO erfasst wird (vgl. z.B. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 62 m.w.N. aus der Rspr. zum heterogenen Meinungsstand). Die gegenteilige Auffassung, die teilweise in der obergerichtlichen Rechtsprechung vertreten wird, übersieht zum einen, dass § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO bereits dem Wortlaut nach ausdrücklich eine „Anforderung“ von öffentlichen Kosten voraussetzt und die – wie hier in Nr. 4 des streitbefangenen Bescheids von der Behörde getroffene – Kostengrundentscheidung allein keine solche Anforderung darstellt. Dazu kommt zum anderen maßgeblich, dass die gegenteilige Auffassung die strenge Akzessorietät zwischen der behördlich verfügten Kostentragungspflicht und dem Ausgang des Rechtsstreits, wie sie in Art. 16 Abs. 5 KG normativ zum Ausdruck kommt, auflösen würde (vgl. zum gesamten Vorstehenden Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand 44. EL März 2023, § 80 VwGO Rn. 141 f. m.w.N. aus der Rspr. und Literatur in Fn. 804 ff.)
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2.2 Es kann vorliegend offenbleiben, ob Art. 41 Abs. 1 Satz 1 BayWG oder Art. 7 Abs. 1 BayEG richtige Rechtsgrundlage für die streitgegenständliche Duldungsanordnung ist. Selbst wenn man mit der Antragstellerin davon ausginge, dass sie aufgrund der von der Donau ca. 1,3 km Luftlinie entfernten Lage des betroffenen Grundstücks nicht mehr als Anliegerin oder Hinterliegerin i.S.d. Art. 41 Abs. 1 Satz 1 BayWG (vgl. zur möglichen Adressatenproblematik infolge der landesrechtlichen Beschränkung auf Anlieger und Hinterleger mit Blick auf die oft weiträumigere Erstreckung gerade von Vorbereitungsmaßnahmen Czychowski/Reinhardt, WHG, 13. Aufl. 2023, § 70 Rn. 82) verstanden werden und damit auch nicht Adressatin einer entsprechenden wasserrechtlichen Duldungsanordnung sein könne, trüge voraussichtlich jedenfalls Art. 7 Abs. 1 BayEG als Befugnisnorm die in Nr. 1 des streitbefangenen Bescheids verfügte Duldungsanordnung (vgl. aktuell zum Austausch der Rechtsgrundlage im Rahmen der richterlichen Rechtsanwendung VG München, U.v. 13.12.2023 – M 31 K 22.2422 – juris Rn. 43). In beiden Fällen gehören zur Vorbereitung einer Maßnahme insbesondere das Erstellen der Planunterlagen und die hierzu vorab grundsätzlich – wie auch hier – notwendigen Feststellungen der (vor allem auch geologischen) Geeignetheit der Grundstücke, die vom beabsichtigten Ausbau des Gewässers – hier i.S.d. § 67 Abs. 2 Satz 3 WHG – betroffen sind (vgl. Schenk in Sieder/Zeitler, BayWG, Stand 39. EL Januar 2023, Art. 41 Rn. 5). Nach den der Sache nach unbestrittenen Ausführungen des Wasserwirtschaftsamtes (vgl. Schreiben vom 14.8.2023) sind die Baugrunderkundungen für die Standsicherheitsberechnungen der für das Vorhaben erforderlichen Deiche und Bauwerke und somit für die Erstellung der Planunterlagen zwingend notwendig. Die vom Antragsgegner verfügte Duldung des für die Feststellung der Geeignetheit erforderlichen Betretens und vorübergehenden Benutzens des Grundstücks der Antragstellerin zur Niedererbringung von drei Bohrungen zur Baugrunderkundung für die Errichtung des geplanten Polderdeichs ist daher ohne weiteres tatbestandlich im Sinne beider Vorschriften. Insoweit liegt regelmäßig auch eine Überschneidung der Anwendungsbereiche von Art. 41 Abs. 1 BayWG und von Art. 7 BayEG vor (vgl. zur vergleichbaren Situation im Verhältnis zu Art. 36a BayStrWG aktuell LT-Drs. 18/24629, S. 12 und 21). Dabei spricht auch nichts dafür, dass sich beide Vorschriften gegenseitig ausschlössen. Eine solche Vorbereitung des Ausbaus wird typischerweise, wie hier, gerade auch vor der Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens stattfinden, da ansonsten die Erstellung einer fachlich-technisch belastbaren (Ausbau-) Planung mit dem Ziel der Einleitung und Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens nach § 68 WHG nicht möglich wäre.
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2.3 Die Duldungsanordnung genügt entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch den Anforderungen, die sich aus Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG an die inhaltliche Bestimmtheit von Verwaltungsakten ergeben.
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Es ist anerkannt, dass sich die Anforderungen an die erforderliche Konkretisierung einer Duldungsanordnung in erster Linie nach dem Informationsinteresse des Betroffenen, hier also der Antragstellerin, bestimmen. Erforderlich sind sonach die genaue Bezeichnung des Grundstücks, die Angabe des voraussichtlichen Beginns und der voraussichtlichen Dauer der Vorarbeiten sowie mindestens überschlägige Angaben zu deren Art und Umfang. Dem genügt die verfügte Duldungsanordnung, die sowohl das Flurgrundstück der Antragstellerin als auch die Zahl der durchzuführenden Bohrungen sowie die Dauer der zur Benutzung vorgesehenen Arbeitstage und die Höchstdauer der Maßnahme benennt und bestimmt (vgl. zu letzterem auch Art. 7 Abs. 1 Satz 3 Hs. 1 BayEG). Genaue Angaben zur räumlichen Verortung der einzelnen Bohrpunkte auf dem betroffenen Grundstück sowie zur Art und Weise der technischen Ausführung der vorzunehmenden Bohrungen und deren Tiefe sind hingegen von Rechts wegen grundsätzlich nicht veranlasst (vgl. aktuell BVerwG, B.v. 13.2.2024 – 11 VR 2.24 – juris Rn. 18). Gleiches würde im Übrigen beispielsweise auch für die genauen Fahrtwege auf dem Grundstück gelten. Nachvollziehbar führt der Antragsgegner in der Bescheidsbegründung aus, dass das Wasserwirtschaftsamt die technische Planung für den Flutpolder K* … erstellt und durch die vorgesehenen Bohrungen im Rahmen der Baugrunderkundungen für die Erstellung der Planunterlagen zentrale Erkenntnisse für die Standsicherheitsberechnungen des Polderdeiches auf dem Grundstück der Antragstellerin, das im Bereich des geplanten Flutpolders liegt, zu erlangen beabsichtigt. Nach Angaben der Antragstellerin handelt es sich bei dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung O* … um eine knapp 1,4 ha große Ackerfläche. Mit Blick auf die lediglich sehr kurzzeitige Inanspruchnahme des Grundstücks für höchstens zwei Arbeitstage ist ohnehin nicht ersichtlich, dass es überhaupt zu einer spürbaren Betroffenheit der Antragstellerin durch die verfügte Duldungsanordnung auf dem in Anspruch genommenen Grundstück kommen könnte, zumal vorübergehende Erdbohrungen zum Zwecke der Bodenuntersuchung üblicherweise von geringer Eingriffsintensität sind (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 21.11.2022 – 7 VR 4.22 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 19.7.2019 – 8 CS 19.1080 – juris Rn. 16). Es gehört zum wesenmäßigen Inhalt der Duldungspflicht und ist für die Antragstellerin somit auch zumutbar, die Grundstücksnutzung für die sehr überschaubare Dauer der zu duldenden Vorarbeiten entsprechend zu planen und anzulegen. Auch erweist sich die Vorgehensweise des Antragsgegners dabei sowohl vor dem Hintergrund von Art. 7 Abs. 2 Satz 1 BayEG als auch mit Blick auf die jedenfalls orientierend für eine Bemessung des notwendigen zeitlichen Vorlaufs für eine Ankündigung der Absicht, solche Arbeiten auszuführen, heranzuziehenden einschlägigen fachplanungsrechtlichen Duldungsvorschriften in § 16a Abs. 2 FStrG, § 17 Abs. 2 AEG, § 44 Abs. 2 Satz 1 EnWG und Art. 36a Abs. 2 Satz 1 BayStrWG als voraussichtlich nicht zu beanstanden. Nach telefonischer Auskunft des Wasserwirtschaftsamtes sollen die zu duldenden Arbeiten voraussichtlich in KW 15 – unter Beachtung der in Satz 1 der Hinweise zum streitbefangenen Bescheid zudem enthaltenen mindestens einwöchigen Frist zur Mitteilung des konkreten Termins – ausgeführt werden; damit ist auch die vorgenannte Zweiwochenfrist, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Bescheids am 22. Februar 2024, ohne weiteres gewahrt. Erhebliche konkrete Beeinträchtigungen ihres Grundstücks oder dessen Nutzbarkeit trägt die Antragstellerin im Übrigen auch selbst nicht vor.
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Zudem ist das Grundstück, wie vom Antragsgegner in den Bescheidsgründen zutreffend ausgeführt, nach Durchführung der Vorarbeiten vom Vorhabenträger auch ohne weiteres wieder in den Ursprungszustand zurückzuversetzen. Soweit es im Übrigen zu nicht ausgeglichenen Schäden am Grundstück kommen sollte, hat dieser Schadensersatz bzw. eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten, Art. 41 Abs. 2 BayWG i.V.m. § 41 Abs. 4 WHG (vgl. dazu zutreffend auch Satz 2 des Hinweises zum Tenor des streitbefangenen Bescheids) und Art. 7 Abs. 3 Satz 1 BayEG. Das Wasserwirtschaftsamt hat eine entsprechende Zusicherung im Übrigen bereits mit Schreiben vom 27. Dezember 2022 abgegeben.
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Schließlich ist auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass besondere Grundstücks- oder Bodenverhältnisse vorliegend vor allem eine nähere Bestimmung der Art und Weise der Ausführung der Bohrarbeiten, namentlich deren Tiefe, oder deren genaue Verortung ausnahmsweise erforderlich machen würden und für die Antragstellerin damit auch ein relevanter inhaltlich-tatsächlicher Informationsmehrwert einherginge. Über den Zeitraum der an lediglich zwei Tagen stattfindenden Bohrarbeiten hinausreichende Bewirtschaftungserschwernisse von relevantem Gewicht sind insgesamt nicht ersichtlich.
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2.4 Rechtliche Bedenken hinsichtlich der auf Art. 29, 31 und 36 VwZVG fußenden und nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG von Gesetzes wegen sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung sind schließlich ebenfalls nicht ersichtlich.
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Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 1 Alt. 1 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.