Titel:
Vorläufiger Rechtschutz einer Umweltvereinigung gegen eine beschränkte Erlaubnis nach Art. 15 BayWG zur Entnahme und Wiedereinleitung von Grundwasser
Normenketten:
VwGO §§ 80, 80a
BayWG Art. 15
WHG §§ 3, 8, 9, 10, 12, 47, 48
UmwRG §§ 1, 2
Schlagwort:
Vorläufiger Rechtschutz einer Umweltvereinigung gegen eine beschränkte Erlaubnis nach Art. 15 BayWG zur Entnahme und Wiedereinleitung von Grundwasser
Fundstelle:
BeckRS 2024, 7108
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert wird auf 15.000.- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller, eine staatlich anerkannte Umwelt- und Naturschutzvereinigung, begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die der Beigeladenen erteilte wasserrechtliche Erlaubnis zur Entnahme und Wiedereinleitung von Grundwasser.
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Die Beigeladene beabsichtigt auf dem streitgegenständlichen Grundstück Kies abzubauen. Für dieses Vorhaben erteilte ihr das Landratsamt München mit Bescheid vom 28. September 2022 eine abgrabungsrechtliche Genehmigung, gegen welche u.a. der Antragsteller Klage erhoben (M 9 K 22.6136) und Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt (M 9 SN 23.725) hat. Weiterhin haben mehrere Nachbarn die Abgrabungsgenehmigung angefochten (M 9 K 22.5363, M 9 K 22.5364, M 9 K 22.5530, M 9 K 22.5546) und Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gestellt (M 9 SN 22.5931, M 9 SN 22.5957, M 9 SN 23.113). Mit Beschluss vom 2. Juni 2023 ordnete das Verwaltungsgericht München im Verfahren M 9 SN 22.5931 die aufschiebende Wirkung der Klage an. Die Entscheidung stützt sich dabei maßgeblich auf die Erwägung, dass nach summarischer Prüfung durchgreifende Zweifel an dem vom Vorhabenträger vorgelegten immissionsschutztechnischen Gutachten bestünden und damit nicht als Nachweis der Unbedenklichkeit des Vorhabens im Hinblick auf den Schutz der Nachbarschaft anerkannt werden könnten.
3
Mit Beschluss vom 7. Dezember 2023 gab der Bayerische Verwaltungsgerichtshof der gegen den Beschluss vom 2. Juni 2023 gerichteten Beschwerde der Beigeladenen statt (2 CS 23.1169). Die nach Ergehen des Beschlusses des Verwaltungsgerichts geänderte, mit weiteren Auflagen versehene Abgrabungsgenehmigung vom 25. Juli 2023 verletze voraussichtlich keine drittschützenden subjektiv-öffentlichen Rechte der Nachbarschaft.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 24. November 2022, der dem Antragsteller nicht zugestellt wurde, erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen eine beschränkte Erlaubnis nach Art. 15 BayWG für die Entnahme von Grundwasser und zum Wiedereinleiten des genutzten Wassers in das Grundwasser auf dem Grundstück FlNr. …, Gemarkung S* …, Gemeinde H* …-S* …, zum Zwecke der Kieswäsche, der Versorgung einer Reifenwaschanlage sowie der Befeuchtung von Fahrwegen und Halden (Nr. 1.1), wobei eine Befristung bis zum 31. Dezember 2033 (Nr. 1.2) und weitere Inhalts- und Nebenbestimmungen verfügt wurden (Nr. 1.3).
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Der Antragsteller erhob gegen diesen Bescheid mit Schriftsatz vom 9. März 2023 Klage, die bei Gericht unter M 31 K 23.1139 geführt wird und über die noch nicht entschieden ist.
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Auf Antrag der Beigeladenen hin ordnete der Antragsgegner mit Bescheid vom 12. April 2023 die sofortige Vollziehbarkeit der beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis vom 24. November 2022 an.
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Mit Schriftsatz vom 2. Juni 2023 beantragt der Antragsteller,
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I. die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 24. November 2022 wiederherzustellen sowie
II. im Wege einer Zwischenverfügung die Vollziehung der wasserrechtlichen Erlaubnis bis zur Entscheidung über den Antrag (I.) auszusetzen.
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Mit diesem sowie weiteren Schriftsätzen vom 13. und 21. Juni 2023 trägt der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten vor, dass zum einen der Sofortvollzug nicht ordnungsgemäß begründet worden und zum anderen die wasserrechtliche Erlaubnis rechtswidrig sei, wofür insbesondere auf zwei private Sachverständigengutachten verwiesen wird (Stellungnahmen Dr. H* … v. 20.2.2023 und 9.6.2023, Anlage Ast 9 und 12). Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2023 wird weiterhin vorgetragen, es bestehe schon aufgrund der mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 2. Juni 2023 angeordneten aufschiebenden Wirkung einer Nachbarklage gegen die abgrabungsrechtliche Genehmigung weder ein überwiegendes öffentliches noch ein privates Interesse am Sofortvollzug. Darüber hinaus sei die Inanspruchnahme der wasserrechtlichen Erlaubnis durch Inbetriebnahme des Brauchwasserbrunnens für den Kiesabbau nicht erforderlich, da sich die Beigeladene hinsichtlich des bereits begonnenen Kiesabbaus mit einer anderen Lösung, nämlich einer Reifenwaschanlage, die in einem geschlossenen Kreislauf betrieben wurde, beholfen habe. Die von der Beigeladenen geltend gemachten Mehrkosten für die externe Wasserbeschaffung von bis zu 120.000.- EUR stünden dem nicht entgegen, zumal davon die Mehrkosten für die Abwasserentsorgung abzuziehen seien, da die Beigeladene selbst im Schriftsatz vom 6. Juni 2023 ausgeführt habe, die im Bescheid erlaubte Versickerung des Brauchwassers sei künftig gar nicht vorgesehen.
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Der Antragsgegner beantragt mit Schriftsatz vom 16. Juni 2023,
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die Anträge abzulehnen.
12
Er verweist im Wesentlichen auf die beiden Bescheide vom 24. November 2022 und 12. April 2023, die rechtmäßig ergangen seien, und stützt sich diesbezüglich auch auf eine aktuelle Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes München vom 15. Juni 2023. Ferner überwiege das Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2023 wird vorgetragen, dass spätestens mit der Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts im Beschwerdeverfahren im Sinne einer Zulässigkeit des Kiesabbaus ein überwiegendes Vollzugsinteresse zur Nutzung des Grundwassers vorliege. Es sei der Beigeladenen mit Blick auf die Mehrkosten einer externen Wasserbeschaffung und -entsorgung während eines womöglich jahrelangen Rechtsstreits über mehrere Instanzen unzumutbar, den Kiesabbau trotz eines Obsiegens im Beschwerdeverfahren nicht sofort vollumfänglich, sondern nur unter Einschränkungen wieder aufnehmen zu dürfen. Die Wasserzuführung mittels IBC-Tanks stelle ausschließlich eine Not- und Interimslösung vor dem Hintergrund der langen Wartezeit auf die Verfügbarkeit einer Bohrfirma dar. Demgegenüber könne das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nur überwiegen, wenn von einem Obsiegen in der Hauptsache auszugehen wäre, was jedoch aufgrund der Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamtes als zuständige und fachkundige Behörde, derzufolge schädliche Gewässerveränderungen durch die Grundwassernutzungen nicht zu erwarten und die festgesetzten Auflagen ausreichend seien, nicht der Fall sei.
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Die Beigeladene beantragt mit Schreiben vom 6. Juni 2023,
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die Anträge abzulehnen.
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Mit Schriftsatz vom 28. Juni 2023 verweist die Beigeladene auf die Besonderheiten eines tripolaren Rechtsverhältnisses, bei dem es nicht auf ein überwiegendes öffentliches oder privates Interesse ankommen soll, sondern allein auf die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Weiterhin ist sie der Ansicht, maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache sei aus Rechtsschutzgesichtspunkten der Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung, hier also der 24. November 2022; auf aktuelle Entwicklungen im Nachgang komme es nicht an.
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Mit Beschluss vom 7. Juli 2023 wurde das Ruhen des Verfahrens gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 251 Satz 1 ZPO angeordnet, nachdem alle Beteiligten hierzu ihre Zustimmung erteilt haben.
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Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2024 beantragte der Antragsteller die Fortführung des Verfahrens, da die Beigeladene den Kiesabbau seit Januar 2024 wieder aufgenommen habe und daher davon auszugehen sei, dass die Beigeladene demnächst von der streitgegenständlichen wasserrechtlichen Erlaubnis Gebrauch machen werde.
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Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2024 teilt die Beigeladene mit, mit der Fertigstellung der Wasserleitung unter Anbringung eines geeichten Wasserzählers entsprechend der Auflage Nr. 1.3.10 des streitgegenständlichen Bescheids sei voraussichtlich Ende März 2024 zu rechnen. Anschließend werde das erforderliche Abnahmeprotokoll vervollständigt und beim Antragsgegner eingereicht werden. Sobald dann die Zustimmung zur Inbetriebnahme des Brunnens seitens des Antragsgegners erteilt werde, beabsichtige die Beigeladene von der streitgegenständlichen wasserrechtlichen Erlaubnis Gebrauch zu machen.
19
Mit Schriftsatz vom 20. Februar 2024 teilt der Antragsgegner mit, dass abgesehen von der Bestätigung des Einbaus eines Wasserzählers sämtliche Voraussetzungen für eine Zustimmung zur Inbetriebnahme vorlägen. Sobald ein entsprechend ergänztes Abnahmeprotokoll seitens der Beigeladenen vorgelegt werde, werde der Antragsgegner die Zustimmung zur Inbetriebnahme erteilen und den Antragsteller entsprechend der bereits getätigten Zusage vom Juni 2023 hierüber vorab informieren.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 28. März 2024 ergänzt und präzisiert die Beigeladene ihren Vortrag.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten des Eil- und Hauptsacheverfahrens (M 31 K 23.1139) verwiesen.
22
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Verbandsklage des Antragstellers hat keinen Erfolg. Er ist zwar zulässig (A.), aber unbegründet (B.).
23
A. Der Antrag ist zulässig.
24
I. Aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung der beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis vom 24. November 2022 im Bescheid des Antragsgegners vom 12. April 2023 ist der Antrag nach §§ 80a Abs. 3 Satz 2, 80 Abs. 5 Satz 1 2. Hs VwGO statthafter Rechtsbehelf.
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II. Der Antragsteller ist als nach § 3 UmwRG anerkannte Umweltvereinigung unabhängig von der Geltendmachung einer Verletzung in eigenen Rechten antragsbefugt (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG) und macht zudem gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften nach § 1 Abs. 4 UmwRG geltend.
26
Bei der der Beigeladenen erteilten beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis nach §§ 8, 10 WHG i.V.m. Art. 15 BayWG handelt es sich gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG um einen Verwaltungsakt, durch den ein anderes als in § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 2b UmwRG genanntes Vorhaben unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften zugelassen wurde (vgl. BVerwG, U.v. 2.11.2017 – 7 C 25/15 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 19.9.2022 – 8 CS 22.1552 – juris Rn. 24 und 76; Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand 102. EL September 2023, § 1 UmwRG Rn. 57).
27
III. Auch liegen die Voraussetzungen des § 2 Abs. 3 Satz 1 UmwRG vor. Danach ist eine Klage gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG, die weder öffentlich bekannt gemacht noch der Vereinigung bekannt gegeben worden ist, binnen eines Jahres zu erheben, nachdem die Vereinigung von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können. Nachdem der Bescheid vom 24. November 2022 dem Antragsteller weder individuell bekanntgegeben noch öffentlich bekanntgemacht wurde, erfolgte die Klageerhebung vom 9. März 2023 gegen den Bescheid vom 24. November 2022 rechtzeitig.
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B. Der Antrag ist indes unbegründet. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell ordnungsgemäß erfolgt (I.). Das Vollziehungsinteresse der Beigeladenen überwiegt das Aussetzungsinteresse des Antragstellers (II.).
29
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO ergeht die Entscheidung auf der Grundlage einer Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Aussetzungsinteressen der Beteiligten. Das Gericht trifft dabei eine originäre Interessenabwägung (vgl. BVerwG, B.v. 22.03.2010 – 7 VR 1.10 – juris Rn. 13, BayVGH, B.v. 31.8.2022 – 22 AS 22.40052 – juris Rn. 26). Wird – wie hier – von einem Dritten die einem anderen erteilte und diesen begünstigende Zulassung angegriffen, steht als besonderes Vollzugsinteresse in einem solchen Dreiecksverhältnis nicht das besondere öffentliche Interesse der Verwaltung am Vollzug des Verwaltungsakts im Vordergrund. Vielmehr ist – wie sich dem Wortlaut von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Alt. 2 VwGO entnehmen lässt – auf das überwiegende Interesse eines Beteiligten abzustellen. Wesentliches Element für die Interessenabwägung ist auch bei tripolaren Rechtsverhältnissen der voraussichtliche Erfolg des Hauptsacheverfahrens (vgl. BVerfG, B. v. 1.10.2008 – 1 BvR 2466/08 – juris Rn. 21; BVerwG. B.v. 19.12.2014 – 7 VR 5/14 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 31.8.2022 aaO; B.v. 9.11.2021 – 8 CS 21.2166 – juris Rn. 27). Dem Charakter des Antragsverfahrens entsprechend kann das Gericht seine vorläufige Entscheidung im Regelfall nur auf der Grundlage einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage treffen. Ergibt diese, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Kann wegen der besonderen Dringlichkeit oder der Komplexität der Rechtsfragen keine Abschätzung über die Erfolgsaussichten im Sinne einer Evidenzkontrolle getroffen werden, sind allein die einander gegenüberstehenden Interessen unter Berücksichtigung der mit der Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einerseits und deren Ablehnung andererseits verbundenen Folgen zu gewichten (vgl. BVerwG, B. v. 19.12.2014 – 7 VR 5.14 – juris Rn. 9). Bei einer behördlichen Anordnung des Sofortvollzugs gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO prüft das Gericht vor der dargestellten Interessenabwägung zunächst, ob die formellen Voraussetzungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO gegeben sind (vgl. BayVGH, B.v. 31.8.2022 aaO).
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I. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid vom 12. April 2023 genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Diese Vorschrift verpflichtet die Behörde, mit einer auf den konkreten Fall abgestellten und nicht lediglich „formelhaften“ schriftlichen Begründung das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung darzulegen (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2018 – 10 CS 18.98 – juris Rn. 6, VG München, B.v. 14.6.2022 – M 2 S 22.288 – juris Rn. 40). Geht es – wie vorliegend – um ein mehrpoliges Verhältnis, muss sich die Behörde auch mit den gegenläufigen, von der sofortigen Vollziehbarkeit betroffenen Interessen auseinandersetzen, d. h. eine Interessenabwägung treffen (vgl. BayVGH, B.v. 31.8.2022 aaO Rn. 28; OVG Saarland, B.v. 10.11.2006 – 3 W 5/06 – juris Rn. 33).
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Die von der Behörde im Bescheid niedergelegten Gründe (S. 2 f.) setzen sich mit den Interessen des Antragstellers auseinander und lassen in nachvollziehbarer Weise die konkreten Erwägungen erkennen, die sie dazu veranlasst haben, von der Anordnungsmöglichkeit auf Antrag der Beigeladenen Gebrauch zu machen.
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Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Vortrag des Antragstellers, wonach die Beigeladene die mobile Reifenwaschanlage zum einen bereits seit Dezember 2022 unter Inanspruchnahme eines auf einem Nachbargrundstück befindlichen privaten Wasseranschlusses betreibe und zum anderen die von der Beigeladenen nicht belegten Mehrkosten zur Begründung eines besonderen Vollziehungsinteresses nicht genügten. Da das Begründungserfordernis nur formelle Rechtsmäßigkeitsvoraussetzung für die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit ist, kommt es nicht darauf an, ob die Erwägungen der Behörde auch inhaltlich – im Sinne des objektiven Rechts und der Interessen der Beteiligten – vollständig zutreffend sind. Dieser materiell-rechtliche Aspekt ist erst bei der umfassenden von dem Gericht vorzunehmenden Interessenabwägung im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO zu prüfen (vgl. BayVGH, B.v. 31.8.2022 aaO Rn. 30; B.v. 18.7.2022 – 20 CS 22.1069 – juris Rn. 3; VGH BW, B. v. 13.3.2003 – 5 S 2771/02 – juris Rn. 2).
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Zudem bedurfte es einer Anhörung des Antragstellers vor Erlass der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit mangels entsprechender gesetzlicher Regelung nicht (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand 44. EL März 2023, § 80a VwGO Rn. 33 f.).
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II. Nach den oben genannten Maßstäben überwiegt das Vollzugsinteresse der Beigeladenen, weil die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 24. November 2022 bei summarischer Prüfung keinen Erfolg haben wird. Diese ist unter Übertragung der obigen Erwägungen zwar zulässig, indes unbegründet.
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1. Für die Begründetheit der Verbandsanfechtung in der Hauptsache fehlt es nach summarischer Prüfung an einem Verstoß gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften, die für die angefochtene Entscheidung von Bedeutung sind, § 2 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwRG.
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Die Erteilung der angegriffenen wasserrechtlichen Erlaubnis auf Grundlage des §§ 8, 10 WHG i.V.m. Art. 15 BayWG erging voraussichtlich ohne Verstoß gegen umweltbezogene – hier wasserrechtliche – Rechtsvorschriften.
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Die Entnahme von Grundwasser als Benutzung i.S.d. § 9 Abs. 1 Nr. 5 WHG ist erlaubnispflichtig nach §§ 8 Abs. 1, 10 WHG und steht unter den Voraussetzungen des § 12 WHG. Bezüglich der Wiedereinleitung des genutzten Wassers über den durch den Abbau entstandenen Kiesweiher bzw. der Versickerung in einem Absetzbecken, das mit fortschreitendem Abbau mitwandert (Nr. 1.1.4 des Bescheids), wird der Benutzungstatbestand des § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG verwirklicht.
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1.1 Dem Vorhaben der Grundwasserentnahme mittels Brauchwasserbrunnen stehen voraussichtlich keine zwingenden Versagungsgründe entgegen. Es sind keine schädlichen Gewässerveränderungen zu erwarten, § 12 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Nr. 10 WHG, insbesondere ist eine Verletzung des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots nach § 47 Abs. 1 WHG durch eine vorhabenbedingte Verschlechterung des chemischen Zustands des Grundwasserkörpers nicht hinreichend wahrscheinlich.
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Soweit der Antragsteller vorbringt, eine Verunreinigung des Grundwassers durch den Betrieb des Brauchwasserbrunnens könne im vorliegenden Fall nicht „ausgeschlossen“ werden (Schriftsatz vom 21.6.2023, S. 7), verkennt er den anzuwendenden (gerichtlichen) Prüfungsmaßstab.
40
Ob ein Vorhaben eine Verschlechterung des Zustands eines Gewässers bewirken kann, beurteilt sich nach dem allgemeinen ordnungsrechtlichen Maßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts und nicht nach dem strengen Maßstab des objektivrechtlichen Besorgnisgrundsatzes des § 48 Abs. 1 Satz 1 WHG. Dieser ist hinsichtlich des Betriebs eines Brauchwasserbrunnens mangels Einbringens oder Einleitens von Stoffen in das Grundwasser nicht einschlägig und wird daher im vorgelegten Gutachten zu Unrecht herangezogen (vgl. Stellungnahmen Dr. H* … vom 20.2.2023, S. 6 f., bzw. vom 9.6.2023, S. 4). Eine Verschlechterung des Grundwassers muss daher nicht ausgeschlossen, darf aber auch nicht sicher zu erwarten sein (vgl. aktuell BayVGH, B.v. 3.2.2023 – 8 CS 22.2481 – juris Rn. 31; BVerwG, U.v. 4.6.2020 – 7 A 1.18 – NuR 2020, 709 = juris Rn. 113; U.v. 9.2.2017 – 7 A 2.15 u.a. – juris Rn. 480; BayVGH, U.v. 20.5.2021 – 8 B 19.1587 – juris Rn. 62).
41
Eine Verschlechterung setzt voraus, dass entweder (mindestens) eine der Qualitätsnormen oder einer der Schwellenwerte i.S.d. Art. 3 Abs. 1 der RL 2006/118/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzung und Verschlechterung (ABl. L 372 S. 19 – Grundwasser-Richtlinie) überschritten wird, oder dass sich die Konzentration eines Schadstoffs, dessen Schwellenwert bereits überschritten ist, voraussichtlich erhöht, wobei die an jeder Überwachungsstelle gemessenen Werte individuell zu berücksichtigen wären (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 20.5.2021 – 8 B 19.1590 – juris Rn. 37 m.w.N.). Eine solche Überschreitung eines Qualitäts- oder Schwellenwerts ist nicht hinreichend wahrscheinlich.
42
Das Wasserwirtschaftsamt München (WWA) gelangte in seiner fachgutachtlichen Prüfung und Bewertung des Vorhabens der Beigeladenen zum Ergebnis, dass diesem unter Einhaltung von Nebenbestimmungen – die im streitgegenständlichen Bescheid aufgegriffen wurden – aus fachlicher Sicht zugestimmt werden kann (vgl. Stellungnahme vom 8.11.2022, vorgelegt als AS 4, sowie vom 15.6.2023, vorgelegt als Anlage zur Antragserwiderung vom 16.6.2023). Die vom Antragsteller vorgelegten Privatgutachten vom 20. Februar und 9. Juni 2023 erschöpfen sich insoweit in der Skizze eines nur theoretischen Risikoszenarios, das nicht geeignet ist, die Annahme des WWA zu entkräften.
43
Bei der Einordnung und Beurteilung der Einwände des Antragstellers im Einzelnen ist im Übrigen von Rechts wegen zu beachten, dass das WWA durch Gesetz (Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayWG) als Fachbehörde zur innerbehördlichen Wissensgenerierung eingerichtet ist (Breuer/Gärditz, Öffentliches und privates Wasserrecht, 4. Aufl. 2017, Rn. 574). Seinen amtlichen Auskünften und Gutachten kommt daher bei der behördlichen „Ausfüllung“ und Anwendung der allgemein anerkannten Regeln und der wasserfachlichen Erfahrungssätze eine besondere Bedeutung und ein grundsätzlich wesentlich größeres Gewicht als Expertisen privater Fachinstitute zu (stRspr, vgl. aktuell z.B. BayVGH, B.v. 22.5.2023 – 22 ZB 22.1520 – juris Rn. 20 m.w.N.).
44
Solange die Stellungnahmen des WWA nachvollziehbar sind und nicht substantiiert in Frage gestellt werden, dürfen sie verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zu Grunde gelegt werden. Die Notwendigkeit einer Abweichung und weiteren Aufklärung durch das Gericht (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO) ist erst dann geboten, wenn sich dem Gericht der Eindruck aufdrängt, dass die gutachterliche Äußerung des WWA tatsächlich oder rechtlich unvollständig, widersprüchlich oder aus anderen Gründen fehlerhaft ist (vgl. BayVerfGH, E.v. 18.3.2010 – Vf. 35-VI-09 – juris Rn. 43; BayVGH, B.v. 6.4.2020 – 8 ZB 19.852 – juris Rn. 16; B.v. 9.5.2017 – 22 ZB 17.152 – juris Rn. 10; B.v. 7.8.2013 – 22 CS 13.1160 – juris Rn. 15).
45
Zwar trägt der Antragsteller vor, dass sich das WWA mit seiner Stellungnahme vom 15. Juni 2023 zu seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 8. November 2022 in Widerspruch gesetzt habe, indem es in letzterer folgende Einschätzung abgegeben habe (S. 4): „Ein Einfluss auf eventuell lösliche Schadstoffe aus dem Verfüllmaterial durch den Brunnenbetrieb ist nicht auszuschließen und daher zu überprüfen.“
46
In seiner Stellungnahme vom 15. Juni 2023 komme es hingegen zu folgendem Schluss (S. 2), dass eine aus der Brauchwassernutzung resultierende Mobilisierung von Schadstoffen ausgeschlossen werden könne.
47
Aus der Gesamtschau der beiden Stellungnahmen ergibt sich indes, dass es sich bei der Formulierung vom 15. Juni 2023 lediglich um eine sprachlich unpräzise und daher missverständliche Textfassung handelt, so dass der Widerspruch zwischen den beiden Stellungnahmen im Ergebnis rein semantischer Natur ist. Denn die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vorgelegte Stellungnahme des WWA vom 15. Juni 2023 präzisiert insoweit diejenige aus dem behördlichen Erlaubnisverfahren, indem näher ausgeführt wird, dass infolge der historischen Erkundung von Altlastenverdachtsflächen im Landkreis München nach Aktenlage keine Abweichung von der genehmigten Ausbeutetiefe ersichtlich sei und die Abbausohle damit oberhalb des höchsten zu erwartenden Grundwasserstands liege. Des Weiteren stellt das WWA fest, dass es mit Blick darauf, dass sich der Grundwasserstrom zur Brunnenanlage durch die Grundwasserförderung teilweise aus Grundwasser zusammensetze, das unter der Altablagerung auf der Altlastenverdachtsfläche geflossen sei, lediglich dem Vorsorgegrundsatz Rechnung getragen und daher als Nebenbestimmung vorgeschlagen habe, das geförderte Grundwasser vor der Benutzung zu untersuchen (ebd. S. 2 unten). Insoweit stimmig hat das WWA bereits in seinem Gutachten im behördlichen Verfahren die Nähe zu der ehemaligen und inzwischen verfüllten Kiesgrube lediglich kurz bei der Lagebeschreibung aufgeführt (Stellungnahme vom 8.11.2022, S. 4) und eine entsprechende Nebenbestimmung zur Überprüfung vor Inbetriebnahme (Nr. 3.3.9, ebd. S. 16) zusätzlich zur halbjährlichen physikalisch-chemischen Untersuchung (Nr. 3.3.6.6, ebd. S. 12) und Vorlage im Rahmen des jährlichen Berichts an die Wasserbehörde (Nr. 3.3.6.7, aaO) vorgeschlagen. Diesen Ausführungen ist allesamt gleichermaßen die fachbehördliche Bewertung zu entnehmen, dass das WWA stets und widerspruchsfrei von einer äußerst geringen, nämlich einer nur theoretisch denkbaren Wahrscheinlichkeit einer Mobilisierung von Schadstoffen durch die Brauchwassernutzung ausgegangen ist.
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Diese Einschätzung deckt sich mit den Ausführungen der Wasserbehörde in der Antragserwiderung vom 16. Juni 2023, wonach bisher kein Fall bekannt sei, in dem tatsächlich in vergleichbaren Konstellationen eine Mobilisierung von Schadstoffen festgestellt worden sei; es handele sich daher lediglich um eine „reine Vorsichtsmaßnahme, um eine rein theoretisch bestehende Gefahr weiter zu minimieren“ (S. 3 f.).
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Folglich besteht für das Gericht auch kein Grund, an der Eignung des vom WWA als amtlichen Sachverständigen vorgeschlagenen Überwachungssystems zu zweifeln, denn es orientiert sich in nachvollziehbarer Weise an dem als offenbar sehr gering eingeschätzten Risiko einer Mobilisierung von Schadstoffen durch das streitgegenständliche Vorhaben.
50
Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Einwand des Antragstellers, wonach im Verfahren weder nähere Informationen noch Unterlagen zur historischen Erkundung der Altlastenverdachtsflächen bzw. konkret betreffend die Altlastenverdachtsfläche auf dem Grundstück Fl. Nr. … vorgelegt worden seien. Denn es besteht auch vor diesem Hintergrund kein Anlass – zumal bei summarischer Prüfung –, die amtlichen Auskünfte des WWA als Fachbehörde in Zweifel zu ziehen (vgl. BayVGH, B.v. 22.5.2023, aaO). Ebenso ist es nicht zu beanstanden, dass die Prognoseentscheidung auf Grundlage vorhandener Erkenntnisse erging, ohne zuvor noch Untersuchungen auf der Altlastenverdachtsfläche durchzuführen. Denn eine Prognose setzt als sachgerechte Tatsachenbasis voraus, dass alle zum Entscheidungszeitpunkt vorhandenen Daten und Erkenntnismittel berücksichtigt werden. Vorliegend ist nicht normativ vorgeschrieben, welche Tatsachen und Erkenntnisse zu ermitteln und welche Prognosemethoden (mit welcher Komplexität) anzuwenden sind, um Auswirkungen eines Vorhabens auf das Grundwasser zu ermitteln. Es besteht – auch und gerade vor dem Hintergrund des § 47 WHG – nicht stets eine Pflicht zur immer weiteren oder gar bestmöglichen Ermittlung der örtlichen Grundwasserverhältnisse. Die Anforderungen an Prognosegrundlage und -methode richten sich vielmehr nach der Art der Materie und den Umständen des Einzelfalls und haben dabei insbesondere den zutreffenden rechtlichen Prüfungsmaßstab (vgl. dazu vorstehend Rn. 39 ff.) heranzuziehen. Dabei gilt insbesondere, dass der insoweit anzulegende Wahrscheinlichkeitsmaßstab stets in Relation zum quantitativen und qualitativen Ausmaß des von der beabsichtigten Gewässerbenutzung ausgehenden Gefährdungspotentials gesetzt werden muss (vgl. BVerwG, B.v. 10.10.2017 – 7 B 5/17 – juris Rn. 17 ff.; vgl. VG München, B.v. 28.10.2022 – M 31 SN 22.4592 – juris Rn. 35 m.w.N.). Die vom Antragsteller geäußerte Kritik an den Ermittlungen und Bewertungen des Antragsgegners greifen nicht durch. Nach Aktenlage ist aufgrund der vorliegenden fachbehördlichen Erkenntnisse keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür gegeben, dass es anlagenbedingt zu einer Mobilisierung von Schadstoffen aus der Altlastenverdachtsfläche auf dem Grundstück Fl. Nr. … kommt. Dem setzt der Antragsteller unter Vorlage der gutachterlichen Bewertungen Dr. H* …s nichts Substantiiertes entgegen. Die ohnehin insoweit bereits rechtlich unzutreffend am Maßstab des Besorgnisgrundsatzes ausgerichteten Ausführungen zu den geologischen Verhältnissen und zur Hydrogeologie und den dazu abgeleiteten fachlichen Bewertungen vermögen die fachgutachtliche Bewertung des WWA nicht hinreichend zu erschüttern. Die vom Antragsteller postulierte Aufklärung von Altlastenverdachten, namentlich auf dem Vorhabengrundstück, ist mithin nach der gegebenen Erkenntnislage – jedenfalls soweit für das Gericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ersichtlich – nicht veranlasst.
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1.2 Schließlich liegt nach summarischer Prüfung auch kein Verstoß gegen § 48 WHG bezüglich der Wiedereinleitung mittels Versickerung des für die Kieswäsche, das Befeuchten von Fahrwegen und Halden sowie für die Reifenwaschanlage genutzten Wassers vor.
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Zunächst ist festzustellen, dass der Bescheid hinsichtlich der Modalitäten der Versickerung hinreichend bestimmt ist. Entsprechend den Angaben in den Antragsunterlagen wird festgelegt, dass die Versickerung in einem Absetzbecken bzw. Kiesweiher – die Begrifflichkeiten werden im behördlichen Verfahren sowohl von der Wasserbehörde als auch vom WWA (s. bspw. Gutachten vom 8.11.2022, Ziff. 2.4 und 3.1.1) synonym verwendet – erfolgt, das mit fortschreitendem Kiesabbau auf der Abbaufläche mitwandert. Es ist dabei insbesondere nicht zu beanstanden, dass zu Standort und Dimensionierung des Absetzbeckens keine Konkretisierung gefordert wurde. Hierfür besteht weder eine Rechtspflicht noch ausweislich der Ausführungen des wasserwirtschaftlichen Sachverständigen ein wasserwirtschaftliches Bedürfnis. Denn aus der Gesamtbetrachtung der Modalitäten der Versickerung des Brauchwassers ergibt sich, dass es sich hierbei um einen dynamischen Prozess handelt, bei dem das Brauchwasser mit fortschreitendem Abbau über unterschiedliche Abbauabschnitte, Fahrwege und Halden ausgebracht und versickert wird.
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1.2.1 Hinsichtlich der Versickerung des Reifenwaschwassers, die nach dem Vortrag des Antragstellers im Wesentlichen angegriffen wird, ist ein solcher Verstoß nach den tatsächlichen Gegebenheiten bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Beigeladene nach ihrem glaubhaften Vortrag unter Vorlage aussagekräftiger Dokumentation (Kaufrechnung, Produktbeschreibung, Bildnachweise) statt der im streitgegenständlichen Bescheid erlaubten Versickerung des Brauchwassers aus der Reifenwaschanlage auf ein alternatives Verfahren zurückgreift, bei dem das Brauchwasser in einem geschlossenen Kreislauf aufbereitet und wiederverwendet wird; die dabei abgesetzten Feststoffe werden demnach in regelmäßigen Abständen durch Abfuhr entsorgt. Folglich sind nachteilige Veränderungen der Grundwasserbeschaffenheit insoweit nicht zu erwarten. Die Beigeladene hat schriftsätzlich mehrfach versichert, dass sie auch künftig hierzu keine Versickerung des Brauchwassers beabsichtigt. Ob diese Erklärungen insoweit bereits als hinreichend eindeutiger Teilverzicht auf die streitgegenständliche Erlaubnis zu werten sind, kann vorliegend offenbleiben (vgl. zur Verzichtsfähigkeit von Rechten aus wasserrechtlichen Gestattungen BayVGH, U.v. 7.7.1997 – 22 B 95.3493 – juris Rn. 21). Dies schon deshalb, weil eine entsprechende bescheidsförmige, klarstellende Verbindlicherklärung eines solchen Verzichts durch den Antragsgegner ohne weiteres nachgeholt werden und auf dieser Grundlage ein etwaiger Rechtsverstoß durch Entscheidungsergänzung i.S.d. § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG behoben werden kann. Zudem würde ein Verstoß der Beigeladenen gegen ihre vorgenannten Erklärungen über den künftig ausschließlich in einem geschlossenen System auszuführenden Betrieb der Reifenwaschanlage einen Verstoß gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB analog) in Gestalt eines venire contra factum proprium darstellen.
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Unabhängig davon kommt es hierauf von Rechts wegen auch nicht an, da der Bescheid vom 24. November 2022 nach summarischer Prüfung auch insoweit rechtmäßig ist. Der Bescheid geht sowohl in seinem Tenor als auch in den Inhalts- und Nebenbestimmungen sowie in den Gründen der Sache nach hinreichend auf den weiteren verwirklichten Benutzungstatbestand nach § 9 Abs. 1 Nr. 4 WHG ein und folgt dabei nachvollziehbar der Einschätzung des WWA, wonach das zur Reifenwäsche benutzte Wasser hauptsächlich abgebaute Stoffe enthalte und keine bzw. nur sehr geringe Mengen von Stoffen, die die Grundwasserqualität beeinträchtigen könnten (S. 11). Diese Einschätzung hat das WWA auch in seiner Stellungnahme vom 15. Juni 2023 mit Blick auf die Ausführungen des privaten Sachverständigen bezüglich der Verschmutzung mit Mikroplastik aufrechterhalten. Schlüssig verweist das WWA hierzu darauf, dass durch die Reifenwäsche kein relevanter Anteil an Reifenabrieb in die Umwelt entsorgt wird. Diese fachgutachtliche Bewertung begegnet keinen fachlichen oder rechtlichen Bedenken. Auch wurde sie von Antragstellerseite letztlich nicht substantiiert erschüttert; die lediglich allgemeinen Ausführungen des Antragstellers, maßgeblich gestützt auf die Veröffentlichung der Bundesanstalt für Straßenwesen vom 8. April 2021, ändern daran nichts. Ohnehin gilt dabei, dass Mikro(plastik-)partikel von Reifenabrieb, die über die Straßenentwässerung in Gewässer gelangen können, nach geltender Rechtslage kein Bewertungsparameter für den Gewässerzustand sind (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2021 – 9 A 8/20 – juris Ls. 4). Schließlich statuiert der Bescheid in Nr. 1.3.1.8 eine Überwachungspflicht für den Fall, dass sich Anhaltspunkte für den Eintrag schädlicher Stoffe aus der Reifenwaschanlage ergeben.
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1.2.2 Auch das Vorbringen des Antragstellers, wonach sich aus der Versickerung des für die Kieswäsche und die Befeuchtung der Fahrwege und Halden genutzten Grundwassers, das mittels des Brauchwasserbrunnens zu Tage gefördert und infolge der Freisetzung von Schadstoffen aus der Altlastenverdachtsfläche verunreinigt sein könnte, eine nachteilige Veränderung der Grundwasserbeschaffenheit ergeben könne, führt nach summarischer Prüfung nicht weiter.
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Denn auch unter Zugrundelegung des strengeren Maßstabs des § 48 Abs. 1 Satz 1 WHG, wonach eine Besorgnis immer schon dann anzunehmen sei, wenn die Möglichkeit einer schädlichen Verunreinigung des Grundwassers oder eine sonstige nachhaltige Veränderung seiner Eigenschaften nach den gegebenen Umständen und im Rahmen einer sachlich vertretbaren, auf konkreten Feststellungen beruhenden Prognose nicht von der Hand zu weisen ist (Meyer in Landmann/Rohmer, UmweltR, 102. EL September 2023, § 48 WHG Rn. 7; BVerwG, B.v. 28.6.2019 – 7 B 26/18 – juris Rn. 17; BayVGH, U.v. 5.12.1996 – 22 B 96.2050 – juris Rn. 22; VG München, U.v. 28.6.2011 – M 2 K 11.1003 – juris Rn. 13), fehlt es hier an einer solchen auf konkreten Feststellungen beruhenden hinreichend negativen Prognose. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen (vgl. Rn. 42 ff.) verwiesen. Hiernach ist der fachbehördlichen Bewertung zu entnehmen, dass das WWA stets und widerspruchsfrei von einer lediglich theoretischen und damit äußerst geringen Wahrscheinlichkeit einer Mobilisierung von Schadstoffen durch die Brauchwassernutzung ausgegangen ist. Darüber hinaus ist anerkannt, dass im Falle der Besorgnis nachteiliger Veränderungen die Erlaubniserteilung nicht zwangsläufig zu versagen, sondern zu prüfen ist, ob diese Wirkungen durch Inhalts- und Nebenbestimmungen vermieden oder ausgeglichen werden können (vgl. z.B. Czychowski/Reinhardt, WHG; 13. Aufl. 2023, § 48 Rn. 15; Rossi in Sieder/ZeitlerDahme/Knopp, WHG, 58. EL August 2023, § 48 Rn. 27 ff.). Indem die Wasserbehörde vorliegend auch das verbleibende geringe Restrisiko durch ein Überwachungssystem einhegt (vgl. oben Rn. 48), wurde dem Besorgnisgrundsatz des § 48 WHG voraussichtlich hinreichend Rechnung getragen.
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1.3 Ebenso wenig weist voraussichtlich die im Rahmen der Ausübung des Bewirtschaftungsermessens (§ 12 Abs. 2 WHG) anzustellende Alternativenprüfung Fehler, namentlich mit Blick auf die Nullvariante, auf.
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Das in § 12 Abs. 2 WHG eingeräumte Bewirtschaftungsermessen ist allein an wasserwirtschaftlichen Gesichtspunkten auszurichten (vgl. aktuell z.B. BayVGH, B.v. 4.10.2022 – 8 ZB 22.1193 – juris Rn. 24). Es hat sich im Rahmen des durch § 12 Abs. 1 WHG vorgegebenen Zwecks der nachhaltigen Gewährleistung der wasserwirtschaftlichen Ordnung und insbesondere an den Bewirtschaftungsgrundsätzen des § 6 WHG und seinen Konkretisierungen in den Bewirtschaftungszielen der §§ 27, 28, 44, 47 WHG zu orientieren. Für die Nutzung des Grundwassers ergeben sich die Bewirtschaftungsziele aus § 47 WHG. Allein aus wirtschaftlichen Gründen muss die Behörde die Erlaubnis nicht erteilen. Umgekehrt darf die Frage der Wirtschaftlichkeit des Gewerbebetriebs des Vorhabenträgers im Rahmen des Bewirtschaftungsermessens eine Rolle spielen, insbesondere im Hinblick auf eine Bedarfsprüfung für die beantragte Gewässerbenutzung (vgl. Fellenberg/Schiller in Schink/Fellenberg, WHG, § 12 Rn. 63; BayVGH, B.v. 4.10.2022 aaO Rn 25).
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Der Antragsgegner hat in den Bescheiden vom 24. November 2022 und 12. April 2023 das Bewirtschaftungsermessen – wenn auch durchaus nur knapp – betätigt und sich dabei mit den Bewirtschaftungszielen des § 47 WHG, dem spar- und sorgsamen Umgang mit Grundwasser, der Verhinderung von Verunreinigungen und der Privatnützigkeit des Vorhabens (noch) ausreichend auseinandergesetzt. Zugunsten der Beigeladenen hat das Landratsamt nachvollziehbar maßgeblich deren wirtschaftliches Interesse an der Nutzung des Grundwassers zum beantragten Zweck und im erlaubten Umfang in die Ermessenausübung einbezogen, während es mit Blick auf die konkrete Örtlichkeit des Abgrabungsvorhabens sowohl das Auffangen und Sammeln von Niederschlagswasser als auch die Benutzung von Oberflächengewässern als Alternativen ausgeschlossen hat. Gleiches gilt für die nach Aktenlage mit nicht unerheblichen Mehrkosten verbundene Bereitstellung von Wasser von dritter Seite.
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Die Verbandsanfechtung in der Hauptsache wird daher voraussichtlich keinen Erfolg haben.
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2. Folglich tritt nach oben Ausgeführtem (vgl. Rn. 29) bei einem tripolaren Rechtsverhältnis das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück.
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Eine (ergänzende) Interessensabwägung jenseits der Erfolgsaussichten der Hauptsache spricht ebenfalls gegen eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage des Antragstellers. Die Beigeladene hat überzeugend dargelegt, dass für ihr Vorhaben ein besonderes Vollziehungsinteresse i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO besteht, das die entsprechende behördliche Anordnung auch materiell rechtfertigt. Es ist dabei nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner maßgeblich darauf verweist, dass die Fortführung des bisherigen externen Bezugs von Wasser von dritter Seite mit einem erheblichen finanziellen Mehraufwand für die Beigeladene einhergeht. Die Erwägung, dass sich die Dringlichkeit aus einer signifikanten Minderung dieses Kostenaufwands während der Anhängigkeit des Hauptsacheverfahrens ergibt, begegnet keinen Bedenken. Dabei ist es unerheblich, wie genau diese Mehrkosten der Beigeladenen exakt zu ermitteln und zu beziffern sind (vgl. einerseits Bescheid vom 12. April 2023, S. 2, sowie Schreiben der Beigeladenen vom 6. April 2023, andererseits Schriftsatz des Antragstellers vom 21. Juni 2023, S. 7), da der Sofortvollzug die Kostenlast nach dem Vorgetragenen jedenfalls spürbar mindert; dies reicht mit Blick auf den Umstand, dass mit einer erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache M 31 K 23.1139 voraussichtlich frühestens ab Mitte 2025 zu rechnen ist, aus, ein besonderes Interesse der Beigeladenen an der Vollziehbarkeit bereits vor Eintritt der Rechtskraft in der Hauptsache anzunehmen.
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Soweit der Antragsteller im Übrigen meint, der Rechtsprechung der vormals für das Wasserrecht zuständigen 2. Kammer des Verwaltungsgerichts München entnehmen zu können, dass durch Verzögerungen begründete finanzielle Nachteile generell kein anzuerkennendes Interesse eines Erlaubnisinhabers an der sofortigen Vollziehbarkeit begründen können, vermag das erkennende Gericht dem dazu in Bezug genommenen Beschluss vom 4. August 2021 (M 2 S 21.2866, BeckRS 2021, 23342 Rn. 95 ff.) weder einen allgemeinen, über den entschiedenen Einzelfall hinaus relevanten Rechtsgrundsatz dieses Inhalts zu entnehmen noch teilt es diese Auffassung. Vielmehr ist stets im Einzelfall zu prüfen und zu würdigen, wie die wirtschaftlichen Belange des Vorhabenträgers, hier die der Beigeladenen, in die Abwägung der betroffenen Belange der Verfahrensbeteiligten einzustellen und zu bewerten sind (§ 80a Abs. 3 VwGO). Ob sich in entsprechenden finanziellen Nachteilen, die aus einer Verfahrensverzögerung folgen, allein die materielle Seite des Erlass- und des Verwirklichungsinteresses abbildet, aber daraus kein besonderes Vollzugsinteresse des Vorhabenträgers folgen kann, kann nicht abstrakt, sondern muss stets einzelfallbezogen beurteilt werden. Bei der erforderlichen Interessenabwägung darf nicht übersehen werden, dass auch und gerade der Suspensiveffekt (§ 80 Abs. 1 VwGO) für den Vorhabenträger zur Schaffung vollendeter Tatsachen führen kann, insbesondere dann, wenn die Finanzierung eines behördlich zugelassenen, indes sodann von dritter Seite mit aufschiebender Wirkung beklagten Vorhabens nicht bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit der Genehmigung ausreichend verlässlich wirtschaftlich gesichert werden kann, oder, wie hier, mit der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit eben solche finanziellen Nachteile des Vorhabenträgers verhindert werden, die gerade mit der verfahrensgegenständlichen Zulassungsentscheidung als solcher final vermieden werden sollen (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80a Rn. 7; Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Aufl. 2021, § 80a Rn. 10).
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C. Durch die Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO erledigt sich der Antrag auf Erlass einer gerichtlichen Zwischenverfügung (sog. Schiebe- oder Hängebeschluss).
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D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen Sachantrag gestellt und sich somit auch einem Kostenrisiko ausgesetzt hat. Die Streitwertfestsetzung orientiert sich an Nr. 1.2 i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.