Titel:
Erfolglose Nachbarklage gegen Funkmast
Normenketten:
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
BayBO Art. 60
BauGB § 35 Abs. 3 S. 1 Nr. 3
BImSchG §§ 22 ff.
26. BImSchV §§ 1 ff.
Leitsätze:
1. Ein Nachbar kann eine unzureichende inhaltliche Bestimmtheit der Baugenehmigung (nur) geltend machen, soweit dadurch nicht sichergestellt ist, dass das genehmigte Vorhaben allen dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften entspricht. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die von der Funkstrahlung eines Mobilfunkmastes ausgehenden schädlichen Umwelteinwirkungen auf die menschliche Gesundheit sind aufgrund der Spezialität des Standortbescheinigungsverfahrens von der Baugenehmigungsbehörde nicht zu prüfen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarklage gegen Funkmast, Bestimmtheit, Prüfungsmaßstab der Baugenehmigung, Standortbescheinigung, Funkstrahlung, Gebot der Rücksichtnahme
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 07.09.2023 – RN 2 K 20.2864
Fundstelle:
BeckRS 2024, 639
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selber trägt.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Kläger wendet sich gegen die der Beigeladenen vom Landratsamt P. erteilte Baugenehmigung vom 21. Oktober 2020 zur Errichtung einer Funkübertragungsstelle mit einem Stahlgittermast auf dem westlich an sein Grundstück angrenzenden Baugrundstück.
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Nachdem bereits ein Antrag des Klägers auf vorläufigen Rechtsschutz erfolglos geblieben war (VG Regensburg, B.v. 25.11.2021 – RN 6 S 21.1433; BayVGH, B.v. 26.1.2022 – 15 CS 21.3210), wies das Verwaltungsgericht Regensburg die Klage des Klägers gegen den Baugenehmigungsbescheid ab. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die erteilte Baugenehmigung weder unbestimmt noch gegenüber dem Kläger rücksichtslos sei. Insbesondere seien die immissionsschutzfachlichen und gesundheitlichen Auswirkungen der Funkanlage des Mobilfunkmastes nicht von der Baugenehmigungsbehörde zu prüfen. Das Bauvorhaben verletze auch die Abstandsflächenvorschriften nicht, da zugunsten der Beigeladenen auf das seit 1. Juli 2023 geltende Abstandsflächenrecht abzustellen sei. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt erfolglos. Es liegen weder die vom Kläger geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Rechtssache hat auch nicht die behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr.3 VwGO).
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1. Die Berufung ist nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen.
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Der Kläger macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts geltend (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Ob solche bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was der Kläger als Rechtsmittelführer innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts hier nicht.
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a) Soweit der Kläger die Unbestimmtheit der Baugenehmigung beanstandet, weil die künftige Nutzung, die späteren Funkzwecke und damit die immissionsschutzfachlichen und gesundheitlichen Auswirkungen der streitgegenständlichen Funkübertragungsstelle unklar blieben, überzeugt dies nicht.
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Wie jeder Verwaltungsakt muss die Baugenehmigung hinreichend bestimmt sein (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG). Sie muss – gegebenenfalls nach objektivierender Auslegung – das genehmigte Vorhaben, insbesondere Inhalt, Reichweite und Umfang der genehmigten Nutzung, eindeutig erkennen lassen, damit die am Verfahren Beteiligten (vgl. Art. 13 Abs. 1 BayVwVfG) die mit dem Genehmigungsbescheid getroffene Regelung nachvollziehen können. Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen. Was Gegenstand der Baugenehmigung sein soll, bestimmt der Bauherr durch seinen Bauantrag. Der Inhalt der (erlassenen) Baugenehmigung ergibt sich aus der Bezeichnung, den Regelungen und der Begründung im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen und sonstige Unterlagen. Wird in der Baugenehmigung auf den Antrag oder auf bestimmte Antragsunterlagen verwiesen, ist die Baugenehmigung hinreichend bestimmt, wenn es der Antrag oder die in Bezug genommenen Antragsunterlagen sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft, wenn also wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen bzw. mangels konkretisierender Inhalts- oder Nebenbestimmungen der Gegenstand und / oder der Umfang der Baugenehmigung und damit des nachbarlichen Störpotenzials bei deren Umsetzung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann. Ein Nachbar kann somit eine unzureichende inhaltliche Bestimmtheit (nur) geltend machen, soweit dadurch nicht sichergestellt ist, dass das genehmigte Vorhaben allen dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften entspricht (vgl. BayVGH, B.v. 11.1.2022 – 15 CS 21.2913 – Rn. 23 m.w.N.).
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Eine Unbestimmtheit der Baugenehmigung kann sich allerdings auch nur ergeben, wenn die geltend gemachten Anforderungen – hier die Prüfung der konkreten Nutzung entsprechend der 26. BImSchV – Gegenstand der Baugenehmigung sind. Dies ist hier nicht der Fall. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass die Frage, für welche Funkzwecke im Detail das Bauvorhaben später genutzt werde, keine Nachbarrelevanz habe, da die von der Funkstrahlung des Mobilfunkmastes ausgehenden schädlichen Umwelteinwirkungen auf die menschliche Gesundheit aufgrund der Spezialität des Standortbescheinigungsverfahrens von der Baugenehmigungsbehörde nicht zu prüfen seien (vgl. UA S. 10). Hiergegen ist nichts zu erinnern (vgl. BayVGH, B.v. 14.4.2022 – 15 ZB 21.2827 – juris Rn. 9 ff. m.w.N.). Entgegen der Ansicht des Klägers gibt es für die verfahrensgegenständliche Funkübertragungsstelle mit Stahlgittermast keine Prüfpflicht der Baugenehmigungsbehörde nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB i.V.m. §§ 22 ff. BImSchG sowie der 26. BImSchV (vgl. BayVGH, B.v. 14.4.2022 – 15 ZB 21.2827 – juris Rn. 12 m.w.N.).
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b) Der Einwand, das seit 1. Juli 2023 geltende Abstandsflächenrecht (G.v. 23.6.2023, GVBl. S. 250) könne für die davor ergangene Baugenehmigung vom 21. Oktober 2020 nicht greifen, trägt nicht. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht darauf abgestellt, dass Rechtsänderungen zugunsten des Bauherrn auch nachträglich noch zu berücksichtigen sind (UA S. 13; vgl. BVerwG, U.v. 9.8.2016 – 4 C 5.15 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 11.7.2023 – 15 ZB 23.741 – juris Rn. 10).
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c) Ernstliche Zweifel ergeben sich auch nicht aus dem Vorbringen, die Baugenehmigung verletze das Gebot der Rücksichtnahme, weil aus ihr nicht hervorgehe, dass das Bauvorhaben die zum Wohnanwesen des Klägers ausweislich einer rechtmäßigen Standortbescheinigung nach der 26. BImSchV erforderlichen Abstände einhalte oder bei üblichem Betrieb einhalten könne. Das Verwaltungsgericht hat u.a. ausgeführt, dass die Baugenehmigung nicht gegen das Rücksichtnahmegebot verstoße, weil die immissionsschutzfachlichen und gesundheitlichen Auswirkungen der Funkanlagen des Mobilfunkmastes auf die Nachbarschaft der speziellen bundesrechtlichen Genehmigungspflicht des § 4 BEMV unterworfen und von der Baugenehmigungsbehörde nicht zu prüfen seien (UA S. 11). Auch hiergegen ist nichts zu erinnern (vgl. BayVGH, B.v. 14.4.2022 – 15 ZB 21.2827 – juris Rn. 15 ff.). Eine Rechtsverletzung des Klägers allein durch die Errichtung des Bauvorhabens ist weder dargelegt noch ersichtlich. Dies gilt auch für eventuelle sonstige, von der Standortbescheinigung nicht erfasste immissionsschutzrechtliche Aspekte, wie beispielsweise Verkehrs- oder Anlagenlärm, die vom Kläger nicht geltend gemacht wurden.
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2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
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Abgesehen davon, dass der Kläger nichts über das zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO Dargelegte hinaus vorträgt, ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen – wie auch die obigen Ausführungen zeigen – keine besonderen Schwierigkeiten im Sinne offener Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens. Der Vortrag, die Frage des Zusammenhangs zwischen Standortbescheinigung und Baugenehmigung sei, auf viele verschiedene Einzelfälle herabgebrochen, komplex, genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Hierzu wird im Zulassungsvorbringen nichts weiter konkretisiert und die behauptete Komplexität im hier zu entscheidenden Fall nicht aufgezeigt. Die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und den Kläger genügt jedenfalls nicht (vgl. BayVGH, B.v. 13.2.2023 – 15 ZB 22.2620 – juris Rn. 21).
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3. Die Rechtssache hat auch nicht die vom Kläger geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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Die Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass eine konkrete, noch nicht geklärte Rechts- oder Tatsachenfrage aufgeworfen wird, deren Beantwortung sowohl für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war als auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird und die über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder für die Weiterentwicklung des Rechts hat. Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist eine Frage auszuformulieren und substantiiert anzuführen, warum sie für klärungsbedürftig und entscheidungserheblich gehalten und aus welchen Gründen ihr eine allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zugemessen wird (vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 25.3.2022 – 15 ZB 22.267 – juris Rn. 12). Dem wird das Zulassungsvorbringen hier nicht gerecht.
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Abgesehen davon, dass schon keine konkrete Frage formuliert wird, ist die dem Zulassungsvorbringen sinngemäß zu entnehmende Frage nach dem Zusammenhang zwischen Standortbescheinigung und Baugenehmigung nicht klärungsbedürftig (vgl. BayVGH, B.v. 14.4.2021 – 15 ZB 21.2827 – juris Rn. 26, 27). Der Hinweis, aus der Judikatur gehe nicht hervor, dass dies generell und in allen Fällen so sein könne und müsse und inwieweit die Bezugnahme zur Standortbescheinigung reichen müsse, genügt den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht, da sich dem Zulassungsvorbringen keine der behaupteten Unterschiede der verschiedenen Konstellationen entnehmen lassen und der Kläger insoweit auch keine Entscheidungserheblichkeit darlegt.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da sich die Beigeladene im Zulassungsverfahren nicht beteiligt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Entscheidung wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).