Titel:
erfolglose Asylklage (Irak)
Normenketten:
AsylG § 3, § 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsatz:
Ein volljähriger, erwerbsfähiger und gesunder Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen kann im Irak seine elementaren Bedürfnisse trotz der im Allgemeinen schwierigen Bedingungen sicherstellen. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Irak, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (verneint), unglaubwürdiger Sachvortrag, teilweise sachliche Widersprüche, subsidiärer Schutz (verneint), Abschiebungsverbote (verneint), Rückkehr für volljährigen und erwerbsfähigen Mann zumutbar, Vortrag unglaubhaft, Abschiebungsverbot, Existenzminimum
Fundstelle:
BeckRS 2024, 6313
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Gewährung subsidiären Schutzes bzw. hilfsweise die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten in den Irak bzw. einen anderen aufnahmebereiten Staat.
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Der am ... 1999 in ... (Irak) geborener Kläger ist irakischer Staatsangehöriger mit kurdischer Volkszugehörigkeit und muslimischem Glauben.
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Seinen Angaben zufolge reiste der Kläger am 1. September 2022 erstmalig auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er unter dem 18. Oktober 2022 Asylantrag stellte. Eine Beschränkung des Asylantrags gemäß § 13 Abs. 2 Asylgesetz (AsylG) auf die Zuerkennung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) erfolgte im Verfahren nicht.
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Die persönliche Anhörung des Klägers beim Bundesamt für Migration und Flüchtlingseigenschaft (im Folgenden: Bundesamt) erfolgte am 22. August 2023. Der Kläger trug hierbei im Wesentlichen vor, er habe sein Herkunftsland sowohl aufgrund wirtschaftlicher als auch aufgrund seiner kritischen Äußerungen gegenüber der Regierung und der angeblichen Konsequenzen hieraus verlassen. Seine Familie sei arm gewesen, deshalb sei es schwierig gewesen, die Schule zu besuchen. Dennoch habe er das Abitur erlangt. Es sei ihm jedoch aufgrund der Armut der Familie und fehlender Beziehungen verwehrt geblieben, zu studieren. Aufgrund dieser Umstände habe er angefangen, die Regierung zu kritisieren. Dies obwohl es verboten sei, seine Meinung frei zu äußern. Die Demokratische Partei Kurdistan (PDK) würde keine Kritik dulden. Er habe öffentlich in Cafés, auf dem Bazar und auf der Straße Kritik an der DPK und der Regierung geäußert. Es sei dann auch zu telefonischen Bedrohungen gekommen. Dennoch habe er seine Kritik nicht eingestellt. Am 7. April 2022 sei er durch die PDK festgenommen und fünf Tage lang festgehalten worden. Körperlich und psychisch habe man ihn nicht gut behandelt. Danach sei er freigelassen worden. Er sei aufgefordert worden, die Regierung bzw. die Partei nicht mehr zu kritisieren. Zudem sei ihm sein Handy abgenommen worden. Dennoch habe er seine Kritik nicht eingestellt und habe weiterhin Freiheit, freie Meinungsäußerung und die Befreiung von Korruption gefordert. Am 22. Juni 2022 sei er in einer Gasse unterwegs gewesen und von bewaffneten Personen angegriffen worden. Diese hätten ihn geschlagen und seine Brille zerstört. Aufgrund dieser Vorfälle habe sein Vater entschieden, ihn ins Ausland zu schicken. Sein Vater habe ihm gesagt, ansonsten würde er im Irak getötet oder müsse eine Gefängnisstrafe verbüßen. Am 10. Juli 2022 habe er das Land dann verlassen.
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Für das weitere Vorbringen des Klägers wird auf die über die persönliche Anhörung des Klägers gefertigte Niederschrift des Bundesamts Bezug genommen.
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Mit Bescheid des Bundesamts vom 10. Oktober 2023 (Gz.: ...) wurden die Anträge des Klägers auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abgelehnt (Nrn. 1 und 2 des Bescheids). Nr. 3 des Bescheids bestimmt, dass dem Kläger auch der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wird. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG (AufenthG) liegen nicht vor (Nr. 4 des Bescheids). In Nr. 5 des Bescheids wird der Kläger aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Folgeleistung wurde dem Kläger die Abschiebung in den Irak bzw. einen anderen aufnahmebereiten Staat angedroht. Nr. 6 des Bescheids ordnet das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristet es auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung.
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Zur Begründung seiner Entscheidung führt das Bundesamt aus, dass beim Kläger die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter nicht vorlägen. Der Kläger sei kein Flüchtling i.S.d. § 3 AsylG. Er habe eine begründete Furcht vor Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. Einen ihm drohenden ernsthaften Schaden i.S.d. § 4 AsylG habe der Kläger nicht glaubhaft gemacht. Auch lägen keine gefahrerhöhenden Umstände zugunsten des Klägers vor. Abschiebungsverbote seien ebenfalls nicht gegeben. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschlich oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) erfüllen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch eine Abschiebung nicht beachtlich. Auch die Verletzung anderer Menschenrechte oder Grundfreiheiten der EMRK komme nicht in Betracht. Die Abschiebungsandrohung sei gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG zu erlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Diese Befristung sei vorliegend angemessen, da der Kläger im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen verfüge, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen gewesen seien. Der vom Kläger benannte Onkel gehöre nicht zur Kernfamilie. Abhängigkeiten seien nicht ersichtlich.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids des Bundesamts vom 20. Oktober 2023 wird ergänzend verwiesen.
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Der vorbezeichnete Bescheid wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 28. Oktober 2023 bekanntgegeben.
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Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 10. November 2023 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt,
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1. den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 20. Oktober 2023 in Ziffern 2, 3 und 4 aufzuheben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise, subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG zu gewähren, weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
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Zur Begründung wurde zunächst auf die Angaben des Klägers beim Bundesamt Bezug genommen. Mit Schriftsatz vom 28. November 2023 wurde weiter ausgeführt, dass die zulässige Klage begründet sei. Der Kläger befinde sich aus begründeter Furcht wegen seiner politischen Überzeugung außerhalb des Irak, dessen Staatsangehörigkeit er besitze. Die begründete Furcht beziehe sich auf Handlungen in Form von Verletzungen seiner körperlichen und seelischen Unversehrtheit durch körperliche Einwirkungen mittels Prügel und Schikane. Dem Kläger drohe eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte. Auch die Voraussetzungen der Gewährung subsidiären Schutzes lägen vor. Der Kläger habe stichhaltige Gründe vorgebracht, dass ihm in seinem Herkunftsland Folter und unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung und auch Bestrafung durch einen staatlichen Akteur in Gestalt der PDK-Regierung drohe. Der Kläger sei durch seine politischen Äußerungen bereits im öffentlichen Raum Opfer einer körperlichen Misshandlung und seelischen Folter durch in Zivil gekleidete Täter geworden. Die Besonderheit und Brisanz der Konstellation sei in der fehlenden Uniformierung der in Rede stehenden Täter und damit in einem kollektiven Gefühl der Unsicherheit und Gefahrenträchtigkeit zu sehen. Für den Kläger seien daher gefahrerhöhende Umstände ersichtlich. Auch die Voraussetzungen für die Gewährung eines Abschiebungsverbots lägen vor. Die Klage sei damit begründet.
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Das Bundesamt ist für die Beklagte der Klage mit Schriftsatz vom 14. November 2023 entgegengetreten und beantragt,
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Zur Begründung wurde auf die mit der Klage angegriffene Entscheidung Bezug genommen.
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Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 15. November 2023 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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Am 22. Februar 2024 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung, in der der Kläger informatorisch angehört wurde, wird auf das hierüber gefertigte Protokoll verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers verhandeln und entscheiden, ohne dass die Beklagte an der mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2024 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO). Die Beklagte ist zur mündlichen Verhandlung vom 22. Februar 2024 form- und fristgerecht geladen worden.
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Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10. Oktober 2023 (Gz.: ...) ist rechtmäßig und nicht geeignet, den Kläger in seinen Rechten zu verletzen. Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG), auf Gewährung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) bzw. auf Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zur Begründung wird auf die umfassenden und zutreffenden Gründe des Bescheids des Bundesamts Bezug genommen (§ 77 Abs. 3 AsylG) und ergänzend ausgeführt.
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1. Der Kläger besitzt keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach §§ 3 ff. AsylG.
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Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560 – Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine solche Verfolgung kann nicht nur vom Staat ausgehen (§ 3c Nr. 1 AsylG), sondern auch von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (§ 3c Nr. 2 AsylG) oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nrn. 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht (§ 3c Nr. 3 AsylG). Allerdings wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (§ 3e Abs. 1 AsylG).
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Die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ist dabei ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Hat der Asylbewerber seine Heimat jedoch unverfolgt verlassen, kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm auf Grund von Nachfluchttatbeständen eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Dabei ist es Sache des Ausländers, die Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Dabei genügt für diesen Tatsachenvortrag auf Grund der typischerweise schwierigen Beweislage in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
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Wer bereits Verfolgung erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei der Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus (vgl. BVerfG, B.v. 12.2.2008 – 2 BvR 2141/06 – juris Rn. 20; VG Köln, U.v. 26.2.2014 – 23 K 5187/11.A – juris Rn. 26).
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In Anwendung dieser rechtlichen Vorgaben ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen. Der Kläger ist kein Flüchtling i.S.v. § 3 AsylG.
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Der Einzelrichter schenkt dem klägerischen Vortrag betreffend dessen regimekritischer Äußerungen im Irak und einer daraus resultierenden Vorverfolgung bzw. einer befürchteten erneuten Verfolgung bei einer Rückkehr in den Irak keinen Glauben. Der Sachvortrag des Klägers insbesondere im Hinblick auf die von ihm geschilderten Ereignisse am 7. April 2022 (Festnahme des Klägers und erlittene Folter) sowie vom 22. Juni 2022 (Überfall auf den Kläger auf offener Straße) wird für wahrheitswidrig und nicht den Tatsachen entsprechend erachtet. Hierfür spricht zum einen der detailarme Sachvortrag des Klägers und insbesondere dessen emotionslose Schilderung der Vorfälle vom 7. April 2022 (mehrtägige Festnahme mit angeblich erlittener Folter) in der mündlichen Verhandlung. Hinzukommt, dass der Sachvortrag des Klägers in wesentlichen Punkten betreffend die Ereignisse vom 7. April 2022 widersprüchlich ist. So hat der Kläger ausweislich der Niederschrift bei seiner persönlichen Anhörung am 22. August 2023 (dort Seite 5) vorgetragen, dass er am 7. April 2022 durch die PDK festgenommen und fünf Tage lang festgehalten wurde. Auf ausdrückliche Nachfrage in der mündlichen Verhandlung hat der Kläger hingegen erklärt, dass er nur drei bis maximal vier Tage festgehalten worden sei. Gerade im Hinblick auf ein so einschneidendes Erlebnis wie die Festnahme und angeblich erlittene Folter wäre es naheliegend, dass der Kläger hier exakte widerspruchsfreie Angaben machen kann. Auch zu den Umständen der Folter selbst bleibt der Sachvortrag vage und detailarm. Unterlagen im Hinblick auf seine Festnahme wurden im Verfahren ebenfalls nicht vorgelegt. Gerichtsbekannt ist jedoch, dass es im Nordirak an der Regel ist, über entsprechende Festnahmen regimekritischer Personen öffentlich zu berichten. Auch hier fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass der Vortrag des Klägers den Tatsachen entspricht. Das Gericht geht ausweislich der Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass dieser von nicht selbst Erlebtem berichtet. Gleiches gilt für den weiter geschilderten Vorfall des Überfalls auf den Kläger am 22. Juni 2022. Insoweit ist für den Einzelrichter bereits unschlüssig, inwieweit es für den Kläger überhaupt erkennbar gewesen sein soll, dass der Überfall von regimetreuen Personen ausgeübt worden ist. Dies erscheint für das Gericht nicht naheliegend. Weiter spricht gegen einen glaubwürdigen Vortrag das auffällige Missverhältnis zwischen der vom Kläger geschilderten regimekritischen Tätigkeit (Äußerungen in Cafés, im Bazar und auf öffentlicher Straße) und der angeblich hierauf erfolgten Reaktion (Festnahme, Folterungen, Angriff auf öffentlicher Straße). Schließlich gehört der Kläger ausweislich der Schilderung seiner familiären und beruflichen Situation nicht zu einer besonders gefährdeten gesellschaftlichen Gruppierung, wie beispielsweise Journalisten, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte (vgl. hierzu Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak des Auswärtigen Amts vom 28. Oktober 2022 – Stand: Oktober 2022 – Ziffer II.2.2, S. 15). Das Gericht gewinnt vielmehr den Eindruck, dass der Kläger mit den angeblichen Vorfällen vom 7. April 2022 bzw. 22. Juni 2022 wahrheitswidrig einen hinreichenden Anlass für seine Ausreise aus dem Irak schildert. Eigentlicher Grund für das Verlassen seines Heimatlandes dürften aber die vom Kläger zumindest in der persönlichen Anhörung beim Bundesamt geschilderten schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse und die Unmöglichkeit der Aufnahme eines Studiums im Irak gewesen sein. Nach allem schenkt das Gericht -insbesondere auch aufgrund der zu Tage getretenen teilweisen Widersprüchlichkeiten – dem Vortrag des Klägers keinen Glauben. Damit liegt aber auch keine landesweite Bedrohungssituation bzw. drohende Verfolgung für den Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland vor.
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Nach allem besitzt der Kläger keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.d. §§ 3 ff. AsylG. Die insoweit die mit der Klage im angegriffenen Bescheid erfolgte Ablehnung ist rechtmäßig und nicht geeignet, den Kläger in seinen Rechten zu verletzen.
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2. Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung eines subsidiären Schutzstatus i.S.v. § 4 AsylG. Ein solcher kommt insbesondere nicht im Hinblick auf die schlechte humanitäre Lage des Klägers bei einer Rückkehr in seine Herkunftsregion in Betracht. Insoweit fehlt es jedenfalls an einer Zurechnung der den Kläger drohenden Gefahren zu einem Verfolgungsakteur i.S.v. § 4 Abs. 3 Satz 1 i.S.v. 3c AsylG.
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Für eine mögliche Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte bzw. ist der Vortrag des Klägers als unglaubhaft zu werten. Gleiches gilt für eine dem Kläger erneut drohende Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG).
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Des Weiteren begründet die allgemeine humanitäre Situation im Irak nicht die Gefahr der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Es fehlt vorliegend bereits an dem erforderlichen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur, von dem insoweit eine zielgerichtete unmenschliche oder erniedrigende Behandlung ausgehen müsste. Für die Zuerkennung subsidiären Schutzes infolge einer allgemein schlechten humanitären Lage bedarf es einer direkten oder indirekten Aktion eines staatlichen oder nichtstaatlichen Akteurs i.S.d. § 3c i.V.m. § 4 Abs. 3 AsylG – die ein auf die bewirkten Effekte gerichtetes Handeln oder gar Absicht jenseits nicht intendierter Nebenfolgen erfordert –, auf deren Basis der (nicht-)staatliche Akteur die unmenschliche Lebenssituation im Sinne einer Zurechenbarkeit zu verantworten hat (vgl. BVerwG, U. v. 20.5.2020 – 1 C 11.19 – juris Rn. 13 m.w.N.). Die im Irak vorherrschende insgesamt schwierige humanitäre Lage wird durch die langanhaltenden kriegerischen Auseinandersetzungen, die Sicherheitslage, die fragliche Staatlichkeit, die innerstaatlichen Territorialkonflikte, die fortbestehenden konfessionellen bzw. ethnischen Auseinandersetzungen, die weiterhin unbefriedigende wirtschaftliche Entwicklung und die herrschenden Umweltbedingungen beeinflusst und bestimmt. Es ist aber nicht festzustellen, dass einem der in Betracht kommenden staatlichen oder nichtstaatlichen Akteure im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung ein solcher Beitrag hieran anzulasten wäre, der nach den dargestellten Maßstäben zur Zurechenbarkeit im Rahmen der Gewährung subsidiären Schutzes führte. Es liegt fern, dass die die humanitäre Situation bestimmenden Umstände von einem solchen Akteur gezielt herbeigeführt worden wären bzw. aufrechterhalten würden.
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Es ist ferner auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass dem Kläger eine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts droht (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Dabei kann die Qualifizierung der fortbestehenden Auseinandersetzungen im Irak als ein solcher Konflikt dahinstehen, da jedenfalls keine beachtliche Schadenswahrscheinlichkeit für den Kläger besteht. Das quantifizierbare Risiko, allein durch die Anwesenheit im Nordirak (Zakho) Opfer eines Konflikts zu werden, ist daher so gering, dass nicht von einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgegangen werden kann. Auch eine wertende Gesamtbetrachtung der aktuellen Situation unter umfassender Berücksichtigung der weiteren, die Situation des Iraks bzw. der betroffenen Region kennzeichnenden Umstände, rechtfertigt keine abweichende Einschätzung im Vergleich zu dieser quantitativen Ermittlung des Tötungs- oder Verletzungsrisikos (vgl. zu diesen Kriterien EuGH, U.v. 10.6.2021 – C-901/19 – juris Rn. 43).
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3. Abschiebungsverbote zugunsten des Klägers bestehen ebenfalls nicht.
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Gründe für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG sind nicht erkennbar. Danach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) – EMRK – ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Eine Verletzung des Art. 3 EMRK kommt in besonderen Ausnahmefällen auch bei „nichtstaatlichen“ Gefahren aufgrund prekärer Lebensbedingungen in Betracht, bei denen ein „verfolgungsmächtiger Akteur“ (§ 3c AsylG) fehlt, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung „zwingend“ mit Blick auf die allgemeine wirtschaftliche Situation und die Versorgungslage betreffend Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung sind (BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45.18 – juris Rn. 12). Das für Art. 3 EMRK erforderliche „Mindestmaß an Schwere“ (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 45.18 – juris Rn. 13) kann erreicht sein, wenn die Personen ihren existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern können, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten. Die Unmöglichkeit der Sicherung des Lebensunterhalts kann auf der Verhinderung eines Zugangs zum Arbeitsmarkt oder auf dem Fehlen staatlicher Unterstützungsleistungen beruhen (vgl. BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris Rn.11). In seiner jüngeren Rechtsprechung stellt der Gerichtshof der Europäischen Union darauf ab, ob sich die betroffene Person „unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not“ befindet, „die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre“ (EuGH, U.v. 19.3.2019 – C-297/17 – juris Rn. 90). Im Ergebnis kommt es auf eine Würdigung aller konkreten Umstände des Einzelfalls an (EGMR, U.v. 5.11.2019 – 32218/17-, NVwZ 2020, 538 Rn. 40; BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 1 B 25.18 – juris Rn. 11), wobei neben der Bewertung der tatsächlichen Lage in der Heimatregion des Rückkehrers zahlreiche weitere Faktoren zu berücksichtigen sind, etwa dessen Alter, Geschlecht, Bildungsstand, Gesundheitszustand, Familienanschluss und mögliche beziehungsweise zu erwartende Unterstützungsleistungen.
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Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger in extreme materielle Not geraten könnte. Die Versorgungslage im Irak ist grundsätzlich angespannt (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, 28. Oktober 2022, S. 22). Die Erkenntnismittel beschreiben einen deutlichen Hilfsbedarf, aber keine flächendeckende Extremsituation in dem Sinne, dass die Menschen ihre elementarsten Bedürfnisse nicht mehr befriedigen könnten. Dies gilt bereits unabhängig von dem Lebensmittelsubventionsprogramm des irakischen Staates für Familien mit geringem Einkommen und den internationalen Unterstützungsleistungen an Rückkehrer (vgl. hierzu VG Berlin, U.v. 13.1.2022 – 29 K 120.17 A – S. 10 f.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, 25. Oktober 2021, S. 25). Obwohl die Sicherheitslage im Irak prekär ist, liegt keine allgemeine Situation einer solchen extremen allgemeinen Gewalt vor, die es rechtfertigt, Rückkehrern generell Abschiebungsschutz gem. § 60 Abs. 5 AufenthG i.S.v. Art. 3 EMRK zu gewähren (vgl. NdsOVG, U.v. 24.9.2019 – 9 LB 136/19 – juris Rn. 128 ff).
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Dem Kläger ist es als volljährigem, erwerbsfähigem und gesundem Mann ohne Unterhaltsverpflichtungen durchaus zumutbar, in sein Heimatland zurückzukehren. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich die übrige Familie des Klägers noch in einem familieneigenen Haus in ... aufhält. Auch verfügt der Kläger über einen zwölfjährigen Schulbesuch mit Abitur. Erste berufliche Erfahrungen hat der Kläger im Irak ebenfalls gesammelt, da er nach seinem eigenen Vorbringen im Baugewerbe tätig gewesen ist.
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Damit liegt ein außergewöhnlicher Fall, in dem die humanitären Gründe gegen eine Abschiebung „zwingend“ sind, nicht vor. Der Kläger dürfte aufgrund seiner persönlichen Situation in der Lage sein, seine elementaren Bedürfnisse trotz der im Allgemeinen schwierigen Bedingungen sicherstellen zu können.
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Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist ebenso nicht feststellbar.
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Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen vor, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden (§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG). Dieser Vorschrift setzt eine individuelle und konkrete zielstaatsbezogene Gefahr voraus (BVerwG, U.v. 25.11.1997 – 9 C 58.96 – juris Rn. 3 ff.). Die befürchtete Verschlechterung muss zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führen, also eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lassen (vgl. BVerwG, B.v. 24.5.2006 – 1 B 118.05 – juris Rn. 4). Solange diese Grenzen nicht überschritten sind, ist es wiederum unerheblich, sofern die medizinische Versorgung im Zielstaat nicht mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG).
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Anhand dieser Maßstäbe lässt sich aus dem klägerischen Vortrag nicht auf ein Abschiebungsverbot schließen. Der Kläger hat im Verfahren keinerlei gesundheitliche Einschränkungen geltend gemacht. Er hat sich selbst als gesund und erwerbsfähig bezeichnet.
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Damit liegen im Ergebnis keine Gründe vor, welche die hilfsweise beantragte Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Irak rechtfertigen.
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4. Die Ausreiseaufforderung und die gleichzeitig erfolgte Abschiebungsandrohung gemäß § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG, § 38 Abs. 1 AsylG begegnen keinen rechtlichen Bedenken. Gleiches gilt für die Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf der Grundlage des § 11 Abs. 1, 2 AufenthG. Das Bundesamt hat insoweit das ihm zukommende Ermessen erkannt und dieses im Rahmen der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung nach § 114 VwGO ordnungsgemäß ausgeübt.
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5. Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.