Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 19.03.2024 – Au 8 S 24.238
Titel:

Erfolgloser einstweiliger Rechtsschutz: Schließungsanordnung für einen Mischbetrieb wegen Verstoßes gegen die Ladenschlusszeiten

Normenketten:
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1
LadSchlG § 1, § 3 S. 1, § 24 Abs. 1 Nr. 2 lit. a
GastG § 1, § 2 Abs. 2, § 7 Abs. 2
Leitsätze:
1. Nach § 1 Abs. 1 GastG liegt der Betrieb einer Schank- bzw. Speisewirtschaft vor, wenn im stehenden Gewerbe Getränke bzw. zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden und der Betrieb jedermann oder bestimmten Personenkreisen zugänglich ist. Hierbei fordert der Verzehr an Ort und Stelle einen engen räumlichen Zusammenhang mit der Abgabe sowie einen alsbaldigen Verzehr, wobei auf die typischen Verkehrsgewohnheiten und -anschauungen abzustellen ist. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sind besondere Einrichtungen für den alsbaldigen Verzehr an Ort und Stelle vorhanden (zB Abstell- oder Sitzgelegenheiten), liegt stets ein Ausschank vor; auch Vorrichtungen zum Öffnen von Flaschen oder das Bereitstellen von Bechern sprechen für das Vorliegen eines Ausschanks. Fehlen solche Einrichtungen, kommt es darauf an, ob der Ort mit Wissen und Duldung des Gewerbetreibenden tatsächlich als Verzehrort benutzt wird. Der räumliche Zusammenhang ist nicht mehr gewahrt, wenn mit dem Verzehr an Ort und Stelle begonnen wird, der Verzehr aber hauptsächlich im Weitergehen stattfindet. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Gaststättenbetriebe unterliegen lediglich der allgemeinen Sperrzeit gem § 18 GastG iVm § 7 Abs. 1 BayGastV, wonach diese für die Zeit zwischen fünf und sechs Uhr gelte. Ein Gaststättenbetrieb unterliegt jedoch lediglich dann der allgemeinen Sperrzeit und nicht den allgemeinen Ladenöffnungszeiten, sofern der Inhaber diese ernstlich betreiben will und die Gaststätte nicht lediglich anmeldet, um Warenhandel auch nach Ladenschluss zu betreiben. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mischbetrieb, Internetcafé, Ladenschluss, Ernstlichkeit des Willens zum Betrieb einer Gaststätte, Schank- und Speisewirt, Gaststättenbereich
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 07.05.2024 – 22 CS 24.586
Fundstelle:
BeckRS 2024, 6315

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen einen Bescheid, mit welchem er verpflichtet wird, den Betrieb seines Ladengeschäfts werktags von 20 Uhr bis 6 Uhr des Folgetages sowie an Sonn- und Feiertagen ganztätig einzustellen.
2
Der Antragsteller betreibt einen „T. & I. Café“ in der A.straße im Stadtgebiet der Antragsgegnerin. Im Jahre 2020 wurde gegen den vormaligen Betreiber durch die Antragsgegnerin ein Ordnungs-Bußgeldverfahren betrieben, welches im Jahr 2021 eingestellt worden war. Zu Gunsten des vorherigen Inhabers wurde davon ausgegangen, dass dieser ernstlich bemüht sei, in seinen Räumen zusätzlich zum Betrieb des Internetcafés eine erlaubnisfreie Schank- bzw. Speisewirtschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 GastG zu betreiben.
3
Ausweislich der Gewerbeanmeldung des Antragstellers vom 22. November 2022 liegt der Schwerpunkt im Betrieb eines Internetcafés, eines erlaubnisfreien Gaststättenbetriebs (Verkauf von Brötchen, Snacks, Speisen, Flaschenbier zum Mitnehmen, alkoholfreien Getränken, Tabak- und Süßwaren) ohne Ausschank von alkoholischen Getränken (61.90.1). Dem Gaststätten- und Internetbetrieb untergeordnet wird zudem ein „Einzelhandel mit Lebensmittel, Getränke, Zigaretten, Tabak, Elektroartikeln (während den Ladenöffnungszeiten)“ betrieben (47.29.0). Am 12. Dezember 2022 meldete der Antragsteller die Tätigkeit „Geldtransfer W. U.“ ab.
4
Am 31. Juli 2023 erhielt die Antragsgegnerin eine Mitteilung, wonach der Antragsteller sehr lange Öffnungszeiten habe. Beigefügt war ein Screenshot der Öffnungszeiten des Betriebes, wonach dieser von Montag bis Samstag von 9 Uhr bis 22 Uhr sowie sonntags von 10 Uhr bis 22 Uhr geöffnet sei. Aufgrund dessen wurden im Folgenden regelmäßige Kontrollen durch die Antragsgegnerin durchgeführt. Die Antragsgegnerin stellte dabei fest, dass sich am Freitag, den 1. September 2023, um 21:36 Uhr noch zwei Personen im Verkaufsraum befanden. Am Mittwoch, den 6. September 2023, wurden zwischen 21:15 Uhr und 21:21 Uhr 19 Verkäufe festgestellt. Am 14. September 2023 besuchte die Gewerbeüberwachung des Ordnungsamtes den Betrieb. Bei diesem Termin erklärte ein Mitarbeiter des Antragstellers die einzelnen Geschäftszweige. Am Dienstag, den 17. Oktober 2023, stellte die Antragsgegnerin die Öffnung der Verkaufsstelle des Antragstellers um 20:30 Uhr fest sowie bis 20:41 Uhr acht Verkäufe.
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Mit Schreiben vom 18. Oktober 2023 wurde der Antragsteller zu den beabsichtigten Anordnungen angehört.
6
Weitere zwischenzeitliche Sachverhaltsermittlungen der Antragsgegnerin ergaben, dass sowohl am 18. Oktober 2023 zwischen 20:40 Uhr und 20:44 Uhr zwei Verkäufe als auch am Donnerstag, den 19. Oktober 2023, zwischen 21:25 Uhr 21:35 Uhr vier Verkäufe im Betrieb des Antragstellers stattgefunden haben. Am Samstag, dem 21. Oktober 2023, war laut Antragsgegnerin die Verkaufsstelle geöffnet sowie Kunden anwesend.
7
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2023 nahm der Bevollmächtigte des Antragstellers zum Anhörungsschreiben Stellung. Es bestehe Bereitschaft bauliche oder inhaltliche Änderungen vorzunehmen, sofern dies für erforderlich gehalten werde. Zudem werde ein Bauantrag eingereicht werden.
8
Am Samstag, den 11. November 2023, wurden durch die Antragsgegnerin zwischen 20:40 Uhr und 20:45 Uhr zwei Verkäufe festgestellt. Am Sonntag, den 3. Dezember 2023, war um 18:55 Uhr ein beleuchteter Innenraum vorhanden und eine LED-Beleuchtung „geöffnet“ angeschaltet, wobei sich eine Person hinter dem Verkaufstresen befand.
9
Am 7. Dezember 2023 wurde der Betrieb des Antragstellers erneut besichtigt. Hierbei stellte die Antragsgegnerin fest, dass der bislang aus ihrer Sicht nicht betriebsbereite Kaffeeautomat durch einen Neuen ersetzt worden war, welcher wiederrum nicht betriebsbereit sowie mit Waren zugestellt gewesen sei.
10
Mit Bescheid vom 27. Dezember 2023, dem Antragsteller am 3. Januar 2024 zugestellt, erließ die Antragsgegnerin – unter Anordnung der sofortigen Vollziehung (Ziffer 3), Androhung von Zwangsgeldern jeweils in Höhe von 1.000,00 EUR (Ziffer 4 und 5) sowie Auferlegung der Verfahrenskosten (Ziffer 6) – folgende Anordnungen: Der Betrieb des Ladengeschäfts (…) in der Straße (…) ist ab dem Tag nach Bekanntgabe dieses Bescheids werktags von 20:00 bis 06:00 Uhr des Folgetages, an Sonn- und Feiertagen ganztägig sowie am 24. Dezember, wenn dieser Tag auf einen Werktag fällt, ab 14:00 Uhr einzustellen (Ziffer 1). Der Aufenthalt von Kunden ist ab dem Tag nach Bekanntgabe dieses Bescheids werktags ab 20:05 bis 06:00 Uhr des Folgetages untersagt. An Sonn- und Feiertagen ist der Aufenthalt von Kunden ganztägig untersagt, sowie am 24. Dezember eines jeden Jahres, wenn dieser Tag auf einen Werktag fällt ab 14:05 Uhr (Ziffer 2).
11
Die Anordnungsgrundlage ergebe sich aus Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG. Der Betrieb stelle eine Mischform dar in Form einer Verkaufsstelle als Einzelhandelsbetrieb sowie einem Dienstleistungsbetrieb. In räumlicher wie auch finanzieller Hinsicht liege der Schwerpunkt auf der Verkaufsstelle mit gemischtem Warensortiment, wohingegen der Dienstleistungsbetrieb einen untergeordneten Teil einnehme. Aus diesem Grund seien die allgemeinen Ladenschlusszeiten anzuwenden. Der Betroffene sei zudem kein Schank- oder Speisewirt, weshalb die Möglichkeit eines sogenannten Gassenausschanks nach § 7 Abs. 2 GastG nicht greifen würde. Vielmehr seien Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Betreiber den Getränkeausschank nicht ernsthaft betreiben wolle, sondern lediglich sich hierdurch die Möglichkeit schaffe, auch nach Ladenschluss Warenhandel zu betreiben. Aufgrund der vorgenommenen Kontrollen seit September 2023 sowie einem persönlichen Gespräch mit dem Betroffenen könne festgestellt werden, dass der Betroffene keinen Gaststättenbetrieb im Sinne des § 2 Abs. 1 GastG betreibe. Es sei ein diesbezüglicher ernstlicher Wille auch nicht erkennbar. Im Rahmen der insgesamt zehn Kontrollen in einem Zeitraum von Oktober bis Dezember 2023 sei kein einziges Mal ein Verzehr von Waren im Betrieb festgestellt worden. Nur ein einziges Mal sei eine am Stehtisch sitzende Person festgestellt worden – jedoch ohne, dass diese etwas trank oder verzehrte. Auch von außen betrachtet erwecke der Betrieb nicht den Eindruck eines Gaststättenbetriebes. Von vier in der Verkaufsstelle bereitgehaltenen Sitzen sei lediglich einer nutzbar. Die Schaufenster würden lediglich plakativ Dienstleistungsangebote bewerben. Der Nebenraum zur Internetnutzung wie auch als Lager für Getränke sowie Putzutensilien lade nicht zum Verbleib ein. Die zum Verkauf angebotenen Getränke seien aufgrund ihrer Darreichungsform typischerweise dazu geeignet, diese im Weitergehen zu verzehren. Die im Ladengeschäft zum Verkauf angebotenen Heißgetränke für einen Verzehr an Ort und Stelle seien nicht dazu geeignet, zum maßgeblichen Umsatz beizutragen. Die vorhandenen Computerarbeitsplätze, mit Trennwänden, Tastatur und Bildschirm bestückt, würden nicht den Eindruck erwecken, dass ein Verzehr in diesen Räumen möglich bzw. gewünscht sei. Die Sitzplatzsituation hinter der Eingangstür sei beengt und führe nicht zu einer gesteigerten Aufenthaltsqualität, welche zur Umsatzsteigerung eines Gaststättenbetriebes interessant wäre. Vielmehr sei der Stehtisch mit Stühlen erst nach dem Aufklärungsgespräch im September 2023 aufgestellt worden. Nachträglich wurden auch die Computerarbeitsplätze von drei auf sechs erhöht. Die Änderung in eine klassische Gaststätte habe der Betroffene bereits im September 2023 angekündigt, bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides habe die Antragsgegnerin die betreffenden Unterlagen nicht erhalten. Aus Sicht der Antragsgegnerin habe der Betroffene hieran auch kein Interesse. Es bestehe daher die konkrete Gefahr, dass der Betroffene auch in Zukunft eine Ordnungswidrigkeit nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a i.V.m. § 3 Satz 1 LadSchlG verwirklichen werde. Der Betroffene sei Inhaber eines Ladengeschäftes im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 LadSchlG, Ausnahmetatbestände über die allgemeinen Ladenschlusszeiten hinaus seien nicht ersichtlich. Die Anordnung des Sofortvollzugs stütze sich auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 VwGO. Ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehung würde eine Klage dazu führen, dass der Antragsteller die Verpflichtungen bis zu einer gerichtlichen Entscheidung nicht befolgen müsste. Dies würde zu weiteren Verstößen gegen das Ladenschlussgesetz führen. Dies stelle einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil gegenüber ordnungsgemäßen Gewerbetreibenden dar. Es sei gegen eine weitere negative Vorbildwirkung entgegenzuwirken. Die Verpflichtungen könnten mit verhältnismäßigen Aufwand umgesetzt werden. Die Zwangsgeldandrohung stütze sich auf Art. 18, 19, 20, 29, 30, 31 und 36 VwZVG. Die Zwangsgelder seien verhältnismäßig. Die Frist sei zudem angemessen und zumutbar. Es sei für den Antragsteller im Rahmen des Möglichen, ohne größere Aufwendungen ab dem Tag nach der Bekanntgabe des Bescheides den Betrieb ab 20 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen einzustellen.
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Die Antragsgegnerin stellte fest, dass am 1. Januar 2024 (Feiertag) um 19 Uhr, am 6. Januar 2024 (Feiertag) zwischen 14:28 Uhr und 14:38 Uhr sowie am Sonntag, den 14. Januar 2024, der Betrieb des Antragstellers geöffnet sowie Kunden anwesend waren.
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Am 15. Januar 2024 ließ der Antragsteller gegen den Bescheid vom 27. Dezember 2023 Klage erheben (Au 8 K 24.113), über die noch nicht entschieden ist.
14
Mit Schreiben vom 2. Februar 2024 ließ der Antragsteller einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen.
15
Der Antragsteller trägt im Wesentlichen vor, dass das Internetcafé seit ca. 20 Jahren so betrieben werde. Der Antragsteller habe den Betrieb übernommen und in gleicher Art und Weise fortgeführt. Es handle sich um ein Café mit untergeordnetem Warenangebot. Er habe aufgrund der Einstellungsverfügung weiter in das Internetcafé investiert. Es werde 40 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet in der Zeitspanne, die nunmehr untersagt worden sei. Er sei hierdurch in seiner Existenz bedroht. Die Sofortvollzugsanordnung entspreche nicht den formellen Anforderungen einer ausreichenden Begründung. Sie sei lediglich formelhaft erfolgt. Der Antragsteller habe aufgrund der Untätigkeit der Antragsgegnerin darauf vertrauen dürfen, dass sie weiterhin von einem Vollzug absehen werde. Zudem sei der Schutz wichtiger Gemeinschaftsgüter nicht gegeben. Eine Gefährdung für die Gesundheit bzw. Sicherheit der Kunden bestehe nicht. Der Sofortvollzug sei ohne Fristsetzung erfolgt und sei aufgrund des faktischen Berufsverbotes für den Antragsteller mit irreparablen Folgen für seine berufliche Existenz verbunden. Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb sei bei der Abwägung zu berücksichtigen. Zudem sei in Unkenntnis zunächst das Ladengeschäft nach Erlass des Bescheids geöffnet worden, weshalb ein Zwangsgeld gegen den Antragsteller erlassen worden sei. Es werde versichert, dass mit der Schließung des Ladengeschäftes ein Umsatzrückgang in Höhe von 50 Prozent einhergehe, weshalb die wirtschaftliche Existenz des Ladens bedroht sei. Die drei Mitarbeiter könnten unter Berücksichtigung der Einschränkungen nicht mehr beschäftigt werden.
16
Mit weiterem Schreiben führte der Antragsteller aus, dass es nicht auf die subjektiven Vorstellungen, ob es sich um ein Café handle, ankomme. Der Charakter des Internetcafés habe sich in den letzten Jahrzehnten nicht geändert. Dies sei den Behörden bekannt gewesen. Der Vorbesitzer habe bereits 2021 eine Erweiterung der Gewerbeerlaubnis beantragt. Der Bereich um die Internetarbeitsplätze werde nicht als Lagerraum verwendet, vielmehr sei ein eigener Lagerraum vorhanden. Das Ordnungsamt sei im vorangegangen Verfahren zu dem Ergebnis gekommen, dass gerade keine Ordnungswidrigkeit – kein Verstoß gegen das LadSchlG – vorliege. Es sei zudem unzutreffend, dass die Schließung keinerlei Vorplanung bedürfe, da der Antragsteller Mitarbeiter beschäftige. Zudem sei ein neuer Bauantrag eingereicht worden. Der seitens der Antragsgegnerin vorgetragene Sachverhalt sei unvollständig bzw. falsch. Des Weiteren habe keine Abwägung zwischen den Belangen stattgefunden. Ein Eingriff in Grundrechte sei lediglich möglich, sofern ein erhöhtes öffentliches Interesse bestehe. Zwar werde dies im Sicherheitsrecht angenommen, jedoch nicht bei der Frage eines erweiterten Warenangebotes. Ohne Begründung sei darauf verwiesen worden, dass kein milderes Mittel ersichtlich sei, wie beispielsweise eine Auslauffrist. Der Sofortvollzug sei insbesondere auch im Hinblick auf die Zustellung an den Bevollmächtigten unverhältnismäßig. Ein milderes Mittel wäre zudem ein Abwarten der Verbescheidung des Bauantrages gewesen. Zudem liege ein Ermessensausfall vor, da der Antragsgegnerin der Eingriffscharakter des Bescheides nicht bewusst gewesen sei.
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Mit weiterem Schreiben vom 19. März 2024 teilte der Antragsteller mit, dass im Hinblick auf seinen Bauantrag lediglich noch vervollständigte Unterlagen eingereicht werden müssten, weitere Bedenken seitens der Behörde seien nicht geäußert worden. Überdies werde eine Übersicht der bisherigen Tätigkeit im Bauverfahren übersandt, aus welcher ersichtlich sei, dass bereits am 2. November 2023 mit dem Bebauungsplanverfahren begonnen worden sei. Darüber hinaus sei das Bauordnungsamt der Ansicht, dass es keiner Nutzungsänderung bedürfe, da bereits eine Gaststättennutzung genehmigt worden sei. Die derzeitige Nutzung entspreche daher der bauordnungsrechtlichen Regelung. Derzeit gehe daher das Ordnungsamt auch nicht von einer erforderlichen Erweiterung und Änderung aus. Zudem werde darauf hingewiesen, dass die derzeitigen Architekten bereits im Jahr 2020 beauftragt worden seien, dies jedoch dann zurückgestellt worden sei, da seitens des Bauordnungsamts eine Nutzungsänderung nicht für notwendig erachtet worden sei. Er werde nochmals darauf hingewiesen, dass der Sofortvollzug als ermessensfehlerhaft betrachtet werde, da die Antragsgegnerin bislang keine Dringlichkeit habe erkennen lassen. Der behauptete Verstoß gegen das Ladenschlussgesetz sei nicht ausreichend, um wesentliche Belange im Rahmen der Anordnung des Sofortvollzugs zu rechtfertigen. Hierdurch würde der Ausnahmefall des Sofortvollzugs zur Regel werden.
18
Auf die Antragsbegründungen wird im Einzelnen Bezug genommen.
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Der Antragsteller beantragt,
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die Vollziehung des Bescheides vom 27. Dezember 2023, zugestellt am 3. Januar 2024, Az. ... auszusetzen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
23
Es werde auf die Feststellung im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen. Zudem überwiege das öffentliche Interesse am Sofortvollzug. Bei dem Ladengeschäft des Antragstellers handle es sich um eine Verkaufsstelle nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 LadSchlG. Der Charakter entspreche überwiegend einem Kiosk. Es handle sich nicht um ein Café im gaststättenrechtlichen Sinne. Es sei vielmehr ein Ladengeschäft mit nachrangiger Nutzungsmöglichkeit von „Internet-Arbeitsplätzen“. Die Einstellung des Bußgeldverfahrens habe eine andere Person betroffen und sei lediglich eine vorläufige Einschätzung gewesen. Die Art des Gewerbebetriebes zeige sich in der tatsächlichen Ausübung des Betriebes. Für den Betrieb sei der Verkaufsraum prägend. Es bestehe kein Angebot von Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle. Auch der Verzehr von Getränken vor Ort werde nicht ernsthaft betrieben. Dies zeige auch das äußere Erscheinungsbildes des Betriebes. Die Anordnungen seien ermessensgerecht ergangen sowie verhältnismäßig. Die Bereitschaft des Antragstellers im Hinblick auf bauliche Änderungen könne erst nach tatsächlicher Durchführung zu einer anderen Bewertung führen. Der Eingriff in die Berufsfreiheit des Antragstellers bestehe bereits durch das LadSchlG und nicht erst durch den Bescheid. Zudem werde darauf hingewiesen, dass für die Erfüllung eine Frist im Sinne von Art. 36 Abs. 1 VwZVG gesetzt worden sei.
24
Auf die Antragserwiderung wird im Einzelnen Bezug genommen.
25
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch im Verfahren Au 8 K 24.113, und der beigezogenen Behördenakte verwiesen.
II.
26
Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.
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1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist zulässig, insbesondere statthaft.
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2. Der Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
29
a) In Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO niedergelegten Kriterien zu treffen. Es hat zu prüfen, ob das Vollzugsinteresse so gewichtig ist, dass der Verwaltungsakt sofort vollzogen werden darf, oder ob das gegenläufige Interesse des Antragstellers an einer Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt. Wesentliches Element im Rahmen der insoweit gebotenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, welche dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Erweist sich der Rechtsbehelf als offensichtlich Erfolg versprechend, so wird das Interesse des Antragstellers an einer Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage stärker zu gewichten sein, als das gegenläufige Interesse der Antragsgegnerin. Umgekehrt wird eine Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage grundsätzlich nicht in Frage kommen, wenn sich der Rechtsbehelf als offensichtlich aussichtslos darstellt. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nicht eindeutig zu beurteilen, sondern lediglich tendenziell abschätzbar, so darf dies bei der Gewichtung der widerstreitenden Interessen – dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers einerseits und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin andererseits – nicht außer Acht gelassen werden. Lassen sich nach summarischer Überprüfung noch keine Aussagen über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs machen, ist also der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BVerwG, B.v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 u.a. – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 65 ff.; Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 136 ff.).
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b) Soweit die Behörde die sofortige Vollziehung des Bescheids ausdrücklich gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, d.h. die aufschiebende Wirkung der Klage nicht bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob sich bereits die Anordnung der sofortigen Vollziehung als formell rechtswidrig erweist, insbesondere ob sich die behördliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung als im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO als nicht ausreichend erweist. Ist dies der Fall, hat das Gericht ohne weitere Sachprüfung die Vollziehungsanordnung aufzuheben (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 98).
31
An die Begründung im Sinne der Regelung des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO sind keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht jede schriftliche Begründung, welche zu erkennen gibt, dass die anordnende Behörde eine Anordnung des Sofortvollzugs im konkreten Fall für geboten erachtet. Die Begründung muss kenntlich machen, dass sich die Behörde bewusst ist, von einem rechtlichen Ausnahmefall Gebrauch zu machen. Es müssen die besonderen, auf den konkreten Fall bezogenen Gründe angegeben werden, welche die Behörde dazu bewogen haben, den Suspensiveffekt aus § 80 Abs. 1 VwGO auszuschließen. Bei immer wiederkehrenden Sachverhaltsgestaltungen kann sich die Behörde darauf beschränken, die insoweit typische Interessenlage zur Rechtfertigung der Anordnung aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass nach ihrer Auffassung diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt. Auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung kommt es für die Frage ihrer formellen Rechtmäßigkeit nicht an (vgl. W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 80 Rn. 84 ff.; Hoppe in Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 54 ff.).
32
Die vorliegend von der Antragsgegnerin angeführte Begründung genügt entgegen der Auffassung des Antragstellers den Anforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde vorliegend mit der Notwendigkeit der Einhaltung der Ladenschlusszeiten sowie einen hierdurch folgenden ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil für die seitens des Antragstellers betriebene Verkaufsstelle begründet. Zudem trug die Antragsgegnerin vor, dass ein sofortiges Einschreiten auch aufgrund einer hierdurch erzeugten negativen Vorbildwirkung notwendig gewesen sei. Diese (knappe) Begründung genügt den Anforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, weil insoweit hinreichend konkret auf den Einzelfall bezogen darlegt ist, weshalb durch die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehbarkeit der Anordnungen erfolgt ist, insbesondere weshalb aus Sicht der Antragsgegnerin nicht der gesetzliche Regelfall eingreifen sollte. Ob diese, nicht bloß formelhafte, Begründung den damit einhergehenden Zweck trägt, ist eine Frage der Begründetheit der Anfechtungsklage und nicht der formellen Anforderungen an die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung.
33
c) Die gebotene, aber auch ausreichende summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass die Anordnungen zur Einhaltung der Ladenschlusszeiten für den gesamten Betrieb des Antragstellers aller Voraussicht nach keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken begegnen. Die Anordnungen sind voraussichtlich rechtmäßig und verletzen den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
34
Entgegen der Ansicht des Antragstellers erfolgte eine Anhörung im Sinne von Art. 28 BayVwVfG ordnungsgemäß. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2023 wurde der Antragsteller zu den beabsichtigten Anordnungen angehört. Zwar teilte der Antragsteller in seiner Stellungnahme mit, dass Bereitschaft hinsichtlich Änderungen bestünde, ausreichende Änderungen wurden jedoch nicht vorgenommen. Überdies erhielt die Antragsgegnerin erst im Januar – nach Bescheiderlass – von der Kontaktaufnahme des Architekturbüros mit dem Bauordnungsamt Kenntnis. Nach Anhörungsschreiben sowie erfolgter Stellungnahme durfte die Antragsgegnerin den Bescheid erlassen. Eine seitens des Antragstellers vorgetragene „Untätigkeit“ der Behörde ist insbesondere auch aufgrund der regelmäßigen Besuche durch die Antragsgegnerin beim Antragsteller, von welchen dieser zum Teil Kenntnis erhielt, nicht ersichtlich (Bl. 49-50, 75 der Behördenakte).
35
Gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG können die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, oder verfassungsfeindliche Handlungen zu verhüten oder zu unterbinden. Als maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage wird im Falle eines Dauerverwaltungsaktes, wie vorliegend, auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der gerichtlichen Entscheidung abgestellt (Decker in BeckOK VwGO, 68. Edition Stand Januar 2024, § 113 Rn. 22).
36
Diese Voraussetzungen liegen vorliegend vor. Es besteht nach der dem Gericht im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung die Gefahr, dass der Antragsteller mit seinem Betrieb auch zukünftig eine Ordnungswidrigkeit aufgrund von Verstößen gegen das Ladenschlussgesetz begehen wird, § 24 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 3 LadSchlG. Nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a LadSchlG handelt der Inhaber einer Verkaufsstelle ordnungswidrig, wer den Regelungen über die allgemeinen Ladenschlusszeiten im Sinne von § 3 LadSchlG zuwiderhandelt. Gemäß § 3 LadSchlG müssen Verkaufsstellen an Sonn- und Feiertagen, montags bis samstags bis 6 Uhr und ab 20 Uhr sowie am 24. Dezember im Falle eines Werktages bis 6 Uhr und ab 14 Uhr für den geschäftlichen Verkehr mit Kunden geschlossen sein.
37
Bei dem Antragsteller handelt es sich um den Inhaber eines Ladengeschäftes im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 LadSchlG, da er Waren zum Verkauf an jedermann feilhält (zur Definition eines Ladengeschäftes: Neumann in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Stand März 2023, § 1 LadSchlG Rn. 4). Etwaige Ausnahmetatbestände im Sinne von §§ 4 ff. LadSchlG sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Im Ladengeschäft des Antragstellers bietet dieser unter anderem Lebensmittel, Getränke, Zigaretten sowie Tabakartikel an. Nach den Feststellungen der Antragsgegnerin hat der Antragsteller wiederholt gegen die allgemeinen Ladenschlussgesetzregelungen verstoßen, indem in dessen Ladengeschäft auch nach den dortigen Öffnungszeiten Waren feilgeboten worden waren (vgl. die Übersicht der Antragsgegnerin hierzu Bl. 49 f. der Behördenakte).
38
Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus dem Charakter des Ladengeschäftes in Form eines Mischbetriebes. Im Rahmen der Gewerbeanmeldung gab der Antragsteller an, dass der Schwerpunkt des Betriebes im Führen eines Internetcafés liegen würde. Zwar dürfte das Internetcafé an sich nicht unter die allgemeinen Ladenschlusszeiten fallen, da es sich hierbei – aufgrund des Dienstleistungscharakters – um keine Verkaufsstelle im Sinne von § 1 LadSchlG handelt. Nach der dem Gericht im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung, kann im Betrieb des Internetcafés entgegen der Gewerbeanmeldung indes kein Hauptbetrieb gesehen werden. Vielmehr dürfte es sich vorliegend um einen Mischbetrieb handeln, bei welchem davon ausgegangen werden muss, dass der Schwerpunkt voraussichtlich vielmehr beim Ladengeschäft liegen dürfte. Um Wiederholungen zu vermeiden, kann hierzu auf die ausführlichen Feststellungen der Antragsgegnerin im Bescheid verwiesen werden, wonach die aufgrund der angegebenen Preise im Internetcafé den Betrieb in Form von Gehältern sowie Miete nicht tragen dürften. Dem steht nach derzeitigen Stand auch nicht entgegen, dass der Antragsteller im Rahmen des Internetcafés unter anderem die Abgabe von alkoholfreien Getränken im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 3 GastG in Form eines erlaubnisfreien Gaststättenbetriebs angemeldet hat. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geht die Kammer nicht davon aus, dass der Antragsteller einen erlaubnisfreien Gaststättenbetrieb ernstlich betreiben will.
39
Nach § 1 Abs. 1 GastG liegt der Betrieb einer Schank- bzw. Speisewirtschaft vor, wenn im stehenden Gewerbe Getränke bzw. zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden und der Betrieb jedermann oder bestimmten Personenkreisen zugänglich ist. Hierbei fordert der Verzehr an Ort und Stelle einen engen räumlichen Zusammenhang mit der Abgabe sowie einen alsbaldigen Verzehr, wobei auf die typischen Verkehrsgewohnheiten und -anschauungen abzustellen ist. Sind besondere Einrichtungen für den alsbaldigen Verzehr an Ort und Stelle vorhanden (z.B. Abstell- oder Sitzgelegenheiten), liegt stets ein Ausschank vor; auch Vorrichtungen zum Öffnen von Flaschen oder das Bereitstellen von Bechern sprechen für das Vorliegen eines Ausschanks. Fehlen solche Einrichtungen, kommt es darauf an, ob der Ort mit Wissen und Duldung des Gewerbetreibenden tatsächlich als Verzehrort benutzt wird. Der räumliche Zusammenhang ist nicht mehr gewahrt, wenn mit dem Verzehr an Ort und Stelle begonnen wird, der Verzehr aber hauptsächlich im Weitergehen stattfindet (VG Ansbach, B.v. 9.12.2019 – AN 4 S 19.01902 – juris Rn. 38; Ziffer 1.3 des Mustererlasses des Bund-Länder-Ausschusses „Gewerberecht“ für die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Gaststättengesetzes; Metzner/Thiel in GastG, 7. Auflage 2023, § 1 Rn. 26 ff.). Gaststättenbetriebe unterliegen wiederrum lediglich der allgemeinen Sperrzeit gemäß § 18 GastG i.V.m. § 7 Abs. 1 BayGastV, wonach diese für die Zeit zwischen fünf und sechs Uhr gelte. Ein Gaststättenbetrieb unterliegt jedoch lediglich dann der allgemeinen Sperrzeit und nicht den allgemeinen Ladenöffnungszeiten, sofern der Inhaber diese ernstlich betreiben will und die Gaststätte nicht lediglich anmeldet, um Warenhandel auch nach Ladenschluss zu betreiben (VG Ansbach, B.v. 9.12.2019 – AN 4 S 19.01902 – juris Rn. 39; BVerwG, U.v. 9.6.1960 – I C 41/56 – NJW 1960, 2209/2210).
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und Einbeziehung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalls ist nach derzeitiger Sachlage nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller den Willen zeigt, in seinen Betriebsräumen eine erlaubnisfreie Schank- bzw. Speisewirtschaft zu betreiben, weshalb die allgemeinen Ladensöffnungszeiten gelten.
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Entgegen der Ansicht des Antragstellers ergibt sich aus dem Ordnungswidrigkeitsverfahren im Jahre 2021 gegen den früheren Betriebsinhaber nicht, dass kein Verstoß gegen das Ladenschlussgesetz vorliegen würde. Vielmehr wurde zu Gunsten des damaligen Betriebsinhabers zunächst – vorbehaltlich einer Überprüfung durch die städtischen Behörden – einmal davon ausgegangen, dass dieser ernstlich bemüht sei in den Betriebsräumen eine erlaubnisfreie Schank- bzw. Speisewirtschaft zu betreiben. Die Gewerbeanmeldung des Antragstellers erfolgte Ende 2022. Selbst bei Wahrunterstellung der Annahme, dass der Betrieb auch durch den früheren Betriebsinhaber seit zwanzig Jahren in der derzeitigen Form betrieben wurde, führt dies im Hinblick auf den Antragsteller zu keiner anderen Bewertung. Ein Bemühen des vormaligen Betriebsinhabers im Jahre 2021 lässt nicht zwingend auf einen ernsthaften Willen des jetzigen Betriebsinhabers im Jahre 2023/2024 schließen – zumal es fraglich erscheint, ob – bei gleichen objektiven Bedingungen – dasselbe für den vormaligen Betriebsinhaber nach der aktuellen Sachlage gelten würde, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass auch der damalige Betreiber eine Umwandlung in eine echte Gaststätte angekündigt haben soll. Die seitens des Antragstellers angegebenen Tätigkeitsfelder, die Dienstleistung Internet, das Ladenlokal sowie die erlaubnisfreie Gastronomie befinden sich in denselben Betriebsräumen. Zwar besteht nach dem Vortrag des Antragstellers die Möglichkeit, Getränke bzw. Speisen an den vorhandenen Internetplätzen zu verzehren. Bei den Internetplätzen handelt es sich um durch Trennwände abgetrennte, mit Bildschirm und Tastatur ausgestatteten Plätze. Aus den Räumlichkeiten deutet nichts darauf hin, dass ein Verzehr von Lebensmitteln dort an Ort und Stelle möglich bzw. sogar gewünscht ist. Nach typischer Verkehrsanschauung spricht vieles dafür, dass solche Arbeitsplätze typischerweise ausschließlich zur Internetnutzung dienen sollen (so auch VG Ansbach, B.v. 9.12.2019 – AN 4 S 19.01902 – juris Rn. 41, VG Aachen, B.v. 15.1.2016 – 6 L 391/15 – juris Rn. 26).
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Voraussetzung für einen Verzehr an „Ort und Stelle“ wären darüber hinaus Möglichkeiten, etwaige Speisen bzw. Getränken zu erhalten, welche typischerweise an Ort und Stelle verzehrt werden. Zwar wurde seitens des Antragstellers nachträglich ein funktionsfähiger Kaffeeautomat aufgestellt, welcher sich nun im Verkaufsraum des Ladengeschäftes gemeinsam mit einem hohen Tisch sowie vier Hockern sowie darauf befindlichen Pappbechern befindet. Nach den Feststellungen der Antragsgegnerin werden zum einen keinerlei zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht. Bei der durch die (kleine) (Selbstbedienungs-)Kaffeemaschine bereitete Möglichkeit zum Verzehr von Getränken, welche typischerweise an Ort und Stelle verzehrt werden, dürfte es sich jedoch um so gut wie die einzige Möglichkeit von Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle handeln. Ausweislich der in der Behördenakte befindlichen Lichtbilder (Bl. 58, 76 – 85 der Behördenakte) werden die zum Verkauf angebotenen Getränke ausschließlich in einer Art und Weise verkauft, welche typischerweise im Weitergehen verzehrt werden (verschlossene Flaschen und Dosen). Gegenteiliges wurde hierzu auch nicht vorgetragen, insbesondere wurde der Feststellung, dass die Antragsgegnerin bei ihren Kontrollen keine Kunden angetroffen habe, welche Getränke bzw. Speisen vor Ort verzehrt hätten, auch nicht substantiiert entgegengetreten. Die zahlreichen Feststellungen der Antragsgegnerin vor Ort dürften eher das Gegenteil bezeugen. Dass sich der Antragsteller dessen durchaus bewusst sein durfte, zeigen im Übrigen die beigefügte E-Mail-Kommunikation des beauftragten Architekturbüros mit dem Bauordnungsamt (Anlage AS 5 des Antragstellers) sowie das Aufklärungsgespräch mit der Antragsgegnerin im September 2023.
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Indes wurde nun zwischenzeitlich nach Erlass des Bescheids sowie nach Klageerhebung seitens des Antragsstellers der bereits angekündigte Bauantrag eingereicht. Ein Bauantrag mit dem angekündigten Ziel, die Betriebsräume zum Teil in eine Gaststätte umzuwandeln, genügt für einen ernstlichen Willen des Betreibens einer solchen Gaststätte jedoch nicht. Faktisch können sich während des Baugenehmigungsprozesses noch hinreichende Änderungen bzw. Meinungswechsel ergeben. Änderungen an dem bereits vorhandenen und nun zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung summarisch überprüften Stand ergeben sich hierdurch jedoch nicht. Voraussetzung für ein ernstliches Bemühen seitens des Antragstellers eine erlaubnisfreie Schank- bzw. Speisewirtschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 GastG zu betreiben, dürften darüber hinaus lediglich die tatsächliche Handhabung vor Ort sein. Dass hierzu nach Aussage des Antragstellers keine baurechtliche Nutzungsänderung erforderlich bzw. eine gaststättenrechtliche Erlaubnis erforderlich sei, führt zu keiner anderen Bewertung, vielmehr stützt sie dies. Das Gericht schließt sich der Auffassung der Antragsgegnerin an, wonach erst nach tatsächlicher Durchführung etwaige Änderungen berücksichtigt werden können. Unabhängig hiervon ist anzumerken, dass für ein den allgemeinen Öffnungszeiten für Gaststätten unterliegende Betrieb auch tatsächlich eine Gastronomie betrieben werden muss. Aufgrund der Gesamtumstände des vorliegenden Einzelfalls ist hingegen nicht davon auszugehen, dass der Antragsteller zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ernstlich bemüht ist, in den genannten Betriebsräumen zusätzlich eine erlaubnisfreie Schank- bzw. Speisewirtschaft zu betreiben.
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d) Die Antragsgegnerin hat ihr Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist nicht davon auszugehen, dass im Hinblick auf die Anordnung des Sofortvollzugs von einem Ermessensfehler auszugehen ist. Ein Ermessensfehler liegt vor, wenn die Behörde kein Ermessen ausgeübt hat (sog. Ermessensnichtgebrauch), wenn sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschreitet (sog. Ermessensüberschreitung), wenn sie nicht alle nach Lage des Falles betroffenen Belange in ihre Ermessensentscheidung eingestellt, sie ihre Entscheidung auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage getroffen hat (sog. Ermessensdefizit) und wenn von dem durch die Regelung eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist, die Behörde sich von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen oder ein Belang willkürlich falsch gewichtet (sog. Ermessensfehlgebrauch) worden ist (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, § 114 Rn. 16 ff.). Der Ermessensgebrauch der Antragsgegnerin hat sich im Rahmen des gerichtlich nach § 114 Satz 1 VwGO geltenden Prüfungsmaßstabs gehalten. Im Bescheid macht die Antragsgegnerin deutlich, dass ihr das ihr zustehende Ermessen bewusst ist, weshalb ein Ermessensnichtgebraucht auszuschließen ist, und führt aus, weshalb aus ihrer Sicht die Anordnung des Sofortvollzugs gewählt worden sei. Im Übrigen sind Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Anordnungen nicht ersichtlich (§ 114 Satz 1 VwGO, Art. 8 LStVG). Im Hinblick auf die zutreffenden Ausführungen zur Erforderlichkeit der Anordnungen kann auf den Bescheid der Antragsgegnerin verwiesen werden, welche sich das Gericht zu eigen macht (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Zwar erfordert die Einhaltung der Ladenschlusszeiten bei Mischbetrieben in der Regel keinen Abschluss der Verkaufsräume, sondern lediglich die Einstellung des Einzelhandels in einer für die Kundschaft erkennbaren Weise (BVerwG, U.v. 9.6.1960 – I C 41/56 – NJW 1960, 2209/2010). Die Antragsgegnerin war sich dessen im Rahmen des Bescheiderlasses bewusst. Im Hinblick auf die nicht mögliche räumliche Trennung zwischen Verkaufsraum sowie dem Angebot der Internetdienstleistung ist insbesondere auch im Hinblick auf das Aufstellen des einzigen freien Tisches im Verkaufsraum des Ladengeschäfts für Kunden eine in nach außen erkennbaren Weise nicht ersichtlich, dass der Warenhandel ab 20 Uhr einzustellen ist. Insbesondere auch aufgrund der Tatsache, dass die Feststellungen der Antragsgegnerin glaubhaft darlegen, dass ein Großteil des Umsatzes nach 20 Uhr nicht durch die Gebühren für die Internetnutzung, sondern vielmehr aufgrund der vielen Verkäufe im Warengeschäft erzielt worden sind – auch nach Anordnung des Sofortvollzugs – ist anzunehmen, dass ein Abdecken der Waren nicht gleich effektiv im Hinblick auf eine Gefahrenabwehr gewesen wäre.
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Darüber hinaus wurde seitens der Antragsgegnerin eine fünfminütige Auslauffrist dergestalt eingeräumt, dass für den Antragsteller auch die Möglichkeit besteht, etwaige Kunden noch zu Ende zu bedienen. Die Anordnungen sind darüber hinaus angemessen, da die zu erwartenden Beeinträchtigungen für den Antragsteller nicht erkennbar außer Verhältnis zu dem damit bezweckten Erfolg stehen (Art. 8 LStVG). Im Hinblick auf das Warengeschäft sind etwaige Umsatzeinbußen zwingende Folge der Einhaltung des LadSchlG. Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der Regelung im Sinne von Art. 12 Abs. 1 GG sind nicht ersichtlich (vgl. BVerfG, U.v. 9.6.2004 – 1 BvR 636/02 – BVerfGE 111, 10; U.v. 29.11.1961 – 1 BvR 760/57 – BVerfGE 13, 237). Es liegt vielmehr in der Risikosphäre eines Unternehmers seine wirtschaftlichen und finanziellen Dispositionen so zu treffen, dass sie den gesetzlichen Vorschriften entsprechen (vgl. VG Aachen, B.v. 15.1.2016 – 6 L 391/15 – juris Rn. 44; vgl. VG Ansbach, B.v. 9.12.2019 – AN 4 S 19.01902 – juris Rn. 53). Die Tatsache, dass durch die Anordnungen jeweils im Zeitraum von 20 bis 22 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen ebenfalls zu Umsatzeinbußen im Hinblick auf das Anbieten von Internetarbeitsplätzen kommen kann, dürfte aufgrund der Gesamtbetrachtung des Einzelfalls im Hinblick auf die räumliche Einheit sowie dem Grundsatz der effektiven Gefahrabwehr dennoch als verhältnismäßig betrachtet werden können. Auch im Hinblick auf die dort zu erwartenden Umsatzeinbußen sind selbst bei einer Annahme von 4 Euro die Stunde, bei einer Anzahl von drei bis sechs Internetarbeitsplätzen, die Anordnungen verhältnismäßig. Die Tatsache, dass nach Aussage des Antragstellers nach 20 Uhr bis zu 40 Prozent des Umsatzes erzielt werden, zeigt insbesondere nicht zwingend im Hinblick auf die genannten Preise für die Internetdienstleistung sowie der Getränke aus der Kaffeemaschine, dass gerade hierdurch der notwendige Umsatz mit Blick auf den zu zahlenden Mindestlohn der Mitarbeiter durch diese Dienstleistung erzielt werden könnte. Einer abschließenden Beantwortung der Frage bedarf es im Rahmen der im Eilverfahren möglichen summarischen Prüfung jedoch nicht. Das Angebot der Dienstleistung „Internet“ entbindet den Inhaber nicht davon ein, in denselben Betrieb betriebenes Ladengeschäft die für das Ladengeschäft geltenden Ladenschlusszeiten einzuhalten. Erfordert die Einhaltung dieser Regelung den Abschluss der Verkaufsräume als Ganzes, besteht die Notwendigkeit das „Internetcafé“ – mangels ernstlichen Willen eine Gastronomie zu betreiben – ebenfalls zu schließen. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass eine tatsächliche räumliche Trennung der Betriebsteile nicht hergestellt worden ist (vgl. VG Ansbach, B.v. 9.12.2019 – AN 4 S 19.01902 – juris Rn. 54; VG Berlin, B.v. 13.11.2019 – VG 4 L 269.19 – BeckRS 2019, 29999 Rn. 24b).
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e) Aus den genannten Gesichtspunkten fällt die die gebotene Interessenabwägung nach alledem zu Lasten des Antragstellers aus. Der Antrag auf aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 27. Dezember 2023 war aus diesem Grund abzulehnen, da ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug vorliegt. Wie seitens der Antragsgegnerin vorgetragen, würden anderenfalls eine negative Vorbildwirkung sowie ein voraussichtlicher ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil weiterbestehen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Das Gericht hat bei der Höhe des Streitwertes die Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit berücksichtigt.