Inhalt

VGH München, Beschluss v. 02.01.2024 – 11 C 23.2333
Titel:

Unzulässige Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung

Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4 S. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 101 Abs. 1 S. 2, Art. 103 Abs. 1
VwGO § 158 Abs. 2, § 161 Abs. 2
Leitsatz:
Gegen die in § 158 Abs. 2 VwGO geregelte Unanfechtbarkeit von Entscheidungen über Kosten, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen ist, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken. (Rn. 3 – 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
unstatthafte Beschwerde gegen die Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache, Rechtsmittelausschluss verfassungsgemäß, Kostenentscheidung, Rechtsmittelausschluss, Unanfechtbarkeit, Instanzenzug
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 22.11.2023 – M 23 S 22.3776
Fundstelle:
BeckRS 2024, 630

Tenor

I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

1
Die Beschwerde ist unstatthaft und damit als unzulässig zu verwerfen.
2
Der Antragsteller wendet sich gegen die Kostenentscheidung im Beschluss vom 22. November 2023, durch die das Verwaltungsgericht München nach der Erledigung des Eilverfahrens ohne Entscheidung in der Hauptsache die Kosten des Verfahrens gemäß § 161 Abs. 2 VwGO gegeneinander aufgehoben hat.
3
Nach § 158 Abs. 2 VwGO ist die Entscheidung über die Kosten unanfechtbar, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen ist. Unter diese Ausschlussregelung fallen insbesondere Kostenentscheidungen gemäß § 161 Abs. 2 VwGO nach Erledigung der Hauptsache (vgl. Begründung zu Art. 1 Nr. 43 des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens [4. VwGOÄndG, BT-Drs. 11/7030, S. 36], auf dem die am 1.1.1991 in Kraft getretene, unverändert geltende Fassung des § 158 Abs. 2 VwGO [BGBl I S. 2809] beruht; Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 158 Rn. 5).
4
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Rechtsmittelausschluss bestehen nicht. Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 19 Abs. 4 Satz 1 und Art. 20 Abs. 3 GG verlangen nicht das Bestehen einer Überprüfungsmöglichkeit für jede gerichtliche Entscheidung (BVerfG, B.v. 26.10.1989 – 1 BvR 1130/89 – NJW 1990, 1902 = juris Rn. 7 m.w.N.). Bei der Kostenentscheidung nach Erledigung der Hauptsache handelt es sich um eine Nebenentscheidung, deren Unanfechtbarkeit verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395 = juris Rn. 21 ff.; B.v. 29.1.2002 – 2 BvR 1965/01 – NJW 2002, 1867 = juris Rn. 2; B.v. 28.6.1972 – 1 BvR 105/63 u.a. – BVerfGE 33, 247 = juris Rn. 26 ff.). Der Senat folgt den vom 22. Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 20. März 2014 (22 C 14.588 – juris Rn. 8 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen) näher dargelegten Gründen. Art. 19 Abs. 4 GG gewährleistet keinen Instanzenzug (vgl. Burghart in Leibholz/Rinck, GG Komm., Stand Oktober 2023, Art. 20, III.C.9 Rn. 2017). Der aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG folgende Anspruch auf ein faires Verfahren ist nur dann verletzt, wenn sich eindeutig ergibt, dass rechtsstaatlich unverzichtbare Erfordernisse nicht mehr gewahrt sind, wovon angesichts der Tatsache, dass Art. 19 Abs. 4 GG keinen Instanzenzug garantiert und der in § 158 Abs. 2 VwGO normierte Ausschluss der Anfechtbarkeit isolierter Kostenentscheidungen auf sachgerechten Gründen beruht, keine Rede sein kann (näher dazu BayVGH, B.v. 20.3.2014 a.a.O. Rn. 12). Auch ist kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darin zu sehen, dass § 158 Abs. 2 VwGO anders als § 91a Abs. 2 Satz 1 ZPO für eine vergleichbare prozessuale Konstellation im Zivilprozess keine Beschwerdemöglichkeit (wenn auch unter Ausklammerung von Bagatellstreitigkeiten, § 91a Abs. 2 Satz 2 ZPO) einräumt, da hier nicht nach personenbezogenen Merkmalen differenziert wird, bei denen der Gesetzgeber einer besonders strengen Bindung unterliegt, und der Rechtsmittelausschluss auf sachgerechten Gründen beruht (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2014 a.a.O. Rn. 9 f.). Um einen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend zu machen, hätte dem Antragsteller die Anhörungsrüge (§ 152a VwGO) zum Verwaltungsgericht zur Verfügung gestanden (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2014 a.a.O. Rn. 8). Aus dem allgemeinen Justizgewährungsanspruch folgt zwar das Gebot einer zumindest einmaligen Kontrolle von Verfahrensgrundsätzen (insbesondere gemäß Art. 101 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1 GG); jedoch muss die Kontrolle nicht zwingend durch eine höhere Instanz erfolgen (Kliemt in Schwab/Weth, ArbGG, 6. Aufl. 2022, § 49 ArbGG Rn. 149).
5
Eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG würde voraussetzen, dass der Senat mit Gewissheit (vgl. BVerfG, B.v. 14.6.2023 – 2 BvL 3/20 u.a. – NJW 2023, 3072 Rn. 59 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; Detterbeck in Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 100 Rn. 13; Dederer in Dürig/Herzog/Scholz, GG-Komm., Stand August 2023, Art. 100 Rn. 128 ff.) davon überzeugt wäre, dass § 158 Abs. 2 VwGO, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung über die Beschwerde des Antragstellers ankommt, mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Dies ist aus den dargelegten Gründen nicht der Fall.
6
Auch eine Auslegung oder Umdeutung der Beschwerde als außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit vermag ihr nicht zum Erfolg zu verhelfen, da hierfür nach der obergerichtlichen Rechtsprechung jedenfalls seit Inkrafttreten des § 152a VwGO mit dem Anhörungsrügengesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 3220) kein Raum mehr ist (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.2023 – 8 B 49.22 – juris Rn. 2; B.v. 21.7.2005 – 9 B 9.05 – juris Rn. 2 ff.; BayVGH, B.v. 21.3.2011 – 4 C 11.463 – juris Rn. 6; B.v. 6.12.2005 – 24 C 05.2967 – juris Rn. 4 jeweils m.w.N.; OVG Bremen, B.v. 22.2.2021 – 1 B 71/21 – juris Rn. 2; OVG Berlin-Bbg., B.v. 16.10.2015 – OVG 11 S 69.15OVG – juris Rn. 4; OVG NW, B.v. 17.10.2013 – 12 E 1020/13 – juris Rn. 4 f.; OVG LSA, B.v. 3.4.2012 -1 O 41/12 – juris Rn. 3; NdsOVG, B.v. 8.6.2009 – 4 OA 146/09 – juris Rn. 3 ff.; Rudisile in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand März 2023, § 152 Rn. 7; Kopp/Schenke, VwGO, 29. Aufl. 2023, Vorb. § 124 Rn. 8a; Zimmermann-Kreher in BeckOK VwGO, Stand 1.10.2023, § 158 Rn. 2 f.). Im Übrigen läge ein Fall greifbarer Gesetzwidrigkeit offensichtlich nicht vor. Das Verwaltungsgericht ist nach Aktenlage und der Begründung des Beschlusses nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass der Ausgang des Rechtsstreits im maßgeblichen Zeitpunkt des erledigenden Ereignisses offen war.
7
Eine Anhörungsrüge zum Verwaltungsgericht gemäß § 152a VwGO hat der rechtskundige Antragsteller nicht erhoben.
8
Als unterlegener Rechtsmittelführer trägt er gemäß § 154 Abs. 2 VwGO die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
9
Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, da Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) für die vorliegende Beschwerde einen Festgebühr in Höhe von 66,- EUR festlegt.
10
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).