Inhalt

VGH München, Beschluss v. 17.01.2024 – 3 ZB 23.1784
Titel:

Ruhegehaltsfähigkeit von Funktions-Leistungsbezügen

Normenketten:
BayBeamtVG Art. 3 Abs. 1, Art. 13 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 4
BayBesG Art. 72
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 3
Leitsätze:
1. Art. 13 Abs. 3 BayBeamtVG regelt nicht nur die Voraussetzungen der Ruhegehaltsfähigkeit der Funktions-Leistungsbezüge, sondern auch in welcher Höhe diese ruhegehaltsfähig sind. Der mit der einschränkenden Konjunktion „soweit“ eingeleitete Nebensatz knüpft damit nicht nur an die Dauer der Gewährung, sondern auch an die Höhe des Betrags der dem Beamten zugestandenen (hier auch tatsächlich gewährten) Funktions-Leistungsbezüge an. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Besondere rechtliche Schwierigkeiten iSd § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO folgen weder aus dem Umfang der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils von zehn Seiten noch daraus, dass das Erstgericht auf Urteile des Bundesverwaltungsgerichts, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Kommentarliteratur, Gesetzesbegründungen sowie auf semantische Deutungen anhand des Dudens im Rahmen seiner Ausführungen zu Art. 13 BayBeamtVG und Art. 3 Abs. 1 GG rekurriert. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Klärungsbedürftig iSd § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO können nur Fragen sein, die nicht ohne weiteres aus dem Gesetz zu lösen sind. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verbeamteter Professor (Besoldungsgruppe W2), Wahrnehmung nebenamtlicher Aufgaben der Hochschulselbstverwaltung, Festsetzung von Versorgungsbezügen, Ruhegehaltsfähigkeit von Funktions-Leistungsbezügen
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 22.08.2023 – W 1 K 23.236
Fundstelle:
BeckRS 2024, 655

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 37.225,04 Euro festgesetzt.

Gründe

1
Der auf die Zulassungsgründe ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Antrag bleibt ohne Erfolg. Keiner der genannten Zulassungsgründe liegt vor.
2
Der Kläger war bis zu seiner Ruhestandsversetzung (mit Ablauf des 30.9.2021) verbeamteter Professor (Besoldungsgruppe W2) an einer bayerischen Hochschule für Musik. In seiner aktiven Dienstzeit erhielt er für die Wahrnehmung unterschiedlicher nebenamtlicher Aufgaben der Hochschulselbstverwaltung Funktions-Leistungsbezüge in wechselnder Höhe (50 Euro als Studiendekan vom 1.10.2007 bis 30.9.2010, 66,97 Euro bis 500 Euro als Vizepräsident vom 01.10.2011 bis 30.9.2017 und 2.300 Euro bis 2.542,22 Euro als Präsident vom 1.10.2017 bis 30.9.2021). Seit 1. Oktober 2021 ist er auf Grundlage eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses hauptamtlicher Präsident der Hochschule. Bei der Festsetzung seiner Versorgungsbezüge (Bescheid vom 28.10.2021 in Höhe von 4.388,78 Euro) berücksichtigte das Landesamt für Finanzen unter Bezugnahme auf Art. 13 Abs. 3 BayBeamtVG die Funktions-Leistungsbezüge, die dem Kläger mindestens fünf Jahre zugestanden haben (ab 1.10.2015 in Höhe von mtl. 500 Euro), in hälftiger Höhe (mtl. 250 Euro). Zwar habe der Kläger bereits als Studiendekan seit 1. Oktober 2007 und als Vizepräsident seit 1. Oktober 2011 über einen Zeitraum von zehn Jahren Funktions-Leistungsbezüge in Höhe von mindestens 66,97 Euro erhalten. Da dieser Betrag aber niedriger als 250 Euro sei, sei gemäß Art. 13 Abs. 4 Satz 1 BayBeamtVG nur der höhere Betrag berücksichtigt worden.
3
Der Kläger begehrt die Neuberechnung seiner Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung der ihm für sein Nebenamt als Präsident der Hochschule gewährten Funktions-Leistungsbezüge (ab 1.10.2017 mtl. 2.300 Euro, ab 1.1.2018 mtl. 2.354,05 Euro, ab 1.6.2019 mtl. 2.429,38, ab 1.1.2020 mtl. 2.507,12 Euro, ab 1.1.2021 bis 30.9.2021 mtl. 2.542,22 Euro). Wegen des zehnjährigen Zustehens der Funktions-Leistungsbezüge seien diese in voller Höhe ruhegehaltsfähig. Im Verhältnis der Zeiträume des Bezugs der Funktions-Leistungsbezüge sei zu einem Drittel der letzte Bemessungssatz für den Hochschulpräsidenten und zwei Drittel derjenige für den Vizepräsidenten anzusetzen. Hilfsweise sei der Durchschnitt der tatsächlich in zehn Jahren erhaltenen Funktions-Leistungsbezüge (132.213,93 Euro/120 Monate = mtl. durchschnittlich 1.101,78 Euro) anzusetzen.
4
Das Verwaltungsgericht hat die Klage sowohl im Haupt- als auch Hilfsantrag abgewiesen. Das klägerische Begehren finde keinerlei Rückhalt im Gesetz und stehe im Widerspruch zum Wortlaut des Art. 13 Abs. 3 BayBeamtVG („soweit“), zur Gesetzessystematik und zur Regelungsabsicht des Gesetzgebers.
5
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts bestehen auf der Grundlage des Zulassungsvorbringens nicht. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift, die die Zulassung der Berufung rechtfertigen, sind zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
6
Die Zulassungsbegründung meint, das Gesetz lasse die klägerische Auslegung sprachlich zu. Die Ausführungen zu den modusmodifizierenden Nebensätzen („soweit“) führten in der Sache nicht weiter, da unstreitig sei, dass sich der zeitliche Bezug (zehn Jahre in voller Höhe) auf die Dauer der Funktions-Leistungsbezüge beziehe. Der Kläger begehre nicht mehr, aber auch nicht weniger anzurechnen, als ihm in der Zeit des Bezuges der Funktions-Leistungsbezüge „zugestanden“ habe. Damit sei sein Begehren sprachlich viel näher an dem Sinn „in voller Höhe“, der dem Wortlaut des Gesetzes entspreche. Das Ausgangsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass die Höhe der gezahlten Leistungsbezüge mit der Mindestbezugsdauer der Zahlung eines bestimmten Betrages identisch wäre.
7
Damit vermag der Kläger keine ernsthaften Zweifel zu begründen. Das Verwaltungsgericht hat rechtlich zutreffend angenommen, dass der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung eines höheren Ruhegehalts hat. Die versorgungsrechtliche Berücksichtigung der Funktions-Leistungsbezüge in der vom Kläger begehrten Höhe kommt nicht in Betracht. Nach Art. 13 Abs. 3 BayBeamtVG sind Funktions-Leistungsbezüge ruhegehaltfähig in Höhe der Hälfte, soweit sie mindestens fünf Jahre zugestanden haben, und in voller Höhe, soweit sie mindestens zehn Jahre zugestanden haben. Die Vorschrift regelt damit nicht nur die Voraussetzungen der Ruhegehaltsfähigkeit der Funktions-Leistungsbezüge, sondern auch in welcher Höhe diese ruhegehaltsfähig sind. Der mit der einschränkenden Konjunktion „soweit“ eingeleitete Nebensatz knüpft damit nicht nur an die Dauer der Gewährung, sondern auch an die Höhe des Betrags der dem Beamten zugestandenen (hier auch tatsächlich gewährten) Funktions-Leistungsbezüge an. Die Funktions-Leistungsbezüge sind nur in der Höhe ruhegehaltsfähig, in der sie auch tatsächlich mindestens fünf bzw. zehn Jahre zugestanden haben. Die gegenteilige Rechtsauffassung des Klägers würde bei Funktions-Leistungsbezügen in wechselnder Höhe – wie hier – zu der nicht geregelten Frage führen, welcher Betrag „in voller Höhe“ ruhegehaltsfähig sein soll. Der für die Ermittlung der Höhe vom Kläger im Haupt- und Hilfsantrag vorgeschlagene Ansatz (Quotierung bzw. monatlicher Durchschnittsbetrag) findet im Gesetz jedenfalls keine Stütze. Vor dem Hintergrund, dass nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums Versorgungsleistungen dem Vorbehalt des Gesetzes unterliegen und nur zugesprochen werden dürfen, wenn und soweit sie gesetzlich vorgesehen sind (vgl. Art. 3 Abs. 1 BayBeamtVG), bleibt für die Rechtsauslegung des Klägers kein Raum. Die Gesetzesbegründung (LT-Dr. 16/3200, S. 459) weist ausdrücklich darauf hin, dass Art. 13 BayBeamtVG „abschließend“ regelt, unter welchen Voraussetzungen „und in welchem Umfang“ Hochschulleistungsbezüge nach Art. 68 ff. BayBesG ruhegehaltsfähig sind.
8
Daneben folgt auch aus Art. 13 Abs. 4 Satz 1 BayBeamtVG, auf den Art. 13 Abs. 3 BayBeamtVG ausdrücklich Bezug nimmt, dass es auf einen bestimmten, tatsächlich bezahlten Betrag an Hochschulleistungsbezügen ankommt und eine „Mischkalkulation“ aus mehreren verschiedenen Beträgen, wie sie der Kläger letztlich sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag anstrebt, gerade nicht stattfindet. Nacheinander gewährte Hochschulleistungsbezüge sind „in keinem Fall“ zu kumulieren (LT-Drs. 16/3200, S. 461 zu Abs. 4). Die Rechtsauffassung des Klägers würde indes dem Willen des Gesetzgebers widersprechen, weil sie das Ziel verfolgt, zur Ermittlung des als ruhegehaltfähig anzusetzenden Betrages den als Vizepräsident erhaltenen Funktions-Leistungsbezug (zeitanteilig) um den später als Präsident erhaltenen, deutlich höheren Funktions-Leistungsbezug zu erhöhen. Eine Gesamtbetragsbetrachtung mehrerer Hochschulleistungsbezüge findet jedoch nur im Anwendungsbereich des Art. 13 Abs. 4 Satz 3 und 4 BayBeamtVG statt, also nur bei gleichzeitig gewährten Hochschulleistungsbezügen, was beim Kläger jedoch nicht der Fall war.
9
Die Zulassungsbegründung setzt sich weder mit Art. 13 Abs. 4 BayBeamtVG noch mit dem weiteren Auslegungsargument des Verwaltungsgerichts (UA S. 17), aufgrund der Wesensähnlichkeit der Regelungen in Art. 13 Abs. 2 und Abs. 3 BayBeamtVG sei eine einheitliche Auslegung geboten (vgl. LT-Drs. 16/3200, S. 460: „Ruhegehaltfähig ist nur der Betrag, der über die Dauer von zehn Jahren zugestanden hat“), im Ansatz auseinander.
10
2. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt ebenfalls nicht vor. Die von dem Kläger im Rahmen des Zulassungsantrags aufgestellte Behauptung, besondere tatsächliche Schwierigkeiten ergäben sich „aus der komplizierten Konstellation der unterschiedlich hohen Funktions-Leistungsbezüge als Mitglied der Hochschulleitung, die über mehr als zehn Jahre in wechselnder Höhe gezahlt“ worden seien, vermag der Senat nicht zu teilen. Der Sachverhalt (also die Frage, für welche Dauer und in welcher Höhe dem Kläger während seiner aktiven Dienstzeit Funktions-Leistungsbezügen zugestanden haben) ist einfach überschaubar und zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
11
Besondere rechtliche Schwierigkeiten folgen weder aus dem Umfang der Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils noch daraus, dass das Erstgericht auf zwei Urteile des Bundesverwaltungsgerichts, zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, Kommentarliteratur, Gesetzesbegründungen sowie auf semantische Deutungen anhand des Dudens im Rahmen seiner Ausführungen zu Art. 13 BayBeamtVG und Art. 3 Abs. 1 GG rekurriert. Allein der Umfang der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe, der mit zehn Seiten nicht ungewöhnlich ist, bildet noch kein Indiz für das Vorliegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten (BayVGH, B.v. 5.12.2019 – 8 ZB 19.956 – juris Rn. 31). Dies gilt insbesondere dann, wenn die Entscheidungsgründe – wie vorliegend – maßgeblich auf eine umfangreiche Darstellung der Rechtsgrundlagen, der Prüfung von Haupt- und Hilfsantrag und auf das erkennbare Bemühen zurückzuführen sind, auf sämtliche klägerseits vorgetragenen Argumente einzugehen. Die vorliegende Rechtssache betrifft im Wesentlichen Fragen zur Auslegung einer Rechtsvorschrift und damit Grundlagen der Jurisprudenz, die in rechtlicher Hinsicht im vorliegenden Fall nicht mit überdurchschnittlichen Schwierigkeiten verbunden sind. Die Bezugnahme auf höchstrichterliche Rechtsprechung, Kommentarliteratur und Gesetzesbegründungen in Urteilen ist die Regel und kein Anzeichen dafür, dass sich die Rechtssache wegen ihrer Komplexität und abstrakten Fehleranfälligkeit aus der Mehrzahl der verwaltungsgerichtlichen Verfahren herausheben würde.
12
3. Der Rechtssache fehlt auch die behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Eine Rechts- oder Tatsachenfrage ist dann grundsätzlich bedeutsam, wenn sie für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich ist, höchstrichterlich oder durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts noch nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist. Die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. BVerwG, B.v. 16.11.2010 – 6 B 58.10 – juris Rn. 3; B.v. 17.12.2010 – 8 B 38.10 – juris Rn. 7 f.).
13
Die vom Kläger aufgeworfene Frage:
14
„Ist die Formulierung „in voller Höhe“ in Art. 13 Abs. 2 BayBeamtVG [gemeint wohl Abs. 3] so zu verstehen, dass aus der Summe der tatsächlich gezahlten Bezüge ein auf die Zeit der Zahlung bezogener monatlicher Durchschnitt zu bilden ist, d.h. die monatlich erhaltenen Bezüge zu addieren und durch die Anzahl der Monate des Bezugszeitraumes zu dividieren sind?“
15
ist nicht klärungsbedürftig. Denn klärungsbedürftig sind nur Fragen, die nicht ohne weiteres aus dem Gesetz zu lösen sind (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2016 – 3 ZB 14.920 – juris Rn. 8). Die hier gestellte Frage lässt sich aber anhand Art. 3 Abs. 1 BayBeamtVG, des Wortlauts von Art. 13 Abs. 3 BayBeamtVG, seiner näheren Auslegung anhand von Art. 13 Abs. 4 BayBeamtVG sowie einer ergänzenden Heranziehung der Gesetzesbegründung eindeutig verneinen.
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4. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 40, § 42 Abs. 1 und 3, § 47 Abs. 3 GKG (wie Vorinstanz; VG-Akte S. 23).
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Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).