Inhalt

OLG München, Beschluss v. 03.04.2024 – 25 U 2275/23 e
Titel:

Berechnung der Prämie für die vorläufige Deckung

Normenkette:
VVG § 49 Abs. 2, § 50
Leitsätze:
1. Gibt der Versicherer die von ihm der Prämienberechnung für die vorläufige Deckung zugrunde gelegten gefahrerheblichen Umstände an, muss der Versicherungsnehmer im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vortragen, welche er nicht oder welche anderen er für gegeben erachtet. (Rn. 5 – 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Fehlen bei Gewährung vorläufiger Deckung in einem Antrag Angaben zu gefahrerheblichen Umständen, sind nicht die dem Versicherungsnehmer günstigsten Tarifierungsmerkmale zugrunde zu legen. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
vorläufige Deckung, Prämie, fehlende Angaben, gefahrerhebliche Umstände, sekundäre Darlegungslast
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 07.11.2023 – 25 U 2275/23 e
LG München I, Urteil vom 18.04.2023 – 23 O 12576/22
Fundstelle:
BeckRS 2024, 6335

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 18.04.2023, Aktenzeichen 23 O 12576/22, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.165,96 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der klagende Versicherer verlangt von dem Beklagten die Zahlung von Prämien für den vorläufigen Deckungsschutz in der Kraftfahrtversicherung. Das Landgericht hat den Vollstreckungsbescheid aufrechterhalten, soweit der Beklagte zur Zahlung von 5.165,96 € nebst Zinsen verpflichtet worden ist. Mit der Berufung erstrebt der Beklagte die Aufhebung des Vollstreckungsbescheids und die Abweisung der Klage.
II.
2
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 18.04.2023, Aktenzeichen 23 O 12576/22, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
3
1. Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 7. November 2023 (Bl. 37/40 d. A. OLG) Bezug genommen. Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 22. März 2024 (Bl. 57/66 d. A. OLG) geben zu einer Änderung keinen Anlass.
4
a) Entgegen der Ansicht der Gegenerklärung (S. 2-4) hat die Klägerin zu den gefahrerheblichen Umständen entscheidungserhebliche Tatsachen behauptet, die der Beklagte nicht zulässig bestritten hat.
5
Wie im Hinweis (S. 3 unter 1.b) dargestellt richtet sich die Prämie bedingungsgemäß nach den gefahrerheblichen Umständen, die der Versicherer nach finanz- und versicherungsmathematischen Methoden kalkuliert und miteinander verknüpft, und hat die Klägerin die gefahrerheblichen Umstände vorgetragen, die ihrer Prämienberechnung zugrunde liegen. Diese hat der Beklagte nicht wirksam bestritten, weil er seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist. Er hat vorprozessual und im Verlauf des Rechtsstreits lediglich wiederholt angekündigt, er sei bereit, die gefahrerheblichen Umstände mitzuteilen (vgl. auch Gegenerklärung, S. 3 ff); dies hat er jedoch zu keinem Zeitpunkt getan.
6
In welchem Umfang im Rahmen der sekundären Darlegungslast Angaben zu gefahrerheblichen Umständen zu machen sind, ergibt sich aus dem zu bestreitenden gegnerischen Vortrag, das heißt hier aus der Aufzählung der zugrunde gelegten gefahrerheblichen Umstände auf Seite 2 des Versicherungsscheins (Anlage K 3), wie auf Seite 2 des Schriftsatzes der Klägerin vom 10. Februar 2023 (Bl. 31 d. A. LG) in Bezug genommen und zitiert. Die dort genannten Umstände sind schon deshalb entscheidungserheblich, weil es sich sämtlich um solche Umstände handelt, die Anhang 2 Nr. 1.2 der Versicherungsbedingungen (Anlagen K 9, B 6) beispielhaft als gefahrerhebliche Umstände festlegt.
7
Hinweise des Landgerichts waren nicht mit dem vom Beklagten vermissten Inhalt (vgl. Gegenerklärung, S. 6 f unter C.III) geboten. Wie sich aus den vorstehenden Ausführungen und dem Hinweis des Senats ergibt, musste der Beklagte einer sekundären Darlegungslast genügen. Es kommt nicht darauf an, dass hierauf das Landgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – nicht hingewiesen hat. Der vom Senat zutreffend belehrte Beklagte hat auch in der Gegenerklärung nicht dargelegt, welche konkreten Tatsachen er vorgetragen hätte, wenn das Landgericht den vermissten Hinweis erteilt hätte.
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Unverständlich ist, dass der Beklagte mehrfach bei der Klägerin nachgefragt haben will, ob „alle Merkmale berücksichtigt wurden, welche für eine Berechnung der ordnungsgemäßen Prämie erforderlich wären“ (vgl. Gegenerklärung, S. 8 f). Wie ausgeführt hat der Beklagte es gerade unterlassen, der Klägerin die für eine Berechnung erforderlichen Umstände mitzuteilen.
9
b) Der Beklagte bestreitet die Richtigkeit der Prämienberechnung als nicht nachvollziehbar (vgl. Gegenerklärung, S. 5 f unter C.II). Hierzu hat die Klägerin im Schriftsatz vom 10. Februar 2023 (Bl. 30/35 d. A. LG) näher vorgetragen und hierbei auch ausgeführt, dass es ihr Geschäftsgeheimnis ist, welchen Grundbeitrag sie zugrunde legt und wie sie die einzelnen Tarifmerkmale in den Erhöhungsfaktoren berücksichtigt; ihre Tarife seien aufsichtsrechtlich unbeanstandet (aaO S. 4). Diesen Hintergrund greift auch die Gegenerklärung letztlich nicht an. Prozessual ist deshalb davon auszugehen, dass die Berechnung des Jahresbeitrags der Typklasse 21, Regionalklasse R11, Klasse „0“ mit 105% ohne Rabattierungsmerkmale in Höhe von 16.237,38 € (aaO S. 2) der Regelung in Anhang 2 Nr. 1.1 der Versicherungsbedingungen entspricht.
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c) In der von der Gegenerklärung (S. 7 unter C.IV) angeführten Kommentarstelle (MünchKomm-VVG/Rixecker, 3. Aufl., § 50 Rn. 5) heißt es: „Klauseln, die vorsehen, dass bei Fehlen von Angaben des Versicherungsnehmers zu gefahrerheblichen oder tarifrelevanten Umständen die dem Versicherungsnehmer ungünstigsten der Preisberechnung zugrunde zu legen sind, setzen einen Antrag des Versicherungsnehmers und sein Schweigen oder sein Schweigen auf erfragte Tarifmerkmale voraus. Fehlen solche Angaben daher vollständig, sind die dem Versicherungsnehmer günstigsten Tarifmerkmale Grundlage der Preisbemessung.“ Der erste Satz steht im Einklang mit der Auffassung des Senats (vgl. Hinweis, S. 3 unter 1.a.bb). Für den zweiten Satz bezieht sich die Kommentierung auf auch im Hinweis des Senats (aaO) angeführte Nachweise aus der Rechtsprechung (vgl. LG Düsseldorf, zfs 2017, 637; AG Potsdam [nicht: LG], Urteil vom 16. Mai 2019 – 24 C 514/18, juris), denen der Senat die im Hinweis dargestellten Rechtssätze entnimmt. Für den Streitfall nicht folgen kann der Senat der Aussage, dass bei Fehlen von Angaben zu gefahrerheblichen oder tarifrelevanten Umständen die dem Versicherungsnehmer günstigsten Tarifmerkmale Grundlage der Preisbemessung wären. Wie im Hinweis dargestellt „fehlen“ hier keine Angaben – im Antrag – und richtet sich die Prämienbemessung damit nach Anhang 2 Nr. 1.1 der Versicherungsbedingungen.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 Satz 2, § 713 in Verbindung mit § 544 Abs. 2 ZPO.
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Die Festsetzung des Berufungsstreitwerts beruht auf §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO.