Titel:
„Soforthilfe, Corona“, Widerruf der Bewilligung, Zweckverfehlung bei fehlendem Liquiditätsengpass, Berechtigung (auch) zur nachträglichen Überprüfung des Liquiditätsengpasses, Regierungserklärung des Bayerischen, Ministerpräsidenten vom 19.03.2020, widersprüchliches Handeln der Behörde im Hinblick auf eine Regierungserklärung, Vertrauensschutz durch Verlautbarungen der Staatsregierung
Normenketten:
BayVwVfG Art. 49a Abs. 1
BayVwVfG Art. 49 Abs. 2a
BayVwVfG Art. 49a Abs. 3
VwGO § 6
VwGO § 101 Abs. 2
GG Art. 3 Abs. 1
Schlagworte:
„Soforthilfe, Corona“, Widerruf der Bewilligung, Zweckverfehlung bei fehlendem Liquiditätsengpass, Berechtigung (auch) zur nachträglichen Überprüfung des Liquiditätsengpasses, Regierungserklärung des Bayerischen, Ministerpräsidenten vom 19.03.2020, widersprüchliches Handeln der Behörde im Hinblick auf eine Regierungserklärung, Vertrauensschutz durch Verlautbarungen der Staatsregierung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 6276
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid der Regierung von … vom 11.04.2023, mit dem eine gewährte und ausbezahlte „Soforthilfe Corona“ teilweise widerrufen und unter Verzinsung zurückgefordert wird.
2
Die Klägerin, die im Landkreis … einen Brennholzhandel betreibt, beantragte am 18.03.2020 „Soforthilfe Corona“, woraufhin die Regierung von … mit Bescheid vom 16.04.2020 eine Soforthilfe in Höhe von 5.000,00 EUR nach den Richtlinien für die Unterstützung der von der Corona-Virus-Pandemie (COVID-19) geschädigten gewerblichen Unternehmen und Angehörigen freier Berufe („Soforthilfe Corona“) des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschafts-, Landesentwicklung und Energie vom 17.03.2020 bewilligte.
3
Im Zuge der Überprüfung der Soforthilfen wurde die Klägerin mit E-Mail vom 20.08.2021 – unter Angabe der konkret einzureichenden Unterlagen und des relevanten Zeitraums (01.04. bis 30.06.2020) – aufgefordert, die notwendigen Unterlagen und Belege zur Ermittlung des tatsächlich eingetretenen Liquiditätsengpasses vorzulegen. Nachdem bis zum Ablauf der Antwortfrist (03.09.2021) keine Unterlagen und Belege bei der Regierung von … eingegangen sind, forderte diese die Klägerin mit Schreiben vom 14.09.2021 erneut auf, entsprechende Unterlagen vorzulegen. Daneben wurde die Klägerin zur beabsichtigten Rückforderung der Soforthilfe angehört.
4
Mit Schreiben vom 23.09.2021 übersandte der Steuerberater der Klägerin der Regierung von … unter anderem Kopien der betriebswirtschaftlichen Auswertung, der Gewerbeanmeldung sowie der Ein- und Ausgangsrechnungen. Da die Unterlagen der Regierung von … nicht ausreichten, um den tatsächlich eingetretenen Liquiditätsengpass zu ermitteln, fordere diese mit E-Mail vom 06.10.2021 weitere Unterlagen von der Steuerkanzlei der Klägerin an. Da seitens der Steuerkanzlei keine weiteren Unterlagen vorgelegt wurden, wurde die Klägerin mit Schreiben vom 26.01.2022 erneut aufgefordert, näher bezeichnete Unterlagen vorzulegen bzw. im Einzelnen aufgelistete Fragen zu beantworten. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass für den Fall, dass der Mitwirkungspflicht nicht bis zum 16.02.2022 nachgekommen werde, beabsichtigt sei, den Bescheid vom 16.04.2020 zu widerrufen und die gewährte Soforthilfe zurückzufordern.
5
Mit Schreiben vom 15.02.2022 reichte der Steuerberater der Klägerin die angeforderten Unterlagen ein und gab die angeforderten Erklärungen ab. Nach abschließender Prüfung und Auswertung der eingereichten Unterlagen und Erklärungen ermittelte die Regierung von … für den auf die Antragstellung folgenden Dreimonatszeitraum (01.04.2020 bis 30.06.2020) einen tatsächlichen Liquiditätsengpass in Höhe von 849,93 EUR. Dieses Ergebnis teilte die Regierung von … der Klägerin am 21.03.2022 mit und hörte diese zur beabsichtigten Rückforderung der Soforthilfe in Höhe von 4.150,07 EUR an.
6
Im April 2022 kündigte der Steuerberater der Klägerin die Einreichung weitere Dokumente an. Ferner teilte dieser der Regierung von … mit, dass die ermittelte Höhe des Liquiditätsengpasses nicht nachvollzogen werden könne und deshalb eine Rechtsanwaltskanzlei zur abschließenden Beurteilung beauftragt worden sei. Trotz Fristverlängerungen ist klägerseits im Verwaltungsverfahren keine ergänzende Stellungnahme eingegangen.
7
Mit Bescheid vom 11.04.2023 widerrief die Regierung von … die mit Bescheid vom 16.04.2020 gewährte Soforthilfe, soweit diese einen Betrag von 849,93 EUR übersteigt (Ziffer 1). Unter Ziffer 2 wurde die Klägerin aufgefordert den Differenzbetrag in Höhe von 4.150,07 EUR bis zum Ablauf eines Monats nach Unanfechtbarkeit des Bescheids zurückzuerstatten. Gemäß Ziffer 3 wird der zu erstattende Betrag vom Eintritt der Unwirksamkeit des Verwaltungsakts an mit drei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich verzinst, wobei der Zinsanspruch nach Erstattung des Betrags mit gesondertem Bescheid festgesetzt wird.
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Zur Begründung des Bescheids wird im Wesentlichen ausgeführt, Rechtsgrundlage für den Widerruf des Bescheids vom 16.04.2020 sei Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG. Nach dieser Vorschrift könne ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder eine teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes gewähre oder hierfür Voraussetzung sei, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet werde. Gemäß Ziffer 2 der Richtlinie des Landesprogramms sei Soforthilfe gewährt worden, um eine in Folge der durch den Corona-Virus ausgelösten Pandemie unmittelbar zusammenhängende existenzgefährdende wirtschaftliche Schieflage aufgrund massiver Liquiditätsengpässe zu überbrücken, die nicht mit Hilfe von Entschädigungsleistungen, Steuerstundungen, sonstigen Eigen- oder Fremdmitteln oder sonstigen Liquiditätsmaßnahmen ausgeglichen werden könnten. Gemäß Ziffer 7 des Bescheids vom 16.04.2020 sei der Bescheid zu widerrufen, wenn sich herausstelle, dass die Soforthilfe nicht oder nicht in der vollen gewährten Höhe benötigt werde. Der tatsächlich eingetretene Liquiditätsengpass sei mit 849,93 EUR geringer als die ursprünglich erhaltene Soforthilfe i.H.v. 5.000,00 EUR. Die bewilligte Soforthilfe werde nur dann zweckentsprechend verwendet, wenn der Liquiditätsengpass in dieser Höhe tatsächlich bestanden habe. Soweit der Liquiditätsengpass geringer sei, sei die Soforthilfe wegen Zweckverfehlung zu widerrufen. Aus den eingereichten Unterlagen ergäben sich für die Monate April bis Juni 2020 Einnahmen in Höhe von 57.780,04 EUR. Diese setzen sich aus den Einnahmen aus dem laufenden Geschäftsbetrieb in Höhe von 42.033,31 EUR sowie aus weiteren Vereinnahmungen in Höhe von 15.746,73 EUR zusammen. Der Sach- und Finanzaufwand belaufe sich im vorstehenden Zeitraum auf 58.629,97 EUR. Hierbei seien Zinszahlungen für Kredite und Darlehen sowie Tilgungen in Höhe von 1.500,00 EUR, Zahlungen für betriebliche Versicherungen, Abonnements, Lizenzen in Höhe von 17,49 EUR, Ausgaben für Kontoführungsgebühren in Höhe von 46,00 EUR, Ausgaben Steuerberater/Wirtschaftsprüfer in Höhe von 703,20 EUR, Grund- und Gewerbesteuer in Höhe von 420,00 EUR, Zahlung fälliger Rechnung für Wareneinkauf, Material, Betriebsmittel, Dienstleistungen, etc. in Höhe von 11.399,75 EUR sowie Mautzahlungen, Rückzahlungen Privatdarlehen und Zahlungen weiterer Rechnungen in Höhe von 44.543,53 EUR berücksichtigt worden. Weitere Aufwendungen, wie Personalkosten und Abschreibungen, könnten dem betrieblichen Sach- und Finanzaufwand nicht zugerechnet werden.
9
Im Fall des Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG fänden die Grundsätze des intendierten Ermessens Anwendung. Von einem Widerruf des Bescheids könne deshalb nur abgesehen werden, wenn besondere Gründe dies rechtfertigten. Solche Gründe seien vorliegend weder vorgetragen, noch sonst erkennbar. Das Ermessen sei daher unter Abwägung der haushaltsrechtlichen und finanziellen Interessen des Freistaates Bayern an einem Widerruf und des Interesses der Klägerin am Belassen der Soforthilfe nur zugunsten des Widerrufs des Bescheids ab dem Tag der Auszahlung auszuüben.
10
Der ausgezahlte Betrag sei gemäß Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG in Höhe von 4.150,07 EUR zurückzuerstatten. Der Zinsanspruch resultiere aus Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG.
11
Mit Schriftsatz vom 15.05.2023 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Klage und beantragt,
Der Bescheid der Regierung von … vom 11.04.2023 wird aufgehoben.
12
Mit Schriftsatz vom 14.06.2023 wurde zur Klagebegründung im Wesentlichen vorgetragen, die streitgegenständliche Soforthilfe („März-Hilfe“) stelle eine Zahlung nach dem bayerischen Landesprogramm dar. Nach allen Verlautbarungen der Verantwortlichen der Staatsregierung sei dieses Landesprogramm als nicht zurückzahlbarer verlorener Zuschuss ausgestaltet gewesen. Dem korrespondiere auch die vorgelegte Richtlinie, die lediglich bei falschen oder unvollständigen Angaben bei der Antragstellung eine Erstattungspflicht festgelegt habe (Ziffer 6.5). Die Richtlinie regle insbesondere kein nachgelagertes Überprüfungs- oder Erstattungsverfahren. Die für die Rückforderung in Anspruch genommene Ziffer 8 der Nebenbestimmungen des Bescheids vom 16.04.2020 sei damit rechtswidrig. Sie finde in den maßgeblichen Richtlinien keine Stütze. Die Klägerin habe bei der Antragstellung keine falschen Angaben gemacht. Angesichts der durch die Corona-Maßnahmen im frühen März 2020 eingetretenen Unsicherheiten habe sie mit einem Liquiditätsengpass rechnen müssen. Ein solcher sei auch eingetreten. Dieser übersteige die ausgereichten Mittel. Angesichts einer gewissenhaften Prognose habe die Klägerin keine fehlerhaften Angaben bei der Antragstellung gemacht. Da nach klägerischer Auffassung bereits das Überprüfungs- und Rückforderungsverfahren keine Stütze in den Richtlinien und den der Antragstellung zugrundeliegenden öffentlichen Verlautbarungen der Mitglieder der bayerischen Staatsregierung habe, werde eine nähere Darstellung des Liquiditätsengpasses als nicht erforderlich angesehen.
13
Mit Schriftsatz vom 24.07.2023 beantragt die Regierung von … für den Beklagten,
14
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, entgegen der Auffassung der Klägerseite sei mit streitgegenständlichem Bescheid vom 11.04.2023 der Leistungsbescheid vom 16.04.2020 zu Recht insoweit widerrufen worden, als dieser einen Zuwendungsbetrag bewilligt habe, der einen Betrag von 849,93 EUR übersteige. Die Klägerin habe mit Schreiben vom 23.09.2021 und 15.02.2022 Unterlagen zur Überprüfung des tatsächlichen Liquiditätsengpasses vorgelegt, aus denen sich eine Überkompensation in Höhe von 4.150,07 EUR ergebe. Soweit klägerseits geltend gemacht werde, es sei schon rechtswidrig ein Überprüfungs- und Rückforderungsverfahren durchzuführen, gehe dieser Vortrag ersichtlich fehl. Ziffer 6.1 Satz 1 der Richtlinie bestimme, dass die Bewilligungsbehörde berechtigt sei, die Angaben im Antragsformular und der wirtschaftlichen Verhältnisse zu überprüfen. Weiterhin verweise Ziffer 10 Satz 5 der Richtlinie auf die Prüfung von erfolgten Bewilligungen unter Vorlage von Belegen. Darauf rekurriere Ziffer 8 des Bescheides vom 16.04.2020, mit welcher eine Prüfung der Verwendung der Soforthilfe im Einzelfall ausdrücklich vorbehalten worden sei. In diesem Fall sei die Bewilligungsbehörde berechtigt, Bücher, Belege und sonstige Geschäftsunterlagen anzufordern sowie die Verwendung der Soforthilfe durch örtliche Erhebungen zu prüfen oder durch Beauftragte prüfen zu lassen. Ungeachtet dessen, dass Ziffer 8 des Bewilligungsbescheids vom 16.04.2020 keinesfalls rechtswidrig sei, könne sich die Klägerin ohnehin auf eine etwaige Rechtswidrigkeit nicht berufen, da der Bescheid – und damit auch diese Bestimmung im Speziellen – ihr gegenüber bestandskräftig geworden sei. Im Übrigen werde darauf hingewiesen, dass auch Ziffer 7 des Bescheids vom 16.04.2020 ausdrücklich darauf hinweise, dass ein (teilweiser) Widerruf der Bewilligung auch dann in Betracht komme, wenn sich nach der Stellung des Antrags durch nachträglich eintretende Ereignisse herausstelle, dass die Soforthilfe nicht oder nicht in der vollen gewährten Höhe benötigt werde.
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Mit Schriftsatz vom 18.08.2023 führt der Bevollmächtigte der Klägerin ergänzend aus, Ziffer 6.1 der Richtlinie enthalte einen Vorbehalt der Bewilligungsbehörde, die Angaben im Antragsformular und die wirtschaftlichen Verhältnisse zu überprüfen. Dies könne nur so verstanden werden, dass diese Überprüfung im Rahmen der Entscheidung über den Antrag erfolge und damit als solche bis zur Verbescheidung zulässig sei. Soweit vom Richtliniengeber ein nachträgliches förmliches Überprüfungsverfahren in der vom Beklagten durchgeführten Weise gewollt gewesen sei, hätte es die Aufnahme einer derartigen nachträglichen Überprüfung in die Richtlinie bedurft. Ziffer 6.1 beziehe sich aber nur auf die Überprüfung im Bewilligungsverfahren. Das Wort „nachträglich“ fehle gerade. Unter Ziffer 6.5 der Richtlinie werde eine Rückerstattungspflicht ausschließlich daran geknüpft, dass falsche oder unvollständige Angaben bei der Antragstellung gemacht worden seien. Der Klägerin könne keinesfalls vorgeworfen werden, wissentlich und willentlich falsche oder unvollständige Angaben gemacht zu haben. Ob letztlich der prognostizierte Liquiditätsengpass tatsächlich eintrete, sei nach Sinn und Zweck der Richtlinie, welche insbesondere unbürokratische Hilfe leisten solle, unbeachtlich. Vom Richtliniengeber seien von vornherein gewissen Unschärfen in Kauf genommen worden. Daher komme eine Rückforderung vorliegend nicht in Betracht. Dergestalt hätten sich bei der Verkündung der Hilfen dieses ersten Programmes auch verantwortliche Politiker geäußert.
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Mit Schriftsatz vom 07.09.2023 trug die Klägerseite weiterhin vor, als Anlage zum Schriftsatz vom 18.08.2023 sei die Regierungserklärung des bayerischen Ministerpräsidenten vom 19.03.2020 vorgelegt worden, in welcher die Nichtrückzahlbarkeit ausdrücklich erklärt worden sei. Nachdem sich der Beklagte hierzu nicht erklärt habe, sei davon auszugehen, dass diese Tatsache als unstreitig anzusehen sei.
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Mit Schriftsatz vom 26.09.2023 trug die Regierung von … ergänzend vor, es werde nochmals darauf hingewiesen, dass die Soforthilfe als Billigkeitsleistung gewährt worden sei. Dies bedeute jedoch nicht, dass es sich bei der Soforthilfe um eine Leistung handele, die – wovon die Klägerseite auszugehen scheine – vom Leistungsempfänger einschränkungslos behalten werden dürfe. So sei unter anderem im Fall einer Überkompensation die übermäßig erhaltene Soforthilfe zurückzuzahlen. Hierauf sei auch in den FAQ zur Soforthilfe Corona ausdrücklich hingewiesen worden. Die Soforthilfe als Billigkeitsleistung sei zwar als solche ein sogenannter nicht rückzahlbarer Zuschuss. Gleichwohl könne diese – wie auch andere staatliche Zuwendungen aus dem Bereich der Billigkeitsleistungen – unter anderem bei nicht zweckentsprechender Verwendung (teilweise) widerrufen werden. Warum die Art. 48 ff. BayVwVfG hier nicht anwendbar sein sollten, erhelle nicht. Dass die Soforthilfegewährung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung der ordnungsgemäßen Verwendung und gegebenenfalls Rückforderung stehe, habe sich für die Klägerseite zweifelsfrei aus den Nebenbestimmungen in den Ziffern 7 und 8 zum Bewilligungsbescheid vom 16.04.2020 ergeben.
18
Mit Schriftsatz vom 18.10.2023 erklärte der Bevollmächtigte der Klägerin, die Aussage in der Regierungserklärung vom 19.03.2020 sei eine Richtlinie des bayerischen Ministerpräsidenten im Sinne von Art. 47 Abs. 2 BV, zumal die Erklärung gegenüber dem Landtag abgegeben worden sei. Das vom Beklagten dargelegte Verwaltungshandeln stehe im Widerspruch zu der vom Bayerischen Ministerpräsidenten bestimmten Richtlinie und verletzte dessen Richtlinienkompetenz. Das Verwaltungshandeln sei damit verfassungswidrig und der Klage sei stattzugeben.
19
Mit Schriftsätzen vom 31.08.2023 bzw. 07.09.2023 erklärten sich die Beteiligten mit einem Urteil im schriftlichen Verfahren durch den Einzelrichter einverstanden.
20
Mit Präsidiumsbeschluss vom 22.11.2023 wurde das zunächst von der 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Bayreuth bearbeitete Verfahren (früheres Az. B 8 K 23.378) zum 01.12.2023 auf die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Bayreuth übertragen und nunmehr unter dem Az. B 7 K 23.378 geführt.
21
Mit Beschluss der Kammer vom 17.01.2024 wurde der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
22
Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
23
Mit Einverständnis der Beteiligten kann der Berichterstatter als Einzelrichter über die Klage durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 6, § 101 Abs. 2 VwGO).
24
Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg. Der Bescheid vom 11.04.2023 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Der Teilwiderruf (Ziff. 1 des Bescheids vom 11.04.2023) der mit Bescheid vom 16.04.2020 gewährten Soforthilfe ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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Rechtsgrundlage für den Widerruf der Zuwendung ist Art. 49 Abs. 2a Satz 1 BayVwVfG. Nach dieser Vorschrift kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird (Nr. 1) oder wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist erfüllt hat (Nr. 2).
27
a) Gemessen hieran geht die Regierung von … zutreffend davon, dass der Tatbestand der „Zweckverfehlung“ i.S.d. Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG vorliegt.
28
aa) Bei der Ermittlung des Zwecks einer Zuwendung ist auf den Wortlaut des Zuwendungsbescheids, die diesem zugrundeliegenden Bewilligungsgrundlagen (Förderantrag und Richtlinien für die Unterstützung der von der Corona-Virus-Pandemie (COVID-19) geschädigten gewerblichen Unternehmen und Angehörigen freier Berufe des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschafts-, Landesentwicklung und Energie vom 17.03.2020) sowie analog § 133 BGB auf den objektiven Gehalt der Erklärung aus Sicht des Empfängers und auf die dem Begünstigten bekannten und erkennbaren Umstände abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 11.2.1983 – 7 C 70.80 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 25.1.2021 – 6 ZB 20.2162 – juris Rn. 9; VG Bayreuth, U.v. 18.12.2023 – B 7 K 22.800 – juris).
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Gemäß Ziffer 1 Satz 3 der vorstehenden Richtlinien soll mit den im Rahmen des Sofortprogramms ausgereichten Finanzenhilfen den in Folge der COVID-19-Pandemie wirtschaftlich betroffenen Unternehmen und Angehörigen freier Berufe eine Soforthilfe gewährt werden, insbesondere um die wirtschaftliche Existenz der Unternehmen und Freiberufler zu sichern, Liquiditätsengpässe nachrangig zu kompensieren und Arbeitsplätze zu erhalten. Antragsvoraussetzung ist gemäß Ziffer 2 der Richtlinien u.a. die glaubhafte Versicherung des Antragstellers, dass er durch die Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist, die seine Existenz gefährden, weil die fortlaufenden Einnahmen aus dem Geschäftsbetrieb voraussichtlich nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten in den auf die Antragstellung folgenden drei Monaten aus dem laufenden erwerbsmäßigen Sach- und Finanzaufwand zu zahlen (Liquiditätsengpass). Die streitgegenständliche Soforthilfe erfolgt gemäß Ziffer 5 Satz 1 der Richtlinien als Billigkeitsleistung nach Art. 53 BayHO gestaffelt nach der Zahl der Erwerbstätigen und beträgt bei bis zu fünf Erwerbstätigen 5.000,00 EUR, wobei gemäß Ziffer 5 Satz 3 der Richtlinien Obergrenze für die Höhe der Soforthilfe der Betrag des durch die Corona-Krise verursachten Liquiditätsengpasses ist. Darüber hinaus verweist auch die Regierung von … unter Ziffer 1 der „Maßgaben“ zum Bewilligungsbescheid vom 16.04.2020 auf die Zweckgebundenheit der streitgegenständlichen „Soforthilfe Corona“, die ausschließlich zur Kompensation von seit dem 11.03.2020 in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie entstandenen Liquiditätsengpässen diene.
30
Die Regierung von … geht daher – auch im Widerrufsbescheid – zutreffend davon aus, dass das tatsächliche Vorhandensein eines Liquiditätsengpasses sachliche Grundlage für die Gewährung der streitgegenständlichen Soforthilfe dem Grunde und der Höhe nach ist.
31
bb) Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist die Regierung als Bewilligungsstelle gleichwohl berechtigt, das tatsächliche Vorhandensein eines Liquiditätsengpasses nachträglich zu überprüfen.
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(1) Dem steht insbesondere Ziffer 6 der streitgegenständlichen Richtlinien nicht entgegen. Nach Ziffer 6.1 Satz 1 der Richtlinien behält sich die Bewilligungsbehörde eine Überprüfung der Angaben im Antragsformular und der wirtschaftlichen Verhältnisse vor. Aus dieser Formulierung kann jedoch nicht geschlossen werden, dass es der Bewilligungsbehörde verwehrt ist, das tatsächliche Vorhandensein eines Liquiditätsengpasses – der wie oben dargestellt, das maßgebliche Kriterium für die Förderberechtigung ist – auch (noch) nachträglich zu überprüfen. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die einschlägige Soforthilfe zügig und unbürokratisch ausgezahlt wurde, um wirtschaftliche Schwierigkeiten der betroffenen Unternehmen zumindest teilweise zeitnah zu kompensieren. Darüber hinaus verweist die Regierung von … zutreffend auf Ziffer 10 Satz 5 der Richtlinien, wonach die Bewilligungsbehörden zumindest stichprobenartig eine hinreichende Prüfung der erfolgten Bewilligung unter Vorlage von Belegen zu gewährleisten haben, was denknotwendigerweise voraussetzt, dass eine derartige Prüfung erst im Nachgang zur Verbescheidung der Bewilligung erfolgen kann. Letztlich verfängt auch der Verweis der Klägerseite auf Ziffer 6.5 der Richtlinien nicht. Demnach ist der Empfänger der Förderung verpflichtet, die gewährte Finanzhilfe zurückzuerstatten, wenn die Gewährung der Finanzhilfe auf falschen oder unvollständigen Angaben bei der Antragstellung beruht. Insoweit handelt es sich vielmehr um einen „Spezialfall“ der Verpflichtung zur Rückerstattung bei falschen oder unvollständigen Angaben im Rahmen der Antragstellung, der jedoch die Berechtigung der Bewilligungsstelle, eine nachträgliche Überprüfung des Vorhandenseins eines tatsächlichen Liquiditätsengpasses – und damit eine Prüfung der möglichen Zweckverfehlung der Zuwendung – vorzunehmen, nicht ausschließt.
33
(2) Basierend auf das vorstehende – rechtlich nicht zu beanstandende – Verständnis der Richtlinien hat sich die Regierung von … unter Ziffer 8 der „Maßgaben“ zum Bewilligungsbescheid vom 16.04.2020 in zulässiger Weise eine Überprüfung der Verwendung der Soforthilfe im Einzelfall vorbehalten. Darüber hinaus regelt Ziffer 7 der „Maßgaben“ zum Bewilligungsbescheid vom 16.04.2020 den Vorbehalt eines (Teil-)Widerrufs des Bescheids bis zur Höhe des tatsächlichen Mittelbedarfs, falls sich der Mittelbedarf zur Sicherung der wirtschaftlichen Existenz – entgegen der im Bewilligungszeitpunkt nur möglichen Prognoseentscheidung – reduziert. Die vorstehenden und bestandskräftigen Bestimmungen des Bewilligungsbescheids vom 16.04.2020 sind daher noch präziser gefasst, als die entsprechenden Regelungen der Richtlinien. Die Regierung von … ist daher auf Grundlage des bestandskräftigen Bescheids vom 16.04.2020 erst recht berechtigt, das Vorhandensein eines tatsächlichen Liquiditätsengpasses nachträglich zu überprüfen und bei Überkompensation entsprechende Widerrufs- und Rückforderungsmaßnahmen einzuleiten.
34
cc) Im Übrigen weist das Gericht ergänzend darauf hin, dass die streitgegenständliche Förderung als Billigkeitsleistung ohne eigene gesetzliche Rechtsgrundlage erbracht wurde. Der Antragsteller hat daher grundsätzlich nur einen Anspruch darauf, nach einem aufgestellten Verteilungsprogramm willkürfrei und im Rahmen des Gleichbehandlungsgrundsatzes behandelt zu werden (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 23 ff.; VG Würzburg, U.v. 15.11.2021 – W 8 K 21.861 – juris Rn. 27 ff.). Insofern kommt es auf die Interpretation der Klägerin, wann nach der Richtlinie eine Überprüfung stattzufinden hat, grundsätzlich nicht an. Maßgeblich ist in erster Linie die vom Beklagten angewandte Behördenpraxis, die vorliegend zudem nicht zu beanstanden ist, da insbesondere keine Willkür oder Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber anderen Antragstellern im streitgegenständlichen Förderprogramm ersichtlich ist (vgl. auch VG Bayreuth, U.v. 18.12.2023 – B 7 K 23.800 – juris).
35
dd) Im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids (vgl. hierzu bspw. BayVGH, B.v. 25.1.2021 – 6 ZB 20.2162 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 27.2.2023 – 22 ZB 22.2254 – juris Rn. 14; VG Saarland, U.v. 6.12.2023 – 1 K 467/23 – juris Rn. 71 ff. m.w.N.; VG Bayreuth, U.v. 18.12.2023 – B 7 K 23.800 – juris) ist der Teilwiderruf der gewährten Soforthilfe auch der Höhe nach rechtmäßig. Bedenken dahingehend, dass für den streitgegenständlichen Zeitraum nur ein Betrag in Höhe von 849,93 EUR förderfähig ist, wurden weder (substantiiert) vorgetragen, noch ist für das Gericht aufgrund der vorgelegten Unterlagen anderweitig eine Fehlerhaftigkeit der Berechnung durch den Beklagten ersichtlich (zur Berechnung des Liquiditätsengpasses vgl. bspw. VG Würzburg, U.v. 19.4.2021 – W 8 K 20.1732 – juris Rn. 38 ff.)
36
b) Letztlich hat die Regierung von … auch im Übrigen ihr Widerrufsermessen im Rahmen des Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayVwVfG pflichtgemäß ausgeübt. Insoweit verweist das Gericht zunächst auf die nicht zu beanstandenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid. Soweit die Klägerseite sinngemäß vorträgt, nach den seinerzeitigen Verlautbarungen der Mitglieder der Bayerischen Staatsregierung, insbesondere der Regierungserklärung des Bayerischen Ministerpräsidenten vom 19.03.2020, sei es unerheblich, ob der prognostizierte Liquiditätsengpass tatsächlich eingetreten sei und dementsprechend sei das Verwaltungshandeln des Beklagten aufgrund des Widerspruchs zu einer vom Bayerischen Ministerpräsidenten bestimmten Richtlinie verfassungswidrig, führen diese Einlassungen nicht dazu, dass der Teilwiderruf ermessensfehlerhaft bzw. verfassungswidrig wäre. Zwar kündigte der Bayerische Ministerpräsident in der Regierungserklärung vom 19.03.2020 die Zahlung einer direkten „Soforthilfe an alle Betriebe, die durch die Maßnahmen unmittelbar in Not geraten sind“ an (vgl. Seite 15 unten der Regierungserklärung). Dabei erhalten die betroffenen Betriebe „eine schnelle und unbürokratische Soforthilfe von 5.000,00 EUR bis zu 30.000,00 EUR, die nicht zurückgezahlt werden muss“ (vgl. Seite 16 oben der Regierungserklärung vom 19.03.2020). Diese Äußerung des Bayerischen Ministerpräsidenten ist aber keinesfalls dahingehend zu verstehen, dass die unbürokratisch ausgezahlte Soforthilfe auch dann nicht zurückgezahlt werden muss, wenn bzw. soweit kein tatsächlicher Liquiditätsengpass vorhanden ist. Dies wird schon daraus deutlich, dass die Regierungserklärung eine Soforthilfe für Betriebe angekündigt hat, die durch die Corona-Maßnahmen unmittelbar in Not geraten sind, d.h. die tatsächlich in einen Liquiditätsengpass geraten sind. Dementsprechend ist zwar der Klägerseite dahingehend beizupflichten, dass – wie auch den im Nachgang zur Regierungserklärung erlassenen streitgegenständlichen Richtlinien zu entnehmen ist – die „Soforthilfe Corona“ als „nicht zurückzahlbarer verlorener Zuschuss“ und gerade nicht als Darlehen oder dergleichen ausgestaltet ist. Dem steht aber – wie ausgeführt – nicht entgegen, dass die Förderfähigkeit nur in Höhe des tatsächlichen Liquiditätsengpasses besteht und daher gegebenenfalls überbezahlte Zuwendungen nachträglich zurückgefordert werden können. Daher besteht auch insoweit keinerlei „Vertrauensschutz“ bei der Klägerin.
37
2. Gegen die unter Ziffer 2 des streitgegenständlichen Bescheids angeordnete (Teil-)Rückerstattung der Zuwendung in Höhe von 4.150,07 EUR, die ihre Rechtsgrundlage in Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG findet, sowie gegen die gem. Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG dem Grunde nach verfügte Verzinsung des zu erstattenden Betrages (Ziffer 3 des Bescheids), sind – über die bereits unter 1. abgehandelten Aspekte hinaus – rechtliche Bedenken weder vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis bedurfte es angesichts der allenfalls geringen vorläufig vollstreckbaren Kosten des leistungsfähigen Beklagten nicht.