Inhalt

VGH München, Beschluss v. 01.03.2024 – 8 A 20.40020
Titel:

Tatbestandsberichtigungsantrag für ein Urteil

Normenketten:
VwGO § 117 Abs. 3, § 119 Abs. 1, § 173
ZPO § 314
Leitsätze:
1. Die Tatbestandsberichtigung zielt auch im Verwaltungsprozess allein darauf ab, im Hinblick auf die Beweiskraft des Tatbestands im Sinne von § 173 VwGO iVm § 314 ZPO drohende unzutreffende Entscheidungsgrundlagen zu verhindern. Offensichtlich unerhebliche Sätze oder Satzteile im Urteilstatbestand bedürfen daher keiner  Tatbestandsberichtigung. (Rn. 2) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Befangenheitsantrag und Beweisanträge müssen nicht zwingend im Tatbestand dargestellt werden. Es genügt vielmehr die Bezugnahme auf die Protokolle über die mündliche Verhandlung und die Gerichtsakte. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes eines Urteils, Tatbestandsberichtigungsantrag, Urteil, Entscheidungsgrundlage, unerheblich, Befangenheitsantrag, Beweisantrag, Bezugnahme, Verhandlungsprotokoll, Gerichtsakte
Fundstelle:
BeckRS 2024, 6242

Tenor

Der Antrag auf Berichtigung des Tatbestands des Urteils vom 20. Juli 2023 wird abgelehnt.

Gründe

1
Der Antrag der Klagepartei auf Berichtigung des Tatbestands des Urteils vom 20. Juli 2023 hat keinen Erfolg.
I.
2
Der Antrag ist in Bezug auf den Berichtigungsantrag in Ziff. I bereits unzulässig, da ihm das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Er betrifft einen Satzteil im Tatbestand („auf einer Länge von rund 4,8 km nach Westen verlegt“), der für das Gericht nicht entscheidungserheblich war. Die Tatbestandsberichtigung zielt auch im Verwaltungsprozess allein darauf ab, im Hinblick auf die Beweiskraft des Tatbestands im Sinne von § 173 VwGO i.V.m. § 314 ZPO drohende unzutreffende Entscheidungsgrundlagen zu verhindern (vgl. BVerwG, B.v. 31.5.2013 – 2 C 6.11 – NVwZ 2013, 1237 = juris Rn. 3). Offensichtlich unerhebliche Sätze oder Satzteile im Urteilstatbestand bedürfen daher keiner Tatbestandsberichtigung (vgl. BVerwG, B.v. 12.6.2017 – 6 C 9.17 u.a. – juris Rn. 2; BayVGH, B. v. 31.1.2011 – 4 B 10.144 – juris Rn. 2).
II.
3
Im Übrigen ist der Antrag unbegründet.
4
Die Klagepartei zeigt in ihrem Antrag vom 2. Januar 2024 weder Unrichtigkeiten noch Unklarheiten im Sinne des § 119 Abs. 1 VwGO auf. Vielmehr zielen die von der Klagepartei begehrten umfangreichen Ergänzungen auf eine Zusammenfassung ihres gesamten Vorbringens (Ziff. II bis Ziff. VI) oder auf die Darstellung von Einzelheiten des Ablaufs des gerichtlichen Verfahrens (Ziff. VII und Ziff. VIII) ab.
5
1. Die Ergänzungswünsche zum klägerischen Vorbringen berücksichtigen nicht, dass gem. § 117 Abs. 3 Satz 1 VwGO, der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen ist. Es besteht kein Gebot, jedes Detail aufzunehmen (vgl. OVG NW, B.v. 9.1.2013 – 9 A 2054/07 – juris Rn. 10). Dass wesentlicher Sach- und Streitstand fehlen würde, zeigt die Klagepartei nicht auf. Vielmehr erweisen sich die Ergänzungswünsche als zum Teil redundant (vgl. Tatbestandsberichtigungsantrag vom 2.1.2024, in Bezug auf die Kosten für eine Eisenbahnbrücke: S. 13 und 18; in Bezug auf Erkenntnisse aus einer Akteneinsicht: S. 6 Mitte und S. 20 unten; in Bezug auf Beweisanträge: S. 15 Mitte, S. 20 oben und S. 21 unten) oder im Zusammenhang mit den übrigen Passagen des Tatbestandes oder anderen Ergänzungen (vgl. Tatbestandsberichtigungsantrag vom 2.1.2024, Ziff. V.2, Ziff. V.5 und V.6) als nicht verständlich. Soweit die Klagepartei anführt, „das Gericht hat hierzu ermittelt und feststellen müssen, dass bei Variante 2a zahlreiche Grundstücke tatsächlich dem Außenbereich zuzuordnen sind und in der Kostengegenüberstellung falsch bewertet worden sind“, widerspricht dies den Entscheidungsgründen des Urteils (vgl. Tatbestandsberichtigungsantrag vom 2.1.2024, S. 18). Denn die Frage des Außenbereichs betraf die Lärmimmissionen (vgl. UA Rn. 161 ff.) und nicht die Kostenfrage. Zudem begehrt die Klagepartei Ergänzungen, die so nicht zutreffen (vgl. Tatbestandsberichtigungsantrag vom 2.1.2024, Ziff. IV am Ende und Ziff. VI) oder im Verfahren so nicht vorgetragen wurden (vgl. Tatbestandsberichtigungsantrag vom 2.1.2024, Ziff. II). Weder in dem von der Klagepartei angeführten Schriftsatz vom 13. April 2023 noch in der Anlage K 44 hat der Beklagte „Fehler zugestanden“. Die von der Klagepartei in Ziff. II begehrten Ergänzungen zu einer „mittelbaren“ Grundbetroffenheit ergeben sich nicht aus dem Prozessstoff, da die Klagepartei lediglich darauf verwiesen hat, dass die G. B.  GmbH Grundstücke von der Klagepartei gepachtet habe, ohne geltend zu machen, aufgrund des Vorhabens Pachtausfälle zu befürchten (vgl. Klagebegründung vom 22.2.2021, S. 155). Unabhängig davon ergeben sich die von der Klagepartei beantragten Ergänzungen aus den in Bezug genommenen Schriftsätzen ihres Bevollmächtigten, den beigezogenen Behördenakten, Gerichtsakten bzw. Protokollen über die mündliche Verhandlung vom 21. April 2023, 28. April 2023 und 18. Juli 2023 (vgl. UA Rn. 41). Dies genügt den Anforderungen des § 117 Abs. 3 Satz 1 und 2 VwGO.
6
2. Soweit die Klagepartei in Bezug auf den Befangenheitsantrag (vgl. Tatbestandsberichtigungsantrag vom 2.1.2024, Ziff. VII) und die Beweisanträge (vgl. Tatbestandsberichtigungsantrag vom 2.1.2024, Ziff. VIII) eine Ergänzung des Tatbestandes begehrt, ist dies nicht zwingend notwendig. Es genügt – so wie hier geschehen – die Bezugnahme auf die Protokolle über die mündliche Verhandlung und die Gerichtsakte (vgl. OVG NW, B.v. 9.1.2013 – 9 A 2054/07 – juris Rn. 10).
7
Der Beschluss ist gem. § 119 Abs. 2 Satz 2 VwGO unanfechtbar.