Titel:
Keine Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 6 VwGO, wenn sich das Grundstück des Antragstellers nicht im Bereich der Außenbereichsänderungssatzung befindet
Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 6
BauGB § 35 Abs. 6
Leitsatz:
Liegt das Grundstück des Antragstellers nicht im Geltungsbereich der maßgeblichen Außenbereich-Änderungssatzung, fehlt dem Antragsteller die Antragsbefugnis für eine einstweilige Anordnung auf Außervollzugssetzung der Änderungssatzung bis zur Entscheidung über einen Normenkontrollantrag. Dabei ist anerkannt, dass sich auf Grundeigentümer im Geltungsbereich einer Außenbereichssatzung die Erwägungen, die für die Antragsbefugnis eines Grundeigentümers gegen einen Bebauungsplan gelten, der Festsetzungen für sein Grundstück trifft, nicht übertragen lassen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrollantrag gegen eine Außenbereichssatzung, Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, Fehlende Antragsbefugnis, fehlende Antragsbefugnis, Normenkontrollantrag, einstweilige Anordnung, Antragsbefugnis, Außenbereich, Baurecht, Außenbereichssatzung, Grundstück, Planbereich, Übertragbarkeit
Fundstelle:
BeckRS 2024, 624
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 10.000 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die 1. Änderung der Außenbereichssatzung Nr. 11 „W.“, die die Antragsgegnerin am 16. Mai 2023 als Satzung beschlossen und am 16. Juni 2023 bekanntgemacht hat.
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Der Antragsteller ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks FlNr. …4, Gemarkung R., das im bauplanungsrechtlichen Außenbereich und innerhalb des Umgriffs der Außenbereichssatzung Nr. 11 „W.“, bekanntgemacht am 21. Juli 2017, liegt. Das Plangebiet der Außenbereichssatzung umfasst Wohngebäude und zwei landwirtschaftliche Anwesen, von denen nur eines im Nebenerwerb betrieben wurde. Die Bebauung befindet sich nördlich der W. Straße, ein Anwesen liegt südlich davon. Weiter nördlich und südlich der Straße bzw. der Bebauung grenzen unbebaute landwirtschaftliche Flächen an. Mit der streitgegenständlichen 1. Änderung der Außenbereichssatzung Nr. 11 „W.“ (nachfolgend „Änderungssatzung“) werden die westlich an das Grundstück des Antragstellers anschließenden unbebauten Grundstücke FlNr. …7 und …8 in die Außenbereichssatzung einbezogen und das Satzungsgebiet der ursprünglichen Auenbereichssatzung in Richtung Westen bis an die Gemeindegrenze zur Gemeinde K. und die Straße F. vergrößert. Neben der Bestimmung des räumlichen Geltungsbereichs werden nähere Bestimmungen über die Zulässigkeit der Vorhaben getroffen. Die im Gemeindegebiet der Gemeinde K. anschließende Bebauung entlang der W. Straße liegt im Geltungsbereich der Außenbereichssatzung „W.“ der Gemeinde K.
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Am 21. September 2023 stellte der Antragsteller einen Normenkontrollantrag gegen die Änderungssatzung (1 N 23.1700). Mit dem am gleichem Tag eingerichteten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beantragt er,
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die 1. Änderung der Außenbereichssatzung Nr. 11 „W.“ durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen.
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Er sei antragsbefugt. Die Änderungssatzung vergrößere das Satzungsgebiet, in dem sein Grundstück liege. Unabhängig davon werde er durch die Festsetzung einer 6 m breiten öffentlichen Verkehrsfläche unmittelbar an seiner westlichen Grundstücksgrenze in seinen Rechten verletzt, da durch die erstmalige Errichtung der Verkehrsfläche Beeinträchtigungen wie beispielsweise Lärm, Staub und Erschütterungen sowie Schäden an seinem Baumbestand infolge der Errichtung und Unterhaltung der Verkehrsfläche zu befürchten seien. Die Voraussetzungen für die Aufstellung einer Außenbereichssatzung lägen nicht vor, es fehle an einem „bebauten Bereich“. Die unbebauten Grundstücke stellten aufgrund ihrer Größe von rd. 4.150 m² keine Baulücke dar. Die Grundstücke könnten weiterhin landwirtschaftlich genutzt werden. Aufgrund ihrer Eigenschaft als Bindeglied zu den landwirtschaftlichen Flächen würden sie den sich östlich und – sofern die baulichen Anlagen der beiden Gemeinden als Bebauungszusammenhang bezeichnet werden könnten – auch den westlich befindlichen Bebauungszusammenhang unterbrechen. Die Änderungssatzung führe daher zu einer unzulässigen Erweiterung einer Splittersiedlung.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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Der Antrag sei unzulässig, weil die erforderliche Antragsbefugnis des Antragstellers nicht vorliege. Das Grundstück des Antragstellers liege nicht im Geltungsbereich der Änderungssatzung. Die angegriffene Satzung treffe keine Festsetzungen, die sein Grundstück beträfen. Eine Außenbereichssatzung stelle im Gegensatz zu einer planerischen Festsetzung eines Bebauungsplans keine Bestimmung des Inhalts des Grundeigentums dar. Eine Rechtsverletzung des Antragstellers hinsichtlich der Abwägung seiner privaten Belange komme nicht in Betracht, insbesondere sei eine mögliche Beeinträchtigung aufgrund des land- und forstwirtschaftlichen Weges entlang seiner westlichen Grundstücksgrenze, der die Erreichbarkeit der wenigen nördlich des Plangebiets liegenden landwirtschaftlichen Flächen sicherstellen solle, abwegig. Das betroffene Grundstück sei bereits jetzt landwirtschaftlich genutzt und durch entsprechenden Verkehr geprägt. Bisherige und ggf. zusätzliche Beeinträchtigungen durch Lärm, Staub u.a. seien durch die Lage des Grundstücks des Antragstellers im Außenbereich hinzunehmen. Der Überwuchs seines Baumbestands sei vom Eigentumsrecht nicht umfasst. Im Übrigen seien bei einer Außenbereichssatzung private Nachbarbelange, die in den Anwendungsbereich des Rücksichtnahmegebots fallen würden, regelmäßig nicht in die Abwägung miteinzustellen. Die Änderungssatzung umfasse auch einen „bebauten Bereich“. Die bandartige Bebauung im Plangebiet sowie in der Gemeinde K. stelle einen Bebauungszusammenhang dar. Der Geltungsbereich der Änderungssatzung umfasse die einzig verbliebene Baulücke in dem Siedlungssplitter. Dass der westliche Teil des Siedlungssplitters bereits im Gemeindegebiet der Gemeinde K. liege, spiele dabei keine Rolle. Der Bebauungszusammenhang werde nicht durch die Baulücke im Geltungsbereich der Änderungssatzung unterbrochen. Die Größe der Freifläche zwischen dem Grundstück des Antragstellers und der westlich angrenzenden Straße F. sowie der anschließenden Bebauung betrage lediglich ca. 60 m. Die Freifläche lasse eine natürliche Verdichtung zu, da sie sich als Bindeglied der östlich und westlich befindlichen bebauten Flächen darstelle.
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Ergänzend wird auf die Gerichtsakten mit der Normaufstellungsakte Bezug genommen.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO bleibt ohne Erfolg.
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Der Antrag ist unzulässig. Es fehlt an der erforderlichen Antragsbefugnis des Antragstellers. Antragsbefugt ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO jede natürliche Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt werden zu können. Ein Antragsteller genügt seiner Darlegungspflicht nur, wenn er hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die angegriffene Norm in einer eigenen Rechtsposition verletzt wird. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO sind keine höheren Anforderungen zu stellen als nach § 42 VwGO (vgl. BVerwG, B.v. 9.1.2018 – 4 BN 33.17 – juris Rn. 4).
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Das Grundstück des Antragstellers liegt nicht im Geltungsbereich der Änderungssatzung. Soweit er sich darauf beruft, dass es sich jedenfalls im Geltungsbereich der ursprünglichen Außenbereichssatzung befindet, bleibt das Grundstück des Antragstellers von den neuen Festsetzungen unberührt (vgl. BVerwG, B.v. 22.8.2000 – 4 BN 38.00 – NVwZ 2000, 1413). Im Übrigen ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass sich auf Grundeigentümer im Geltungsbereich einer Außenbereichssatzung die Erwägungen, die für die Antragsbefugnis eines Grundeigentümers gegen einen Bebauungsplan gelten, der Festsetzungen für sein Grundstück trifft, nicht übertragen lassen. Eine Außenbereichssatzung beschränkt nicht die Nutzungsbefugnisse, die das Eigentum vermittelt; vielmehr hat sie ausschließlich eine positive, die Zulässigkeit bestimmter nicht privilegierter Vorhaben unterstützende, aber keine negative Wirkung (vgl. BVerwG, B.v. 29.10.2019 – 4 BN 36.19 – BauR 2020, 237; OVG NW, U.v. 5.4.2019 – 7 D 64/17.NE – BauR 2019, 1147; BayVGH, U.v. 7.8.2017 – 2 N 14.1850 – juris Rn. 33).
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Eine Verletzung eigener Rechte im Sinn des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ergibt sich auch nicht aus der Verletzung des in § 1 Abs. 7 BauGB für die Bauleitplanung enthaltenen Abwägungsgebots, das drittschützenden Charakter hinsichtlich solcher Belange eines Antragstellers hat, die für die planerische Abwägung erheblich sind (vgl. BVerwG, B.v. 9.1.2018 a.a.O. Rn. 5). Denn auch soweit zu Gunsten des Antragstellers zugrunde gelegt wird, dass dieser für die Bauleitplanung entwickelte Grundsatz auch auf Außenbereichssatzungen übertragbar ist (vgl. OVG NW, B.v. 25.8.2021 – 7 B 1066/21.NE – BauR 2021, 1811), fehlt es im Hinblick auf die angegriffene Änderungssatzung an der Darlegung eines abwägungsrelevanten eigenen Belangs des Antragstellers. Der Inhalt der Satzung nach § 35 Abs. 6 BauGB beschränkt sich darauf, bestimmte öffentliche Belange bei der Anwendung auf Wohnbauvorhaben sowie die übrigen in § 35 Abs. 6 Satz 2 BauGB genannten Vorhaben als Genehmigungshindernisse auszuschließen. Alle übrigen unter § 35 Abs. 2 und 3 BauGB fallenden Belange, insbesondere auch private Interessen Dritter, die bei der Genehmigung nach § 35 Abs. 2 BauGB im Rahmen des Rücksichtnahmegebots zu berücksichtigen sind, werden in ihrer Wirksamkeit von der Satzung in keiner Weise betroffen und können einem Vorhaben weiterhin entgegengehalten werden. Mögliche Konflikte sind daher im Rahmen des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB als besonderer Ausprägung des Rücksichtnahmegebots zu bewältigen. Der Satzungsgeber kann beim Erlass einer Außenbereichssatzung mit Blick auf die uneingeschränkte Geltung des Rücksichtnahmegebots im Regelfall ohne weiteres davon ausgehen, dass den nachbarlichen Interessen im Rahmen eventueller Genehmigungsverfahren hinreichend Rechnung getragen wird. Sie sind daher bei der Beschlussfassung über eine Außenbereichssatzung regelmäßig nicht in die Abwägung einzustellen (vgl. BVerwG, B.v. 29.10.2019 – 4 BN 36.19 – BauR 2020, 237; OVG NW, B.v. 25.8.2021 a.a.O.; BayVGH, U.v. 7.8.2017 – 2 N 14.1850 – juris Rn. 33). Soweit sich der Antragsteller gegen die Festsetzung des öffentlichen Weges wendet, bedarf es für die Herstellung keines Genehmigungsverfahrens. Wenn man hier die Abwägungsrelevanz von privaten Belangen bei der Aufstellung der Außenbereichssatzung zugunsten des Antragstellers unterstellen würde, folgt daraus ebenfalls keine Antragsbefugnis. Es wird mit dem festgesetzten Weg kein allgemeiner Verkehr eröffnet, sondern der Weg dient lediglich der Erschließung der angrenzenden landwirtschaftlichen Flächen. Sein im Außenbereich liegendes Grundstück ist bereits jetzt durch die angrenzende landwirtschaftliche Nutzung geprägt; diese Beeinträchtigungen sind von ihm hinzunehmen. Insoweit ist weder substantiiert dargelegt noch erkennbar, dass die landwirtschaftliche Nutzung sich im Vergleich zur bisherigen Nutzung erheblich zu seinen Lasten verändern könnte.
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Auch soweit der Antragsteller eine mögliche Beeinträchtigung der auf seinem Grundstück befindlichen Bäume durch die Errichtung und künftige Unterhaltung des land- und forstwirtschaftlichen Verkehrs befürchtet, stellt dies keinen abwägungsrelevanten Belang dar. Eine Beeinträchtigung des Antragstellers tritt nur dann ein, wenn Pflanzen auf seinem Grundstück beseitigt werden müssten. Das ist hier nicht der Fall. Der Überwuchs ist vom Eigentumsrecht des Antragstellers nicht umfasst. Hinzu kommt, dass es sich um einen land- und forstwirtschaftlichen Weg handelt, der mit einer Breite von 6 m mit Begleitgrün ausgewiesen wurde, sodass ein Abstand zum bestehenden Zaun und den Bäumen des Antragstellers von mindestens 1 m eingehalten werden kann (S. 14 der Begründung). Vor diesem Hintergrund sind die pauschal vorgetragenen Bedenken nicht ausreichend, um eine sachgerechte Bewältigung des vorgetragenen Konflikts hinsichtlich des Wurzelwerks der Bäume in Frage zu stellen.
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Eine Antragsbefugnis ergibt sich auch nicht aus den vom Antragsteller geltend gemachten materiellen Fehlern der Änderungssatzung. Mit dem Vortrag, es fehle an der Voraussetzung eines „bebauten Bereichs“, weil das Gebiet der Änderungssatzung vollständig unbebaut sei, zeigt er nicht auf, inwiefern in diesem Zusammenhang auch abwägungserhebliche private Belange berührt oder fehlerhaft behandelt sein könnten. Vielmehr beruft er sich auf öffentliche (städtebauliche) Belange, deren gerechte Abwägung der Antragsteller nicht verlangen kann (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 24.5.2018 – OVG 10 A 4.14 – NVwZ-RR 2018, 923). Auf einen Verstoß gegen § 35 Abs. 6 BauGB (vgl. dazu BVerwG, U.v. 3.12.1998 – 4 C 7.98 – BauR 1999, 232; B.v. 15.5.1997 – 4 B 74.97 – BauR 1997, 805 zur Gemeindegebietsbezogenheit eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils und der Bedeutung der Gemeindegrenze; BayVGH, U.v. 13.12.2002 – 1 B 02.1184 – juris Rn. 20) und damit einhergehende unzulässige Erweiterungen des bebauten Bereichs in den Außenbereich (vgl. OVG RhPf, B.v. 23.6.2020 – 1 A 10546/20 – juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 17.7.2009 – 22 A 09.40006 – juris Rn. 42; OVG NW, U.v. 8.6.2001 – 7a D 52/99.NE – BauR 2001, 1562;) kann sich im Normenkontrollverfahren nur berufen, wer die Zulässigkeitsvoraussetzungen erfüllt und insbesondere antragsbefugt ist.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).