Titel:
Beschwerdebegründung unter Nichteinhaltung der von § 55d VwGO vorgeschriebenen Form
Normenkette:
VwGO § 55d, § 146 Abs. 4 S. 1
Leitsätze:
1. Die Einhaltung des § 55d S. 1 VwGO ist eine Frage der Zulässigkeit und daher von Amts wegen zu beachten; sie steht nicht zur Disposition der Beteiligten. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Glaubhaftmachung der vorübergehenden Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument bedarf einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände. Der pauschale Hinweis auf eine technische Störung beim besonderen elektronischen Anwaltspostfach genügt zur Glaubhaftmachung ebenso wenig wie die unkommentierte Vorlage eines Screenshots einer Fehlermeldung, die Datum und Uhrzeit des Übermittlungsversuchs nicht erkennen lässt. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Halbierung des Streitwerts in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kommt nicht in Betracht, wenn das Rechtsschutzbegehren auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unzulässige Beschwerde, Übermittlung der Beschwerdebegründung per Telefax, Voraussetzungen einer wirksamen Ersatzeinreichung, Pauschaler Hinweis auf Störung beim elektronischen Anwaltspostfach, Unkommentierte Vorlage eines Screenshots einer Fehlermeldung, elektronischer Rechtsverkehr, Streitwert
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 18.09.2023 – RN 1 E 23.1197
Fundstellen:
BayVBl 2024, 351
LSK 2024, 656
BeckRS 2024, 656
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 18. September 2023 – RN 1 E 23.1197 – wird verworfen.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.844,04 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO und ist daher gemäß § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO als unzulässig zu verwerfen.
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1. Die Beschwerde wurde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO in der gemäß § 55d VwGO erforderlichen Form begründet. Eine Beschwerdebegründung unter Nichteinhaltung der von § 55d VwGO vorgeschriebenen Form ist unwirksam und wahrt die Rechtsmittelbegründungsfrist folglich nicht (vgl. BGH, B.v. 17.11.2022 – IX ZB 17.22 – juris Rn. 5 zu § 520 Abs. 5 i.V.m. § 130d ZPO).
3
Nach § 55d Satz 1 VwGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die u.a. durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Eine herkömmliche Einreichung – etwa auf dem Postweg oder per Fax – ist prozessual grundsätzlich unwirksam. Nur dann, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschritten zulässig (§ 55d Satz 3 VwGO). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (§ 55d Satz 4 VwGO). Die Einhaltung der Vorschrift ist eine Frage der Zulässigkeit und daher von Amts wegen zu beachten; sie steht nicht zur Disposition der Beteiligten (BayVGH, B.v. 2.5.2022 – 6 ZB 22.30401 – juris Rn. 2 m.w.N.).
4
Der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts, der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrungversehen war, wurde den Bevollmächtigten des Klägers laut Empfangsbekenntnis am 25. September 2023 zugestellt. Die Beschwerdebegründung hätte daher gemäß § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe – mithin bis zum 25. Oktober 2023 (24:00 Uhr) – beim Verwaltungsgerichtshof in elektronischer Form eingehen müssen. Dies ist hier nicht geschehen. Vielmehr ist die (unterschriebene) Beschwerdebegründung vom 23. Oktober 2023 am 25. Oktober 2023 um 18:22 Uhr per Telefax beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen. Elektronisch ist die Begründung dem Gericht erst am 26. Oktober 2023 und damit nach Ablauf der Begründungsfrist übermittelt worden.
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Auch die Voraussetzungen für eine Ersatzeinreichung nach § 55d Satz 3 und 4 VwGO liegen nicht vor. Die Klägerbevollmächtigten haben nicht glaubhaft gemacht, dass die Übermittlung des Schriftsatzes vom 23. Oktober 2023 als elektronisches Dokument aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich war. Die per Telefax übermittelte Beschwerdebegründung enthält zwar über dem Adressfeld den Vermerk „Aufgrund technischer Störung beim beA per Telefax“. Zudem ist dem Schriftsatz ein Screenshot beigefügt, der im Fenster „Zertifikatsauswahl“ folgenden Text enthält: „Die Verbindung mit dem Fernsignaturdienst der BNotK konnte nicht hergestellt werden. Bitte prüfen Sie Ihre Netzwerkverbindung und versuchen Sie es erneut. Sollte es weiterhin nicht funktionieren wenden Sie sich bitten an die Bundesnotarkammer. Fehlerdetails. Fehler beim Verbindungsaufbau“.
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Der pauschale Hinweis auf eine technische Störung beim besonderen elektronischen Anwaltspostfach genügt zur Glaubhaftmachung aber ebenso wenig wie die unkommentierte Vorlage eines Screenshots einer Fehlermeldung, die Datum und Uhrzeit des Übermittlungsversuchs nicht erkennen lässt. Es fehlt an einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände eines oder mehrerer fehlgeschlagener Übermittlungsversuche (vgl. BGH, B.v. 21.9.2022 – XII ZB 264/22 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 20.1.2023 – 8 CS 22.2562 – juris Rn. 15). Der Senat vermag daher nicht zu beurteilen, ob die elektronische Übermittlung vorübergehend aus technischen Gründen nicht möglich war.
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Auch der am 26. Oktober 2023 elektronisch übermittelten Beschwerdebegründung war keine weitere Erklärung beigefügt.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 40, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 sowie § 52 Abs. 1 i.V.m. Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG; eine Halbierung kommt nicht in Betracht, weil das Rechtsschutzbegehren auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist (vgl. BayVGH, B.v. 24.5.2023 – 6 CE 23.613 – juris Rn. 16).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).