Inhalt

VG Bayreuth, Beschluss v. 22.02.2024 – B 7 K 24.89
Titel:

Gerichtsstand bei Streit um Auszahlung einer bewilligten Überbrückungshilfe

Normenketten:
VwGO § 52 Nr. 1, Nr. 5, § 83
GVG § 17a Abs. 2
Leitsätze:
1. § 52 Nr. 1 VwGO ist weit auszulegen. Sinn und Zweck der Vorschrift liegen darin, in Streitigkeiten, die einen spezifischen Bezug zu einem Ort aufweisen, das mit der besten Ortskenntnis oder zumindest der besten Möglichkeit, sich diese zu verschaffen, ausgestattete ortsnächste Gericht entscheiden zu lassen. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zu den ortsgebundenen Rechten iSd § 52 Nr. 1 VwGO gehören vor allem die an ein bestimmtes Grundstück geknüpften Rechte, weil sie unter Voraussetzung dieser örtlichen Gebundenheit eingeräumt sind. Ferner zählen dazu die nur in der natürlichen Ausübung an Grundstücke gebundenen Rechte, weil auch in diesen Fällen die in § 52 Nr. 1 VwGO vorausgesetzte weitgehende Verbindung zwischen dem strittigen Recht und dem Territorium besteht, auf dem es ausgeübt wird. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Auszahlung einer Corona-Überbrückungshilfe verhält sich örtlich neutral, wenn die Frage des Rechts auf Auszahlung des Geldbetrags in keinem Zusammenhang mit einem Territorium steht. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Betrieb hat für sich genommen keinen Ortsbezug, sondern ist im Kontext des Förderprogramms abstrakt zu begreifen, nämlich ob eine Maßnahme einem Betrieb zugehörig ist oder nicht. Für die Förderung – und damit erst recht für die nachgelagerte Auszahlung – allein relevant ist die Ansässigkeit des Betriebs iSv Nr. 5 der Richtlinie zur Überbrückungshilfe III im Freistaat Bayern, ohne dabei noch näher an den Ort der betrieblichen Tätigkeit anzuknüpfen. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona, Überbrückungshilfe III, kein Gerichtsstand nach § 52 Nr. 1 VwGO bei Streit um die Auszahlung einer bewilligten Überbrückungshilfe III, örtliche Zuständigkeit, Ortsbezug, ortsgebundene Rechte, Gerichtsstand, Überbrückungshilfe, Auszahlung, Ort der betrieblichen Tätigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2024, 6278

Tenor

1. Das Verwaltungsgericht Bayreuth erklärt sich für örtlich unzuständig.
2. Das Verfahren wird an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht München verwiesen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Gründe

1
Der Kläger begehrt von der Beklagten als für die Bewilligung und Auszahlung zuständige Förderbehörde die Auszahlung eines Differenzbetrags in Höhe von 8.465,00 EUR im Rahmen der Corona-Überbrückungshilfe III nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Gestützt wird der Auszahlungsanspruch auf den bestandskräftigen Bewilligungsbescheid vom 23.09.2021 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 27.09.2023, mit dem unter anderem die gesamt bewilligte Fördersumme angehoben und die Auszahlung des bezeichneten Differenzbetrags angeordnet wurde.
2
Der Rechtsstreit ist gemäß § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das Verwaltungsgericht München zu verweisen, da das Verwaltungsgericht Bayreuth örtlich unzuständig ist. Die Beteiligten wurden zur beabsichtigten Verweisung angehört.
3
1. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich entgegen der klägerischen Auffassung nicht aus § 52 Nr. 1 VwGO. Hiernach ist in Streitigkeiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, nur das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt. Die Vorschrift ist weit auszulegen. Sinn und Zweck der Vorschrift liegen darin, in Streitigkeiten, die einen spezifischen Bezug zu einem Ort aufweisen, das mit der besten Ortskenntnis oder zumindest der besten Möglichkeit, sich diese zu verschaffen, ausgestattete ortsnächste Gericht entscheiden zu lassen (vgl. VG Hamburg, B.v. 18.1.2018 – 1 K 7102/16 – juris Rn. 3). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehören zu den ortsgebundenen Rechten im Sinne dieser Regelung vor allem die an ein bestimmtes Grundstück geknüpften Rechte, weil sie unter Voraussetzung dieser örtlichen Gebundenheit eingeräumt sind. Ferner zählen dazu die nur in der natürlichen Ausübung an Grundstücke gebundenen Rechte, weil auch in diesen Fällen die in § 52 Nr. 1 VwGO vorausgesetzte weitgehende Verbindung zwischen dem strittigen Recht und dem Territorium besteht, auf dem es ausgeübt wird (BVerwG, B.v. 20.2.2020 – 6 AV 1/20 – juris Rn. 5). Sofern der notwendige Ortsbezug auch bei schuldrechtlichen Zahlungsansprüchen bejaht worden ist (vgl. VG Frankfurt a.M., B.v. 3.4.2008 – 3 K 570/08.F – juris Rn. 3 m.w.N.; VG Karlsruhe, U.v. 16.12.2004, 8 K 971/04 – juris Rn. 32), so wird hierbei nicht etwa auf das Kriterium des spezifischen Ortsbezugs verzichtet, sondern ein eben solcher wird in den dortigen Konstellationen in der Art und Weise gefordert, dass die verfolgten Ansprüche – auch subventionsrechtlicher Art (so für die der Auszahlung vorgelagerten Bewilligungsphase VG München, B.v. 25.9.2023 – M 31 K 23.4387 – juris Rn. 7) – in Bezug auf unbewegliches Vermögen geltend gemacht werden müssen (z.B. Zahlung für die Instandsetzung einer Entwässerungsleitung hinsichtlich eines Grundstücks; Zahlung eines Betrages aus einer Ablösungsvereinbarung hinsichtlich einer Eisenbahnkreuzung).
4
Gemessen an diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall der begehrten Auszahlung einer auf Grundlage des Förderprogramms der Corona-Überbrückungshilfe III bewilligten Fördersumme kein derartiger Ortsbezug gegeben. Zum einen handelt es sich im hiesigen Verfahren nicht mehr um die beantragte Bewilligung einer Förderung, sondern – dem nachgelagert – um die Auszahlung, welche sich jedenfalls örtlich neutral verhält. So steht die hier allein streitgegenständliche Frage des Rechts auf Auszahlung eines Geldbetrags in keinem Zusammenhang mit einem Territorium.
5
Mag in der vorgelagerten Phase der Bewilligung etwa gelegentlich ein Ortsbezug in der Weise vorhanden sein, als dass sich einige der – für die Berechnung der Fördersumme einzustellenden, aber der Förderung als solcher ebenfalls vorgelagerten – Fixkostenpositionen nach Nr. 3.1 Satz 1 der einschlägigen Richtlinie zur Überbrückungshilfe III vereinzelt auf gewisse Orte beziehen. Jedoch ist für diese wesensgemäß, dass die Frage der Förderfähigkeit nicht primär mit einer Örtlichkeit, sondern mit dem Betrieb des Antragstellers in Verbindung stehen muss. So wird etwa bei der Geltendmachung von Mieten und Pachten für Gebäude, Grundstücke und Räumlichkeiten zusätzlich verlangt, dass diese in unmittelbaren Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit des Unternehmens stehen (Nr. 3.1 Satz 1 Buchst. a), wie auch bei den Ausgaben für notwendige Instandhaltungsmaßnahmen nach Nr. 3.1 Satz 1 Buchst. f), dass diese in Bezug auf Anlagevermögen erfolgen, mithin dauernd dem Unternehmen dienen (vgl. § 247 HGB). Auch Nr. 5 der Richtlinie zeigt, dass der Förderanspruch, der bei der Beklagten geltend gemacht wird, generell nicht von einer Örtlichkeit abhängt, sondern von der ertragsteuerlichen Erfassung des Antragstellers im Freistaat Bayern. Wollte man einen örtlich spezifischen Bezug der Bewilligung und der dieser nochmals nachgelagerten Auszahlung annehmen, so hätte es nahegelegen, bereits das behördliche Verfahren dezentral zu organisieren (z.B. Errichtung von Außenstellen, um die Gegebenheiten vor Ort zu überprüfen). Dies ist indes nicht geschehen. Vielmehr wird aus der Gesamtkonzeption des Förderprogramms deutlich, dass die Förderung nicht einen spezifischen Ortsbezug i.S.e. Territoriums, sondern einen Betriebs- bzw. Geschäftsbezug aufweist (vgl. die Einleitung vor dem Katalog zu Nr. 3.1 Satz 1 der Richtlinie: „die folgenden…betrieblichen Fixkosten“). Ein Betrieb hat für sich genommen jedoch keinen Ortsbezug, sondern ist im Kontext des Förderprogramms abstrakt zu begreifen, nämlich ob eine Maßnahme einem Betrieb zugehörig ist oder nicht. Für die Förderung – und damit erst recht für die nachgelagerte Auszahlung – allein relevant ist die Ansässigkeit des Betriebs i.S.v. Nr. 5 der Richtlinie im Freistaat Bayern, ohne dabei noch näher an den Ort der betrieblichen Tätigkeit anzuknüpfen.
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Überdies trifft oben bezeichneter Sinn und Zweck der Regelung des § 52 Nr. 1 VwGO nicht zu. Für den hiesigen Auszahlungsstreit ist einzig die Frage erheblich, ob der Kläger – gestützt auf die bezeichneten bestandskräftigen Bescheide – einen Anspruch auf Auszahlung hat. Ein Bedürfnis, auf die Ortskenntnis des hiesigen Gerichts etwa deshalb zurückzugreifen, um die Förderfähigkeit einzelner – auf gewisse, örtlich angesiedelte Gegenstände entspringende -Fixkostenpositionen zu prüfen, besteht daher bereits deshalb nicht.
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Demnach hat die begehrte Auszahlung keinen Bezug zum unbeweglichen Vermögen und ist kein ortsgebundenes Recht bzw. Rechtsverhältnis.
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2. Infolgedessen ist auf den allgemeinen Gerichtsstand des § 52 Nr. 5 VwGO zurückzugreifen. Hiernach ist in allen anderen Fällen – § 52 Nr. 3 VwGO wäre lediglich für die der Auszahlung vorgelagerten, hier nicht in Betracht kommenden Verpflichtung auf Erteilung der beantragten Bewilligung relevant – das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz hat. Damit ist das Verwaltungsgericht München für die gegen die Beklagte gerichtete allgemeine Leistungsklage zuständig, da die Beklagte – als zentral für das Staatsgebiet zuständige Förderbehörde (§ 47b Abs. 1 ZustV, Nr. 5 der einschlägigen Richtlinie zur Gewährung der Überbrückungshilfe III) – ihren Sitz in dessen Bezirk hat (Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 AGVwGO, § 1 Abs. 2 der Satzung der IHK für München und Oberbayern vom 3.4.2006, zuletzt geändert am 25.7.2023).
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3. Der Vorbehalt der Kostenentscheidung folgt der Regelung des § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 2 Satz 1 GVG.
10
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 83 Satz 2 VwGO).