Inhalt

VGH München, Beschluss v. 20.03.2024 – 9 ZB 21.2531
Titel:

Erfolgloser Berufungszulassungsantrag eines Nachbarn gegen Nutzungsänderung für gastronomische und Beherbergungszwecke

Normenketten:
VwGO § 108 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 1 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4
BauGB § 34 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
BauNVO § 4
BImSchG § 3 Abs. 1
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
Leitsätze:
1. Der Berufungszulassungsgrund der ernstlichen Richtigkeitszweifel ist wegen einer fehlerhaften Beweiswürdigung nur dann gegeben, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind, und folglich  alleine die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme die Zulassung der Berufung gerade nicht rechtfertigt. (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Baugenehmigung ist aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann, wobei sich der Inhalt der Baugenehmigung nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen, bestimmt. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarklage gegen Gastronomie- und Beherbergungsbetrieb, Gemengelage, Umgriff der näheren Umgebung, Rücksichtnahmegebot, Zumutbare Lärmimmissionen, Bestimmtheit von Nebenbestimmungen., Berufungszulassung, ernstliche Zweifel, besondere Schwierigkeiten, rechtsgrundsätzliche Bedeutung, Sachverhaltsermittlung, Nachbarklage, Baurecht, Nutzungsänderung, Gastronomiebetrieb, Beherberungsbetrieb, unbeplanter Innenbereich, Einfügen, Lärmimmissionen, Geruchsimmissionen, nähere Umgebung, Gebietserhaltung
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 22.07.2021 – W 5 K 20.717
Fundstelle:
BeckRS 2024, 6264

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 12.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin wendet sich als Grundstückseigentümerin gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung (1. Änderungsantrag) für die Nutzungsänderung für gastronomische und Beherbergungszwecke und den Neubau eines Verbindungsbaus auf dem unmittelbar südlich angrenzenden Vorhabengrundstück.
2
Die gegen den Bescheid vom 24. April 2020 gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 22. Juli 2021 abgewiesen, da die Baugenehmigung die Klägerin nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletze. Das Bauvorhaben liege im unbeplanten Innenbereich, der keinem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete entspreche, sondern sich als Gemengelage mit überwiegender Wohnnutzung und Mischgebietselementen darstelle. Die Klägerin könne keine Verletzung des sog. Gebietsbewahrungs- oder Gebietserhaltungsanspruchs geltend machen. Auch liege weder ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot vor, insbesondere seien die festgesetzten Immissionsrichtwerte sachgerecht und aufgrund entsprechender Nebenbestimmungen einhaltbar, noch verstieße das Bauvorhaben gegen nachbarschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts.
3
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzziel weiter und macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, den Zulassungsgrund der Divergenz sowie Verfahrensmängel geltend. Der Beklagte sowie die Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil.
II.
4
1. Der Zulassungsantrag bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht ausreichend dargelegt, liegen jedenfalls nicht vor.
5
a) Die Klägerin macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils geltend (§ 124 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Ob solche Zweifel bestehen, ist im Wesentlichen anhand dessen zu beurteilen, was sie innerhalb offener Frist (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) hat darlegen lassen (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus ergeben sich solche Zweifel nicht.
6
aa) Die Einordnung der näheren Umgebung des Baugrundstücks als Gemengelage durch das Verwaltungsgericht ist nicht zu beanstanden.
7
Sowohl mit dem Einwand, dass der Umgriff, den das Verwaltungsgericht zur Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB gewählt habe, zu weit sei, als auch mit ihrem Vorbringen, das Gebiet sei als allgemeines Wohngebiet nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 BauNVO einzuordnen, kann die Klägerin nicht durchdringen. Das Verwaltungsgericht hat vor dem Hintergrund des von ihm durchgeführten Augenscheins sowie unter Heranziehung der vorhandenen Lagepläne, Licht- und Luftbilder ausführlich und schlüssig dargelegt, weshalb es von einer gegenseitigen Beeinflussung des Bauvorhabens und des Rathauses bzw. des Gebäudes der Verwaltungsgemeinschaft ausgeht (UA S. 21 ff.) sowie den übrigen rahmenbildenden Einzugsbereich, der den Malerbetrieb mit umfasst, nachvollziehbar begründet (UA S. 22). Gleiches gilt für die Einordnung der Umgebung der klägerischen Grundstücke als Gemengelage. Im Übrigen wendet sich die Klägerin mit ihren Darlegungen gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Es würdigt den Prozessstoff auf seinen Aussage- und Beweiswert für die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen nur nach der ihm innewohnenden Überzeugungskraft. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist wegen einer fehlerhaften Beweiswürdigung daher nur dann gegeben, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder beispielsweise wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt dementsprechend die Zulassung der Berufung gerade nicht (vgl. BayVGH, B.v. 21.1.2013 – 8 ZB 11.2030 – juris Rn. 17 m.w.N.; B.v. 28.11.2019 – 9 ZB 16.2300 – juris Rn. 7). Derartige durchgreifende rechtliche Bedenken gegen die Sachverhaltsermittlung, Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts ergeben sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht.
8
bb) Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung nachbarschützender Vorschriften berufen.
9
Eine solche käme nur in Betracht, wenn das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot, das auch im unbeplanten Innenbereich über das Einfügensgebot des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB Geltung beansprucht, verletzt wäre (BVerwG U.v. 13.3.1981 – 4 C 1/78 – juris Rn. 32; U.v. 28.10.1993 – 4 C 5/93 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 25.10.2010 – 2 CS 10.2344 – juris Rn. 10). Ob den Anforderungen des Rücksichtnahmegebots genügt ist, hängt davon ab, was den Betroffenen nach Lage der Dinge zuzumuten ist. Treffen verschiedenartige Nutzungen aufeinander und treten hierbei Immissionskonflikte auf, so ist bei der Beurteilung der Zumutbarkeit auf die Begriffsbestimmungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes zurückzugreifen, in denen das Rücksichtnahmegebot ebenso eine spezielle gesetzliche Ausprägung erfahren hat wie in dem Gebot des Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB. Danach sind Immissionen unzumutbar, die im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG geeignet sind, erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft hervorzurufen (vgl. BVerwG, U.v. 30.9.1983 – 4 C 74.78 – juris Rn. 13; U.v. 24.9.1992 – 7 C 7.92 – juris Rn. 17 f.). Wo die Erheblichkeitsgrenze verläuft, richtet sich nach der Schutzwürdigkeit und der Schutzbedürftigkeit der Umgebung (U.v. 27.8.1998 – 4 C 5/98 – juris Rn. 30.).
10
Die Klägerin wendet sich gegen die von dem Betrieb der Gaststätte der Beigeladenen zu erwartenden Lärm- und Geruchsimmissionen. Das Verwaltungsgericht hat unter Zugrundelegung der oben dargelegten Maßstäbe eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots durch die von der Beklagten festgesetzten Lärmgrenzwerte von tagsüber 56,5 dB(A) und nachts 41,5 dB(A) verneint. Die hiergegen angeführten Einwendungen der Klägerin können die Richtigkeit des Urteils nicht infrage stellen.
11
(1) Der Annahme der Klägerin, dass zur Beurteilung der Unzumutbarkeit der Lärmimmissionen auf die Werte eines allgemeinen Wohngebiets abzustellen sei, kann nicht gefolgt werden. Wie oben dargelegt, befinden sich die streitgegenständlichen Grundstücke nicht in einem faktischen allgemeinen Wohngebiet, sondern es treten neben die Wohnnutzung weitere Vorhaben, die in einem allgemeinen Wohngebiet nach § 4 BauNVO auch nicht ausnahmsweise zulässig sind (s.o.). Dementsprechend ist aufgrund der im Umgriff liegenden verschiedenen Nutzungen und ihrer damit einhergehenden unterschiedlichen Schutzwürdigkeit als Ergebnis des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme für die Bestimmung der Zumutbarkeit der Lärmimmissionen ein Wert zu ermitteln, der die Ortsüblichkeit sowie die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt (vgl. BVerwG, B.v. 28.9.1993 – 4 B 151/93 – juris Rn. 12). Diese Maßstäbe hat das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt, indem es auf die überwiegend vorhandene Wohnnutzung insoweit abgestellt hat, als es sich bei der Bestimmung der Lärmgrenzwerte in erster Linie an den in der TA-Lärm für ein allgemeines Wohngebiet genannten Immissionsrichtwerten orientiert und diese im Hinblick auf die konkreten Verhältnisse leicht erhöht hat. Soweit die Klägerin hingegen der Auffassung ist, dass jedenfalls für den Nachtzeitraum die Hinweise der Länderarbeitsgemeinschaft Immissionsschutz zur Auslegung der TA-Lärm in der Fassung des Beschlusses zu TOP 9.4 der 133. LAI-Sitzung vom 22. und 23. März 2017 entsprechend anzuwenden sind, die für besondere Wohngebiete im Sinne von § 4a BauNVO die Anwendung der Immissionsrichtwerte von 60 dB(A) tags bzw. 40 dB(A) nachts empfehlen, hat das Verwaltungsgericht eine analoge Anwendbarkeit aufgrund mangelnder Vergleichbarkeit zutreffend verneint, da bei einem besonderen Wohngebiet gerade der künftige Wohngebietscharakter im Vordergrund steht (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand Februar 2023, § 4a BauNVO Rn. 29). Gegen die Vergleichbarkeit spricht zudem, dass selbst die Klägerin eine Heranziehung der LAI-Hinweise nur für die Nachtwerte für entsprechend anwendbar hält.
12
(2) Dass der vom Bauvorhaben ausgehende Lärm entgegen den vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Ergebnissen der schalltechnischen Begutachtungen im Baugenehmigungsverfahren und trotz der in der Baugenehmigung enthaltenen Nebenbestimmungen zum Immissionsschutz unzumutbare Belästigungen für die Klägerin hervorrufen würde, ist im Zulassungsvorbringen nicht substantiiert dargelegt. Die von der Klägerin geltend gemachte Unbestimmtheit und Widersprüchlichkeit der angefochtenen Baugenehmigung liegen nicht vor.
13
Nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss die Genehmigung hinreichend bestimmt sein, d.h. die im Bescheid getroffene Regelung muss – gegebenenfalls nach Auslegung – eindeutig zu erkennen und einer unterschiedlichen subjektiven Bewertung nicht zugänglich sein. Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen. Nachbarn müssen zweifelsfrei feststellen können, ob und in welchem Umfang sie betroffen sind. Eine Verletzung von Nachbarrechten liegt vor, wenn die Unbestimmtheit der Baugenehmigung ein nachbarrechtlich relevantes Merkmal betrifft. Eine Baugenehmigung ist daher aufzuheben, wenn wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht eindeutig ausgeschlossen werden kann. Der Inhalt der Baugenehmigung bestimmt sich dabei nach der Bezeichnung und den Regelungen im Baugenehmigungsbescheid, der konkretisiert wird durch die in Bezug genommenen Bauvorlagen (vgl. BayVGH, B.v. 1.2.2022 – 9 ZB 19.1400 – juris Rn. 8 m.w.N.).
14
Soweit die Klägerin die Annahme des Verwaltungsgerichts, die immissionsschutzrechtlichen Nebenbestimmungen seien bestimmt genug, in sich nicht widersprüchlich und geeignet, die vorgegebenen Zwischenwerte einzuhalten, für falsch hält, so fehlt es bereits an der Einhaltung des in § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO enthaltenen Darlegungsgebots. Danach ist eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrunds sowie eine erkennbare Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs, vor allem eine substanzielle Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil zu fordern. Dazu muss ein Rechtsmittelführer im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen die Annahmen des Verwaltungsgerichts ernstlichen Zweifeln begegnen (vgl. BayVGH, B.v. 14.4.2020 – 9 ZB 18.2090 – juris Rn. 9 m.w.N.). Dem genügt das Vorbringen der Klägerin nicht, die insoweit überwiegend ihr erstinstanzliches Vorbringen – in weiten Teilen sogar wortgetreu – wiederholt oder der gerichtlichen Auffassung lediglich ihre eigene entgegensetzt, ohne Logikbrüche oder Widersprüche in den vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnissen aufzuzeigen. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die getroffenen Nebenbestimmungen geeignet sind, die Immissionsgrenzwerte gegenüber der Klägerin einzuhalten. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird daher gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen und von einer weiteren Begründung abgesehen. Lediglich ergänzend bleibt im Hinblick auf das Vorbringen im Zulassungsverfahren Folgendes zu bemerken:
15
Die Klägerin trägt vor, es gebe keine Begrenzung der Familienfeiern und sonstigen geschlossenen Gesellschaften, diese seien täglich bis 1:00 Uhr erlaubt, was in der Schallimmissionsprognose nicht berücksichtigt sei. Hierzu hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass die Gutachterin sich in der mündlichen Verhandlung dahingehend geäußert habe, dass auch in den fraglichen Nachtstunden von 23:00 bis 1:00 Uhr der gesetzte Immissionsrichtwert einhaltbar sei (Protokoll über die mündliche Verhandlung S. 4; UA S. 40). Dieser Bewertung ist das Verwaltungsgericht gefolgt; ihr wurde von Seiten der Klägerin nichts Stichhaltiges entgegengesetzt.
16
Auch die weitere Rüge der Klägerin, Hochzeitsfeiern seien fälschlicher Weise als Feiern mit mittleren Innenpegeln, Geräuschstufe G III, eingestuft worden, obwohl nach Ziffer 4.4 des Gutachtens hier unter Umständen höhere Pegel auftreten könnten, greift nicht. Veranstaltungen mit hohen Innenpegeln sind nach den Ausführungen im Immissionsgutachtens nicht geplant. Es ist daher folgerichtig, den Innenpegel für Veranstaltungen in Anlehnung an die VDI RL 3726 – Schallschutz bei Gaststätten und Kegelbahnen – der Schallimmissionsprognose zugrunde zu legen.
17
Auch das Argument der Klägerin, der Schallimmissionsprognose sei bezüglich der Nachtzeit eine Nutzung nur in bestimmten Bereichen des Gebäudes zugrunde gelegt worden, obgleich die Genehmigung eine weitergehende Nutzung ermögliche, verfängt nicht. Das Verwaltungsgericht hat aufgrund der in der mündlichen Verhandlung von der Gutachterin gemachten Erläuterungen ausgeführt, dass auch bei Veranstaltungen in den Räumlichkeiten der Gastwirtschaft, die über den Regelbetrieb von 23:00 Uhr hinausgingen, der Wert von 41,5 dB(A) eingehalten werden könne (UA S. 40 f.). Gegen diese Beurteilung wendet sich die Klägerin nicht.
18
Mit dem Vorbringen der Klägerin, die Schallimmissionsprognose gehe von einer Nutzung des Raucherbereichs von zehn Prozent der Gäste aus, was im Zeitpunkt ihrer Erstellung den sechs zugrunde gelegten Personen entsprochen habe, nach Tektur jedoch rechnerisch 7,5 Personen seien, hat sich das Verwaltungsgericht in seinen Entscheidungsgründen auseinandergesetzt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass es selbst bei einer Verdoppelung der Raucherzahl lediglich zu einer Erhöhung von 3 dB(A) komme und damit eine Lärmbelastung von 22,7 dB(A) bzw. 23,1 dB(A) zugrunde zu legen sei (UA S. 43). Für die von der Klägerin weiterhin befürchtete Verlegung der Veranstaltung in den Raucherbereich und damit eine Nutzung der Terrasse trotz einer entsprechenden Untersagung sind keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich. Eine derartige – genehmigungswidrige – Nutzung des Terrassenbereichs läge nur dann im Verantwortungsbereich des Betreibers, wenn er durch die Einrichtung dafür einen besonderen Anreiz geschaffen hat und er einem solchen Anreizen nicht mit zumutbaren angemessenen Mitteln entgegenwirkt (BayVGH, U.v. 6.2.2015 – 22 B 12.269 – juris; U.v. 30.11.1987 – 26 B 82 A.2088 – NVwZ 1989, 269 (272)). Allein die Eignung einer missbräuchlichen Nutzung genügt insoweit nicht (BVerwG, B.v. 29.5.1989 – 4 B 26.89 – juris Rn. 3 f.). Bisher sind außer einer reinen Vermutung der Klägerin keine Anzeichen dafür ersichtlich, dass es zu einer missbräuchlichen Nutzung kommen werde.
19
Der Einwand der Klägerin, das Verwaltungsgericht hätte zur Beurteilung der entstehenden Immissionen den Zu- und Abgang von Gästen auf öffentlichen Flächen berücksichtigen müssen, stellt die Richtigkeit des Urteils ebenfalls nicht infrage. Nummer 7.4 TA-Lärm, die nach den Ausführungen der Klägerin in diesem Fall nicht zugrunde gelegt werden dürfe, wurde weder in der Schallimmissionsprognose noch im verwaltungsgerichtlichen Urteil herangezogen. Soweit sie weiter auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 27. Juni 2002 – 14 S 2736/01 – verweist, ist das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 7.5 1996 – 1 C 10.95 – juris Rn. 35), anders als die von der Klägerin zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, davon ausgegangen, dass sich die zur bzw. von der Gaststätte bewegenden Gäste in den allgemeinen Verkehr integrierten, nicht mehr erkennbar als Ziel- bzw. Quellverkehr des Gastronomie- und Beherbergungsbetriebs in Erscheinung treten würden und daher dem Betrieb nicht zuzurechnen seien. Im Übrigen geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass selbst bei einer erkennbaren Zuordnung des Verhaltens der Gäste zur Gaststätte auf dem Weg zu oder von ihr nichts dafür ersichtlich sei, dass die Immissionswerte zulasten der Klägerin überschritten würden (UA S. 48). Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten.
20
Was die Berücksichtigung des Spielplatzes in der Schallimmissionsprognose angeht, setzt die Klägerin der nachvollziehbaren Darlegung des Verwaltungsgerichts, dass die Geräuschäußerungen der Kinder als sozialadäquat hinzunehmen seien und kein besonders gelagerter Ausnahmefall vorliege (UA S. 46), lediglich ihre eigene Auffassung entgegen. Zum behaupteten Fehler in der Schallimmissionsprognose betreffend die Vorbelastungen wiederholt die Klägerin in weiten Teilen wortgetreu ihre erstinstanzlichen Ausführungen und setzt den Ausführungen des Verwaltungsgerichts lediglich ihre eigene Wertung entgegen. Das genügt nicht dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
21
Die Klägerin kann auch mit der Behauptung nicht durchdringen, der Schutz der Außenwohnbereiche der umliegenden Wohnbebauung sei unberücksichtigt geblieben. Das Verwaltungsgericht hat sich mit dem entsprechenden Vortrag der Klägerin in seinem Urteil auseinandergesetzt (UA S. 49 f.). Das Zulassungsvorbringen wird schon dem Darlegungsgebot (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) nicht gerecht, wonach eine substanzielle Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil notwendig ist (BayVGH, B.v. 5.12.2019 – 9 ZB 18.1263 – juris Rn. 8). Die teilweise wortgetreue Wiederholung des erstinstanzlichen Vortrags sowie die Infragestellung der Entscheidung ohne die Ausführungen konkret zu diskutieren oder Fehler aufzuzeigen, genügt dem nicht. Im Übrigen stellt auch das Bundesverwaltungsgericht in der von der Klägerin zitierten Entscheidung fest, dass vom Grundsatz her die Annahme nicht zu beanstanden ist, „dass dem Schutz vor Kommunikationsstörungen im Außenwohnbereich nicht der gleiche Stellenwert beigemessen werden kann, der ihm im Gebäudeinneren, dem eigentlichen Mittelpunkt privater Lebensgestaltung, zukommt. (…) Das Wohnen im Freien ist nicht im gleichen Maße schutzwürdig wie das an eine Gebäudenutzung gebundene Wohnen. Wegen des Fehlens der Lärm dämmenden Wirkung von Umfassungswänden besteht für den Außenwohnbereich generell eine höhere Lärmerwartung (vgl. BVerwG, U.v. 29.1.1991 – BVerwG 4 C 51.89 – BVerwGE 87, 332, 386).“ Dass es vor diesem Hintergrund zu einer vom Vorhaben ausgehenden, das Rücksichtnahmeverbot verletzenden hohen Lärmbelästigung kommt, trägt die Klägerin auch nicht vor.
22
Schließlich führt auch ihre Kritik an der Nichtberücksichtigung des geplanten Bauvorhabens des Sohnes der Klägerin in der Schallimmissionsprognose nicht zur Unrichtigkeit des Urteils. Das Verwaltungsgericht hat dessen Genehmigungsfähigkeit verneint. Dies wurde von der Klägerin nicht in Abrede gestellt.
23
Die Einwendung der Klägerin, das Prioritätsprinzip sei unrichtig angewandt worden, verfängt bereits deshalb nicht, weil das Verwaltungsgericht als selbständig tragende Begründung zutreffend ausgeführt hat, dass selbst bei einem entsprechenden Verstoß keine Verletzung der Klägerin in ihren eigenen Rechten vorliege (UA S. 53) und dementsprechend ein solcher auch nicht zur Aufhebung der Baugenehmigung führen könne.
24
b) Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen. Die Klägerin benennt lediglich einzelne bereits im Rahmen der ernstlichen Zweifel geltend gemachten Einwendungen, geht jedoch hierüber nicht hinaus. Wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt, ist der Sachverhalt geklärt und die aufgeworfenen Rechtsfragen lassen sich ohne weiteres im Zulassungsverfahren beantworten (vgl. BayVGH, B.v. 27.7.2022 – 9 ZB 22.431 – juris Rn. 15).
25
c) Die Rechtssache hat auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2 m.w.N.; B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – BayVBl 2016, 104 Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, B.v. 4.6.2018 – 14 ZB 17.390 – juris Rn. 14 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer fristgerecht (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.).
26
Daran fehlt es, weil die Klägerin lediglich aufzählt, welche Fragen ungeklärt sind und behauptet, dass diese grundsätzlich klärungsbedürftig seien. Daraus erschließt sich nicht, inwieweit die Fragen entscheidungserheblich oder aber losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beantworten sein sollten. Gerade was die Bildung von Zwischenwerten angeht, ist auf den konkreten Einzelfall abzustellen; gleiches gilt für die Berücksichtigung des Zu- und Abgangsverkehrs sowie die Beurteilung der Sozialadäquanz von Kinderlärm. Als entscheidungserheblich für den konkreten Rechtsstreit stellt sich auch nicht die Frage, ob die Kenntnis oder die Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden Bebauung bereits die notwendige Berücksichtigung von Flächen als Immissionsort nach A 1.3 b) der Anlage zur TA-Lärm verlange, da mangels Genehmigungsfähigkeit des geplanten Vorhabens diese Voraussetzungen bereits nicht vorlagen. Ebenso wenig ist entscheidungsrelevant, ob auch geschützte Freibereiche vom Schutz des Rücksichtnahmegebots mit umfasst seien, da jedenfalls eine entsprechende hohe Lärmbelastung, die die für den Außenwohnbereich generell höhere Lärmerwartung überschreitet, nicht vorgetragen wurde. Gleiches gilt für den Anwendungsbereich und die Voraussetzungen des Prioritätsprinzips; da sich das verwaltungsgerichtliche Urteil neben der Annahme der Anwendbarkeit des Prioritätsprinzips auf eine selbständig tragende Begründung stützt, würde selbst dessen Verletzung nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheids führen.
27
d) Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) ist nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargetan (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 2.4.2019 – 9 ZB 16.597 – juris Rn. 15 m.w.N). Es fehlt an der Benennung divergierender, entscheidungserheblicher abstrakter Rechtssätze. Es sind bereits keine divergierenden Rechtssätze gegenübergestellt oder deren Entscheidungserheblichkeit dargetan (s.o.). Allein die Rüge einer fehlerhaften Anwendung eines Rechtssatzes, einer abweichenden Beurteilung des Einzelfalls durch das Verwaltungsgericht oder einer Ergebnisdivergenz vermag eine Divergenzrüge nicht zu begründen (vgl. BVerwG, B.v. 6.4.2016 – 1 B 22.16 – juris Rn. 7 f.).
28
e) Der Zulassungsantrag kann auch nicht mit Erfolg auf § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO gestützt werden.
29
Das Zulassungsvorbringen der Klägerin, das Gericht habe den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt und hätte selbst ein Gutachten bezüglich der Geruchsimmissionen des Bauvorhabens einholen müssen, lässt nicht auf eine Verletzung der gerichtlichen Amtsermittlungs- und Aufklärungspflicht schließen. Die Entscheidung darüber, ob ein – weiteres – Gutachten eingeholt werden soll, steht im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 VwGO) im pflichtgemäßen Ermessen des Tatsachengerichts (BVerwG, B.v. 28.3.2013 – 4 B 15.12 – juris Rn. 19; B.v. 18.5.2016 – 7 B 23.15 – juris Rn. 6). Grundsätzlich verwehrt es das Gebot des § 86 Abs. 1 VwGO dem Tatsachengericht nicht, sich bei der rechtlichen Würdigung auf den Tatsachenvortrag der Beteiligten, namentlich die von einer Behörde mit besonderer Sachkunde erstellten oder im Verwaltungsverfahren eingeholten Unterlagen zu stützen. Unterbleibt die Einholung von (zusätzlichen) Gutachten, liegt darin nur dann ein Aufklärungsmangel, wenn sich dem Gericht eine weitere Beweiserhebung aufdrängen musste. So sind Gutachten und fachtechnische Stellungnahmen ungeeignet, wenn sie grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sie von unzutreffenden Voraussetzungen ausgehen, wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht, ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegenere Forschungsmittel oder größere Erfahrung verfügt oder wenn das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird (BVerwG, B.v. 21.12.2010 – 7 B 4.10 – juris Rn. 20; BayVGH, B.v. 15.1.2014 – 15 ZB 12.163 – juris Rn. 13). Reicht ein bereits eingeholtes Gutachten oder eine fachtechnische Stellungnahme jedoch aus, um das Gericht in die Lage zu versetzen, die entscheidungserheblichen Fragen sachkundig beurteilen zu können, ist die Einholung eines weiteren Gutachtens weder notwendig noch veranlasst (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 6.2.1985 – 8 C 14/84 – BVerwGE 71, 38 = juris Rn. 16, 23; BayVGH, B.v. 20.9.2014 – 15 ZN 13.568 – juris Rn. 12).
30
Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt der gerügte Verfahrensmangel nicht vor. Dass sich dem Verwaltungsgericht ausgehend von diesen Maßstäben die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens hätte aufdrängen müssen, legt der Zulassungsantrag nicht dar. Hierfür reicht insbesondere der Hinweis darauf, dass die mündlichen Aussagen der Fachkraft für Immissionsschutz nicht genügten und es an einer schriftlichen Stellungnahme auf Beklagtenseite fehle, nicht aus. Vielmehr hätte dargelegt werden müssen, warum die Erwägungen, auf die das Verwaltungsgericht seine Folgerungen stützt, nicht tragfähig sind. Dazu kann dem Zulassungsantrag nichts Substantielles entnommen werden.
31
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladene im Zulassungsverfahren einen Antrag gestellt sowie begründet und damit einen rechtlich die Sache förderlichen Beitrag geleistet hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten erstattet erhält (§ 154 Abs. 3‚ § 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 und entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
32
3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).