Titel:
Versagung der Beschäftigungserlaubnis wegen Abschiebungsmöglichkeit
Normenketten:
AufenthG § 4a Abs. 4, § 42 Abs. 2 Nr. 4, § 60a Abs. 5b S. 1
BeschV § 4a Abs. 4, § 32
AsylG § 61 Abs. 1 S. 2 Hs. 2
Leitsatz:
Ein Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis besteht nicht, wenn zum Zeitpunkt der Beantragung dieser bereits konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung und in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zu dieser bevorstehen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausreisepflichtiger abgelehnter irakischer Asylbewerber, Versagung der Beschäftigungserlaubnis wegen Abschiebungsmöglichkeit, bestandskräftige Ausreiseverpflichtung, Duldung, Beschäftigungserlaubnis, Passbeschaffung, Aufenthaltsbeendigung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 6413
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt eine ihm vom Beklagten versagte Beschäftigungserlaubnis.
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Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts (VG Augsburg, U.v. 23.1.2023 – Au 1 K 22.30667 – Rn. 1 ff.) ist der Kläger nach seinen Angaben ein irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit. Er reiste erstmals im Februar 2021 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) lehnte mit Bescheid vom 2. Juni 2022 den Antrag auf Asylanerkennung in vollem Umfang ab. Es forderte den Kläger zur Ausreise auf und drohte ihm die Abschiebung in den Irak an.
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Seine Klage gegen den Bescheid blieb erfolglos (VG Augsburg, U.v. 23.1.2023 – Au 1 K 22.30667 – Rn. 12 ff.). Das Urteil wurde am 28. Februar 2023 rechtskräftig und der Bescheid bestandskräftig.
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Der Beklagte erteilte dem Kläger Duldungen, solange eine Abschiebung nicht möglich war, zuletzt am 22. Januar 2024 befristet bis 22. April 2024 und auflösend bedingt durch die Bekanntgabe des Abschiebungstermins und mit dem Zusatz, eine Erwerbstätigkeit sei nur mit Genehmigung der Ausländerbehörde gestattet. Bereits vor dem 10. November 2023 leitete der Beklagte eine Passersatzpapier-Beschaffung für den Kläger ein. Dieser legte eine Bestätigung des irakischen Konsulates über einen Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses vom 15. November 2023 vor.
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Seinen Antrag auf Beschäftigungserlaubnis vom 4. Dezember 2023 lehnte der Beklagte nach fruchtloser Anhörung zu den Ablehnungsgründen mit streitgegenständlichem Bescheid vom 19. Dezember 2024 ab. Nach § 4a Abs. 4, § 42 Abs. 2 Nr. 4 AufenthG i.V.m. § 32 BeschV lehne die Zentrale Ausländerbehörde * den Antrag im pflichtgemäßen Ermessen ab. Zu Gunsten des Klägers spreche, dass er bei der Identitätsklärung mitwirke und bereits einen Reisepass beantragt habe. Zu seinen Lasten aber spreche, dass er seit 28. März 2023 vollziehbar ausreisepflichtig, aber seiner Ausreiseverpflichtung und seiner gesetzlichen Pass- und Mitwirkungspflicht nicht bzw. nur unzureichend nachgekommen sei. Gegen die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis spreche auch, dass eine tatsächliche Abschiebung in absehbarer Zeit als möglich erscheine, denn Rückführungen in den Irak seien nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Sein bisher gezeigtes Verhalten spreche dafür, dass er die Aufenthaltsbeendigung zu verhindern oder zu verzögern oder den aktuellen Aufenthalt in die Länge zu ziehen versuche. Gegen die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis spreche zudem, dass er sich für eine vergleichsweise kurze Dauer und noch keine drei Jahre im Bundesgebiet aufhalte. Migrationspolitische Erwägungen sprächen zudem gegen die Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung, denn eine Aufenthaltsverfestigung abgelehnter Asylsuchender ohne endgültiges Bleiberecht und mit geringer Bleibeperspektive solle verhindert werden, auch um Fehlanreize zur Stellung aussichtsloser Asylanträge mit dem Ziel einer Erwerbstätigkeit in der Bundesrepublik zu vermeiden.
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Am 16. Januar 2024 ließ der Kläger Klage erheben und zuletzt beantragen,
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den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids vom 19. Dezember 2023 die Fortführung seiner Beschäftigung bei seinem bisherigen Arbeitgeber zu erlauben,
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hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung des angegriffenen Bescheids zu verpflichten, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
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Der Kläger habe seine Identität geklärt, keine Straftaten begangen und weigere sich wegen einer Verfolgungsgefahr freiwillig in den Irak zurückzukehren. Der Kläger stehe seit dem Jahr 2022 in Beschäftigung. Aufgrund der Verfolgungssituation des Klägers sei es ihm allerdings nicht zumutbar, einen Visumsantrag für ein Arbeitsvisum im Irak zu beantragen. Dass Abschiebungen in den Irak jetzt wieder möglich seien und dass der Beklagte den Kläger in den Irak abschieben möchte, sei nicht ausschlaggebend, sondern eine Einzelfallbetrachtung sei geboten. Die weitere Integration des Klägers in Deutschland verhindern zu wollen und ihn darum nicht arbeiten zu lassen, sei inhuman. Konkrete Maßnahmen zur Abschiebung seien noch nicht eingeleitet worden bzw. sei das Verfahren zur Beschaffung von Passersatzpapieren nicht absehbar und hindere daher die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nicht.
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Der Beklagte beantragt,
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Zur Begründung vertiefte er die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid unter Verweis auch auf § 60a Abs. 5b Satz 1 AufenthG n.F. und macht geltend, es sei bereits vor dem Antrag auf Beschäftigungserlaubnis ein Antrag zur Beschaffung eines Passersatzpapiers eingeleitet und damit eine konkrete Vorbereitungsmaßnahme getroffen worden für die Vorbereitung einer Durchführung der Luftabschiebung für den Kläger.
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Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf die Genehmigung einer Erwerbstätigkeit. Es fehle bereits ein Duldungsgrund, zudem spreche das öffentliche Interesse am Vollzug der Ausreisepflicht gegen das geringere private Beschäftigungs- und Bleibeinteresse des vollziehbar ausreisepflichtigen und bis heute passlosen Klägers ohne Bleibeperspektive in der Bundesrepublik Deutschland. Eine Verfestigung des Aufenthalts sowie eine Integration in den Arbeitsmarkt seien im Hinblick auf die Ausreiseverpflichtung des Klägers zu vermeiden.
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Nach Erteilung der aktuellen Duldung für den Kläger erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit für erledigt. Dieser Verfahrensteil wurde abgetrennt, unter neuem Aktenzeichen fortgeführt und eingestellt (VG Augsburg, B.v. 14.2.2024 – Au 6 K 24.122, Au 6 K 24.335).
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Mit Beschluss vom 8. März 2024 übertrug die Kammer den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unbegründet, denn der Kläger hat im entscheidungserheblichen Zeitpunkt keinen Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis oder auf Neuverbescheidung seines Antrags hierauf hierzu (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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Die Klage auf Erteilung der versagten Beschäftigungserlaubnis oder auf eine erneute ermessensfehlerfreie Verbescheidung seines Antrags hierauf ist im für die Verpflichtungsklage maßgeblichen o.g. Zeitpunkt mangels Erfüllung ihrer Voraussetzungen unbegründet (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 VwGO). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Begründung den Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2024 verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO) und ergänzend ausgeführt:
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1. Der Beschäftigung des Klägers steht zwar kein Erwerbstätigkeitsverbot nach § 60a Abs. 6 AufenthG entgegen, aber ein Ausschlussgrund nach § 60a Abs. 5b Satz 1 AufenthG wie der Beklagte zutreffend erkannt hat.
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Nach § 60a Abs. 5b Satz 1 AufenthG n.F. (§ 60a AufenthG in der ab 27.2.2024 gültigen Fassung durch Art. 1 Nr. 13 Buchst. c und Art. 11 Abs. 2 des RückführungsverbesserungsG v. 21.2.2024, BGBl. 2024 I Nr. 54 S. 4) soll zwar einem geduldeten Ausländer die Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder ihre Zustimmung entbehrlich ist. Dies gilt aber nicht, wenn zum Zeitpunkt der Beantragung der Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung und in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zu dieser bevorstehen.
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Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte vor dem 10. November 2023 eine Passersatzpapier-Beschaffung für den Kläger eingeleitet. Erst anschließend stellte der Kläger seinen Antrag auf Beschäftigungserlaubnis vom 4. Dezember 2023. Die konkrete Maßnahme des Beklagten steht daher auch in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung und schließt den Regel-Erteilungsanspruch des § 60a Abs. 5b Satz 1 AufenthG aus.
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2. Der Kläger kann auch aus § 61 AsylG keinen Anspruch auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis herleiten.
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Nach § 61 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AsylG n.F. (§ 61 AsylG in der ab 27.2.2024 gültigen Fassung durch Art. 2 Nr. 10 Buchst. b und Art. 11 Abs. 2 des RückführungsverbesserungsG v. 21.2.2024, BGBl. 2024 I Nr. 54 S. 9 f.) soll zwar einem geduldeten Ausländer die Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden. Dies gilt aber nicht, wenn zum Zeitpunkt der Beantragung der Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung und in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zu dieser bevorstehen, wozu vergleichbar konkrete Vorbereitungsmaßnahmen zur Abschiebung des Ausländers eingeleitet wurden, es sei denn, es ist von vornherein absehbar, dass diese nicht zum Erfolg führen.
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Im vorliegenden Fall hatte der Beklagte vor dem 10. November 2023 eine Passersatzpapier-Beschaffung für den Kläger eingeleitet. Erst anschließend stellte der Kläger seinen Antrag auf Beschäftigungserlaubnis vom 4. Dezember 2023. Da für den Kläger bereits früher ein abgelaufener Reisepass vorgelegen hatte, erschien es nicht von vornherein aussichtslos, dass die irakischen Behörden den Kläger als ihren Staatsangehörigen identifizieren und für ihn ein Passersatzpapier ausstellen werden. Die konkrete Maßnahme des Beklagten steht daher auch in einem hinreichenden sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zur Aufenthaltsbeendigung und schließt den Regel-Erteilungsanspruch des § 61 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AsylG aus.
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3. Somit verbleibt es bei der nach allgemeinen Grundsätzen nach § 4a Abs. 4 i.V.m. § 32 BeschV im Ermessensweg zu erteilenden Beschäftigungserlaubnis. Diese aber hat der Beklagte mit Bescheid vom 19. Dezember 2024 unter ausführlicher Begründung abgelehnt, sein Ermessen rechtmäßig betätigt, im Klageverfahren noch ausführlicher ergänzt (§ 114 VwGO) und zutreffend eine Ermessensreduzierung auf Null zu Gunsten des Klägers verneint sowie ein gegenläufiges Überwiegen migrationspolitischer Belange für seine absehbare Aufenthaltsbeendigung erkannt:
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a) Wie im Bescheid ausgeführt (§ 117 Abs. 5 VwGO), ist der Kläger seit fast einem Jahr vollziehbar zur Ausreise verpflichtet und hat keine längerfristige Bleibeperspektive im Bundesgebiet. Die Durchsetzung der Ausreisepflicht ist – vorbehaltlich der Erteilung eines Passersatzpapiers an den Beklagten oder eines Reisepasses an den Kläger – auch in absehbarer Zeit möglich. Umgekehrt hat der Beklagte ausgehend vom Regel-Erfordernis eines- dem Kläger fehlenden – Aufenthaltstitels für eine Beschäftigung den Ausnahmecharakter dieser Erlaubnis an Geduldete erkannt und verneint. Bereits die angegebenen beiden Gründe sprechen migrationspolitisch gegen die Verfestigung des weiteren Aufenthalts, insbesondere durch Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis. Eine Ermessensreduzierung auf Null liegt nicht vor.
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b) Die Ablehnung der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis nach § 4a Abs. 4 i.V.m. § 32 BeschV birgt auch sonst keine Ermessensfehler, die zu einem Anspruch auf Neuverbescheidung führten. Dass der Beklagte beim Kläger das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegenüber dessen Interesse an einer weiteren Verfestigung seines bisher nur gestatteten oder geduldeten, aber nicht erlaubten (Erwerbs-)Aufenthalts überwiegen lässt, ist nicht zu beanstanden (vgl. soeben).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.