Inhalt

OLG München, Endurteil v. 15.02.2024 – 14 U 1665/23 e
Titel:

Beitragslimitierende Maßnahmen bei einer Prämienanpassung in der privaten Krankenversicherung

Normenketten:
VVG § 203
VAG § 155 Abs. 2, Abs. 3
BGB § 242
Leitsätze:
1. Die Verwendung von Mitteln aus den Beitragsrückerstattungsrückstellungen für die Limitierung einer Beitragsanpassung unterliegt der zivilgerichtlichen Kontrolle nur jenseits der Grenzen der dem Krankenversicherer zustehenden Beurteilungsspielräume. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beachtung der Belange der Versicherten iSd § 155 Abs. 2 S. 2 VAG erfordert eine gerichtliche Prüfung, ob zum einen die beiden in § 155 Abs. 2 S. 3 VAG konkretisierten Gesichtspunkte beachtet wurden und ob zum anderen bedacht worden ist, dass einzelne Versicherte oder einzelne Gruppen von Versicherten gegenüber dem Kollektiv nicht willkürlich benachteiligt oder bevorzugt werden (Anschluss an OLG Schleswig BeckRS 2023, 2997 Rn. 80). (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wird durch den Versicherungsnehmer die Rechtmäßigkeit der Limitierungsmittelvergabe bestritten, muss der Versicherer danach Tatsachen vortragen, die eine Subsumtion dahingehend erlauben, dass – bei objektiv-generalisierender Betrachtung – die Voraussetzungen des § 155 Abs. 2 S. 2 und 3 VAG vorliegen. Ein schriftliches Limitierungskonzept muss er nicht vorweisen können. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB besteht nur dann, wenn feststeht, dass der Versicherungsnehmer nicht mehr über die im Auskunftsantrag bezeichneten Unterlagen verfügt und wenn Gründe hierfür vorgetragen und ggf. bewiesen werden, die bei umfassender Würdigung im Einzelfall als "entschuldbar" anzusehen sind (Anschluss an BGH BeckRS 2023, 26057 Rn. 38, 40). (Rn. 80) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
private Krankenversicherung, Prämienanpassung, Limitierungsmaßnahmen, Beitragsrückerstattung, Treuhänder, Auskunft
Vorinstanz:
LG Augsburg, Urteil vom 14.03.2023 – 095 O 1567/22
Fundstelle:
BeckRS 2024, 6382

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 14.03.2023, Az. 095 O 1567/22, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Augsburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

A.
1
Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten in den Jahren 2014 – 2017, 2019 und 2021 vorgenommenen Prämienerhöhungen.
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Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des Landgerichts Augsburg wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.
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Ergänzend ist festzuhalten, dass die Klagepartei die Prämienanpassungen in materieller Hinsicht zunächst nur beanstandet hatte, „da das durchgeführte Prüfverfahren fehlerhaft war“. Mit Schriftsatz vom 07.02.2023 (nach Bl. 198 d.A.) nahm die Klagepartei noch in erster Instanz sodann folgende Klarstellung bzw. Korrektur ihres Vortrages vor: „Die Klägerseite bestreitet nicht lediglich die 'Vollständigkeit der Unterlagen', aus denen sich die Limitierungsmittelverwendung in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben ergeben soll, sondern darüber hinaus auch die Rechtmäßigkeit der Limitierungsmaßnahmen für die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen.“
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Das Landgericht entschied mit Endurteil vom 14.03.2023 (Bl. 207 ff. d.A.), auf das hinsichtlich der Einzelheiten der Entscheidungsgründe verwiesen wird, in der Hauptsache:
1. Es wird festgestellt, dass folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer 204151720 unwirksam sind:
a) die Erhöhung des Beitrags im Tarif 1 zum 01.04.2014 in Höhe von 9,18 €
b) die Erhöhung des Beitrags im Tarif 2 zum 01.04.2015 in Höhe von 1,28 €
c) die Erhöhung des Beitrags im Tarif 3 zum 01.04.2016 in Höhe von 49,14 €
d) die Erhöhung des Beitrags im Tarif 1 zum 01.04.2017 in Höhe von 4,82 €
e) die Erhöhung des Beitrags im Tarif 3 zum 01.04.2017 in Höhe von 25,58 €
f) die Erhöhung des Beitrags im Tarif 4 zum 01.04.2017 in Höhe von 23,56 €
g) die Erhöhung des Beitrags im Tarif zum 01.04.2017 in Höhe von 0,31 €.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klageseite 2.704 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 12.01.2021 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1.) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
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Das Landgericht erachtete die Beitragsanpassungen der Jahre 2014-2017 als formell unwirksam, ging aber von einer Heilung infolge der Mitteilung vom 20.01.2021 (Anlage B 21) mit Wirkung zum 01.03.2021 aus, weil es die materielle Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Beitragsanpassungen als nicht wirksam bestritten ansah. Die Klagepartei habe die materielle Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassungen „auf‘s Geratewohl“ bzw. „ins Blaue hinein“ bestritten und zudem lediglich die Vollständigkeit der dem Treuhänder vorgelegten Unterlagen in Abrede gestellt. Der Treuhändervorgang unterliege aber – wie das OLG Nürnberg entschieden habe – nicht der Prüfung der Zivilgerichte. Aus der Tatsache, dass die Beklagte die Prämie trotz gesunkener Leistungsausgaben erhöht habe, folge auch keine Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen.
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Aus alledem folge ein Zahlungsanspruch in Höhe von 3.067 €, der in Höhe von 363 € durch eine wirksame Aufrechnung mit bereicherungsrechtlichen Ansprüchen auf Rückzahlung zu viel gezahlter Beitragsrückerstattungen erloschen sei. Hinsichtlich der später einseitig für erledigt erklärten Klageanträge Ziffer 4-7 sei die (Feststellungs-) Klage abzuweisen, zum einen, weil die Klage ursprünglich als Stufenklage unzulässig gewesen sei und zum anderen, weil der geltend gemachte Auskunftsanspruch nicht bestanden habe.
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Hiergegen wendet sich die Berufung, dies insbesondere mit dem Argument, die Klagepartei habe die materielle Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Beitragsanpassungen jedenfalls im Hinblick auf die Vergabe der Limitierungsmittel wirksam bestritten. Als fehlerhaft erweise sich außerdem die Aufrechnung: Die Beitragsrückerstattung erfolge erfolgsabhängig und anhand verschiedener Kriterien, darunter dem persönlichen Verhalten des Klägers. Eine erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung könne sich aber nicht auf den Rückforderungsanspruch auswirken. Der ursprünglich geltend gemachte Auskunftsanspruch habe auf § 3 Abs. 3 VVG, Art. 15 Abs. 1, Abs. 3 DSGVO und § 242 BGB gestützt werden können, weshalb eine Erledigung festzustellen gewesen wäre. Weitere Einzelheiten ergeben sich aus der Berufungsbegründung vom 16.06.2023 (Bl. 9 ff. d. BerA.), auf die insoweit verwiesen wird.
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Der Kläger beantragt in der Berufung:
1) Es wird festgestellt, dass über die im erstinstanzlichen Urteil festgestellte Unwirksamkeit hinaus folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer 204151720 weiterhin unwirksam sind:
a) im Tarif 2 die Erhöhung zum 01.04.2015 in Höhe von 1,28 € vom 01.03.2021 bis zum 16.06.2023,
b) im Tarif 2 die Erhöhung zum 01.04.2017 in Höhe von 0,31 € vom 01.03.2021 bis zum 16.06.2023,
c) im Tarif 4 die Erhöhung zum 01.04.2017 in Höhe von 23,56 € vom 01.03.2021 bis zum 16.06.2023,
d) im Tarif 4 die Erhöhung zum 01.04.2019 in Höhe von 38,51 € bis zum 16.06.2023, und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet sowie der Gesamtbeitrag unter Berücksichtigung der erfolgten Absenkung um insgesamt 63,66 € herabzusetzen ist.
2) Es wird festgestellt, dass über die im erstinstanzlichen Urteil festgestellte Unwirksamkeit hinaus folgende Neufestsetzungen folgende Neufestsetzungen der Prämien in der zwischen der Klägerseite und der Beklagten bestehenden Kranken-/ Pflegeversicherung mit der Versicherungsnummer 204151720 unwirksam waren:
a) im Tarif 1 die Erhöhung zum 01.04.2014 in Höhe von 9,18 € 01.03.2021 bis zum 31.03.2022,
b) im Tarif 3 die Erhöhung zum 01.04.2016 in Höhe von 49,14 € 01.03.2021 bis zum 31.03.2022,
c) im Tarif 1 die Erhöhung zum 01.04.2017 in Höhe von 4,82 € 01.03.2021 bis zum 31.03.2022,
d) im Tarif 3 die Erhöhung zum 01.04.2017 in Höhe von 25,58 € 01.03.2021 bis zum 31.03.2022,
e) im Tarif 3 die Erhöhung zum 01.04.2021 in Höhe von 69,79 € 01.03.2021 bis zum 31.03.2022, und die Klägerseite nicht zur Zahlung des jeweiligen Erhöhungsbetrages verpflichtet war.
3) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerseite über den erstinstanzlich ausgeurteilten Betrag hinaus weitere 5.022,05 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
4) Es wird festgestellt, dass die Beklagte a) der Klägerseite zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus dem Prämienanteil gezogen hat, den die Klägerseite auf die unter 1) und 2) aufgeführten Beitragserhöhungen gezahlt hat,
b) die nach 4a) herauszugebenden Nutzungen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu verzinsen hat.
5) Es wird festgestellt, dass der Antrag zu 4) aus der Klageschrift vom 10.05.2022, soweit er mit Schriftsatz vom 27.09.2022 für erledigt erklärt worden ist, ursprünglich zulässig und begründet war.
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Der Kläger führt außerdem aus:
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Gegenstand der Berufung sind außerdem die nach Anhängigkeit der Klage gezahlten Prämien der Klägerseite. Der obige Leistungsantrag – soweit er durch das erstinstanzliche Urteil abgelehnt worden ist – erhöht sich dadurch um 765,49 €.
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Die Beklagte beantragt, die Berufung hinsichtlich des Berufungsantrags in Ziffer 5), sowie hinsichtlich der Abweisung einer Zahlung in Höhe von 363,00 € zu verwerfen, sowie die Berufung, im vorgenannten Umfang hilfsweise, im Übrigen unbedingt, zurückzuweisen.
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Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Weitere Einzelheiten ergeben sich aus der Berufungserwiderung vom 10.07.2023, auf die insoweit verwiesen wird (Bl. 50 ff. d.BerA.).
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Der Senat hat erstmals in der Terminsverfügung vom 20.06.2023 (Bl. 47 ff. d. BerA.) und sodann in den Terminen vom 20.07.2023 (Protokoll, Bl. 65 ff. d. BerA.) und vom 02.11.2023 (Protokoll, Bl. 81 ff. d. BerA.) Hinweise nach § 139 ZPO gegeben.
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Die Beklagte hat daraufhin mit einem geheimhaltungsbedürftigen Schriftsatz vom 10.10.2023 zur materiellen Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Beitragsanpassungen im Hinblick auf die Vergabe der Limitierungsmittel vorgetragen und in diesem Zusammenhang umfangreiche geheimhaltungsbedürftige Unterlagen vorgelegt (vgl. Übersicht in Anlage B 30).
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Im Termin vom 02.11.2023 wurde nach Anordnung gemäß § 174 Abs. 3 Satz 1 GVG unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemäß § 172 Nr. 2 GVG verhandelt. Die geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen wurden dem im Termin verpflichteten Prozessbevollmächtigten des Klägers im Nachgang übermittelt, dies verbunden mit der Gelegenheit zur Stellungnahme. Eine schriftsätzliche Auseinandersetzung mit den geheimhaltungsbedürftigen Unterlagen ging bei Gericht in der Folge nicht ein. Die Klagepartei teilte mit, die übersandten Unterlagen erlaubten keine inhaltliche Auseinandersetzung.
B.
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Die Berufung wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 517, 519, 520 ZPO), sie erweist sich auch im Übrigen als zulässig.
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Keine entgegenstehende Rechtskraft eines anderen Urteils, wird ausgeführt Die zulässige Berufung ist aber gemäß § 513 Abs. 1 ZPO unbegründet. Anhaltspunkte für fehlerhafte oder unvollständige Tatsachenfeststellungen bestehen nicht; solche werden auch nicht geltend gemacht. Die angegriffene Entscheidung beruht nicht auf Rechtsfehlern.
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I. Die Berufung stützt sich in den Berufungsanträgen Ziff. 1 – 4 im Wesentlichen auf die Annahme, die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen seien materiell unwirksam gewesen. Weil diese Annahme jedenfalls in Bezug auf die Beitragsanpassungen zum 01.04.2017, 01.04.2019 und 01.04.2021 falsch ist (dazu sogleich, 2.), heilte das Schreiben der Beklagten vom 20. Januar 2021 (Anlage B 21), wie vom Landgericht angenommen, zum 01.03.2021 die formelle Unwirksamkeit der Beitragsanpassung zum 01.04.2017 (s.u., 1.) und bewirkte damit eine Überholung hinsichtlich aller früheren unwirksamen Beitragsanpassungen (BGH NJW 2021, 378 Rn. 55), womit es auf deren materielle (Un-) Wirksamkeit für die Entscheidung nicht ankommt.
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Die Beitragsanpassungen zum 01.04.2019 im Tarif 4 und zum 01.04.2021 im Tarif 3 erweisen sich – wie vom Landgericht angenommen – als formell (s.u., 1.) und materiell (s.u., 2.) wirksam.
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Die klägerseits mit der Berufung angestrebte erweiterte Feststellung der Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Beitragsanpassungen (Ziff. 1, 2 der Berufungsanträge) scheidet daher aus. Auch die Rückzahlung weiterer Prämienanteile samt Zinsen kommt – unabhängig von der Zulässigkeit der Klageerweiterung (§§ 525, 264 Nr. 2 ZPO) – nicht in Betracht (Ziff. 3), ebenso wenig die erweiterte Feststellung zur Herausgabe von Nutzungen samt Zinsen (Ziff. 4).
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1. Das Landgericht hat die formelle Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen zum 01.04.2014, 01.04.2015, 01.04.2016 und 01.04.2017 mit Rechtskraftwirkung festgestellt. Die formelle Unwirksamkeit der Beitragsanpassungen zum 01.04.2019 im Tarif 4 und zum 01.04.2021 im Tarif 3 wurde von der Klagepartei nicht geltend gemacht, eine solche ist auch nicht ersichtlich.
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2. Die Beitragsanpassungen zum 01.04.2017, 01.04.2019 und 01.04.2021 erweisen sich als materiell rechtmäßig, weil die Beklagte die Grenzen ihres unternehmerischen Ermessens bei der (klägerseits angegriffenen) Limitierungsmittelvergabe nicht überschritten hat.
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2.1. Der Senat geht von folgenden grundsätzlichen Überlegungen aus (2.1.), die bei Anwendung auf die streitgegenständlichen Beitragsanpassungen (2.2. – 2.4) keine Ermessensüberschreitung erkennen lassen:
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2.1.1. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs unterliegt die Prämienerhöhung in der privaten Krankenversicherung trotz der Zustimmung des Treuhänders der umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Prüfung durch die Zivilgerichte (vgl. BVerfG, NVersZ 2000, 132; BGH NJW 2004, 2679). Maßstab für die gerichtliche Prüfung ist dabei im Falle eines umfassenden wirksamen Bestreitens der materiellen Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassung, ob diese nach aktuariellen Grundsätzen als mit den bestehenden Rechtsvorschriften in Einklang stehend anzusehen ist, dies in Bezug auf das Vorliegen der Anpassungsvoraussetzungen, die Ermittlung des Anpassungsfaktors und die Limitierungsmaßnahmen (BGH a.a.O.). Materielle Fehler einer Beitragsanpassung führen – jedenfalls bei fehlerhafter Berechnung des Anpassungsfaktors (s.u. für Fälle fehlerhafter Limitierung) – nicht zwingend zu einer Unwirksamkeit der gesamten Beitragsanpassung; die Klage eines Versicherungsnehmers hat vielmehr nur dann (ggf. teilweise) Erfolg, wenn er eine zu hohe Prämie gezahlt hat (vgl. BGH NJW 2004, 2679: „Die Klage kann deshalb nur und insoweit Erfolg haben, als Fehler bei der Ermittlung der einzelnen Anpassungsfaktoren eine im Ergebnis zu hohe Prämie bewirken.“). Das Gericht prüft also nicht die Wirksamkeit der Zustimmung des Treuhänders, sondern – losgelöst von der treuhänderischen Prüfung – die Wirksamkeit der Beitragsanpassung.
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2.1.2. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH NJW 2004, 2679; BGH NJW-RR 2016, 606: „In einem gerichtlichen Verfahren hat der Versicherer darzulegen und zu beweisen, dass die Voraussetzungen für die erhöhte Prämie vorliegen“) wird überwiegend (zweifelnd wohl OLG Schleswig BeckRS 2023, 2997 Rn. 124) so verstanden, dass der Versicherer die Darlegungs- und Beweislast für die materielle Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassung insgesamt (d.h. einschließlich der Limitierungsmittelvergabe) trägt. Selbst wenn man das – ggf. unter Hinweis auf den Meinungsstand zu § 153 VVG – bei der – für den Versicherungsnehmer günstigen – Limitierung anders sehen wollte, bestünde eine sekundäre Darlegungslast des Versicherers. Andere Ergebnisse dürften sich dann nur im Bereich des 'non liquet' ergeben.
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2.1.3. Im vorliegenden Fall wurde klägerseits nicht bestritten, dass Anlass für eine Beitragsanpassung bestand und dass die Prämien korrekt berechnet wurden (~ Anpassungsfaktor). Im Streit steht lediglich der dritte Schritt der Beitragsanpassung, die Limitierung der streitgegenständlichen Beitragsanpassungen durch die Beklagte. Deren Rechtmäßigkeit wurde zur Überzeugung des Senats – entgegen der Annahme des Landgerichts – spätestens mit dem Schriftsatz vom 07.02.2023 wirksam bestritten.
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2.1.4. Die Verwendung der Mittel aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattung ist in systematischer Hinsicht Teil der Prämienberechnung (BGH NJW 2004, 2679), sie unterliegt insoweit der zivilgerichtlichen Kontrolle (s.o.). Bei der Frage, ob und in welcher Höhe die Mittel aus den Rückstellungen für Beitragsrückerstattung zu verwenden sind, handelt es sich aber im Kern um eine unternehmerische Entscheidung, die – mit Ausnahme der nach § 12 a III VAG aF bzw. (seit 1.1.2016) nach § 150 Abs. 4 VAG vorgeschriebenen Verwendung, die alleine älteren Versicherten zugutekommt – gerade nicht durch inhaltliche gesetzliche Vorgaben determiniert werden sollte (BGH NJW 2019, 919 unter Hinweis auf das Gutachten der Unabhängigen Expertenkommission zur Untersuchung der Problematik steigender Beiträge der privat Krankenversicherten im Alter, BT-Drs. 13/4945, 40). Nur die Grenzen der dem Versicherer zustehenden Beurteilungsspielräume sind gerichtlich überprüfbar:
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2.1.5. § 155 Abs. 2 VAG macht insoweit die folgenden Vorgaben:
Der Zustimmung des Treuhänders bedürfen
1. der Zeitpunkt und die Höhe der Entnahme sowie die Verwendung von Mitteln aus der Rückstellung für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung, soweit sie nach § 150 Absatz 4 zu verwenden sind, und
2. die Verwendung der Mittel aus der Rückstellung für erfolgsabhängige Beitragsrückerstattung.
Der Treuhänder hat in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 und 2 darauf zu achten, dass die in der Satzung und den Versicherungsbedingungen bestimmten Voraussetzungen erfüllt und die Belange der Versicherten ausreichend gewahrt sind. Bei der Verwendung der Mittel zur Begrenzung von Prämienerhöhungen hat er insbesondere auf die Angemessenheit der Verteilung auf die Versichertenbestände mit einem Prämienzuschlag nach § 149 und ohne einen solchen zu achten sowie dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der prozentualen und absoluten Prämiensteigerungen für die älteren Versicherten ausreichend Rechnung zu tragen.
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2.1.6. Hinsichtlich des Aspektes der „Beachtung der Belange der Versicherten“ ist gerichtlich zum einen zu prüfen, ob das übergeordnete gesetzgeberische Ziel einer Prämienverstetigung erreicht und ob die beiden in § 155 Abs. 2 S. 3 VAG konkretisierten Gesichtspunkte beachtet wurden. Zum anderen ist darauf zu achten, „dass einzelne Versicherte oder einzelne Gruppen von Versichertem gegenüber dem Kollektiv [nicht] willkürlich benachteiligt oder bevorzugt werden“ (vgl. hierzu unter Bezugnahme auf die Gesetzgebungshistorie OLG Schleswig BeckRS 2023, 2997, Rz. 80).
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2.1.7. Wird durch den Versicherungsnehmer die Rechtmäßigkeit der Limitierungsmittelvergabe bestritten, muss der Versicherer danach Tatsachen vortragen, die eine Subsumtion dahingehend erlauben, dass – bei objektiv-generalisierender Betrachtung (BT-Drs. 14/1245, S. 122) – die o.g. Voraussetzungen des § 155 Abs. 2 S. 2 und 3 VAG vorliegen. Ein schriftliches Limitierungskonzept muss er nicht vorweisen können (h.M. mangels gesetzlicher Grundlage; a.A. womöglich Gerwins NVersZ 2000, 353 [359]).
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Scheitert der Versicherer daran, die materielle Rechtmäßigkeit der Limitierungsmittelvergabe schlüssig vorzutragen, so ist auf den Antrag des Versicherungsnehmers hin die Unwirksamkeit der (gesamten) Beitragsanpassung festzustellen und/oder der Versicherer ist auf Rückzahlung der nicht geschuldeten Prämienanteile zu verurteilen, sofern eine Benachteiligung des klagenden Versicherungsnehmers nicht im Einzelfall ausgeschlossen ist. Eine Anpassung der Prämie kommt hier nicht in Betracht, weil das Gericht die Ermessensentscheidung des Versicherers durch eine eigene ersetzen und einen (Limitierungs-) Betrag ‚aus der Luft greifen müsste‘ (KG BeckRS 2022, 11629). Auf einen Vortrag des Versicherungsnehmers zu bestimmten materiellen Fehlern der Prämienanpassung kommt es in diesen Fällen nicht an.
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Gelingt es dem Versicherer, die materielle Rechtmäßigkeit der Limitierungsmittelvergabe darzulegen, ist der korrespondierende Vortrag der Klagepartei in den Blick zu nehmen. Im Falle eines erheblichen Bestreitens ist gegebenenfalls Beweis zu erheben. Äußert sich der Versicherungsnehmer nicht, ist eine Beweisaufnahme – allgemeinen prozessualen Regeln folgend – entbehrlich (so bereits OLG Nürnberg r+s 2023, 963).
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2.1.8. Dahinstehen kann im vorliegenden Fall, ob auch bei der Prüfung der Vergabe der Limitierungsmittel nur solche (schriftlichen) Unterlagen zugrunde gelegt werden dürfen, die dem Treuhänder zur Verfügung standen (so KG BeckRS 2022, 11629 Rn. 40, 79 f. unter Hinweis auf BGH NJW 2019, 919 Rn. 54). Richtigerweise ist das nicht der Fall: Der Entscheidung über die Vergabe von Limitierungsmitteln liegt schließlich keine versicherungsmathematische Berechnung zugrunde, sondern die Ausübung unternehmerischen Ermessens. Aus gutem Grund sieht das Gesetz nur dort eine Verpflichtung des Versicherers zur Vorlage von Berechnungsunterlagen, Herleitungen und Nachweisen vor („sind […] vorzulegen“), wo eine Berechnung nachvollzogen werden muss (s. § 155 Abs. 1 S. 3, 4 VAG). Ob der Versicherer bei der Vergabe von Limitierungsmitteln sein unternehmerisches Ermessen nach den Vorgaben des Gesetzes ausgeübt hat, lässt sich nicht ohne weiteres ausrechnen. Es gibt damit auch keinen festen Kanon von Unterlagen, die dem Treuhänder vorzulegen sind. Dieser wird vielmehr – ausgehend von den übersandten Unterlagen – prüfen und ggf. Informationen nachfordern (Franz/Püttgen, VersR 2022, S. 19). Nachdem das Gericht nicht die Wirksamkeit der Zustimmung des Treuhänders prüft, sondern die Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassung, kann es Unterlagen auswerten, die dem Treuhänder nicht vorlagen. Anders formuliert: Die materielle Rechtmäßigkeit einer Beitragsanpassung kann nicht davon abhängen, wie gewissenhaft der Treuhänder gearbeitet hat und welche Unterlagen er eingefordert hat.
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2.2. Die Beklagte hat Tatsachen vorgetragen, die dem Senat den Schluss erlauben, dass die Limitierungsmittel im Rahmen der Beitragsanpassung 2017 im Sinne von § 155 VAG und damit einwandfrei verwendet wurden.
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2.2.1. Zwischen den Parteien ist unstreitig geblieben, dass die vertraglichen und satzungsmäßigen Anforderungen beachtet wurden, § 155 II 2 Hs. 1 VAG. Die entsprechende Behauptung der Beklagten im geheimhaltungsbedürftigen Schriftsatz vom 10.10.2023 (dort S. 1) wurde klägerseits nicht bestritten.
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2.2.2. Die Beklagte hat unter Verweis auf die im Anlagenkonvolut D-08 befindliche „Limitierungserklärung […] 2017“ (dort Bl. 4 ff. = S. 16 ff. der Anlage) vorgetragen, in welcher Höhe zum 01.04.2017 Mittel aus der Rückstellung für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattungen und solche aus der Rückstellung für erfolgsabhängige Beitragsrückerstattungen entnommen werden sollten (§ 12a Abs. 3 VAG a.F. bzw. § 150 Abs. 4 VAG n.F. zum 1.1.2016), § 155 II 1 Nr. 1 VAG. Diesen Vortrag hat die Klagepartei nicht bestritten.
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2.2.3. Aus dem in Ziffer 3.1 der „Limitierungserklärung […] 2017“ enthaltenen Limitierungsmodell der Beklagten (Bl. 10 ff. = S. 22 ff. des Anlagenkonvoluts D-08) ergibt sich, welche (Tarif-) Gruppen die Beklagte zum Zwecke der Limitierung gebildet hat, mit welchen absoluten Beträgen die Beitragsanpassungen in den unterschiedlichen Tarifgruppen limitiert wurden und welche prozentualen und absoluten Obergrenzen die Beklagte für die unterschiedlichen Tarifgruppen festgelegt hat. Diese Zahlen zur Verwendung der Mittel (§ 155 II 1 Nr. 1, Nr. 2 VAG) wurden von der Klagepartei nicht bestritten.
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2.2.4. Auf der Grundlage des Vortrages der Beklagten steht für den Senat fest, dass bei der Verwendung der Mittel aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen die Belange der Versicherten gewahrt wurden, § 155 II 2 Hs. 2 VAG.
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2.2.4.1. Zum Zwecke der Limitierung plante die Beklagte für das gesamte Jahr 2017 mit einer Entnahme i.H.v. ca. # € aus der aRfB (= erfolgsabhängige Rückstellung), für die streitgegenständliche Beitragsanpassung zum 01.04.2017 wurden # € aus allen Töpfen eingeplant. In absoluten Zahlen liegt die Entnahme deutlich unter derjenigen des Vorjahres, zugleich aber knapp über derjenigen für die Jahre 2014 und 2015. Für die Beitragsrückerstattung bei Leistungsfreiheit wurden # € eingeplant. Angesichts einer geplanten Zuführung von # € in die aRfB-KV konnte die Rückstellung annähernd stabil gehalten werden (Zahlen lt. Limitierungserklärung, Bl. 5, 8 = Anlage D-08, S. 17, 20).
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Die entsprechende Mittelverwendung begegnet zunächst unter dem Gesichtspunkt einer Prämienverstetigung keinen Bedenken, weil ein ‚ausreichender‘ (BT-Drs. 14/1245, S. 122), aber auch nicht zu hoher Anteil der Rückstellung für Limitierungen zur Verfügung steht.
- Anhaltspunkte dafür, dass ein zu großer Teil der Rücklage für Zwecke der Limitierung aufgewendet wurde, bringt die Klagepartei nicht vor, sie sind angesichts des dargestellten Umfangs der Beitragsanpassung (Limitierungserklärung, Bl. 34 = Anlage D-08, S. 46) auch nicht ersichtlich.
- Anhaltspunkte dafür, dass insgesamt ein zu kleiner Teil der Rücklage für Zwecke der Limitierung aufgewendet wurde, bringt die Klagepartei nicht vor, sie sind ebenfalls nicht ersichtlich: Die Beklagte trägt vielmehr – nachvollziehbar und unbestritten – vor, dass die Effekte von Zins und Storno noch nicht in allen wichtigen Tarifen eingetreten seien.
- Auch die Tatsache, dass ein nicht unerheblicher Teil der Mittel (Limitierungserklärung, Bl. 8 [= Anlage D-08, S. 20]) zur (Bar-) Beitragsrückerstattung vorgesehen ist, begegnet unter dem Gesichtspunkt der Prämienverstetigung keinen Einwänden: Das Instrument der Beitragsrückerstattung bei Leistungsfreiheit wahrt bei maßvoller Anwendung schon deshalb die Belange der Versicherten, weil es einen Anreiz schafft, weniger Rechnungen zu generieren und/oder einzureichen und so „beachtenswerte schadenmindernde Effekte“ zeitigt (Gerwins NVersZ 2000, 353 [359f.]) und weil zugleich Verwaltungskosten gespart werden. Die von der Beklagten für die unterschiedlichen Jahre vorgelegten Unterlagen belegen, dass der – in absoluten Beträgen nur unwesentlich steigende – Anteil der ‚Entnahme BRE‘ im langjährigen Mittel bei ca. # % und damit in einem Bereich liegt, der als unkritisch anzusehen ist (so Gerwins NVersZ 2000, 353 bezogen auf einen Anteil von rd. 26%).
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2.2.4.2. Die Beklagte hat – von der Klagepartei unbestritten – vorgetragen (Schriftsatz vom 10.10.2023, S. 10 f.), dass ihr Limitierungsmodell Versichertenbestände mit/ohne Prämienzuschlag nach § 149 VAG zunächst gleichbehandle. Angesammelte Altersrückstellungen würden im Bedarfsfall in einem zweiten Schritt beitragswirksam angerechnet. Mit einer solchen Vorgehensweise ist die „Angemessenheit der Verteilung auf die Versichertenbestände mit einem Prämienzuschlag nach § 149 VAG und ohne einen solchen“ sichergestellt, § 155 II 3 VAG.
42
2.2.4.3. Die Beklagte hat vorgetragen, dass ihr Limitierungsmodell für die älteren Versicherten ab # Jahren bessere prozentuale und absolute Grenzen vorsehe (s. Verweis im Schriftsatz vom 10.10.2023, S. 7 f. auf die Limitierungserklärung […] 2017, Bl. 10 ff. [= Anlage D-08, S. 22 ff.]). Zusätzlich greife das sog. [X]-Modell“ mit einem Höchstzahlbetrag von (grundsätzlich) # € (Schriftsatz vom 10.10.2023, S. 8 f.; Limitierungserklärung […] 2017, Bl. 15 [= Anlage D-08, S. 27]). Dieser Vortrag, der sich mit den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen zwanglos in Einklang bringen lässt, wurde von der Klageseite nicht bestritten. Aus einer dem Treuhänder vorgelegten „Modellübersicht“ (Anlage D-08, S. 2) ergibt sich, dass den ‚älteren Versicherten‘ in einer Durchschnittsbetrachtung pro Kopf in allen Tarifgruppen höhere Limitierungsmittel zugewiesen werden als den jüngeren Versicherten und dass den älteren Versicherten in der mit Abstand größten Tarifgruppe [„ABC“] z.B. insgesamt # € (und damit …Person) zugewiesen wurden. Dass die Beklagte unter den „älteren Versicherten“ solche ab # Jahren versteht, begegnet schon deshalb keinen Einwänden, weil sie sich damit am Gesetz orientiert (s. insb. § 150 IV VAG). Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf das Ermessen der Beklagten erweisen sich die Prämiensteigerungen für die älteren Versicherten als zumutbar, § 155 II 3 VAG (vgl. ergänzend die Begründung des Treuhänders zu seinen Zustimmungen: Anlage D-09a, D-09c, S. 11). Selbst wenn dies anders wäre, könnte der Kläger, der im Jahr 2017 nicht zur Gruppe der älteren Versicherten gehörte, daraus keine Ansprüche herleiten.
43
2.2.4.4. Auf der Grundlage des Vortrages der Beklagten ist davon auszugehen, dass die Belange der Versicherten auch im Übrigen gewahrt wurden. Insbesondere lässt sich der Limitierungserklärung der Beklagten (s. insb. Ziff. 4, Bl. 34 ff. = Anlagenkonvolut D-08, S. 46 ff.) entnehmen, aus welchem Grund (u.a. [(1), (2), (3), (4), (5) ] die Beklagte unterschiedliche Tarif-/Auswertungsgruppen mit unterschiedlichen Limitierungsregeln gebildet hat und dass allen von einer Beitragsanpassung betroffenen Versicherten in der KKV mindestens # € an Limitierungsmitteln zugewiesen wurden. Gegen das sich hieraus ergebende Limitierungsmodell hat die Klagepartei – wie der Treuhänder (s. die Zustimmungserklärungen in Anlage D-09) – keine Einwendungen erhoben. Auch für den Senat ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die Beklagte die Grenzen des ihr eingeräumten unternehmerischen Ermessens verletzt haben könnte.
44
2.3. Die Beklagte hat Tatsachen vorgetragen, die dem Senat den Schluss erlauben, dass die Limitierungsmittel im Rahmen der Beitragsanpassung 2019 im Sinne von § 155 VAG und damit einwandfrei verwendet wurden.
45
2.3.1. Zwischen den Parteien ist unstreitig geblieben, dass die vertraglichen und satzungsmäßigen Anforderungen beachtet wurden, § 155 II 2 Hs. 1 VAG. Die entsprechende Behauptung der Beklagten im geheimhaltungsbedürftigen Schriftsatz vom 10.10.2023 (dort S. 1) wurde klägerseits nicht bestritten.
46
2.3.2. Die Beklagte hat unter Verweis auf die im Anlagenkonvolut E-08 befindliche „Limitierungserklärung […] 2019“ (dort S. 28 ff. = S. 208 ff. der Anlage) vorgetragen, in welcher Höhe zum 01.04.2019 Mittel aus der Rückstellung für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattungen und solche aus der Rückstellung für erfolgsabhängige Beitragsrückerstattungen entnommen werden sollten (§ 12a Abs. 3 VAG a.F. bzw. § 150 Abs. 4 VAG n.F. zum 1.1.2016), § 155 II 1 Nr. 1 VAG. Diesen Vortrag hat die Klagepartei nicht bestritten.
47
2.3.3. Aus dem in Ziffer 10 der „Limitierungserklärung […] 2019“ enthaltenen „Modell der [XY-]limitierung“ (ab S. 50 = S. 230 ff. des Anlagenkonvoluts E-08) ergibt sich, welche (Tarif-) Gruppen die Beklagte zum Zwecke der Limitierung gebildet hat, mit welchen absoluten Beträgen die Beitragsanpassungen in den unterschiedlichen Tarifgruppen limitiert wurden und welche prozentualen und absoluten Obergrenzen die Beklagte für die unterschiedlichen Tarifgruppen festgelegt hat. Diese Zahlen zur Verwendung der Mittel (§ 155 II 1 Nr. 1, Nr. 2 VAG) wurden von der Klagepartei nicht bestritten.
48
2.3.4. Auf der Grundlage des Vortrages der Beklagten steht für den Senat fest, dass bei der Verwendung der Mittel aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen die Belange der Versicherten gewahrt wurden, § 155 II 2 Hs. 2 VAG. Zu diesem Ergebnis ist auch der Treuhänder gelangt, der der Limitierung zugestimmt hat (Anlage E-09).
49
2.3.4.1. Zum Zwecke der Limitierung plante die Beklagte für das gesamte Jahr 2019 mit einer Entnahme i.H.v. ca. # € aus der aRfB (= erfolgsabhängige Rückstellung), für die streitgegenständliche Beitragsanpassung zum 01.04.2019 wurden # € aus allen Töpfen eingeplant. Diese Zahlen liegen (z.T. knapp) unter denen der Vorjahre. Für die Beitragsrückerstattung bei Leistungsfreiheit wurden # € eingeplant. Angesichts einer geplanten Zuführung von # € in die aRfB-KV konnte die Rückstellung deutlich aufgebaut werden (Zahlen lt. Limitierungserklärung, S. 28 [= Anlage E-08, S. 208]).
50
Die entsprechende Mittelverwendung begegnet zunächst unter dem Gesichtspunkt einer Prämienverstetigung keinen Bedenken, weil ein ‚ausreichender‘ (BT-Drs. 14/1245, S. 122), aber auch nicht zu hoher Anteil der Rückstellung für Limitierungen zur Verfügung steht.
- Anhaltspunkte dafür, dass ein zu großer Teil der Rücklage für Zwecke der Limitierung aufgewendet wurde, bringt die Klagepartei nicht vor, sie sind angesichts des vergleichsweise niedrigen absoluten Limitierungsvolumens von nur knapp # € (s.o.) auch nicht ersichtlich.
- Anhaltspunkte dafür, dass insgesamt ein zu kleiner Teil der Rücklage für Zwecke der Limitierung aufgewendet wurde, bringt die Klagepartei nicht vor, auch diese sind nicht ersichtlich, zumal die Beklagte – nachvollziehbar – vorträgt, sie habe [ …] limitieren können als im Vorjahr.
- Auch die Tatsache, dass ein nicht unerheblicher Teil der Mittel (Limitierungserklärung, S. 28 [= Anlage D-08, S. 208]) zur (Bar-) Beitragsrückerstattung vorgesehen ist, begegnet unter dem Gesichtspunkt der Prämienverstetigung keinen Einwänden: Das Instrument der Beitragsrückerstattung bei Leistungsfreiheit wahrt bei maßvoller Anwendung schon deshalb die Belange der Versicherten, weil es einen Anreiz schafft, weniger Rechnungen zu generieren und/oder einzureichen und so „beachtenswerte schadenmindernde Effekte“ zeitigt (Gerwins NVersZ 2000, 353 [359f.]) und weil zugleich Verwaltungskosten gespart werden. Die von der Beklagten für die unterschiedlichen Jahre vorgelegten Unterlagen belegen, dass der – in absoluten Beträgen nur unwesentlich steigende – Anteil der ‚Entnahme BRE‘ im langjährigen Mittel bei ca. # % und damit in einem Bereich liegt, der als unkritisch anzusehen ist (so Gerwins NVersZ 2000, 353 bezogen auf einen Anteil von rd. 26%).
51
2.3.4.2. Die Beklagte hat – von der Klagepartei unbestritten – vorgetragen (Schriftsatz vom 10.10.2023, S. 10 f.), dass ihr Limitierungsmodell Versichertenbestände mit/ohne Prämienzuschlag nach § 149 VAG zunächst gleichbehandle. Angesammelte Altersrückstellungen würden im Bedarfsfall in einem zweiten Schritt beitragswirksam angerechnet. Mit einer solchen Vorgehensweise ist die „Angemessenheit der Verteilung auf die Versichertenbestände mit einem Prämienzuschlag nach § 149 VAG und ohne einen solchen“ sichergestellt, § 155 II 3 VAG.
52
2.3.4.3. Die Beklagte hat vorgetragen, dass ihr Limitierungsmodell für die älteren Versicherten ab # Jahren bessere prozentuale und absolute Grenzen vorsehe (s. Verweis im Schriftsatz vom 10.10.2023, S. 7 f. auf die Limitierungserklärung […] 2019, S. 50 ff. [= Anlage E-08, S. 230 ff.]). Zusätzlich greife das sog. „[X]-Modell“ mit einem Höchstzahlbetrag von (grundsätzlich) # € (Schriftsatz vom 10.10.2023, S. 8 f.; Limitierungserklärung […] 2019, S. 17, S. 140 [= Anlage E-08, S. 197, S. 320]). Dieser Vortrag, der sich mit den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen zwanglos in Einklang bringen lässt, wurde von der Klageseite nicht bestritten. Aus einer Kurzübersicht der Limitierung ergibt sich, dass den ‚älteren Versicherten‘ in einer Durchschnittsbetrachtung pro Kopf fast durchgehend höhere Limitierungsmittel zugewiesen werden als den jüngeren Versicherten. Eine Ausnahme bildet die Gruppe der [„ABC“], hier werden die älteren Versicherungsnehmer aber in absoluten Zahlen deutlich stärker unterstützt (s. Kurzübersicht in der Limitierungserklärung […] 2019, S. 58 [= Anlage E-08, S. 238]). Dass die Beklagte unter den „älteren Versicherten“ solche ab # Jahren versteht, begegnet schon deshalb keinen Einwänden, weil sie sich damit am Gesetz orientiert (s. insb. § 150 IV VAG). Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf das Ermessen der Beklagten erweisen sich die Prämiensteigerungen für die älteren Versicherten als zumutbar, § 155 II 3 VAG. Selbst wenn dies anders wäre, könnte der Kläger, der im Jahr 2019 nicht zur Gruppe der älteren Versicherten gehörte, daraus keine Ansprüche herleiten.
53
2.3.4.4. Auf der Grundlage des Vortrages der Beklagten ist davon auszugehen, dass die Belange der Versicherten auch im Übrigen gewahrt wurden. Insbesondere lässt sich der Limitierungserklärung der Beklagten (dort S. 141, = Anlagenkonvolut E-08, S. 321) entnehmen, aus welchem Grund ([Grund-1, Belang-2, Beispiel für Belang-2, Grund-3]) die Beklagte unterschiedliche Tarif-/Auswertungsgruppen mit unterschiedlichen Limitierungsregeln gebildet hat. Gegen das sich hieraus ergebende Limitierungsmodell hat die Klagepartei – wie der Treuhänder (s. die Zustimmungserklärung in Anlage E-09) – keine Einwendungen erhoben. Auch für den Senat ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die Beklagte die Grenzen des ihr eingeräumten unternehmerischen Ermessens verletzt haben könnte.
54
2.4. Die Beklagte hat Tatsachen vorgetragen, die dem Senat den Schluss erlauben, dass die Limitierungsmittel im Rahmen der Beitragsanpassung 2021 im Sinne von § 155 VAG und damit einwandfrei verwendet wurden.
55
2.4.1. Zwischen den Parteien ist unstreitig geblieben, dass die vertraglichen und satzungsmäßigen Anforderungen beachtet wurden, § 155 II 2 Hs. 1 VAG. Die entsprechende Behauptung der Beklagten im geheimhaltungsbedürftigen Schriftsatz vom 10.10.2023 (dort S. 1) wurde klägerseits nicht bestritten.
56
2.4.2. Die Beklagte hat unter Verweis auf die im Anlagenkonvolut F-08 befindliche „Limitierungserklärung […] 2021“ (dort S. 29 = S. 216 der Anlage) vorgetragen, in welcher Höhe zum 01.04.2021 Mittel aus der Rückstellung für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattungen und solche aus der Rückstellung für erfolgsabhängige Beitragsrückerstattungen entnommen werden sollten (§ 12a Abs. 3 VAG a.F. bzw. § 150 Abs. 4 VAG n.F. zum 1.1.2016), § 155 II 1 Nr. 1 VAG. Diesen Vortrag hat die Klagepartei nicht bestritten.
57
2.4.3. Aus dem in Ziffer 11 der „Limitierungserklärung zur BAP 04.2021“ enthaltenen „Modell der [XY]-Limitierung“ (ab S. 55 = S. 242 ff. des Anlagenkonvoluts F-08) ergibt sich, welche (Tarif-) Gruppen die Beklagte zum Zwecke der Limitierung gebildet hat, mit welchen absoluten Beträgen die Beitragsanpassungen in den unterschiedlichen Tarifgruppen limitiert wurden und welche prozentualen und absoluten Obergrenzen die Beklagte für die unterschiedlichen Tarifgruppen festgelegt hat. Diese Zahlen zur Verwendung der Mittel (§ 155 II 1 Nr. 1, Nr. 2 VAG) wurden von der Klagepartei nicht bestritten.
58
2.4.4. Auf der Grundlage des Vortrages der Beklagten steht für den Senat fest, dass bei der Verwendung der Mittel aus der Rückstellung für Beitragsrückerstattungen die Belange der Versicherten gewahrt wurden, § 155 II 2 Hs. 2 VAG. Zu diesem Ergebnis ist auch der Treuhänder gelangt, der der Limitierung zugestimmt hat (Anlage F-09).
59
2.4.4.1. Zum Zwecke der Limitierung plante die Beklagte für das gesamte Jahr 2021 mit einer Entnahme i.H.v. ca. # € aus der aRfB (= erfolgsabhängige Rückstellung), für die streitgegenständliche Beitragsanpassung zum 01.04.2021 wurden # € aus allen Töpfen eingeplant. Diese Zahlen liegen ungefähr im langjährigen Mittel. Für die Beitragsrückerstattung bei Leistungsfreiheit wurden # € eingeplant. Die Beklagte rechnete mit einer Zuführung von # € (Zahlen lt. Limitierungserklärung, S. 29 = Anlage F-08, S. 216).
60
Die entsprechende Mittelverwendung begegnet zunächst unter dem Gesichtspunkt einer Prämienverstetigung keinen Bedenken, weil ein ‚ausreichender‘ (BT-Drs. 14/1245, S. 122), aber auch nicht zu hoher Anteil der Rückstellung für Limitierungen zur Verfügung steht.
- Anhaltspunkte dafür, dass ein zu großer Teil der Rücklage für Zwecke der Limitierung aufgewendet wurde, bringt die Klagepartei nicht vor. Sie sind auch nicht ersichtlich, dies vor allem vor dem Hintergrund der doch beachtlichen Beitragsanpassung.
- Anhaltspunkte dafür, dass insgesamt ein zu kleiner Teil der Rücklage für Zwecke der Limitierung aufgewendet wurde, bringt die Klagepartei nicht vor. Auch diese sind angesichts des Limitierungsvolumens nicht ersichtlich.
- Auch die Tatsache, dass ein nicht unerheblicher Teil der Mittel (Limitierungserklärung, S. 29 [= Anlage F-08, S. 216]) zur (Bar-) Beitragsrückerstattung vorgesehen ist, begegnet unter dem Gesichtspunkt der Prämienverstetigung keinen Einwänden: Das Instrument der Beitragsrückerstattung bei Leistungsfreiheit wahrt bei maßvoller Anwendung schon deshalb die Belange der Versicherten, weil es einen Anreiz schafft, weniger Rechnungen zu generieren und/oder einzureichen und so „beachtenswerte schadenmindernde Effekte“ zeitigt (Gerwins NVersZ 2000, 353 [359f.]) und weil zugleich Verwaltungskosten gespart werden. Die von der Beklagten für die unterschiedlichen Jahre vorgelegten Unterlagen belegen, dass der – in absoluten Beträgen nur unwesentlich steigende – Anteil der ‚Entnahme BRE‘ im langjährigen Mittel bei ca. # % und damit in einem Bereich liegt, der als unkritisch anzusehen ist (so Gerwins NVersZ 2000, 353 bezogen auf einen Anteil von rd. 26%).
61
2.4.4.2. Die Beklagte hat – von der Klagepartei unbestritten – vorgetragen (Schriftsatz vom 10.10.2023, S. 10 f.), dass ihr Limitierungsmodell Versichertenbestände mit/ohne Prämienzuschlag nach § 149 VAG zunächst gleichbehandle. Angesammelte Altersrückstellungen würden im Bedarfsfall in einem zweiten Schritt beitragswirksam angerechnet. Mit einer solchen Vorgehensweise ist die „Angemessenheit der Verteilung auf die Versichertenbestände mit einem Prämienzuschlag nach § 149 VAG und ohne einen solchen“ sichergestellt, § 155 II 3 VAG.
62
2.4.4.3. Die Beklagte hat vorgetragen, dass ihr Limitierungsmodell für die älteren Versicherten ab # Jahren bessere prozentuale und absolute Grenzen vorsehe (s. Verweis im Schriftsatz vom 10.10.2023, S. 7 f. auf die Limitierungserklärung […] 2021, S. 55 ff. [= Anlage F-08, S. 242 ff.]). Zusätzlich greife das sog. „[X]-Modell“ mit einem Höchstzahlbetrag von (grundsätzlich) # € (Schriftsatz vom 10.10.2023, S. 8 f.; Limitierungserklärung […] 2021, S. 18, S. 135 [= Anlage F-08, S. 205, S. 322]). Dieser Vortrag, der sich mit den von der Beklagten vorgelegten Unterlagen zwanglos in Einklang bringen lässt, wurde von der Klageseite nicht bestritten. Aus der in der Limitierungserklärung […] 2021 enthaltenen „Kurzübersicht der Kombinationslimitierung“ (S. 63 [= Anlage F-08, S. 250]) ergibt sich, dass den ‚älteren Versicherten‘ in einer Durchschnittsbetrachtung pro Kopf in den großen Tarifen durchgehend höhere Limitierungsmittel zugewiesen werden als den jüngeren Versicherten. Dass die Beklagte unter den „älteren Versicherten“ solche ab # Jahren versteht, begegnet schon deshalb keinen Einwänden, weil sie sich damit am Gesetz orientiert (s. insb. § 150 IV VAG). Vor diesem Hintergrund und mit Blick auf das Ermessen der Beklagten erweisen sich die Prämiensteigerungen für die älteren Versicherten als zumutbar, § 155 II 3 VAG.
63
2.4.4.4. Auf der Grundlage des Vortrages der Beklagten ist davon auszugehen, dass die Belange der Versicherten auch im Übrigen gewahrt wurden. Insbesondere lässt sich der Limitierungserklärung der Beklagten (dort S. 136, = Anlagenkonvolut F-08, S. 323) entnehmen, aus welchem Grund (u.a. besondere Betroffenheit zweier Tarife mit [Grund-1]; [Belang-2], z.B. [Beispiel für Belang-2]; [Grund-3]) die Beklagte unterschiedliche Tarif-/Auswertungsgruppen mit unterschiedlichen Limitierungsregeln gebildet hat. Gegen das sich hieraus ergebende Limitierungsmodell hat die Klagepartei – wie der Treuhänder (s. die Zustimmungserklärung in Anlage F-09) – keine Einwendungen erhoben. Auch für den Senat ergibt sich kein Hinweis darauf, dass die Beklagte die Grenzen des ihr eingeräumten unternehmerischen Ermessens verletzt haben könnte.
64
II. Auch, soweit der Kläger die (Teil-) Abweisung des Zahlungsantrages in Höhe von 363,- € mit der Begründung angreift, die beklagtenseits erklärte Aufrechnung sei mangels fälligen Gegenanspruches unwirksam, hat die Berufung keinen Erfolg.
65
Die klägerische Argumentation verfängt nicht: Richtig ist zwar, dass eine Beitragsrückerstattung nur unter bestimmten Bedingungen, v.a. einer Leistungsfreiheit im Vorjahr, in Betracht kommt (§ 8c AVB, Anlage B17). Hierin mag man einen „Erfolg“ sehen (der freilich nichts damit zu tun hat, dass die Beitragsrückerstattung aus der erfolgsabhängigen RfB finanziert wird). Der Höhe nach richtet sich die Beitragsrückerstattung im – vorliegend unstreitig eingetretenen – „Erfolgs“-Fall aber nach der Höhe der gezahlten Prämien. Bestand kein Anspruch der Beklagten auf einen Teil der Prämie, so bestand auch kein Anspruch des Klägers auf einen entsprechenden – und hier der Höhe nach unstreitigen – Teil der Beitragsrückerstattung. Mit diesem gegenläufigen, gleichsam spiegelbildlichen Bereicherungsanspruch konnte die Beklagte aufrechnen. Nachdem der Kläger den Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Beitragsanpassungen initiiert hat, sieht der Senat auch keinen Raum für eine Korrektur dieses Ergebnisses aufgrund § 242 BGB.
66
III. Die Berufung erweist sich auch in Ziff. 5 (Feststellung infolge einseitiger Erledigterklärung) als unbegründet, weil im Zeitpunkt der Klageerhebung kein Anspruch auf Auskunft bestand, der sich hätte erledigen können.
67
1. Das mit dem Auskunftsanspruch gemäß Ziffer 4) der klägerischen Anträge erster Instanz verbundene Rechtsschutzbegehren war als Teil einer Stufenklage unzulässig, nach Umdeutung in eine von der Stufung unabhängige objektive Klagehäufung zwar zulässig (BGH BeckRS 2023, 26057 Rn. 23), in der Sache aber nicht begründet.
68
2. Der eingeklagte Auskunftsanspruch bestand nicht aus § 3 Abs. 3 Satz 1 VVG n.F. (BGH BeckRS 2023, 26057 Rn. 42; so bereits Senat, BeckRS 2021, 40311).
69
2.1. Nach dieser Regelung kann der Versicherungsnehmer vom Versicherer im Fall des Abhandenkommens oder der Vernichtung eines Versicherungsscheins die Ausstellung eines neuen Versicherungsscheins verlangen, der das Bestehen und den Umfang des Versicherungsschutzes des Versicherungsnehmers dokumentiert.
70
Der Versicherungsschein soll den Versicherungsnehmer über die wesentlichen Inhalte des abgeschlossenen Vertrages informieren, Beweis dafür erbringen und seinen Inhaber unter bestimmten Voraussetzungen legitimieren, Leistungen des Versicherers zu empfangen (BGH BeckRS 2023, 26057 Rn. 42; Langheid/Rixecker, VVG, 6. Aufl., Rn. 1 zu § 3).
71
2.2. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift bezieht sich der Anspruch aus § 3 Abs. 3 VVG auf den aktuellen Versicherungsschein, aus dem der Versicherungsnehmer bestimmte Rechte herleiten will, oder dessen Inhalt für Dritte – z.B. wegen eines Sicherungsbedürfnisses – von Bedeutung ist. Die Ausstellung eines neuen, aktuellen Versicherungsscheins fordert die Klägerin aber gerade nicht. § 3 Abs. 3 VVG dient nicht dazu, den Versicherer zu verpflichten, dem Versicherungsnehmer frühere überholte Versicherungsscheine bzw. Nachträge neu auszustellen, damit dieser ermitteln kann, ob in der Vergangenheit liegende Beitragserhöhungen formell und materiell rechtmäßig gewesen sind (BGH BeckRS 2023, 26057 Rn. 42).
72
3. Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergab sich auch nicht aus Art. 15 Abs. 1 bzw. Abs. 3 DSGVO (BGH BeckRS 2023, 26057 Rn. 45 ff.; Senat, BeckRS 2021, 40311).
73
3.1. Personenbezogene Daten i.S.v. Art. 4 Nr. 1 DSGVO sind nach dem weiten Verständnis von EuGH und BGH solche Informationen, die aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer identifizierten oder identifizierbaren natürlichen Person verknüpft sind (EUGH VersR 2023, 1176; BGH r+s 2021, 525 Rn. 22; BGH BeckRS 2023, 26057 Rn. 47). Es liegt auf der Hand, dass Mitteilungsschreiben von Krankenversicherungen über Beitragsanpassungen (i.d.R. bestehend aus Anschreiben, Beiblättern, Nachtrag zum Versicherungsschein) personenbezogene Daten in diesem Sinne enthalten. Zugleich sind die Mitteilungsunterlagen nicht in ihrer Gesamtheit als personenbezogene Daten einzuordnen (anders als Schreiben der betroffenen Person), sondern nur, soweit sie Informationen über den Versicherungsnehmer nach den dargestellten Kriterien beinhalten (BGH BeckRS 2023, 26057 Rn. 48f.).
74
3.2. Einen Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO hatte der Kläger nach alledem nicht: Der Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO erfasst nur eine Auskunft über die in den Mitteilungsunterlagen enthaltenen personenbezogenen Daten. Eine dahingehende Beschränkung seines Anspruches hatte der Kläger aber nicht vorgenommen.
75
3.3. Der Kläger hatte auch keinen Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Nach EuGH VersR 2023, 1176 Rn. 30f. gewährt Art. 15 Abs. 3 DSGVO kein anderes Recht als Abs. 1, sondern legt nur Gegenstand und Anwendungsbereich des Auskunftsrechts fest. Der Begriff „Kopie“ bezieht sich nicht auf ein bestimmtes Dokument, sondern auf die enthaltenen personenbezogenen Daten. Nur wenn die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich wäre, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten, müssten ‚ganze Dokumente‘ übermittelt werden. Das liegt im vorliegenden Fall fern, entsprechendes wurde auch nicht vorgetragen.
76
3.4. Es kommt hinzu, dass der Kläger mit seiner Auskunftsklage datenschutzfremde Zwecke verfolgt (offengelassen von BGH BeckRS 2023, 26057 Rn. 56 m.w.N.), was dem allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz des Missbrauchsverbots (vgl. nur EuGH IStR 2019, 266 Rn. 76, Rn. 81) zuwiderläuft. Sinn und Zweck von Art. 15 Abs. 1, Abs. 3 DSGVO ist es nicht, einem Versicherungsnehmer, der seine Unterlagen nicht aufbewahrt hat, die Geltendmachung vermögensrechtlicher Ansprüche zu ermöglichen. Vielmehr bezweckt die DSGVO eine effektive Kontrolle des jeweils Betroffenen darüber, welche Daten der Verantwortliche besitzt und was damit weiter geschieht, ggf. auch zur Durchsetzung persönlicher Rechte aus dem 3. Abschnitt (z.B. Löschungsansprüche).
77
Die Klagepartei macht dem Datenschutz dienende Vorschriften auf eine Weise geltend, die nicht mit ihrem Zweck in Einklang steht: Ein Begehren auf nochmalige Überlassung der Mitteilungsunterlagen wird ins Gewand einer Auskunftsklage gekleidet in der „Absicht, sich einen unionsrechtlich vorgesehenen Vorteil dadurch zu verschaffen, dass die entsprechenden Voraussetzungen willkürlich geschaffen werden“ (EuGH a.a.O., Rn. 97). Ein solches Verhalten ist „missbräuchlich“ im Sinne der Rechtsprechung des EuGH.
78
4. Der Kläger konnte einen Auskunftsanspruch im vorliegenden Fall auch nicht mit Treu und Glauben gemäß § 242 BGB begründen.
79
4.1. Nach der Rechtsprechung des BGH trifft den Schuldner im Rahmen einer Rechtsbeziehung ausnahmsweise eine Auskunftspflicht nach § 242 BGB, wenn der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann. Die Zubilligung des Auskunftsanspruchs hat unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen (BGH BeckRS 2023, 26057 Rn. 30 m.w.N.). Sie kommt – gerade in Beitragsanpassungsfällen – auch dann in Betracht, wenn es dem Berechtigten darum geht, sich Auskünfte über das Bestehen eines Anspruches dem Grunde nach zu verschaffen (BGH a.a.O., Rn. 32).
80
4.2. Ein Auskunftsanspruch besteht aber nur dann, wenn feststeht, dass der Versicherungsnehmer nicht mehr über die im Auskunftsantrag bezeichneten Unterlagen verfügt und wenn Gründe hierfür vorgetragen und ggf. bewiesen werden, die bei umfassender Würdigung im Einzelfall als ‚entschuldbar‘ anzusehen sind (BGH a.a.O., Rn. 38, 40).
81
4.3. Im konkreten Fall hat der Kläger lediglich vortragen lassen, ihm lägen die entsprechenden Unterlagen nicht mehr vor (Klageschrift, S. 27 = Bl. 27 d.A.). Einen Grund für den Verlust hat der Kläger nicht angegeben. Dass die Unterlagen nicht mehr auffindbar sind, begründete keine Anhaltspunkte für eine ‚Entschuldbarkeit‘ und damit auch keinen Auskunftsanspruch nach § 242 BGB.
82
5. Auch aus § 810 BGB folgte kein Auskunftsanspruch (so auch BGH BeckRS 2023, 26057 Rn. 44). Rechtsfolge der Vorschrift ist ein Akteneinsichtsrecht. Die begehrte Auskunft nebst Übermittlung von Unterlagen ist mit einer Akteneinsicht weder identisch, noch ist das eine zum anderen ein wie auch immer geartetes Minus.
83
IV. 1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
84
2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
85
3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO. Die (Einzelfall-) Beurteilung der materiellen Rechtmäßigkeit bestimmter Beitragsanpassungen hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch steht die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Raum. Gleiches gilt für die mittlerweile höchstrichterlich geklärte (BGH BeckRS 2023, 26057) Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Versicherungsnehmer Anspruch auf Auskunft gegen seine Versicherung hat.
86
Soweit der Senat im Bereich der grundlegenden Überlegungen eine andere Auffassung vertritt als andere Oberlandesgerichte, ist diese Abweichung nicht entscheidungserheblich.