Titel:
Asylrecht, Nigeria, Paranoide Schizophrenie, Qualifizierte ärztliche Bescheinigung
Normenketten:
AufenthG § 60 Abs. 5
AufenthG § 60 Abs. 7
Schlagworte:
Asylrecht, Nigeria, Paranoide Schizophrenie, Qualifizierte ärztliche Bescheinigung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 7097
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der am … … 1992 in Nigeria geborene Kläger ist nigerianischer Staatsangehöriger. Er stellte am 13. November 2017 einen Asylerstantrag.
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Mit Bescheid vom 20. August 2018 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylerstantrag ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen. Das dagegen gerichtete Klageverfahren (M 21b K 18.33467) wurde mit Beschluss vom 24. November 2020 eingestellt.
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Vom 24. Mai 2022 bis 8. Juli 2022 war der Kläger erstmals stationär im …Klinikum … untergebracht. Grund für die Unterbringung war ein Suizidversuch am 24. Mai 2022. Nach dem Arztbericht sei der Kläger vor ein fahrendes Motorrad gesprungen. Er gab an, Stimmen zu hören und Menschen zu sehen, die ihm Befehle erteilen würden, sich umzubringen. Er spüre Kugeln, die aus seinem Kopf in weitere Körperteile schießen. Eine schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen (ICD 10: F32.3) wurde diagnostiziert.
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Vom 9. September 2022 bis 10. Oktober 2022 war der Kläger erneut stationär, diesmal im Klinikum …, untergebracht. Eine paranoid-halluzinatorische Psychose (ICD 10: F20.0) wurde diagnostiziert. Der Kläger hatte sich freiwillig in stationäre Handlung begeben; nach seinen Angaben habe ihm sein Arzt empfohlen, die verschriebenen Medikamente nicht mehr zu nehmen. Er habe zudem kein Geld mehr für diese. Mit Beschluss vom 27. September 2022 ordnete das Amtsgericht …, Abteilung für Betreuungssachen, die vorläufige Betreuung des Klägers unter Festlegung der betroffenen Aufgabenkreise – insbesondere Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung sowie asyl- und ausländerrechtliche Angelegenheiten – befristet bis 26. März 2023 an und bestellte eine vorläufige Betreuerin.
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Unter dem 17. Oktober stellte die Klägerbevollmächtigte gegenüber dem Bundesamt einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens, beschränkt auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Nigeria. Mit Beschluss vom 17. Oktober 2022 verpflichtete das Verwaltungsgericht München (M 7 E 22.32008) die Beklagte, gegenüber der für die Abschiebung zuständigen Ausländerbehörde zu erklären, dass die Abschiebung des Klägers bis zu einer vollziehbaren Entscheidung über den Wiederaufgreifensantrag nicht vollzogen werden darf.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 4. November 2022, der Klägerbevollmächtigten zugestellt am 11. November 2022, lehnte das Bundesamt den Antrag ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die angegebene Begründung führe zu keiner für den Kläger günstigeren Entscheidung. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG liege nicht vor. Es sei kein Ausnahmefall gegeben. Der Kläger sei erwachsen und erwerbsfähig. Den vorliegenden ärztlichen Unterlagen sei nicht zu entnehmen, dass Arbeitsunfähigkeit bestehe. Zudem verfüge der Kläger über einen Familienverband. In Nigeria lebten noch seine Mutter, vier Brüder, drei Schwestern, ein Onkel und eine Tante. Dem Kläger drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Zwar sei die Diagnose einer paranoid-halluzinatorischen Psychose anhand der aktenkundigen Atteste glaubhaft gemacht. Wie sich der gesundheitliche Zustand des Klägers im Falle einer Rückkehr konkret darstelle, werde in den vorgelegten Attesten jedoch nicht erläutert. Dies sei erforderlich, um die rechtliche Prüfung zu ermöglichen, ob eine wesentliche oder gar lebensbedrohliche Gesundheitsverschlechterung vorliege. Dies sei nicht nachvollziehbar dargelegt worden. Die Erkrankung des Klägers könne zudem auch in Nigeria behandelt werden könne. In dem in Lagos befindlichen Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba sei eine stationäre Behandlung psychischer Erkrankungen möglich. Dort sei zudem eine ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung von PTBS, Depressionen und Alkoholabhängigkeit sowie eine Krisenintervention in Suizidfällen möglich. Sollte der aus Lagos stammende Kläger Unterstützung bei der Finanzierung benötigen, könne er neben seiner Großfamilie auf die in diesem Bereich tätigen Nichtregierungsorganisationen verwiesen werden. Vor diesem Hintergrund sei nicht ersichtlich, dass eine Behandlung der vorgetragenen Erkrankung in Nigeria nicht verfügbar sei oder aus finanziellen Gründen oder Gründen der Erreichbarkeit scheitern könne.
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Am … November 2022 hat die Klagepartei Klage erhoben und beantragt,
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1. den Bescheid des Bundesamts vom 04.11.2022, zugestellt am 11.11.2022, Geschäftszeichen: … aufzuheben,
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2. die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Nigeria vorliegen.
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Vom 8. Dezember 2022 bis 12. Dezember 2022 war der Kläger erneut in stationärer Behandlung im Klinikum …
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Am … Dezember 2022 stellte die Klägerbevollmächtigte einen Eilantrag (M 1 E 22.32383). Zur Begründung des Eilantrags ist ausgeführt, dass der Kläger psychisch krank sei. Seine gesundheitliche Situation habe sich verschlechtert, weshalb der stationäre Aufenthalt vom 8. Dezember 2022 bis 12. Dezember 2022 notwendig gewesen sei. Er stehe weiterhin unter gesetzlicher Betreuung, ein erheblicher Betreuungsbedarf sei gegeben. Die Familie des Klägers in Nigeria könne keine Unterstützungsleistung erbringen. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation in Nigeria, insbesondere der hohen Arbeitslosigkeit und dem Druck auf dem umkämpften Arbeitsmarkt sei davon auszugehen, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt nicht selbstständig sicherstellen könne. Die Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit zur Bewerkstelligung der Krankheitskosten sei nicht möglich.
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Die Beklagte beantragt,
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Die eingeführten ärztlichen Dokumente hätten im Wesentlichen bereits zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung vorgelegen und seien ausreichend gewürdigt worden. Der vorläufige Arztbrief vom 14. Dezember 2022 entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 60a Abs. 2c AufenthG. Die E-Mail der Betreuerin des Klägers vom … Dezember 2022 sei unbeachtlich, weil sie keine Fachärztin sei. Letztlich beruhten die Feststellungen in den ärztlichen Bescheinigungen lediglich auf den ungeprüften Angaben des Klägers. Der Kläger verfüge in seinem Heimatland über ein umfassendes und unterstützungsfähiges Familiennetzwerk.
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Mit Beschluss vom 19. Dezember 2022 im zugehörigen Eilverfahren M 1 E 22.32383 verpflichtete das Gericht die Beklagte, der Zentralen Ausländerbehörde Bayern mitzuteilen, dass von der Mitteilung nach § 71 Abs. 5 AsylG vorläufig bis zum Abschluss des Klageverfahrens kein Gebrauch gemacht werden dürfe. Auf die dortigen Gründe wird verwiesen.
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Mit Beschluss vom 17. Januar 2024 ist der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen worden.
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Unter dem 18. Januar 2024 erließ das Gericht einen Gerichtsbescheid. Am 1. März 2024 wurde auf Antrag der Beklagten mündlich verhandelt. Die Klagepartei legte eine ärztliche Bescheinigung vom 29. Februar 2024 vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift sowie auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten, auch im zugehörigen Verfahren M 1 E 22.32383, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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Der streitgegenständliche Bescheid vom 4. November 2022 ist im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG, rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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Zur Begründung wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen, denen der Einzelrichter gem. § 77 Abs. 3 AsylG folgt. Ergänzend wird ausgeführt:
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1. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Nigeria liegen nicht vor.
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Im Falle des Klägers ist kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK unter dem allgemeinen Gesichtspunkt schwieriger humanitärer Bedingungen im Herkunftsland gegeben. Ein außergewöhnlicher Fall, in dem humanitäre Gründe gegen eine Abschiebung entsprechend den Anforderungen des Art. 3 EMRK „zwingend“ sind, liegt nicht vor. Es ist im Rahmen der anzustellenden Rückkehrprognose (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45.18 – juris Rn. 17) von einer gemeinsamen Rückkehr des Klägers nach Nigeria mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen Tochter auszugehen. Die familiäre Bindung bekräftigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung. Nach seinen dortigen Angaben besteht eine Lebensgemeinschaft, u.a. wohnt die Familie zusammen. Er hat zudem die Vaterschaft anerkannt. Der Kläger ist jung und bei Einnahme der verordneten Medikamente (dazu sogleich) arbeitsfähig. In Deutschland hat er Berufserfahrung im Bereich Lagerlogistik gesammelt und arbeitete zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Bereich Pflege auf Probe. Dass er den Arbeitsalltag bei Einnahme der verordneten Medikamente bewältigen kann, hat der Kläger selbst bestätigt. Zudem habe seine Ärztin ihm empfohlen, arbeiten zu gehen. Auch diese sei nach den Angaben des Klägers der Auffassung, dass ihm eine regelmäßige Beschäftigung gut tue. Erwerbsfähigkeitseinschränkungen seiner Lebensgefährtin sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
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Im Übrigen verfügt der Kläger mit seiner Mutter und seinen insgesamt sieben Geschwistern noch über familiär-verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Nigeria, die der Familie zumindest als eine „erste Anlaufstelle“ dienen und bei der Unterkunftssuche behilflich sein könnten. Dass die Mutter des im Entscheidungszeitpunkt 31-jährigen Kläger bereits mindestens 80 Jahre alt sein soll und sich schon deshalb nicht um den Kläger kümmern könnte, erscheint jedenfalls in dieser vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Pauschalität mindestens zweifelhaft. Gleiches gilt, soweit der Kläger vorgetragen hat, dass er nicht wisse, wo seine Geschwister wohnen und diese allesamt verheiratet seien. Darin sieht das Gericht ebenfalls keinen tragfähigen Ausschlussgrund für eine Kontaktaufnahme.
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Allgemein kann zudem festgestellt werden, dass selbst eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, grundsätzlich keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird (vgl. BFA, Länderinformationen der Staatendokumentation, Stand: 31.01.2022, S. 60 f.). Zuletzt ist es dem Kläger auch möglich und zumutbar, Leistungen aus den – überwiegend an die freiwillige Ausreise anknüpfenden – Rückkehrprogrammen Anspruch zu nehmen (vgl. dazu grundlegend: BVerwG, U.v. 21.4.2022 – 1 C 10/21 – juris Rn. 25; vgl. zu den Rückkehrprogrammen: VG Düsseldorf, U.v. 16.8.2021 – 27 K 7543/20.A – juris Rn. 62 ff.; VG Würzburg, U.v. 14.4.2021 – W 10 K 19.32043 – juris Rn. 69). Es ist daher davon auszugehen, dass es ihm und seiner Lebensgefährtin angesichts der Erwerbshistorie und ggf. unter Inanspruchnahme von Betreuungsleistungen gelingen wird, das Existenzminimum der Familie zu erwirtschaften.
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2. Es liegen zum Entscheidungszeitpunkt auch nicht die Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor.
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Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Erforderlich ist somit eine mit hoher Wahrscheinlichkeit drohende Extremgefahr. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt gem. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Eine solche Erkrankung ist gem. § 60 Abs. 7 Satz 2 in Verbindung mit § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung nachzuweisen. Dabei ist es gem. § 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik gleichwertig ist. Nach § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG liegt eine ausreichende medizinische Versorgung in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaates gewährleistet ist.
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Für ein Abschiebungsverbot aus gesundheitlichen Gründen ist erforderlich, dass sich eine nachgewiesenermaßen vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmern, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib und Leben führen, das heißt, dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. BVerwG, U. v. 17.10.2006 – 1 C 18/05 – juris Rn. 15). Dabei kann sich eine krankheitsbedingte zielstaatsbezogene Gefahr im Einzelfall auch daraus ergeben, dass der erkrankte Ausländer eine notwendige und an sich in Zielstaat verfügbare medizinische Behandlung tatsächlich – auch aus finanziellen Gründen – nicht erlangen kann (vgl. BVerwG, U. v. 22.3.2012 – 1 C 3/11 – juris Rn. 34). Beim gesundheitlichen Grund muss es sich um äußerst gravierende, insbesondere lebensbedrohliche Erkrankungen handeln (vgl. Koch in BeckOK AuslR, Stand 1.7.2020, § 60 AufenthG, Rn. 40 mit Verweis auf BT-Drs. 18/7538, 18). An die Gefahrenprognose hinsichtlich der Erheblichkeit der Verschlechterung des Gesundheitszustandes ist der Maßstab der hohen Wahrscheinlichkeit anzulegen, der dann erfüllt ist, wenn der Ausländer bei einer Rückkehr in den Abschiebungszielstaat einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre (vgl. BVerwG, B. v. 23.8.2018 – 1 B 42/18 – juris Rn. 13 m.w.N.), aufgrund der er gewissermaßen sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt wäre (vgl. BayVGH, B. v. 24.7.2015 – 9 ZB 14.30457 – juris Rn. 11 m.w.N.).
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Danach besteht kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Dem Kläger droht nicht infolge einer psychischen Erkrankung mit hoher Wahrscheinlichkeit eine wesentliche Verschlechterung seines Gesundheitszustands.
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Die der Entscheidung zugrundeliegende aktuellste ärztliche Bescheinigung – dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Attest vom 29. Februar 2024 – genügt nicht den Anforderungen an den Nachweis einer paranoiden Schizophrenie beim Kläger. Es verhält sich zunächst nur oberflächlich zu den tatsächlichen Umständen, auf deren Grundlage die fachliche Beurteilung erfolgt ist. Es wird von Seiten der Ärztin lediglich kurz festgestellt, dass seit Juli 2022 zunächst nur zwei Termine stattfinden konnten, sich ein längerer akutpsychiatrischer Aufenthalt ereignete und der Kläger seit Januar 2023 „regelmäßige psychiatrische Termine“ wahrnahm. Wenngleich der Kläger die Angaben in der mündlichen Verhandlung dergestalt präzisierte, dass er einmal pro Monat einen Termin bei ihr habe, wäre zu erwarten gewesen, dass sich auch von fachärztlicher Seite hierzu genauere Darstellungen finden. Weshalb die Angaben nur vage gehalten sind und keine nähere Darlegung und Differenzierung in dem Attest vom 29. Februar 2024 vorgenommen wurde, erschließt sich – insbesondere im Hinblick auf die strengen Anforderungen von § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG – nicht. Die fachärztliche Einschätzung erweist sich auch im Hinblick auf die Methode der Tatsachenerhebung als defizitär. Hierzu wird nur mitgeteilt, dass und welche Symptome der umfangreichen Dokumentation des stationären Verlaufs zu entnehmen sind. Weiter wird ohne Nennung eines Datums auf ein „Interview“ im Rahmen des Asylerstverfahrens verwiesen. Der Abschnitt schließt sodann mit der Feststellung, dass aus fachärztlicher Sicht von einer schweren psychiatrischen Erkrankung, nämlich paranoiden Schizophrenie, auszugehen sei. Eine kritische Würdigung der Fremdeinschätzungen oder gar eigene Erkenntnisse/Wahrnehmungen auf Grundlage der regelmäßigen Termine mit dem Kläger sind dem Attest an keiner Stelle zu entnehmen. Zuletzt werden auch zu den individuellen Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation für den Kläger voraussichtlich ergeben (und zwar sowohl im Fall der Fortführung der Behandlung im Bundesgebiet als auch bei Ausbleiben einer erforderlichen Behandlung im Heimatland) in den vorgelegten Attesten keine hinreichenden Ausführungen gemacht (vgl. diesbezüglich auch VG München, B.v. 18.2.2021 – M 13 S7 21.30011 – UA S. 7). Die Stellungnahme beschränkt sich auch diesbezüglich auf die pauschale Aussage, dass eine Rückführung nicht möglich sei, weil nicht nur keine Behandlung stattfinden könne, sondern vor allem weitere Misshandlungen zu erwarten seien. Verwiesen wird insoweit u.a. – unabhängig von der Einordnung dessen – auf durch die eingebrachten Erkenntnismittel nicht bestätigte Misshandlungen psychisch Kranker durch traditionelle Heiler in Nigeria. Die individuellen, konkreten Folgen für den Kläger aus seiner krankheitsbedingten Situation heraus werden nicht näher dargelegt. Eine dem Kläger drohende wesentliche Verschlimmerung seiner Erkrankung durch zielstaatsbezogene Umstände alsbald nach seiner Rückkehr ist somit nicht ersichtlich.
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Im Übrigen ist die Erkrankung des Klägers auch in Nigeria behandelbar. Das in Lagos befindliche „Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba“ bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker nigerianischer Staatsangehöriger an, die aus Deutschland abgeschoben werden sollen. Dort ist auch eine stationäre Behandlung möglich. Die Behandlungskosten sind je nach Schwere der Krankheit unterschiedlich (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Nigeria vom 21. Dezember 2023, S. 19 f.). Die ihm verschriebenen Medikamente Risperidon, Quetiapin ret., Quetiapin und Sertralin sind zudem in Nigeria erhältlich (Home Office, Country Information Note, Nigeria: Medical treatment and healthcare, Version 4.0, Dezember 2021 S. 59 f.). Es ist dem Kläger auch zuzumuten, die anfallenden Behandlungskosten in Nigeria selbst zu tragen. Der Kläger ist bei Einnahme seiner Medikamente erwerbsfähig und hat dies bereits in Deutschland unter Beweis gestellt. Zudem verfügt er über ein familiäres Netzwerk, das ihn gegebenenfalls unterstützen kann (s.o.). Schließlich kann er auf Rückkehrhilfen verwiesen werden (vgl. BVerwG, U.v. 21.4.2022 – 1 C 10/21 – juris; derzeit 1.000 EUR nach dem JRS-Programm für rückgeführte Personen (https://www.returningfromgermany.de/de/programmes/jrs; zuletzt aufgerufen am 18. März 2024)).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.