Titel:
Zurückverweisung wegen offensichtlicher Unrichtigkeit - hier Deponie der Klasse DK I von regionaler Bedeutung
Normenketten:
VwGO § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 5, § 83 S. 1
GVG § 17a Abs. 2 S. 1, S. 3
DepV § 2 Nr. 9, § 6 Abs. 3 S. 1
Leitsatz:
Die Zuständigkeitsregelung des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Alt. 2 VwGO erfasst ausschließlich Deponien zur Ablagerung gefährlicher S o n d e r a b f ä l l e, die für die Abfallbeseitigung von ganz erheblicher überregionaler, in der Regel landesweiter Bedeutung sind (im Anschluss an BayVGH, B.v. 29.07.2008 – 22 A 08.40012 – juris, Rn. 10 ff., insbes. 17 ff.). (Rn. 7)
Schlagworte:
Zurückverweisung wegen offensichtlicher Unrichtigkeit der Verweisungsentscheidung, sachliche (erstinstanzielle) Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs, Deponie DK I statt S o n d e r m ü l l d e p o n i e (mindestens) DK III, abfallrechtliche Planfeststellung, Deponie, Verweisung, offensichtlicher Unrichtigkeit, Bindungswirkung, Sonderabfälle, Zurückverweisung, Zuständigkeit
Vorinstanz:
VGH München, Beschluss vom 29.07.2008 – 22 A 08.40012
Fundstellen:
BayVBl 2024, 271
LSK 2024, 634
BeckRS 2024, 634
Tenor
I. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist für die Entscheidung des Rechtsstreits sachlich (erstinstanziell) unzuständig. Der Rechtsstreit wird wegen offensichtlicher Rechtswidrigkeit der Verweisungsentscheidung an das Verwaltungsgericht W. zurückverwiesen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung des Verwaltungsgerichts W. vorbehalten.
Gründe
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Mit Planfeststellungsbeschluss vom 18. September 2023 stellte die Planfeststellungsbehörde, die Regierung von O. – Bergamt N. –, auf Antrag der Beigeladenen nach Maßgabe der eingereichten Unterlagen mit den sich aus dem Beschluss ergebenden Änderungen und Nebenbestimmungen den Plan zur Errichtung und zum Betrieb der Deponie H. als Deponie der Klasse I (DK I) im Landkreis W., Gemeinde H., Flurstücke 1240, 1241 und 1242 der Gemarkung H., zur Deckung des Bedarfs an gebietsbezogenem regionalen Deponieraum für Bau- und Abbruchabfälle („Bauschuttdeponie“) fest.
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Hiergegen erhoben die Klägerinnen unter dem 18. Oktober 2023 Klage zum Verwaltungsgericht W. Mit Schreiben vom 24. Oktober 2023 hörte das Verwaltungsgericht die Beteiligten zu einer möglichen Verweisung des Rechtsstreits an.
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Mit Beschluss vom 7. Dezember 2023 erklärte sich das Verwaltungsgericht W. für sachlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Für Deponien, in den Abfälle im Sinne des § 48 KrWG (gefährliche Abfälle) abgelagert würden, sei nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwGO das Oberverwaltungsgericht (bzw. der Verwaltungsgerichtshof) erstinstanzlich zuständig. Der Rechtsstreit sei deshalb an den sachlich zuständigen Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu verweisen (§ 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG).
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Die Verweisung des Rechtsstreits an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ist offensichtlich rechtswidrig. Die Fehlerhaftigkeit der Verweisung führt zur Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht.
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1. Ein Beschluss, durch den ein Verwaltungsgericht sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das seiner Auffassung nach zuständige Gericht verweist, besitzt für das Gericht, an welches verwiesen wird, zwar grundsätzlich bindende Wirkung (§ 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG). Dies gilt allerdings dann nicht, wenn sich die Verweisungsentscheidung als offensichtlich unrichtig bzw. gesetzeswidrig erweist. Derartige Verweisungsbeschlüsse entfalten keine Bindungswirkung (vgl. BVerwG, B.v. 17.03.1999 – 1 WB 80/98 –, Buchholz § 17a GVG Nr. 16 – juris, Rn. 6; B.v. 01.07.2004 – 7 VR 1/04 –, DVBl. 2004, 1046 – juris, Rn. 8; siehe auch Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 83 Rn. 7 und § 17a GVG Rn. 17 ff.; Peters, in: BeckOK, VwGO, Stand: 1.10.2023; § 83 Rn. 6; Riese, in: Schoch/Schneider, VwGO, Stand: März 2023, § 83 Rn. 16a; Bamberger, in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 83 Rn. 11).
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2. Letzteres ist vorliegend der Fall, da sich die Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichts als offensichtlich fehlerhaft erweist und darüber hinaus bewirkt, dass den Beteiligten der in der Prozessordnung vorgesehene Instanzenzug entzogen wird (vgl. BVerwG, B.v. 17.03.1999 – 1 WB 80/98 –, Buchholz § 17a GVG Nr. 16 – juris, Rn. 6; B.v. 01.07.2004 – 7 VR 1/04 –, DVBl. 2004, 1046 – juris, Rn. 8).
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a) Die Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts (bzw. des Verwaltungsgerichtshofs) im ersten Rechtszug nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Alt. 2 VwGO ist nur dann gegeben, wenn die Streitigkeit Verfahren für die Errichtung, den Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Anlagen betrifft, in denen ganz oder teilweise Abfälle im Sinne des § 48 KrWG gelagert oder abgelagert werden (sollen). Die Regelung erfasst mithin ausschließlich Deponien zur Ablagerung gefährlicher S o n d e r a b f ä l l e, die für die Abfallbeseitigung von ganz erheblicher (überregionaler) Bedeutung sind (vgl. BT-Drucks. 10/171, S. 11 f.; BT-Drucks. 11/7030, S. 22; BVerwGE 90, 96 [97 f.]; BayVGH, B.v. 27.03.1998 – 20 A 97.40033 – juris, Rn. 34; VGH BW, B.v. 25.04.1986 – 10 S 3313/85 –, NVwZ 1986, 665 [667]; Panzer, in: Schoch/Schneider, VwGO, 44. El., Stand: März 2023, § 48 Rn. 27f.; Unruh, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 48 VwGO Rn. 23; Wysk, in: Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 48 Rn. 14; von Albedyll, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 8. Aufl. 2021, § 48 Rn. 13; Redeker/von Oertzen, VwGO, 16. Aufl. 2014, § 48 Rn. 24).
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Angesprochen sind insoweit Großvorhaben mit besonderer, in der Regel landesweiter Bedeutung (vgl. hierzu und zur Gesetzesgenese des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwGO ausführlich bereits BayVGH, B.v. 29.07.2008 – 22 A 08.40012 – juris, Rn. 10 ff., insbes. 17 ff.), nicht aber Deponien jedweder Art mit gegebenenfalls nicht auszuschließendem (geringfügig) gefährlichem Potenzial. Eine einzelne, an einem Ziegelbrocken haftende Asbestfaser kann die Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht begründen. Nur Vorhaben von ganz erheblicher Bedeutung rechtfertigen nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers die Inanspruchnahme des Oberverwaltungsgerichts (vgl. BT-Drucks. 10/171, S. 11 f.; BT-Drucks. 11/7030, S. 22; siehe auch bereits BayVGH, B.v. 29.07.2008 – 22 A 08.40012 – juris, Rn. 17 ff.).
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Ausschließlich eine Deponie, die gemäß §§ 2 Nr. 9, 6 Abs. 3 Satz 1 DepV ihrer Intention nach auf die Ablagerung gefährlicher Abfälle hin ausgerichtet ist (S o n d e r – m ü l l d e p o n i e) kann deshalb die Zuständigkeit des Oberverwaltungsgerichts nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Alt. 2 VwGO begründen. Insoweit wird es sich regelmäßig um eine Deponie (mindestens) der Klasse DK III oder IV handeln (vgl. § 2 Nr. 9 u. 10 DepV). Nur diese sind in der Regel zur Aufnahme gefährlicher Abfälle bestimmt (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 DepV).
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b) Diesen Anforderungen genügt das streitgegenständliche Vorhaben nicht; es handelt sich lediglich um eine Deponie der Klasse DK I (vgl. § 2 Nr. 7 DepV) von ausschließlich regionaler, nicht aber landesweiter Bedeutung.
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Eine ausdrückliche Zulassung der Ablagerung gefährlicher Abfälle enthält der Planfeststellungsbeschluss vom 18. September 2023 nicht. Ebenso wenig setzt er sich näher mit der Art entsprechender Abfälle und ihrem Gefahrenpotenzial in einem faktischen Trinkwasserschutzgebiet auseinander. Auch der Umweltverträglichkeitsbericht (Antragsordner 2, A 413 ff.) beschreibt das geplante Vorhaben nicht als Deponie zur Ablagerung von gefährlichen Abfällen. Aus dem Erläuterungsbericht (Antragsordner 1, A 16 ff.) ergibt sich ebenfalls nicht, dass auf der geplanten Deponie eine Lagerung von gefährlichen Abfällen beabsichtigt wäre. Die Verfüllung erfolge ausschließlich mit mineralischen Abfällen, die die Zuordnungswerte für DK I Deponien (DepV, Anhang 3 Tabelle 2, Spalte 6) einhalten (Antragsordner 1, A 49). Die Annahme, dass die streitgegenständliche Deponie als S o n d e r m ü l l d e p o n i e im Sinne von §§ 2 Nr. 9, 6 Abs. 3 Satz 1 DepV – eine solche würde die Errichtung einer technischen Barriere zur Basisabdichtung von (mindestens) 5 Metern und nicht wie vorliegend lediglich von 1 Meter Dicke voraussetzen (vgl. DepV, Anhang 1 Nr. 1.2 Ziff. 4 u. Nr. 2.2, Tabelle 1 Nr. 1, Spalte 4) – konzipiert und auch tatsächlich als solche planfestgestellt werden sollte, liegt deshalb von vornherein fern.
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Zwar sollen auf der streitgegenständlichen Deponie, die im Hauptanteil der Gesamtablagerungsmenge Bau- und Abbruchabfälle sowie Abfälle aus deren Aufbereitung umfasst (vgl. Anlage 12 der Antragsunterlagen), im Einzelfall regelabweichend beispielsweise auch Abfälle mit den Abfallschlüsseln gemäß der Anlage zu § 2 Abs. 1 AVV 17 01 06* (Gemische aus oder getrennte Fraktionen von Beton, Ziegeln, Fliesen und Keramik, die gefährliche Stoffe enthalten) deponiert werden dürfen.
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Dadurch wird die streitgegenständliche Deponie jedoch nicht zu einer S o n d e r – m ü l l d e p o n i e im Sinne von §§ 2 Nr. 9, 6 Abs. 3 Satz 1 DepV mit überregionaler, landesweiter Bedeutung, für die die sachliche Zuständigkeit des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nach § 48 Abs. 1 Satz1 Nr. 5 Alt. 2 VwGO, Art. 1 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO begründet wäre (vgl. BT-Drucks. 10/171, S. 11f.; BT-Drucks. 11/7030, S. 22; siehe auch bereits BayVGH, B.v. 29.07.2008 – 22 A 08.40012 – juris, Rn. 17 ff.).
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Vielmehr müsste eine Einordnung der geplanten Deponie DK I als Deponie für gefährliche Abfälle im Sinne von §§ 2 Nr. 9, 6 Abs. 3 Satz 1 DepV (Sondermülldeponie) diese geradewegs in die Widerrechtlichkeit führen, da insoweit ein vollständiger Abwägungsausfall (vgl. hierzu Fellenberg/Schiller, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2. Aufl. 2022, § 36 Rn. 80 f.) vorläge. Nur dann, wenn im Zusammenhang mit einer Deponie für Sonderabfall (DK III) im Sinne von §§ 2 Nr. 9, 6 Abs. 3 Satz 1 DepV weitere Deponieabschnitte der Klassen DK I oder DK II planfestgestellt werden sollen, zieht die Sondermülldeponie DK III diese Abschnitte gem. § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwGO („ganz oder teilweise“) zum Oberverwaltungsgericht mit (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 27.03.1998 – 20 A 97.40033 – juris, Rn. 34 a.E.).
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Allein der Umstand, dass den abzulagernden Bau- und Abbruchabfällen gegebenenfalls auch Partikel gefährlicher Stoffe im Sinne von § 48 KrWG anhaften (können), die gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 DepV regelabweichend von § 6 Abs. 3 Satz 1 DepV auch auf einer (vorliegend allein planfestgestellten) Deponie der Klasse DK I abgelagert werden dürfen, sofern die Zuordnungskriterien des Anhangs 3 Nummer 2 DepV erfüllt sind, lässt eine solche Deponie nicht zu einer S o n d e r m ü l l d e p o n i e der Klasse DK III von überregionaler, in der Regel landesweiter Bedeutung werden (vgl. bereits BayVGH, B.v. 29.07.2008 – 22 A 08.40012 – juris, Rn. 17 ff.). Die Einteilung der Deponien in die Klassen DK 0 bis DK IV (vgl. § 2 Nr. 6 – 10 DepV) für gefährliche und nicht gefährliche Abfälle wäre andernfalls von vornherein obsolet.
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Maßgeblich für die Einordnung nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwGO ist daher stets, dass es sich bei der planfestgestellten Deponie um eine S o n d e r m ü l l – d e p o n i e (mindestens der Klasse DK III) im Sinne von § 6 Abs. 3 Satz 1 DepV handelt, auf der beispielsweise Schlacken, Aschen, Schlämme und Filterrückstände, kontaminiertes Erdreich, asbestverseuchtes Abbruchmaterial oder Industrierückstände abgelagert werden sollen (vgl. etwa BayVGH, B.v. 27.03.1998 – 20 A 97.40033 – juris, Rn. 34). Dies ist hinsichtlich der vorliegend planfestgestellten Deponie DK I jedoch von vornherein nicht der Fall. Derartige Fraktionen werden vielmehr im Gegenteil gerade ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 17) und die Deponie damit nicht als Deponie zur Ablagerung von gefährlichen Abfällen geführt. Die sachliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofs nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwGO ist daher nicht eröffnet. Vielmehr verbleibt es bei der sachlichen Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts nach § 45 VwGO.
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Diese Regelungen stehen nicht zur Disposition der Verwaltungsgerichte oder der Verfahrensbeteiligten (vgl. Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 45 Rn. 10 f.). Ein allgemeines Beschleunigungsinteresse, alle einwendungsintensiven Rechtsstreitigkeiten nur noch von einer oder maximal zwei Instanzen entscheiden zu lassen, kann die Verweisung deshalb nicht rechtfertigen. Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass die Errichtung (isolierter) „Bauschuttdeponien“ generell unter § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 VwGO fiele; vielmehr ist das Gegenteil richtig (vgl. zur sachlichen Zuständigkeit bei der Errichtung von „Bauschuttdeponien“ exemplarisch: VG Saarlouis, U.v. 7.10.2009 – 5 K 10/08 – juris [1. Instanz]; OVG Saarlouis, U.v. 09.07.2010 – 3 A 482/09 – juris [Berufungsinstanz]; BVerwG, B.v. 25.03.2011 – 7 B 86/10 – juris [Revisionsinstanz]; siehe auch VG Augsburg, U.v. 7.12.2001 – Au 5 K 99.915 – juris [1. Instanz]).
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Mit seinem Verweisungsbeschluss vom 7. Dezember 2023 hat das Verwaltungsgericht daher die Bahnen ordnungsgemäßer Rechtsfindung verlassen und sich sehenden Auges in Widerspruch zu den Intentionen des Gesetzgebers (vgl. BT-Drucks. 10/171, S. 11 f; BT-Drucks. 11/7030, S. 22) und der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29. Juli 2008 – 22 A 08.40012 – juris, 10 ff., 17 ff. gesetzt. Im Hinblick darauf, dass den Klägerinnen hierdurch eine Instanz entzogen wird, spricht der Senat dem Beschluss vom 7. Dezember 2023 die Bindungswirkung ab und verweist die Streitsache an das zuständige Verwaltungsgericht zurück (vgl. hierzu auch BVerwG, B.v. 17.03.1999 – 1 WB 80/98 –, Buchholz § 17a GVG Nr. 16 – juris, Rn. 8; B.v. 01.07.2004 – 7 VR 1/04 –, DVBl. 2004, 1046 – juris, Rn.10). Einer weiteren Anhörung der Verfahrensbeteiligten bedurfte es aufgrund der vom Verwaltungsgericht bereits durchgeführten Anhörung nicht.
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3. Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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4. Aufgrund der exponierten Lage der geplanten Deponie in einem „faktischen“ Trinkwasserschutzgebiet (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 80) weist der Senat zum materiellen Kernbereich der abfall- und wasserrechtlichen Problematik des Vorhabens verfahrensleitend auf folgendes hin:
21
Auch wenn sowohl das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) als auch das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) kein absolutes, sondern lediglich ein grundsätzliches Verbot der Errichtung von Deponien in – auch (lediglich) faktischen – (Trink-) Wasserschutzgebieten begründen (vgl. §§ 35 Abs. 2, 36 Abs. 1 Nr. 1 a u. b, Nr.4, 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 u. 3 KrWG sowie §§ 32 Abs. 2 und 48 Abs. 2 WHG), welches durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz operationalisiert wird, will der Gesetzgeber doch gleichwohl grundsätzlich jede Art von Schäden, Gefahren und Risiken für das Trink-, Grund- und Oberflächenwasser genommen wissen (vgl. Mann, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019, § 36 Rn. 15, 19 u. 21; Czychowski/Reinhardt, WHG, 13. Aufl. 2023, § 32 Rn. 39; § 48 Rn. 26).
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Die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Trink-, Grund- und Oberflächenwassers, die nach §§ 36 Abs. 1 Nr. 1 a u. b, Nr. 4, 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 u. 3 KrWG und §§ 48 Abs. 2, 32 Abs. 2 WHG noch hingenommen werden darf, muss deshalb so gering wie irgend möglich sein (vgl. Mann, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019, § 36 Rn. 17-19; Czychowski/Reinhardt, WHG, 13. Aufl. 2023, § 32 Rn. 39; § 48 Rn. 26). Die genannten Regelungen erfassen infolgedessen auch den Fall, dass mit einer Veränderung des Grundwassers erst in langen Zeiträumen – vorliegend möglicherweise erst in zehn Jahren – zu rechnen ist. Auch die lediglich entfernte Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Beeinträchtigung des Trink-, Grund- und Oberflächenwassers in Wasserschutzgebieten kommt, ist auszuschließen (vgl. Mann, in: Versteyl/Mann/ Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019, § 36 Rn. 17-19; Czychowski/ Reinhardt, WHG, 13. Aufl. 2023, § 32 Rn. 39; § 48 Rn. 26). Der wasserrechtliche Besorgnisgrundsatz gibt der Planfeststellungsbehörde deshalb auch unter Berücksichtigung eines grundsätzlich anzuerkennenden Bedarfs nach ausreichendem Deponieraum (vgl. BVerwGE 89, 138 [143]) normativ auf, die jeweils bestmögliche Gefahrenabwehr und Risikovorsorge zu betreiben (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 13. Aufl. 2023, § 32 Rn. 39; § 48 Rn. 26), was die Einhaltung der höchsten, zum Zeitpunkt der Errichtung des Vorhabens bekannten Standards bedingt. Der Gesichtspunkt des Trinkwasser- und Gewässerschutzes darf auch im Rahmen einer abfallrechtlichen Planfeststellung nicht ohne Gewährleistung bestmöglicher Schutzauflagen einfach „weggewogen“ werden (vgl. Diekmann, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2. Aufl. 2022, § 15 Rn. 48).
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Die §§ 36 Abs. 1 Nr. 1 a u. b, Nr. 4, 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 u. 3 KrWG sowie §§ 48 Abs. 2, 32 Abs. 2 WHG schließen es infolgedessen aus, Materialien mit wassergefährdenden Stoffen oberhalb des Grundwasserspiegels abzulagern, ohne bestmögliche Vorsorge zu treffen, dass entsprechende Stoffe durch Auswaschung in das Grund- und Trinkwasser gelangen können (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 13. Aufl. 2023, § 32 Rn. 39; § 48 Rn. 26).
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Insoweit stehen auch bereits erteilte bodenschutzrechtliche Genehmigungen – vorliegend die bergrechtliche Erlaubnis zur Verfüllung mit sogenanntem Z 2-Material – weiteren wasserrechtlichen Anforderungen im Rahmen der Planfeststellung nicht entgegen (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 13. Aufl. 2023, § 48 Rn. 28). Vielmehr führt die Aufgabe der bisherigen Verfüllungsabsicht aufgrund der bereits bestehenden bergrechtlichen Erlaubnis zum Erlöschen eines etwaigen genehmigungsrechtlichen Bestandsschutzes und zur Neubeurteilung des Vorhabens in vollem Umfang (vgl. Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 5. Aufl. 2015, Rn. 3075).
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Eine Reduzierung der planungsrechtlichen Anforderungen mit dem Argument, es trete im Vergleich mit der bereits genehmigten Verfüllung in jedem Fall eine „Verbesserung“ ein, kommt danach nicht in Betracht. Wird die bereits genehmigte Verfüllung nicht verwirklicht und eine andere nach neuem Recht beantragt, so ist das entsprechende Vorhaben so zu beurteilen, wie wenn die bereits erteilte Gestattung nicht vorhanden wäre und das Vorhaben zum ersten Mal planfestgestellt werden soll. Der Gesichtspunkt des Bestandsschutzes deckt stets nur die Fortführung einer legal ausgeübten Nutzung (Z-2 Verfüllung), nicht aber den Übergang auf eine andere Nutzung (Deponie DK I), die die Genehmigungs- bzw. Planfeststellungsfrage neu aufwirft (vgl. BVerwGE 68, 360 [362; 366 f.]). In einem solchen Fall muss die neue Nutzung (Deponie DK I) dem geltenden (Planfeststellungs-)Recht entsprechen (vgl. BVerwGE 68, 360 [367]).
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Einer Planfeststellung ist deshalb die Rechtswirksamkeit zu versagen, wenn die Besorgnis einer nachteiligen Veränderung des Grund- und Trinkwassers nicht in bestmöglicher Weise durch entsprechende Schutzauflagen und Nebenbestimmungen ausgeschlossen werden kann (vgl. Mann, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019, § 36 Rn. 17-19; Czychowski/Reinhardt, WHG, 13. Aufl. 2023, § 32 Rn. 39; § 48 Rn. 26).
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In diesem Zusammenhang hat das Wasserwirtschaftsamt A. zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Grund- und Trinkwasserschutz überhaupt nur dann hergestellt werden kann, wenn es gelingt, die Abdichtung des Deponiekörpers dauerhaft zu erhalten und das anfallende Sickerwasser für alle Zeit zuverlässig aus dem Einzugsgebiet der Trinkwassergewinnungsanlagen auszuleiten (Planfeststellungsbeschluss, S. 134). Insoweit muss gewährleistet sein, dass es angesichts der Wirkmächtigkeit einer Auffüllhöhe von bis zu 25 m (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 126), nach den Planunterlagen sogar bis zu 45 m (vgl. Antragsordner 3, A 699) nicht zu Setzungsschäden an der Basisabdichtung kommt (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 134). Das Vorhaben steht und fällt deshalb mit der Gewissheit, dass der Deponieuntergrund in der Lage ist, sämtliche bodenmechanischen Belastungen aus der Deponie für alle Zeit zuverlässig aufzunehmen (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 121 ff., 122 f., 134).
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Angesichts einer Basisabdichtung lediglich mittels Kunststoffdichtbahn und einer 1 m starken – ausschließlich – mineralischen Dichtungsschicht (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 123) muss dies jedoch bereits auf der Grundlage allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft in Zweifel gezogen werden, zumal das Deponieplanum offenbar lediglich mit mineralischen Materialien aus Bautätigkeiten (vgl. Planfeststellungsbeschluss, S. 126), nicht aber mit entsprechenden Spezialmineralgemischen (Chemoton, Bentokies, DYWIDAG-Mineralgemisch) bzw. Deponieasphalt (Asphaltbeton) hergestellt werden soll (vgl. hierzu näher: Technische Anforderungen und Empfehlungen für Deponieabdichtungssysteme des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW, 2015, S. 21 ff.).
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Wohl nicht zu Unrecht wird die Herstellung des Planums von Seiten des Wasserwirtschaftsamts im Planfeststellungsbeschluss (vgl. S. 126) deshalb als „Herausforderung“ charakterisiert, der „ausreichend Rechnung zu tragen“ sei. Jedenfalls kann – gemessen am Maßstab „praktischer Vernunft“ (vgl. hierzu Fellenberg/Schiller, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2. Aufl. 2022, § 36 Rn. 14) – derzeit wohl kaum mit hinreichender Gewissheit ausgeschlossen werden, dass die (lediglich 2,5 Millimeter starke) Kunststoffschutzfolie (vgl. Antragsordner 1, A 32 f.) aufgrund des nicht unerheblichen Bodendrucks einer Auffüllmächtigkeit von bis zu 25 m (bzw. 45 m) Höhe infolge von Setzungsschäden oder etwaiger Rutschungen im Basis- und Böschungsbereich einreißt und das kontaminierte Sickerwasser durch die lediglich aus allgemeinen, möglicherweise auch noch belasteten Bau(abfall-)stoffen hergestellte Mineralschicht in das Grund- und anschließend in das Trinkwasser gelangt, vor allem dann, wenn man ein dauerhaftes Abdichtungserfordernis über eine etwaige Nachsorgephase hinaus in Rechnung stellt. Zur Frage des Ausschlusses entsprechender Setzungsschäden und der Gefahr eines möglichen Reißens der Kunststofffolie verhält sich der Planfeststellungsbeschluss nicht.
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Eine Auseinandersetzung hiermit erscheint auch nicht etwa deshalb entbehrlich, weil Ziffer 2.2 des Anhangs 1 zur DepV zum Schutz des Bodens und des Grundwassers grundsätzlich eine Kombination aus geologischer Barriere und einem Basisabdichtungssystem im Ablagerungsbereich nach Tabelle 1 Nummer 2-4 genügen lässt. Diese Regelung verhält sich ausdrücklich nur zum Schutz des Grundwassers allgemein, nicht aber zu den aufgrund des wasserrechtlichen Besorgnisgrundsatzes und des wasserrechtlichen Verschlechterungsverbots (§ 47 Abs. 1 Nr. 1 WHG i.V.m. Art. 7 Abs. 3 WRRL) in einem Trinkwasserschutzgebiet zu stellenden besonders hohen Anforderungen nach einer Verwirklichung bestmöglichen Schutzes (vgl. Czychowski/Reinhardt, WHG, 13. Aufl. 2023, § 32 Rn. 39; § 48 Rn. 26).
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Insoweit ist entsprechend dem „Maßstab praktischer Vernunft“ auf der Grundlage des Vorsorgeprinzips (vgl. § 36 Abs. 1 Nr. 1 b KrWG) stets die Möglichkeit in Rechnung zu stellen, dass die Grenzwerte der Trinkwasserschutzverordnung infolge verunreinigten Grundwassers überschritten werden und die Brunnen der Klägerin mit fatalen Folgen für die Allgemeinheit – rechtlich – trockenfallen.
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Anders als der Schutz des Bodens und des Grundwassers steht die menschliche Gesundheit (vgl. § 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 KrWG) in Gestalt des Trinkwasserschutzes nicht unter Abwägungsvorbehalt (vgl. Mann, in: Versteyl/Mann/Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019, § 36 Rn. 19). Können Gefahren für den Trinkwasserschutz – trotz entsprechender Schutzvorkehrungen – nicht entsprechend dem Maßstab „praktischer Vernunft“ mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, so liegt deshalb stets eine Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit (§ 36 Abs. 1 Nr. 1 a u. b KrWG) bzw. eine Beeinträchtigung eigener (kommunaler) Rechte im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 4 KrWG vor mit der Folge, dass ein entsprechender Planfeststellungsbeschluss nicht ergehen darf (vgl. Mann, in: Versteyl/Mann/ Schomerus, KrWG, 4. Aufl. 2019, § 36 Rn. 10, 12, 14 u. 19; Fellenberg/Schiller, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2. Aufl. 2022, § 36 Rn. 14, 19, 20 u. 59 f.).
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Das Verwaltungsgericht wird deshalb – sofern sich die aufgezeigten Zweifel und Widersprüche des Planfeststellungsbeschlusses nicht anderweit auflösen lassen – auf der Grundlage der Anforderungen der §§ 36 Abs. 1 Nr. 1 a u. b, Nr. 4, 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 u. 3 KrWG und §§ 32 Abs. 2 und 48 Abs. 2 WHG nach einem bestmöglichen Trinkwasserschutz zu klären haben, ob das Vorhaben gegebenenfalls im Wege einer Ergänzungsplanung (vgl. § 38 Abs. 1 KrWG i.V.m. Art. 75 Abs. 1a Satz 2, 76 BayVwVfG; § 36 Abs. 4 Satz 3 KrWG; siehe auch Fellenberg/Schiller, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2. Aufl. 2022, § 36 Rn. 59 f., 143, 144) – etwa in Gestalt einer zusätzlichen Trag- und Dichtungsschicht aus wasser- und chemikalienundurchlässigem Deponieasphalt (Asphaltbeton) nebst Errichtung einer Vertikaldichtung in Form von Betondichtwänden im regelmäßig besonders sensiblen Seiten- und Böschungsbereich einschließlich entsprechender Sicker- und Oberflächenwasserauffangbecken aus Beton (vgl. hierzu erneut: Technische Anforderungen und Empfehlungen für Deponieabdichtungssysteme des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW, 2015, S. 25 ff. u. 14 ff.). – im Sinne einer vollständigen Abschirmung gegenüber dem grundwassersensiblen Bereich derart ertüchtigt werden kann, dass es unter Geltung des wasserrechtlichen Besorgnisgrundsatzes und Verschlechterungsverbots auch in einem (faktischen) Trinkwasserschutzgebiet (noch) verwirklicht werden kann (§ 36 Abs. 2 Satz 1 KrWG; siehe auch Fellenberg/Schiller, in: Jarass/ Petersen, KrWG, 2. Aufl. 2022, § 36 Rn. 59 f.).
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Angesichts der schlechthin überragenden Bedeutung des Trink- und Grundwasserschutzes für das Allgemeinwohl (vgl. BVerfGE 58, 300 [341, 342 u. 344] – „Nassauskiesung“) treten Gesichtspunkte der Kostenersparnis insoweit denknotwendig zurück. Notfalls hat die Verwirklichung des Vorhabens zu unterbleiben (sog. „Null-Variante“, vgl. hierzu Fellenberg/Schiller, in: Jarass/Petersen, KrWG, 2. Aufl. 2022, § 36 Rn. 85). Auch die Verwaltungsvorschrift des Bayerischen Landesamts für Umwelt – Deponie-Info 11, Stand 02/2021 – sieht in Anlage 3, Tabelle 1 (vgl. dort S. 3 und 8) ausdrücklich vor, dass planreife Trinkwasserschutzgebiete und Trinkwassereinzugsgebiete der hier vorliegenden Art als Standorte für Deponien grundsätzlich ausscheiden. Zu dieser Vorwegbindung des Planungsermessens in Gestalt einer grundsätzlich verbindlichen Abwägungsdirektive verhält sich der Planfeststellungsbeschluss nicht.
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In Anbetracht der wohl nur im Zusammenwirken aller Verfahrensbeteiligten auflösbaren Konfliktlage empfiehlt der Senat die Durchführung eines Mediationsverfahrens.