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VG München, Urteil v. 18.03.2024 – M 5 K 21.30697
Titel:

Asylklage, Uganda, Politische Unterstützung der People, Power bzw. NUP, Unglaubhaft, Keine Verfolgung

Normenketten:
GG Art. 16a
AsylG § 3
AsylG § 74
AsylG § 78
AufenthG § 60
Schlagworte:
Asylklage, Uganda, Politische Unterstützung der People, Power bzw. NUP, Unglaubhaft, Keine Verfolgung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 6587

Tenor

 I.    Die Klage wird abgewiesen.
 II.    Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.    Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Die 1993 geborene Klägerin ist ugandische Staatsangehörige. Sie reiste am … Dezember 2019 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am … Mai 2020 einen Asylantrag.
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Bei ihrer Anhörung trug die Klägerin vor, dass sie Uganda aufgrund einer politischen Verfolgung verlassen habe. Die Klägerin habe B. W. kennengelernt. Da der amtierende Präsident die Altersgrenze für eine Wiederwahl abschaffen wollte, sei sie der oppositionellen Bewegung „People Power“ beigetreten. Die Organisation, die ihr Studium mitfinanziert habe, habe sie bedroht und ihr mitgeteilt, dass die Klägerin nie wieder eine Chance auf eine gute Arbeitsstelle bekommen würde, wenn sie sich weiter für „People Power“ einsetze. Ein vermeintlicher Freund habe sie nach einer Einladung zu einer Polizeistation gebracht und sie fälschlicherweise bezichtigt, ihn bedroht zu haben. Nachdem ihr eine Polizistin Geld zugesteckt habe, habe sie die Polizeistation verlassen können. Sie sei dann in eine andere Region gegangen. Dort sei eines Tages der vermeintliche Vermieter aufgetaucht und habe rückständige Miete eingefordert. Schließlich sei der Eindringling weggelaufen, nachdem Nachbarn ihr zu Hilfe gekommen seien. Sie habe den Vorfall bei der Polizei angezeigt. Am nächsten Tag habe sie einen anonymen Anruf und Post erhalten, dass sie beim Ortsvorsteher vorsprechen solle. Aus Angst sei sie zu ihrem Vater gegangen. Dort habe sie sich vergeblich um eine Stelle in der Verwaltung von W. beworben. Dann sei sie zu einem Bekannten gegangen, wo sie sich bis zu ihrer Ausreise aufgehalten habe.
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Mit Bescheid vom … März 2021 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Der Bescheid wurde frühestens (Ziffer unleserlich) am 15. März 2021 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt.
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Die Klagepartei hat am 26. März 2021 Klage erhoben und beantragt,
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1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom ... März 2021, erhalten am … März 2021, wird aufgehoben.
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3. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen.
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4. Die Beklagte wird verpflichtet, mich als Asylberechtigte anzuerkennen.
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5. Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
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6. Hilfsweise: Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) bestehen.
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Der Vortrag der Klägerin sei glaubhaft. Ihr drohe daher landesweit die Gefahr politischer Verfolgung. Außerdem lägen die Voraussetzungen für die Feststellung von Abschiebeverboten vor.
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Ein unter Nr. 2 der Niederschrift zu Gericht am 26. März 2021 gestellter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nr. 5 des Bescheids vom ... März 2021 wurde mit Beschluss vom 31. März 2021 abgelehnt (M 5 S 21.30699).
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Das Bundesamt hat die Akten vorgelegt und keinen Antrag gestellt.
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Am 18. März 2024 fand mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie auf das Protokoll vom 18. März 2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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1. Die Klägerin hat kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert, das die Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – Grundgesetz/GG) wie auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG) rechtfertigen würde.
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a) Der Vortrag der Klägerin ist unglaubhaft. Das gilt insbesondere für ihren Vortrag, sie sei als Aktivistin der Bewegung „People Power“ bzw. der Partei NUP ins Visier des Regimes geraten.
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So wirkt der Vortrag der Klägerin über die angeblichen Bedrohungsakte konstruiert und unglaubhaft. Es ist nicht nachvollziehbar und unlogisch, dass die Klägerin von einem ihr flüchtig bekannten Mann in einem fünf Stunden Busfahrt entfernten Ort bezichtigt worden sein soll, ihn bedroht zu haben und deswegen von diesem Mann zu einer Polizeistation gebracht worden zu sein. Auch der Umstand, dass ihr dort eine Polizistin 30.000 Schilling zugesteckt haben und ihr gesagt haben soll, sie solle flüchten, da sie nicht wüsste, was sonst mit ihr passieren würde, wirkt unlogisch, konstruiert und aufgesetzt. Auch den Widerspruch, dass sie bei der Anhörung beim Bundesamt angegeben hat, dass der Mann, der versucht haben soll, in ihre Wohnung einzudringen, geschrien habe, dass die Klägerin ihre Miete nicht gezahlt habe, das Einfordern der Miete durch diesen Mann aber in der mündlichen Verhandlung nicht angegeben hat, konnte die Klägerin nicht hinreichend erklären. Ihre lapidare Angabe, dass man das auch im Laufe der Zeit vergessen könne, überzeugt nicht. Denn es geht um die von ihr als so bedrohlich gehaltenen Umstände, sodass sie sich zum Verlassen ihres Heimatlandes gezwungen gesehen haben will. Daher ist zu erwarten, dass sie die wesentlichen Umstände in Erinnerung hat. Im Übrigen ist auch nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin einerseits Angst vor einer angeblichen Verhaftung unter Angabe von Vorwänden angegeben hat und die einzelnen von ihr geschilderten Vorkommnisse als solche Vorwände geschildert hat. Andererseits hätte bei einem ernsthaften Verfolgungsinteresse eine solche Gefahr der Verhaftung ständig gedroht. So ist nicht nachvollziehbar, warum sie die Gefahr einer Verhaftung sieht, wenn sie zum Ortsvorsteher wegen angeblich ausstehender Miete vorgeladen wird. Die Gefahr, dass sie gerade durch das Nichterscheinen zu diesem Termin sich einer besonderen Gefahr ausgesetzt zu haben, hat sie völlig ausgeblendet. Es ist auch unlogisch, dass die Klägerin einerseits Angst vor einer Verhaftung gehabt haben und deshalb geflohen sein will, andererseits sich aber bei einer staatlichen Stelle – dem Stadtrat von W. – beworben haben will und so für staatliche Organe wieder identifizierbar war. Auch der Umstand, dass der Klägerin am … November 2019 ein Reisepass ausgestellt wurde und sie damit erneut für staatliche Stellen identifizierbar war, dabei aber keinerlei Probleme geschildert hat, unterstreicht diesen Eindruck.
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Hinzu kommt, dass die von der Klägerin geschilderten Vorkommnisse über ein Jahr vor der umstrittenen Präsidentschaftswahl im Januar 2021 stattgefunden haben sollen. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Wahlkampf aber noch nicht begonnen. Insgesamt wirkten die Aussagen über die Ziele der „People Power“ bzw. NUP auch sehr oberflächlich, detailarm, äußerst allgemein und vage. Eine von der Klägerin vorgetragene Mobilisierung der Leute ist mit allgemeinen platten Aussagen nicht möglich. Erst recht kann sie damit nicht in das „Visier“ der herrschenden politischen Elite als Aktivistin geraten.
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b) Ungeachtet der Unglaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin hat sie keine Verfolgungsmaßnahmen geschildert, die sie in eine ausweglose Lage gebracht hätten. Dass eine Person zu Unrecht mit einer Beschuldigung überzogen wird, ist immer wieder möglich. Die von der Klägerin geschilderten Situationen haben sich auch jeweils ohne weiteres gelöst, ohne dass es für sie zu Konsequenzen gekommen ist. Insbesondere konnte sie sich unbehelligt bei ihrem Vater und später bei einer Freundin aufhalten sowie ohne weiteres am … November 2019 einen Reisepass erhalten und unbehelligt ausreisen. Der Umstand, dass eine Stellenbewerbung nicht erfolgreich war, kann nicht als Verfolgung angesehen werden.
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Die Klägerin mag einfaches Mitglied der NUP sein. Aus der bloßen Mitgliedschaft erwächst aber keine Verfolgungsgefahr.
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c) Auch ihre angebliche Unterstützung homosexueller Menschen in Deutschland bedingt nicht die beachtliche Gefahr einer politischen Verfolgung bei einer Rückkehr nach Uganda. Es ist bereits völlig offen, in welcher Form die Klägerin entsprechende Aktivitäten entfaltet hat. Das hat die Klägerin nur am Ende der mündlichen Verhandlung knapp erwähnt. Darüber hinaus ist äußerst fraglich, ob diese Aktivitäten in Uganda bekannt werden.
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Aus diesen Aktivitäten kann keine Verfolgung durch staatliche ugandische Stellen drohen. Denn in der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 19. Mai 2009 an das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main (zu Aktivitäten für die „National Democratic Alliance“/NDA) ist festgehalten, dass exilpolitische Aktivitäten – bei Bekanntwerden gegenüber den Behörden des Staates Uganda – nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu einer Verfolgung führen, wenn sie nicht gegen Strafgesetze Ugandas verstoßen, insbesondere als Hochverrat und Vergehen gegen den Staat oder als Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung anzusehen sind. Hierfür ist weder etwas vorgetragen noch im Ansatz ersichtlich.
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d) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Insbesondere für das Vorliegen von krankheitsbedingten Abschiebungshindernissen ist konkret weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
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e) Es sind daher auch keine Gesichtspunkte ersichtlich, die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnten. Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes verwiesen (§ 77 Abs. 2 Asylgesetz/AsylG).
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Da die Klägerin vor ihrer Ausreise ihren Lebensunterhalt ohne weiteres bestreiten konnte, wird ihr das auch bei einer Rückkehr nach Uganda möglich sein. Es ist daher zu erwarten, dass sie nach einer Rückkehr nach Uganda in der Lage sein wird, das Existenzminimum für sich aufzubringen. Im Übrigen kann sie hierfür – landesüblich – auch auf die Hilfe ihrer Familie verwiesen werden.
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2. Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
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Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes vom ... März 2021 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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3. Die Klägerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.