Inhalt

VGH München, Beschluss v. 18.03.2024 – 4 ZB 23.1493
Titel:

Erfolgloser Zulassungsantrag: Zweitwohnungssteuer trotz kostenfreier Nutzung der Erstwohnung

Normenketten:
BayKAG Art. 3
BMG § 21
EStG § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 S. 3
Leitsätze:
Der Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer steht nicht der Umstand entgegen, dass der Steuerpflichtige seine Erstwohnung kostenfrei nutzt. (Rn. 13)
Wer eine eigene Wohnung als Zweitwohnung nutzt, hat keinen Anspruch darauf, dass die steuererhebende Gemeinde die im Falle einer Vermietung konkret erzielbare Nettokaltmiete individuell anhand aller vorliegenden werterhöhenden oder wertmindernden Einzelmerkmale mit entsprechenden Zu- und Abschlägen bestimmt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zweitwohnungssteuer, Begriff der Zweitwohnung, kostenfreie Nutzung der Erstwohnung, Erhöhung des Steuersatzes auf 20% der Nettokaltmiete, Schätzung der ortsüblichen Miete auf der Grundlage eines Gutachtens, Zu- und Abschläge aufgrund bestimmter Ausstattungs- und Lagekriterien, Zweitwohnung, Nebenwohnung, Erstwohnung, kostenfrei, Nettokaltmiete, Schätzung
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 29.06.2023 – Au 2 K 21.2126
Fundstellen:
NWB 2024, 1699
DVBl 2025, 171
LSK 2024, 6220
NVwZ-RR 2024, 557
BeckRS 2024, 6220
KommJur 2024, 187
DÖV 2024, 933

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 1.535,04 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin, der eine 1978 errichtete Wohnung mit 34,31 m² Wohnfläche im Gemeindegebiet der Beklagten gehört, wendet sich gegen einen Zweitwohnungssteuerbescheid.
2
Nach § 2 Satz 1 der rückwirkend zum 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Zweitwohnungssteuersatzung (ZwStS) der Beklagten vom 26. Oktober 2020 ist „Zweitwohnung“ jede Wohnung in der Gemeinde, die eine Person, die in einem anderen Gebäude ihre Hauptwohnung hat, zu ihrer persönlichen Lebensführung oder der ihrer Familienangehörigen innehat. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ZwStS wird die Steuer nach dem jährlichen Mietaufwand berechnet. Nach § 4 Abs. 3 ZwStS ist für Wohnungen, die im Eigentum des Steuerpflichtigen stehen, die Nettokaltmiete in der ortsüblichen Höhe anzusetzen (Satz 1); sie wird von der Beklagten in Anlehnung an die Nettokaltmiete geschätzt, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird (Satz 2). Die Steuer beträgt nach § 5 Abs. 1 ZwStS für die Jahre 2020 und 2021 jährlich 18% und ab 2022 jährlich 20% der Bemessungsgrundlage.
3
Mit Bescheid vom 16. Dezember 2020 wurde die Klägerin zu einer jährlichen Zweitwohnungssteuer für die Jahre 2020 und 2021 in Höhe von 450,19 Euro und für die nachfolgenden Jahre in Höhe von 500,21 Euro herangezogen, wobei der Berechnung eine Jahresnettokaltmiete von 2.501,04 Euro (Basismiete 7,57 Euro/m², korrigiert um verschiedene Zu- und Abschläge auf 6,13 Euro/m²) zugrunde gelegt wurde.
4
Dagegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage zum Verwaltungsgericht, die mit Urteil vom 29. Juni 2023 abgewiesen wurde.
5
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung.
6
Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen.
7
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
8
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
9
a) Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen einzelnen tragenden Rechtssatz und keine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 32 m.w.N.).
10
aa) Die Klägerin trägt vor, sie besitze im Gebiet der Beklagten keine Zweitwohnung. Sie wohne seit rund zehn Jahren (wieder) zu Hause kostenfrei bei ihren Eltern in ihrem ehemaligen Kinderzimmer in K., da sie sich eine Wohnung am Ort der Arbeitsstätte in A. nicht leisten könne. In K. habe sie keinen steuerrechtlich geltend zu machenden eigenen Hausstand und somit auch keine eigene Wohnung. In der Wohnung im Gebiet der Beklagten halte sie sich meist nur an Wochenenden oder gelegentlich im Urlaub auf. An der für die Zweitwohnungssteuerpflicht geforderten besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit fehle es bei ihr, da sie sich nicht den Unterhalt für zwei Wohnungen leisten könne. Um von wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ausgehen zu können, müsse bei der ersten Wohnung zumindest Miete gezahlt werden oder Eigentum bestehen. Bei Erhöhungen der Zweitwohnungssteuer so wie hier auf 20% ab 2022 müsse es darauf ankommen, dass dies auf dem besonderen Aufwand beruhe, der von Zweitwohnungsbesitzern veranlasst sei. Der von der Beklagten der Schätzung der ortsüblichen Nettokaltmiete zugrunde gelegte Mietpreisspiegel eines Marktforschungsinstituts gelte nur für Wohnungen zwischen 35 m² und 130 m²; die Wohnung der Klägerin habe aber nur eine Wohnfläche von 34,31 m². Als Nettokaltmiete würden im Zweitwohnungssteuerbescheid 7,57 Euro/m² angegeben, obwohl der Mietspiegel bei einer Wohnfläche von 35m² bis 40 m² lediglich 7,34 Euro/m² vorsehe. Wenn wie hier Gutachten und kommunale Mietspiegel vorlägen, seien Schätzungen, Pauschalierungen und Typisierungen ausgeschlossen. Da die Beklagte sich dagegen entschieden habe, alle im Gemeindegebiet vorhandenen Wohnungen begutachten zu lassen, könne sie die nicht untersuchten Wohnungsgrößen nicht einfach durch Schätzung ermitteln; für Wohnungen unter 35 m² dürfe dann eben keine Zweitwohnungssteuer festgesetzt werden. Im Übrigen könnten die Zahlen des Mietpreisspiegels wegen innerer Widersprüche nicht zutreffen. Es sei auch nicht dokumentiert, inwieweit die Befragung der örtlichen Wohnungsinhaber fehlerfrei gewesen sei. Bei der Bewertung der Wohnung der Klägerin sei zu Unrecht das Wohnwertmerkmal „Ventilator“ in dem fensterlosen Bad mit vier Punkten Zuschlag bewertet worden; darin liege aber allenfalls der Mindeststandard, wenn nicht gar ein Abschlagsgrund. Bei Zweitwohnungen müssten entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zwingend andere Wohnwertmerkmale berücksichtigt und gewichtet werden als bei Hauptwohnungen. So seien für Zweitwohnungsbesitzer Wohnmerkmale wie Kindergarten oder Schule unerheblich; bei Merkmalen wie einer fußläufigen Entfernung von mehr als 1000 m etwa zu Einkaufsmöglichkeiten, bei dem größenunabhängigen Wert eines Balkons oder bei Einzimmerwohnungen ohne eigenes abgeschlossenes Schlafzimmer sei eine Zu- oder Abwertung beziehungsweise mehr Binnendifferenzierung angebracht.
11
bb) Mit diesem Vorbringen werden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht dargetan.
12
(1) Nicht gefolgt werden kann dem Einwand der Klägerin, ihre Wohnung im Gemeindegebiet der Beklagten könne keine der Besteuerung unterliegende Zweitwohnung sein, da sie seit langem während der Woche kostenfrei zu Hause bei ihren Eltern in ihrem ehemaligen Kinderzimmer lebe und dort keinen steuerlich geltend zu machenden eigenen Hausstand besitze. Die Qualifizierung einer Wohnung als Zweitwohnung im Sinne der örtlichen Steuersatzung hängt nicht davon ab, ob der Steuerpflichtige in der hauptsächlich genutzten Wohnung einen eigenen Hausstand im Sinne des Einkommensteuerrechts unterhält, also sich über das bloße Innehaben der Räume hinaus auch an den Kosten der Lebensführung beteiligt (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 EStG). Allein maßgebend ist nach § 2 Satz 1 ZwStS vielmehr, ob diejenige Person, die eine im Gebiet der Beklagten gelegene Wohnung zu ihrer persönlichen Lebensführung innehat, ihre Hauptwohnung in einem anderen Gebäude (derselben oder einer anderen Gemeinde) hat. Dies ist bei der Klägerin unstreitig der Fall, da sie in ihrer Erklärung zur Veranlagung zur Zweitwohnungssteuer am 20. August 2020 selbst angegeben hat, ihre Hauptwohnung an der Adresse ihrer Eltern in K. zu haben. Die Erläuterungen im Zulassungsantrag, wonach die in A. beschäftigte Klägerin sich meist nur an Wochenenden oder gelegentlich im Urlaub in der eigenen Wohnung im Gebiet der Beklagten aufhalte, belegen ebenfalls, dass es sich dabei nicht um ihre Hauptwohnung handelt.
13
Der Umstand, dass die Klägerin die – nur aus einem einzigen Zimmer bestehende – Hauptwohnung bei den Eltern laut eigenen Angaben miet- und kostenfrei nutzen kann, ändert nichts daran, dass es sich um ihre vorwiegend benutzte Wohnung und damit im Sinne sowohl des Melderechts (§ 21 Abs. 2 BMG) als auch des darauf Bezug nehmenden Zweitwohnungssteuerrechts (BayVGH, U.v. 4.4.2006 – 4 N 05.2249 – BayVBl 2006, 504 Rn. 43 m.w.N.) um die Hauptwohnung handelt, so dass die weitere Wohnung nur ihre Nebenwohnung (§ 21 Abs. 3 BMG) bzw. Zweitwohnung (§ 2 Satz 1 ZwStS) sein kann. Verfügt eine Person über zwei Wohnungen, so hängt die Qualifizierung als Haupt- bzw. Erstwohnung oder als Neben- bzw. Zweitwohnung allein vom zeitlichen Nutzungsumfang und nicht davon ab, für welche der beiden Wohnungen der höhere finanzielle Aufwand betrieben wird.
14
Auch eine von Dritten kostenfrei überlassene Wohnung kann demnach Hauptwohnung sein, wenn sie von ihrem Inhaber während der überwiegenden Zeit genutzt wird. Der daraus resultierenden Zweitwohnungssteuerpflicht für die weitere Wohnung kann in solchen Fällen auch nicht entgegengehalten werden, dass der Steuerpflichtige nur für eine einzige Wohnung finanzielle Aufwendungen trage, so dass seine persönlichen Wohnverhältnisse noch keine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erkennen ließen, wie sie bei einer Aufwandsteuer vorausgesetzt werde. Wird mit dem Innehaben der Erstwohnung das Grundbedürfnis Wohnen als Teil des persönlichen Lebensbedarfs abgedeckt, wovon bei der Nutzung als Hauptwohnung auszugehen ist (BVerwG, U.v. 13.5.2009 – 9 C 7.08 – NVwZ 2009, 1437 Rn. 22), so stellt das Innehaben einer weiteren Wohnung einen zusätzlichen Aufwand dar, der typischerweise eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indiziert (BVerwG, a.a.O.). Es ist dabei unerheblich, ob der Steuerpflichtige über den Wohnraum in der als Hauptwohnung angemeldeten Erstwohnung in einer rechtlich abgesicherten Weise verfügen darf oder ihn etwa nur als Besitzdiener (§ 855 BGB) nutzt und ob es sich um eine abgeschlossene Wohnung, um ein einzelnes Zimmer – wie hier im elterlichen Haus – oder gar nur um eine Mitwohnmöglichkeit handelt (BVerwG, a.a.O.).
15
(2) Schon im Ansatz verfehlt ist der Einwand der Klägerin, bei der Zweitwohnungssteuer sei die Höhe des zulässigen Steuersatzes abhängig von dem von den Inhabern der Zweitwohnungen im Gemeindegebiet veranlassten „besonderen Aufwand“, so dass die von der Beklagten ab dem Steuerjahr 2022 vorgenommene Erhöhung von 18% auf 20% der Bemessungsgrundlage (§ 5 Abs. 1 ZwStS) nicht zu rechtfertigen sei. Ein solcher Zusammenhang zwischen dem Steuersatz bzw. den danach zu erzielenden Steuereinnahmen und einem durch die Inhaber der Zweitwohnungen verursachten zusätzlichen Finanzbedarf der Gemeinde besteht nicht. Anders als die sog. speziellen Entgelte, die für die Möglichkeit der Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen bzw. für deren tatsächliche Nutzung in Form von Beiträgen und Gebühren erhoben werden (Art. 5 ff. KAG), ist die Zweitwohnungssteuer als Anwendungsfall einer örtlichen Aufwandsteuer (Art. 3 Abs. 1 KAG) keine Gegenleistung für eine besondere Leistung der Gemeinde; sie wird vielmehr zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft (so die Legaldefinition in § 3 Abs. 1 AO). Dass auch ein Steuersatz von 20% der jährlichen Nettokaltmiete sich nach feststehender obergerichtlicher Rechtsprechung innerhalb des den Gemeinden zustehenden normativen Gestaltungsspielraums bewegt, hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt.
16
(3) Es bestehen auch keine Bedenken dagegen, dass die Beklagte im angegriffenen Bescheid für die 34,31 m² große Wohnung der Klägerin im Ausgangspunkt eine Nettokaltmiete von 7,57 Euro/m² angesetzt hat.
17
Nach § 4 Abs. 3 Satz 2 ZwStS wird bei Wohnungen, die wie hier im Eigentum des Steuerpflichtigen stehen, die den Steuermaßstab bildende Nettokaltmiete (§ 4 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZwStS) in Anlehnung an die Nettokaltmiete geschätzt, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Die Beklagte hat ihrer Schätzung das von einem Marktforschungsinstitut für mehrere Gemeinden in der Region zusammen mit einem qualifizierten Mietspiegel erstellte „Gutachten über die Höhe der ortsüblichen monatlichen Nettokaltmiete zur Erhebung der Zweitwohnungssteuer“ vom 22. Januar 2021 zugrunde gelegt. Dass die darin enthaltenen Tabellen von vornherein nur Wohnungsgrößen zwischen 35 m² und 130 m² erfassten, stand einer Heranziehung dieser Erkenntnisquelle bei der Bewertung der klägerischen Wohnung mit der Größe von 34,31 m² nicht entgegen. Die Beklagte durfte – im Ergebnis zugunsten der Klägerin – von der ortsüblichen Nettokaltmiete für die kleinste im Gutachten erfasste Wohnfläche (35 m²) ausgehen, da nach den Feststellungen des beauftragten Marktforschungsinstituts die Miete pro Quadratmeter mit steigender Wohnungsgröße kontinuierlich abnahm; für die klägerische Wohnung war danach allenfalls von einem noch etwas höheren Betrag als den im Bescheid zugrunde gelegten 7,57 Euro/m² auszugehen.
18
Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass in dem gleichzeitig erstellten Mietspiegel für Wohnungen in der Größenklasse 35 m² bis 40 m² eine sog. Basis-Nettomiete von lediglich 7,34 Euro/m² verzeichnet ist. Die Abweichungen bei den für den Mietspiegel und für die Zweitwohnungssteuererhebung ermittelten Zahlen beruhen auf methodischen Unterschieden bei der Erhebung der Berechnungsgrundlagen, wie sie in der Dokumentation über die Mietspiegel- und Gutachtenerstellung nachvollziehbar erläutert werden (Abschnitt 2.3, S. 6 f.). Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die zugrundeliegenden Befragungen der Wohnungsinhaber fehlerhaft gewesen sein könnten oder dem Gutachten sonstige Mängel anhaften würden, sind weder ersichtlich noch von der Klägerin substantiiert vorgetragen worden. Ihre nicht weiter erläuterte Aussage, die nur geringen Unterschiede bei den Nettokaltmieten zwischen alten und neueren Mietwohnungen könnten „nicht nachvollzogen werden“, begründet noch keine Zweifel an der Richtigkeit der von dem Marktforschungsinstitut aufwendig ermittelten Zahlen, zumal die methodische Vorgehensweise bei der Erhebung und Verarbeitung der Daten in dem vorgelegten Gutachten ausführlich offengelegt wird (Abschnitt 3, S. 8 ff.). Es ist auch nicht ersichtlich, dass die aufgrund von Befragungen der Wohnungsinhaber erlangten insgesamt 217 verwertbaren Antworten so wenig repräsentativ sein könnten, dass sie bei der Schätzung der im Gemeindegebiet üblicherweise gezahlten Nettokaltmieten keine Verwendung finden dürften.
19
(4) Entsprechend den im Gutachten genannten Ausstattungsmerkmalen, deren Vorhandensein bzw. Fehlen zu prozentualen Zu- bzw. Abschlägen bei der Miethöhe führt (Abschnitt 5.6.2, S. 33 ff.), hat die Beklagte die (fiktive) Nettokaltmiete für die klägerische Wohnung gegenüber dem Ausgangswert von 7,57 Euro/m² um insgesamt 19% auf 6,13 Euro/m² reduziert. Dass sie dabei den in dem fensterlosen Badezimmer vorhandenen Ventilator entsprechend der Vorgabe im Gutachten (S. 37) als ein aufwertendes Merkmal mit einem Zuschlag von vier Prozentpunkten berücksichtigt hat, ist angesichts der in solchen Massengeschäften bestehenden Befugnis zur Typisierung und Pauschalierung (vgl. BVerwG, B.v. 19.5.2021 – 9 C 2.20 – NVwZ-RR 2021, 991 Rn. 9 m.w.N.) nicht zu beanstanden; die Existenz einer solchen technischen Entlüftungsanlage dürfte gerade in älteren Wohnungen keineswegs den Regelfall darstellen.
20
Entgegen der Auffassung der Klägerin müssen bei der Ermittlung der Nettokaltmiete von Zweitwohnungen auch weder zwingend andere Wohnwertmerkmale als bei Hauptwohnungen berücksichtigt werden noch bedarf es insoweit einer speziellen Gewichtung bei den jeweiligen Zu- und Abschlägen. Auch wenn aus der subjektiven Sicht eines Zweitwohnungsinhabers einzelne Ausstattungs- oder Wohnlagekriterien wie etwa die Nähe zu Kindergärten und Schulen eine andere Bedeutung haben mögen als bei Inhabern von Hauptwohnungen, ändert dies nichts daran, dass es sich um einen weitgehend einheitlichen Wohnungsmarkt handelt, so dass die ortsübliche Nettokaltmiete maßgeblich von den für Hauptwohnungen geltenden wertbestimmenden Faktoren beeinflusst wird. Wer eine eigene Wohnung als Zweitwohnung nutzt, hat demnach keinen Anspruch darauf, dass die steuererhebende Gemeinde die im Falle einer Vermietung konkret erzielbare Nettokaltmiete individuell anhand aller vorliegenden werterhöhenden oder wertmindernden Einzelmerkmale mit entsprechenden Zu- und Abschlägen bestimmt (BayVGH, B.v. 16.8.2023 – 4 ZB 23.130 – ZKF 2023, 263 Rn. 17).
21
b) Die vorliegende Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Dieser Zulassungsgrund liegt vor, wenn es für die Streitentscheidung auf eine über den Einzelfall hinausgehende Rechts- oder Tatsachenfrage ankommt, die im Interesse der Einheit oder der Fortbildung des Rechts der Klärung bedarf (vgl. BVerfG, B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – BVerfGE 151, 173 Rn. 33 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Im Zulassungsantrag wird keine bisher ungeklärte Grundsatzfrage formuliert, auf deren Beantwortung es im vorliegenden Fall ankommen könnte.
22
Die Klägerin hält es für eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage, ob im Sinne des Zweitwohnungssteuerrechts wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Wohnungsinhabers auch dann angenommen werden kann, wenn wie in ihrem Fall keine wirtschaftlichen Aufwendungen für eine Erstwohnung vorliegen. Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig, da sie vom Bundesverwaltungsgericht in der oben genannten Entscheidung vom 13. Mai 2009 bereits – im bejahenden Sinne – beantwortet worden ist (Az. 9 C 7.08 – NVwZ 2009, 1437 Rn. 22). Entscheidend ist danach allein, dass in der Erstwohnung das Grundbedürfnis Wohnen als Teil des persönlichen Lebensbedarfs abgedeckt wird, wovon bei einer Anmeldung der Erstwohnung als Hauptwohnung auszugehen ist. Das Innehaben einer weiteren Wohnung stellt danach in jedem Fall einen zusätzlichen Aufwand dar, der typischerweise eine besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indiziert (BVerwG, a.a.O.). Auf die Frage, ob auch schon für das Innehaben der Hauptwohnung ein wirtschaftlicher Aufwand betrieben wird, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
23
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
24
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).