Inhalt

VGH München, Beschluss v. 13.02.2024 – 12 BV 23.1331
Titel:

Überprüfung einer Schiedsstellenentscheidung, Einschätzungsprärogative, Bindung an Rahmenvertrag, Personalkosten, Tarifbindung

Normenketten:
SGB VIII § 78b
SGB VIII § 78c
SGB VIII § 78f
SGB VIII § 78g
Leitsätze:
1. Der Schiedsstelle steht nach § 78g SGB VIII für ihre Bewertungen und Beurteilungen anlässlich der Prüfung der unbestimmten Rechtsbegriffe Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsgerechtigkeit (§ 78b Abs. 2, § 78c Abs. 2 SGB VIII) eine Einschätzungsprärogative zu, die es erfordert, die gerichtliche Überprüfung darauf zu beschränken, ob sie die ihr gesetzten rechtlichen Vorgaben beachtet, den Sachverhalt vollständig ermittelt und in einem fairen und willkürfreien Verfahren zu vertretbaren Lösungen gefunden hat (im Anschluss an BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 24; BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 9, jeweils zu § 94 BSHG a.F.).
2. Im Rahmen dieser, der Schiedsstelle durch § 78g SGB VIII eingeräumten Autonomie und den ihr durch höherrangiges Recht, insbesondere das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), gezogenen Grenzen, bestimmt die Schiedsstelle ihr Prüf- und Entscheidungsprogramm zu § 78b Abs. 2 und § 78c Abs. 2 SGB VIII grundsätzlich selbst, sofern – wie im SGB VIII – weitere konkrete Vorgaben des Gesetzgebers fehlen.
3. Es liegt deshalb in der alleinigen Rechtsmacht der Schiedsstelle, auf die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundessozialgerichts zum ehemaligen BSHG (BVerwGE 108, 47 ff.; 116, 78 ff.) sowie zum SGB XI und SGB XII (BSGE 102, 227 ff.; 113, 258 ff.; 120, 51 ff.; 129, 116 ff.) entwickelten Maßstäbe und Grundsätze eines „internen Vergleichs“ (einrichtungsbezogene Plausibilitätskontrolle der Entgeltansätze) und/oder eines „externen Vergleichs“ (mit den Entgeltsätzen anderer vergleichbarer Einrichtungen) zurückzugreifen.
4. Eine Rechtspflicht der Schiedsstelle, sich dieser Maßstäbe und Grundsätze im Einzelnen oder gar in Kombination zu bedienen, besteht – solange eine entsprechende Anordnung des Gesetzgebers im SGB VIII selbst fehlt – indes nicht; denn allein der Schiedsstelle kommt im Konfliktfall die Entscheidung über die Kalkulationsgrundlagen zu (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 12).
5. Rahmenverträge im Sinne von § 78f SGB VIII werden nur dann Inhalt von Einzelvereinbarungen, wenn die Parteien die Regelungen des Rahmenvertrags ihrer Rechtsbeziehung zugrunde legen, indem sie auf die Bestimmungen des Rahmenvertrages mit entsprechendem Rechtsbindungswillen übereinstimmend Bezug nehmen, ihm beitreten oder seine Verbindlichkeit auf sonstige Weise (ausdrücklich) anerkennen (im Anschluss an BGH, U.v. 18.2.2021 – III ZR 175/19 –, ZKJ 2021, 241 – juris, Rn. 25).
6. Auch ohne Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSGE 113, 258; BSGE 120, 51) lässt sich den Gesetzesmaterialien zum prospektiven Entgeltsystem mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, dass die Bezahlung tariflicher Entgelte stets als wirtschaftlich angemessen im Sinne von § 78b Abs. 2 Satz 1 SGB VIII zu bewerten ist, ohne dass es insoweit einer weiteren Prüfung in Gestalt eines „externen Vergleichs“ bedarf; denn keine Einrichtung darf gezwungen werden, die von ihr erwarteten Leistungen unterhalb ihrer „Gestehungskosten“ anzubieten und zu erbringen (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17; BT-Drs. 12/5510, S. 10).
Schlagworte:
Überprüfung einer Schiedsstellenentscheidung, Einschätzungsprärogative, Bindung an Rahmenvertrag, Personalkosten, Tarifbindung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 21.06.2023 – M 18 K 22.3190
Fundstelle:
BeckRS 2024, 6209

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin und die Anschlussberufung des Klägers und Berufungsbeklagten werden zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Berufungs- und Anschlussberufungsverfahrens tragen der Kläger und Berufungsbeklagte 1/5 und die Beklagte und Berufungsklägerin 4/5. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
III. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Kostengläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Der Rechtsstreit betrifft einen Schiedsbeschluss, der im Rahmen der Entgeltfestsetzung die Personalkosten entsprechend den Regelungen des Rahmenvertrages nach § 78f SGB VIII festlegt.
2
Der Kläger (und nunmehrige Berufungsbeklagte) ist ein Träger der freien Jugendhilfe und Mitglied des Diakonischen Werks Bayern e.V. Er betreibt im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten und Berufungsklägerin, einem Träger der örtlichen Jugendhilfe, eine stationäre Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe.
3
Die kommunalen Spitzenverbände in Bayern haben mit den Verbänden der Träger der freien Jugendhilfe in Bayern nach § 78f SGB VIII einen Rahmenvertrag (RV – Bayern) geschlossen. Dieser regelt u.a., dass die Gesamtsumme der Kosten für das notwendige Personal insgesamt nicht höher sein darf als der im öffentlichen Dienst bei kommunalem Tarif vergleichbar anfallende Aufwand (§ 10 Abs. 1 Satz 1 RV – Bayern).
4
Der Kläger (und nunmehrige Berufungsbeklagte) forderte die Beklagte und jetzige Berufungsklägerin mit Schreiben vom 19. Mai 2021 zum Abschluss einer Entgeltvereinbarung auf. In dem Angebot des Klägers wurden u.a. die Personalkosten entsprechend den Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes Bayern (AVR – Bayern) angesetzt. Die Entgeltkommission lehnte das Angebot u.a. wegen dieses Personalkostenansatzes ab.
5
Mit Schreiben vom 29. Juli 2021 beantragte der Kläger (und jetzige Berufungsbeklagte) die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens zur Festsetzung einer Leistungsbeschreibung, Qualitätsentwicklungsvereinbarung und Entgeltvereinbarung für den Vereinbarungszeitraum vom 1. August 2021 bis zum 31. Juli 2022.
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1. Mit streitgegenständlichem Beschluss vom 6. Mai 2022 setzte die Schiedsstelle für den Zeitraum vom 1. August 2021 bis 31. Juli 2022 (Ziffer 4 der Entscheidung) die Leistungs- und Qualitätsentwicklungsvereinbarung fest (Ziffer 1 und 2 der Entscheidung) und legte unter Ziffer 3 der Entscheidung folgendes fest:
7
„Für die angebotene Leistung ist ein Entgelt zu vereinbaren, das die folgenden Entscheidungen berücksichtigt:
1. Die Personalkosten sind gemäß § 10 des bayerischen Rahmenvertrages zu berechnen.
2. Die sonstigen Personalkosten sind mit 2% der Personalkosten zu berechnen, die sich aus der Berücksichtigung des § 10 des bayerischen Rahmenvertrages ergeben.
3. Die zentralen Verwaltungskosten sind mit 7% der Personalkosten zu berechnen, die sich aus der Berücksichtigung des § 10 des bayerischen Rahmenvertrages ergeben.
4. Die Rufbereitschaft ist im Entgelt wie im Vergleich geregelt zu berücksichtigen.
5. Grundsätzlich besteht kein Anspruch auf Beschäftigung und Berücksichtigung von Praktikant…innen, Dual Studierenden und Auszubildenden der Fachakademie für Sozialpädagogik im Entgelt. Ist deren Beschäftigung allerdings in der Leistungsvereinbarung akzeptiert, sind die vollen Kosten im Entgelt zu berücksichtigen.
6. Bei der Berechnung des angemessenen Leitungsanteils ist der Einsatz von Praktikant…innen, Dual Studierenden oder Auszubildenden der Fachakademie für Sozialpädagogik mit den jeweils in der Leistungsvereinbarung angesetzten Vollzeitäquivalenten zu berücksichtigen.
7. Das allgemeine Unternehmerwagnis wird mit 3% der Gesamtkosten bewertet.
8. Die unternehmensspezifischen Einzelwagnisse werden mit 7.577 € bewertet und sind mit dieser Summe im Entgelt zu berücksichtigen.
9. Die Kosten der Rechtsberatung sind im Entgelt mit 1.800 € zu berücksichtigen.
10. Die Kosten des Fremdkapitaleinsatzes sind im Entgelt mit 3.842,89 € zu berücksichtigen.“
8
Zur Begründung führte die Schiedsstelle unter dem 27. Mai 2022 zu den im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Regelungen in Ziffern 3.1, 3.2 und 3.3 u.a. aus, dass der Kläger (und nunmehrige Berufungsbeklagte) keinen Anspruch darauf habe, dass die Kosten des in der Leistungsbeschreibung aufgeführten Personals nach den AVR bemessen werde. Maßgeblich hierfür sei vielmehr gemäß § 10 des Rahmenvertrags als Obergrenze der TVöD. Der Kläger (und jetzige Berufungsbeklagte) müsse den Rahmenvertrag gegen sich gelten lassen, auch wenn sie diesem nicht ausdrücklich beigetreten sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (B 3 P 1/18 R –, BSGE 129, 116) habe die Schiedsstelle zunächst die voraus-sichtlichen Kosten der in der Einrichtung erbrachten Leistungen und in einem zweiten Schritt die Leistungsgerechtigkeit anhand der Kostenansätze vergleichbarer Leistungen in anderen Einrichtungen zu prüfen. Die geltend gemachten Kostenpositionen seien nachvollziehbar und plausibel dargelegt und von der Schiedsstelle als die voraussichtlichen Gestehungskosten der Einrichtung für den angestrebten Zeitraum anzuerkennen. Auch wenn die Schiedsstelle in Übereinstimmung mit den Parteien nur die Parameter des angemessenen Entgelts festgelegt habe, sei sie der Überzeugung, dass das sich daraus ergebende Entgelt in angemessener Relation zu den Sätzen anderer Jugendhäuser in München stehe.
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2. Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2022 erhob der Bevollmächtigte des Klägers (und nun-mehrigen Berufungsbeklagten) Klage und beantragte mit Schreiben vom 18. April 2023 zuletzt sinngemäß,
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(1) die Schiedsstellenentscheidung vom 6. Mai 2022 hinsichtlich der Ziffern 3.1, 3.2 und 3.3 aufzuheben.
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(2) Hilfsweise die gesamte Schiedsstellenentscheidung vom 6. Mai 2023 aufzuheben.
12
Die Beklagte (und nunmehrige Berufungsklägerin) erhob am 7. Juli 2022 ebenfalls Klage gegen die Schiedsstellenentscheidung hinsichtlich der Ziffern 3.5, 3.6., 3.7, 3.8, 3.9 und 3.10, wobei die Einwendungen in Bezug auf die Ziffern 3.5 und 3.6 mit Schriftsatz vom 7. März 2023 zurückgenommen wurden (M 18 K 22.3408).
13
Mit Beschluss vom 10. Oktober 2022 ordnete die Schiedsstelle auf Antrag des Klägers (und jetzigen Berufungsbeklagten) die sofortige Vollziehung der Schiedsstellenentscheidung in den Ziffern 3.5, 3.6, 3.7, 3.8, 3.9 und 3.10 an.
14
3. Mit Urteil vom 21. Juni 2023 hob das VG München die Entscheidung der Schiedsstelle vom 6. Mai 2022 – 13-6547.2-2-5 – in Ziff. 3 unter Klageabweisung im Übrigen auf. Die (nur) im Hilfsantrag (nicht aber im Hauptantrag) zulässige Klage sei im Ergebnis begründet. Ziffer 3 des Schiedsbeschlusses vom 6. Mai 2022 sei rechtswidrig, da die im Verfahren streitgegenständlichen Festsetzungen zu den Entgeltbestandteilen unter Ziffer 3.1, 3.2 und 3.3 rechtswidrig seien und der Kläger (und nunmehrigen Berufungsbeklagten) in seinen Rechten verletzte.
15
Eine Aufhebung lediglich von einzelnen Entgeltbestandteilen des festgesetzten Gesamtentgelts sei unzulässig; der Schiedsbeschluss sei infolgedessen hinsichtlich Ziffer 3 (Entgeltfestsetzung) vollständig aufzuheben. Eine lediglich teilweise Aufhebung einzelner Kostenbestandteile der Entscheidung der Schiedsstelle über das Entgelt (Hauptantrag) komme nicht in Betracht. Die Entscheidungen über einzelne Bestandteile der Entgeltfestsetzung stellten keine von den übrigen in der Entscheidung der Schiedsstelle zur Entgeltfestsetzung getroffenen Festlegungen unabhängige Regelungen dar. Vielmehr handele es sich bei der Entgeltfestsetzung um eine insgesamt einheitliche Entscheidung der Schiedsstelle, die im Rahmen deren Beurteilungsspielraums und eines umfassenden Abwägungsvorgangs verschiedene Aspekte in eine Gesamtlösung einfließen lasse, was einer isolierten Betrachtung entgegenstehe.
16
Die Klage sei daher (nur) in ihrem Hilfsantrag begründet. Die Feststellungen der Schiedsstelle, dass der Entgeltvereinbarung die Personalkosten entsprechend § 10 Rahmenvertrag – Bayern zugrunde zu legen seien und die darauf beruhenden Festsetzungen in den Ziffern 3.1 bis 3.3 seien rechtswidrig, sodass die Entgeltfestsetzung insgesamt aufzuheben gewesen sei. Die Schiedsstelle habe mit der Annahme der Bindungswirkung des Rahmenvertrags – Bayern den rechtlichen Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative verkannt. Der Kläger (und nunmehrige Berufungsbeklagte) sei an diesen Vertrag nicht gebunden.
17
Im Unterschied zu den Rahmenverträgen im Sozialhilfe- und Pflegeversicherungsrecht komme dem Rahmenvertrag nach § 78f SGB VIII keine Allgemeinverbindlichkeit zu. Die Landesrahmenverträge besäßen für den öffentlichen Jugendhilfeträger und die Einrichtungsträger anlässlich der Vereinbarungsverhandlungen nach §§ 78b, 78c SGB VIII lediglich empfehlenden Charakter. Der Rahmenvertrag werde deshalb nur dann Inhalt der Einzelvereinbarungen, wenn die Parteien die Regelungen des Rahmenvertrags ihrer Rechtsbeziehung zugrunde legten, indem sie auf die Bestimmungen des Rahmenvertrags Bezug nähmen, ihm beiträten oder seine Verbindlichkeit auf sonstige Weise anerkennen würden. Ein ausdrücklicher oder konkludenter Beitritt sei vorliegend jedoch nicht gegeben. Ebenso wenig müsse der Kläger (und nun-mehrige Berufungsbeklagte) einen solchen aufgrund widersprüchlichen Verhaltens gegen sich gelten lassen.
18
Aufgrund der Anwendung des den Kläger nicht bindenden Rahmenvertrages seien die Festlegungen der Schiedsstelle hinsichtlich der Kostenpunkte 3.1, 3.2 und 3.3 rechtswidrig, sodass die Entgeltfestsetzung im Ganzen aufzuheben sei und es der Schiedsstelle obliege, die Personalkosten und darauf beruhend das Gesamtentgelt neu festzusetzen. Insoweit bestehe allerdings kein zwingender Anspruch, die Personalkosten des Klägers (und jetzigen Berufungsbeklagten) nach dem AVR ungeprüft anzusetzen. Eine obergerichtliche Rechtsprechung in Bezug auf den Personalkostenansatz im Kinder- und Jugendhilferecht existiere nicht. Die Schiedsstelle werde daher zunächst zu entscheiden haben, ob und in welchem Umfang sie die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anwende, welche in ständiger Rechtsprechung sowohl zum SGB XI (vgl. BSG, U.v. 16.5.2013 – B 3 P 2/12 R –, BSGE 113, 258 – juris, Rn. 20 ff.), als auch zum SGB XII (vgl. BSG, U.v. 7.10.2015 – B 8 SO 21/14 R, BSGE 120, 51 – juris, Rn. 18 ff.), davon ausgehe, dass die Bezahlung von tariflichen Entgelten grundsätzlich immer als wirtschaftlich angemessen zu werten sei, den Grundsätzen der wirtschaftlichen Betriebsführung entspreche und nur in Ausnahmefällen eine Kürzung erfahren dürfe.
19
Auf Grund der erforderlichen Neubewertung müsse die Schiedsstelle jedoch anhand des sich aus den einzelnen Kostenpunkten ergebenden Gesamtentgelts zwingend einen externen Vergleich durchführen. Die Entgeltfestsetzung des Schiedsbeschlusses unter Ziffer 3 sei daher vollständig aufzuheben. Eine Aufhebung lediglich der streitgegenständlichen Kostenpunkte unter Ziffer 3.1 bis 3.3 – wie noch im Hauptantrag beantragt – sei nicht möglich. Lediglich soweit einzelne Kostenpunkte von den Parteien nicht gerichtlich erfolgreich angegriffen worden seien (vorliegend auch unter Berücksichtigung des Klageverfahrens M 18 K 22.3408 folglich lediglich die Ziffern 3.4, 3.5 und 3.6) würden diese zwischen den Parteien als vereinbart gelten und habe die Schiedsstelle diese Bestandteile ihrer neuerlichen Entscheidung auf Grund der Dispositionsmaxime der Parteien zu Grunde zu legen.
20
Die Schiedsstelle habe vorliegend unter Punkt 3 der Begründung (Seite 33 f.) unter Bezugnahme auf die „ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts“ bereits einen externen Vergleich des sich aus den einzelnen festgesetzten Entgeltpunkten ergebenden Entgelts durchgeführt und abschließend festgestellt, dass das Entgelt in angemessener Relation zu den Sätzen anderer Jugendhäuser im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten stehe.
21
Das Bundesverwaltungsgericht sei zwar in seinem Urteil vom 1. Dezember 1998 (5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 25) zu § 93 BSHG noch davon ausgegangen, dass die Definition und Ausfüllung der Begriffe „Wirtschaftlichkeit“, „Sparsamkeit“ und „Leistungsfähigkeit“ durch die Schiedsstelle notwendig einen Vergleich voraussetze und dabei entweder ein externer oder ein interner Vergleich in Betracht käme. In seinem Beschluss vom 8. Februar 2008 (Az. 5 B 6/08 – juris Rn. 2), ebenfalls noch zu § 93 BSHG, habe das Bundesverwaltungsgericht hierzu jedoch ausgeführt, dass in seiner Rechtsprechung inzwischen geklärt sei, dass bei der Ermittlung einer leistungsgerechten Vergütung, welche den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entspreche, grundsätzlich und vorrangig auf einen Vergleich der Entgelte verschie-dener Einrichtungen für vergleichbare Leistungen („externer Vergleich“) abzustellen sei und etwas anderes nur gelte, wenn ein Marktpreis nicht ermittelt werden könne, etwa, weil es wegen Besonderheiten der Einrichtung nicht möglich sei, eine aus-reichend große Zahl vergleichbarer Angebote zu erhalten.
22
Ergänzend zum Erfordernis eines externen Vergleichs könne inzwischen auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu vergleichbaren Entgeltregelungen herangezogen werden, sofern diese Entscheidungen in ihrer Begründung maßgeblich aus den „Grundsätzen zum leistungsgerechten Entgeltsystem nach § 93 BSHG“ entwickelt worden seien. Aus der Historie der verschiedenen Gesetzesentwicklungen und den jeweils erfolgten Gesetzesbegründungen hierzu ergebe sich, dass die im Laufe der Zeit von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts herausgearbeiteten Grundsätze zur Entgeltvereinbarung auch auf die Entgeltvereinbarungen im Kinder- und Jugendhilferecht Anwendung fänden. Insbesondere in der Rechtsprechung des 3. Senats des Bundessozialgerichts zum SGB XI sei geklärt, dass das Wettbewerbskonzept maßgeblich das prospektive Entgeltsystem präge, welches seit der Urfassung des § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XI gelte und sich im Wesentlichen an der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 93 Abs. 3 BSHG zum 1. Januar 1994 orientiere (vgl. BSG, U.v. 16.5.2013 – B 3 P 2/12 R –, BSGE 113, 258 – juris, Rn. 19). Infolgedessen sei zur Feststellung der Leistungsgerechtigkeit des Entgelts grundsätzlich ein externer Vergleich vorzunehmen. Dieser Auffassung habe sich inzwischen auch der 8. Senat des Bundessozialgerichts für Vergütungsvereinbarungen nach dem SGB XII (ebenfalls unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Dezember 1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47) angeschlossen und fest-gestellt, dass die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit einen Vergleich mit anderen Leistungserbringern auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung verlange (grundlegend: BSG, U.v. 7.10.2015 – B 8 SO 21/14 R –, BSGE 120, 51 – juris, Rn. 16; zuletzt U.v. 8.12.2022 – B 8 SO 8/20 R –, ZKJ 2023, 269 – juris, Rn. 17).
23
Allerdings lege der 3. Senat des Bundessozialgerichts für das SGB XI in ständiger Rechtsprechung fest, dass zunächst in einem ersten Prüfungsschritt die Plausibilität der einzelnen Kostenpunkte festzustellen sei und in einem zweiten Prüfungsschritt ein Vergütungsvergleich mit anderen Einrichtungen („externer Vergleich“) anhand von – durch den 3. Senat entwickelten – Fallgruppen zu erfolgen habe (grundlegend: BSG, U.v. 29.1.2009 – B 3 P 7/08 R –, BSGE 102, 227 – juris; zuletzt U.v. 26.9.2019 – B 3 P 1/18 R –, BSGE 129, 116 – juris, Rn. 27), während der 8. Senat für stationäre Einrichtungen nach dem SGB VII im Hinblick auf die anders geartete Struktur des SGB XII und die geringere Normdichte, insbesondere die fehlenden ausdrücklichen Regelungen über die Mitwirkungspflichten im Schiedsstellenverfahren keine Veranlassung gesehen habe, die Rechtsprechung des 3. Senats in der Form zu übertragen, dass die Schiedsstelle zu einem entsprechenden Vorgehen vollumfänglich und in jedem Fall gezwungen wäre (grundlegend: BSG, U.v. 7.10.2015 – B 8 SO 21/14 R –, BSGE 120, 51 – juris, Rn. 16; zuletzt U.v. 8.12.2022 – B 8 SO 8/20 R –, ZKJ 2023, 269 – juris, Rn. 17 zu § 75 SGB XII i.d.F. bis zum 31.12.2019). Mit der Änderung des § 75 SGB XII zum 1. Januar 2020 und der gesetzlichen Festlegung des Erfordernisses eines externen Vergleichs und der entsprechenden Anwendung der durch den 3. Senat des Bundessozialgerichts entwickelten Fallgruppen sei in Zukunft jedoch selbst insoweit von einer einheitlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum externen Vergleich auszugehen. Da die im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Regelungen in den §§ 78a ff. SGB VIII ebenfalls auf der Einführung des prospektiven Entgeltsystems beruhten und der Gesetzgeber sich hierzu maßgeblich an dem Vorbild der Pflegeversicherung sowie des BSHG orientiert habe (BT-​Drs. 13/1033, S. 16 ff.), habe für die Festsetzung von Entgelten durch die Schiedsstelle nach § 78g SGB VIII zwingend ein externer Vergleich zu erfolgen.
24
Dabei habe der externe Vergleich anhand des Gesamtentgelts zu erfolgen und nicht etwa in Bezug auf einzelne Kostenbestandteile (vgl. auch: Jaritz/Eicher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-​SGB XII, 2. Aufl, § 77 SGB XII (Stand: 11.08.2017), Rn. 68; § 76 Rn. 106). Denn aus der Begründung für das Erfordernis des externen Vergleichs ergebe sich, dass das „Entgelt“ insgesamt leistungsgerecht im Vergleich mit anderen Einrichtungen sein müsse. Ein externer Vergleich lediglich in Bezug auf einzelne Kostenpunkte könne dies jedoch nicht gewährleisten. Das Wettbewerbsprinzip solle einen Anreiz für eine wirtschaftliche Betriebsführung bieten (so bereits die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 93 Abs. 3 BSHG, BT-​Drs. 12/5510 S. 10 ff). Hierzu sei die unternehmerische Freiheit erforderlich, hinsichtlich der einzelnen Kostenfaktoren unterschiedlich zu kalkulieren. Der Ansatz dieser einzelnen Kostenfaktoren sei in einem ersten Schritt durch die Schiedsstelle auf Plausibilität zu prüfen (BSG, U.v. 29.1.2009 – B 3 7/08 R –, BSGE 102, 227 – juris), während es im Rahmen des externen Vergleichs in der Gesamtbewertung entscheidend darauf ankomme, ob der von der Einrichtung geforderte Vergütungssatz im Vergleich mit günstigeren Pflegesätzen und Entgelten anderer Einrichtungen im Hinblick auf die Leistungen der Einrichtung und die Gründe für ihren ggf. höheren Kostenaufwand insgesamt angemessen und deshalb als leistungsgerecht anzusehen sei (BSG, U.v. 16.5.2013 – B 3 P 2/12 R –, BSGE 113, 258 – juris, Rn. 23). Dementsprechend könne die Schiedsstelle auch ggf. einzelne Positionen der Kalkulationsgrundlage offen lassen und – entsprechend begründet – einen ihrer fachlichen Einschätzung nach leistungsgerechten Gesamtbetrag festsetzen (BVerwG, U.v. 25.10.2018 – 3 C 22/16 –, BVerwGE 163, 283 – juris, Rn. 29 zu Entgeltfestsetzung nach dem KHEntgG). Infolgedessen sei die gesamte Entgeltfestsetzung aufzuheben gewesen.
25
4. Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Beklagte und nunmehrige Berufungsklägerin ihr Begehren weiter, unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 21. Juni 2023 die Abweisung der Klage des Klägers und jetzigen Berufungsbeklagten zu erwirken. Die Aufhebung von Ziffer 3 der Schiedsstellenentscheidung durch das Verwaltungsgericht sei rechtswidrig. Die Schiedsstelle habe zu Recht angenommen, dass die gesamten prospektiven Personalkosten gemäß § 10 des Rahmenvertrages zu berechnen seien. Der Kläger und Berufungsbeklagte sei dem Rahmenvertrag konkludent beigetreten. Aufgrund der eindeutigen Bezugnahmen auf den Rahmenvertrag im Zuge der Entgeltverhandlungen und der Bevollmächtigung der Trägervereinigung des Klägers und Berufungsbeklagten, Entgeltvereinbarungen für den Träger über die Regionale Kommission nach § 78e Abs. 3 SGB VIII abzuschließen, sei die Berufungsbeklagte an die Regelungen im Rahmenvertrag gebunden. Die Bevollmächtigung des Klägers und Berufungsbeklagten gegenüber seinem Trägerverband, Entgelte über die Regionale Kommission zu vereinbaren, bedeute zwangsläufig das konkludente Einverständnis mit der Vereinbarung von Entgelten unter Zugrundelegung des Rahmenvertrages. Der Rahmenvertrag wiederum enthalte Verweise auf die Regionale Kommission, sodass beide Verträge, der Rahmenvertrag und der Vertrag zur Bildung von Regionalen Kommissionen, einander bedingten. Die Bevollmächtigung, Entgeltvereinbarungen über die Entgeltkommission abzuschließen, sei von dem Kläger und Berufungsbeklagten auch nicht zurück-gezogen worden. Der Sinn und Zweck eines Rahmenvertrages könne nicht eintreten, wenn ein einzelner Träger – wie die Berufungsbeklagte – die Entgeltkommission (die für die Beurteilung der Angebote den Rahmenvertrag heranziehe) zwar ausdrücklich mit den Entgeltverhandlungen beauftrage, den Vertrag bzw. einzelne Regelungen des Rahmenvertrages aber nicht anwenden wolle. Der Trägerverband des Klägers und Berufungsbeklagten sei als Teil der Entgeltkommission an den Rahmenvertrag gebun-den. Die Berufungsbeklagte könne sich nicht einfach einzelne Rosinen des Vertrages herauspicken. Entgegen der Annahme des Klägers und Berufungsbeklagten verstoße die in § 10 Abs. 1 Satz 1 des Rahmenvertrages einvernehmlich vorgesehene Deckelung auf den TVöD auch nicht gegen geltendes Recht. Die Vereinbarung, einen bestimmten Tarifvertrag als Kostendeckel zu fixieren, sei rechtlich zulässig. Um dem Kriterium „Wirtschaftlichkeit“ zu genügen, sei es ausreichend, dass der Tarifvertrag (hier der TVöD), der von den Vertragsparteien als verbindliche Grundlage beschlossen worden sei, für sich gesehen wirtschaftlich sei. Ob ein anderer Tarifvertrag, derjenige der Diakonie, ebenfalls wirtschaftlich sei, sei unerheblich.
26
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
27
das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. Juni 2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
28
Der Kläger und Berufungsbeklagte beantragt (sinngemäß),
29
die Berufung zurückzuweisen
30
und
31
im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. Juni 2023 abzuändern und nur die Festsetzungen der Ziffern 3.1, 3.2 und 3.3 der Schiedsstellenentscheidung vom 6. Mai 2022 aufzuheben.
32
Eine (Teil-) Anfechtung der Ziffern 3.1., 3.2 und 3.3 der Schiedsstellenentscheidung sei zulässig. Die Schiedsstelle habe sich mit ihrer Entscheidung vom 6. Mai 2022 hinsichtlich dieser Festsetzungen nicht innerhalb des ihr zukommenden Beurteilungsspielraum bewegt. Die Nichtberücksichtigung von tariflich festgelegten Personalkosten in der Entgeltvereinbarung stelle eine Grenzverletzung dar. Entscheide die Schiedsstelle isoliert über Einzelfragen, so müsse es zulässig sein, die Entscheidung über diese Einzelfragen auch isoliert anzufechten. Die Schiedsstelle habe die in Widerspruch zum prospektiven Entgeltrecht stehende Nichtberücksichtigung der bei wirtschaftlicher Betriebsführung tatsächlich entstehenden Personalkosten ausschließlich mit der Anwendung des § 10 des Rahmenvertrags – Bayern und der dort vorgeschriebenen Obergrenze begründet und dadurch materielles Recht verletzt. Der Kläger und Berufungsbeklagte sei nicht Vertragspartner des Rahmenvertrages und daher auch nicht an diesen gebunden. Es liege weder ein ausdrücklicher noch ein konkludenter Beitritt vor. Ein solcher lasse sich auch nicht mit der angeblichen „Verflechtung“ von Verträgen oder der Verwendung von Formblättern begründen. Auch aus der Bevollmächtigung des Trägerverbandes zum Abschluss von Vereinbarungen nach § 78b Abs. 1 SGB VIII folge kein Beitritt zum Rahmenvertrag. Zu den rechtlichen Folgen einer etwaigen Anwendung des Rahmenvertrages auf die Entgeltvereinbarung habe das Verwaltungsgericht mangels Entscheidungserheblichkeit nicht Stellung bezogen. Eine Vereinbarung, welche die Personalkosten nicht vollumfänglich berücksichtige, sei jedoch gemäß § 58 Abs. 1 SGB X nichtig.
33
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt (sinngemäß),
34
die Anschlussberufung des Klägers und Berufungsbeklagten zurückzuweisen.
35
Durch die Bindung an den TVöD sei eine wirtschaftliche Vergütung gewährleistet.
36
Mit Schreiben vom 29. Januar 2024 hat der Senat die Verfahrensbeteiligten zu einer Entscheidung nach § 130a VwGO angehört.
37
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
38
Die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin und die Anschlussberufung des Klägers und Berufungsbeklagten sind zulässig, aber unbegründet.
39
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die (nur) im Hilfsantrag (nicht aber im Hauptantrag) zulässige isolierte Anfechtungsklage (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 28.02.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 17) begründet ist und zur Aufhebung des Schiedsbeschlusses vom 6. Mai 2022 in seiner Gesamtheit führen musste, auch wenn (lediglich) die in den Ziffern 3.1, 3.2, und 3.3 erfolgten Festsetzungen zu den Entgeltbestandteilen rechtswidrig sind und den Kläger und Berufungsbeklagten in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
40
1. Der Senat kann über die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin und die Anschlussberufung des Klägers und Berufungsbeklagten nach Anhörung der Beteiligten gem. § 130a Satz 1 VwGO in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens durch Beschluss entscheiden, da er beide einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet. Die Rechtssache weist weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht außergewöhnliche Schwierigkeiten auf (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, U.v. 30.6.2004 – 6 C 28.03 –, BVerwGE 121, 211 [212]; U.v. 9.12.2010 – 10 C 13.09 –, BVerwGE 138, 289 [297 f.]). Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind – entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts – durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtsnatur des Schiedsstellenverfahrens (vgl. U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 21 ff.; B.v. 28.02.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 9, jeweils zu § 94 BSHG a.F.) und die Gesetzesmaterialien zum prospektiven Entgeltsystem (vgl. BT-Drucks. 13/10330, S. 17; BT-Drucks. 12/5510, S. 10) bereits hinreichend geklärt.
41
Die Beteiligten hatten im Berufungs- und Anschlussberufungsverfahren ausreichend Gelegenheit, sich zu den maßgeblichen Fragen zu äußern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welche auf der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK gründet (vgl. hierzu U.v. 29.10.1991 – Nr. 22/1990/213/275 –, NJW 1992, 1813 f.), muss in Fällen einer erstinstanzlichen öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht stets und unabhängig von der Art der zu entscheidenden Fragen in der folgenden zweiten Instanz eine weitere mündliche Verhandlung stattfinden (vgl. BVerwG, B.v. 25.9.2007 – 5 B 53/07 – juris, Rn. 18). Dies gilt namentlich dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – nur über Rechtsfragen zu entscheiden ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.9.2003 – 4 B 68/03 –, NVwZ 2004, 108 [110]; B.v. 7.9.2011 – 9 B 61/11 –, NVwZ 2012, 379 [380] Rn. 6 f.; s.a. Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 7/2019, § 130a Rn. 3 a.E.). Tatsachenfragen, die eine (weitere) Beweiserhebung erfordert hätten, haben sich entscheidungserheblich nicht gestellt. Die auf-geworfenen Fragen lassen sich bereits alleine aufgrund der Aktenlage und der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angemessen beurtei-len (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 25.9.2007 – 5 B 53/07 – juris, Rn. 18; s.a. Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 7/2019, § 130a Rn. 3 a.E.).
42
Die Beklagte und nunmehrige Berufungsklägerin hat der beabsichtigten Verfahrensweise im Rahmen der Anhörung gem. § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO mit Schreiben vom 9. Februar 2024 nicht widersprochen; sie teilt lediglich nicht die Auffassung des Senats, dass die aufgeworfenen Rechtsfragen bereits durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtsnatur des Schiedsstellenverfahrens und die Gesetzesmaterialien zum prospektiven Entgeltsystem geklärt seien und beantragt deshalb die Zulassung der Revision. Dies gibt dem Senat nach Kenntnisnahme des, neue tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte nicht enthaltenden Vorbringens auch nach nochmaliger Abwägung aller für und gegen die Durchführung einer Berufungsverhandlung sprechenden Gründe gleichwohl keinen Anlass, in Ausübung des durch § 130a VwGO eingeräumten Ermessens von seiner beabsichtigten Verfahrensweise abzuweichen (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.2010 – 6 B 72/09 –, NVwZ 2010, 845 [846] Rn. 8; B.v. 22.6.2007 – 10 B 56/07 – juris, Rn. 9). Sämtliche aufgeworfenen Rechtsfragen waren – soweit ihnen nach der insoweit allein maßgeblichen Auffassung des Senats überhaupt entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt – bereits Gegenstand der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung. Neue, im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht relevante Rechts- oder Tatsachenfragen (vgl. hierzu BVerwG, B.v.18.12.2014 – 8 B 47/14 –, NVwZ 2015, 600 [601] Rn. 7) haben sich im Berufungsverfahren entscheidungserheblich nicht gestellt.
43
Mit Anhörungsschreiben vom 29. Januar 2024 hat der Senat die Verfahrensbeteiligten über das Ergebnis seiner rechtlichen Prüfung im Berufungs- und Anschlussberufungsverfahren unter Hinweis auf die sowohl in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als auch in den Gesetzesmaterialien zum prospektiven Entgeltsystem betonte Einschätzungsprärogative der Schiedsstelle in Kenntnis gesetzt. Ein diskursiver Prozess zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten (vgl. BVerwG, B.v. 20.5.2015 – 2 B 4/15 –, NVwZ 2015, 1299 Rn. 5; s.a. Anm. Heusch, NVwZ 2015, 1301) hat daher in umfassender Weise stattgefunden, wenn auch nicht mit dem von der Beklagten gewünschten Ergebnis. Zu einem weitergehenden „Rechtsgespräch“ ist der Senat – selbst im Rahmen einer mündlichen Verhandlung – nicht verpflichtet (vgl. BVerfGE 86, 133 [144 f.] m.w.N.). Mithin kann der Senat in Ausübung des nach § 130a Satz 1 VwGO eingeräumten Ermessens durch Beschluss entscheiden. Einer weiteren Anhörungsmitteilung bedurfte es nicht (vgl. BVerwG, B.v. 17.5.1993 – 4 B 73/93 – juris, Rn. 3; B.v. 2.3.2010 – 6 B 72/09 –, NVwZ-​RR 2010, 845 [846] Rn. 8; B.v. 22.6.2007 – 10 B 56/07 – juris, Rn. 9; B.v. 25.8.1999 – 8 C 12/98 – juris, Rn. 16).
44
2. Der Senat teilt zunächst die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass eine lediglich teilweise Aufhebung einzelner Bestandteile der Entscheidung der Schiedsstelle vom 6. Mai 2022 über das Entgelt (Hauptantrag) unzulässig ist. Die Entscheidungen über einzelne Bestandteile der Entgeltfestsetzung stellen – wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat – keine von den übrigen in der Entscheidung der Schiedsstelle zur Entgeltfestsetzung getroffenen Festlegungen unabhängigen Regelungen dar. Vielmehr handelt es sich insoweit um eine insgesamt einheitliche Entscheidung der Schiedsstelle in Gestalt eines Verwaltungsakts gemäß § 31 Satz 1 SGB X (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 28.02.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 10; Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78g Rn. 8), die im Rahmen deren Beurteilungsspielraums verschiedene Aspekte in eine Gesamtlösung einfließen lässt. Aufgrund dieser Interdependenz der einzelnen Entgeltfestsetzungen kommt die Annahme einer Teilbarkeit analog § 40 Abs. 4 SGB X nicht in Betracht. Eine lediglich teilweise Aufhebung einzelner Entgeltbestandteile ist daher entgegen der Auffassung des Klägers und Berufungsbeklagten nicht möglich, denn es kann derzeit nicht mit hinreichender Gewissheit ausgeschlossen werden, dass die Schiedsstelle anlässlich einer erneuten Beurteilung der einzelnen Entgeltfestsetzungen in Ziffern 3.1, 3.2 und 3.3 des Beschlusses vom 6. Mai 2022 im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative nicht zugleich auch zu einer Neubeurteilung und Begründung der Höhe der einzelnen Entgeltfestsetzungen der im Verfahren M 18 K 22.3408 ebenfalls erfolgreich beanstandeten Entgeltfestsetzungen der Ziffern 3.7, 3.8, 3.9 und 3.10 gelangt und umgekehrt. Eine bloße Teilaufhebung würde daher in nicht zu recht-fertigender Weise in die alleinige Beurteilungs- und Entscheidungskompetenz der Schiedsstelle übergreifen. Den Verfahrensbeteiligten entsteht dadurch kein rechts-erheblicher Nachteil. Gegen die neue Entscheidung der Schiedsstelle ist ihnen der Verwaltungsrechtsweg erneut in vollem Umfang eröffnet. Der (weiterhin) auf eine isolierte Anfechtung gerichteten Anschlussberufung des Klägers und Berufungsbeklagten kann daher kein Erfolg beschieden sein. Im Einzelnen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in der angefochtenen Entscheidung verwiesen (§ 130b Satz 2 VwGO).
45
3. a) Auch hinsichtlich der Beurteilung im Übrigen ist das Verwaltungsgericht zu Recht von einer Einschätzungsprärogative der Schiedsstelle nach § 78g SGB VIII ausgegangen. Nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung hat der Gesetzgeber die Schiedsstelle als weisungsfreies, mit Vertretern der Interessen der betroffenen Gruppen besetztes Konfliktlösungs- und Schlichtungsgremium ausgestaltet und damit zum Ausdruck gebracht, dass er dieses Gremium als mit der zu regelnden Materie vertrautes und zu einer vermittelnden Zusammenführung potentiell gegenläufiger Interessen berufenes Entscheidungsorgan für geeignet hält, eine sach- und interessengerechte Lösung zu finden (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 11 f.; siehe zum Schiedsstellenverfahren allgemein Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78g Rn. 7 ff.; Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 78g Rn. 2 ff.). Der Schiedsstelle steht deshalb für ihre Bewertungen und Beurteilungen im Rahmen der unbestimmten Rechtsbegriffe (Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsgerechtigkeit) eine Einschätzungsprärogative zu, die es gebietet, die gerichtliche Überprüfung darauf zu beschränken, ob die Schiedsstelle die ihr gesetzten rechtlichen Vorgaben beachtet, den Sachverhalt vollständig ermittelt und in einem fairen und willkürfreien Verfahren zu vertretbaren Bewertungen gefunden hat (vgl. BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 24; B.v. 28.2.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 9; Telscher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, Stand: 01.08.2022, § 78g Rn. 34 m.w.N.).
46
Eine allgemeine normative Vorgabe für die Schiedsstelle und damit zugleich auch Prüfungsmaßstab im gerichtlichen Verfahren bildet der Bedarfsdeckungsgrundsatz sowie das in den §§ 78a ff. SGB VIII seit 1. Januar 1999 geregelte sog. prospektive Entgeltsystem (BT-​Drs. 13/10330, S. 17 ff.; BT-Drs. 12/5510, S. 10). Durch die Forderung des Gesetzes, dass die Entgelte leistungsgerecht sein und einer Einrichtung bei sparsamer und wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen müssen, eine bedarfsgerechte Hilfe zu leisten, soll den Einrichtungen ein „auskömmlicher, leistungsgerechter Preis … gewährleistet“ werden (vgl. auch bereits BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 23). Auf Grund des prospektiven Entgeltsystems sollen Einrichtungen daher nicht gezwungen werden, die von ihnen erwar-teten Leistungen unterhalb ihrer Gestehungskosten anzubieten (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17; BT-Drs. 12/5510, S. 10). (Prospektive) Selbstkosten bilden folglich, sofern sie den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsgerechtigkeit entsprechen, auch bei prospektiven Pflege- und Betreuungssätzen die Untergrenze des festzusetzenden Entgelts. Eine Beurteilung, ob ein Anbieter den von ihm geltend gemachten Pflegesatz zur Deckung seiner Selbstkosten auch tatsächlich benötigt, ist nicht möglich, ohne dass die Schiedsstelle eine an jenen Grundsätzen orientierte „Entscheidung über Kalkulationsgrundlagen“ trifft (vgl. BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 23). Soweit es um die Beachtung der Grundsätze der „Wirtschaftlichkeit“, der „Sparsamkeit“ und der „Leistungsgerechtigkeit“ geht, hat sich die gerichtliche Kontrolle gemäß dem Willen des Gesetzgebers, dass die Definition und Ausfüllung dieser Begriffe „Hauptaufgabe“ der Schiedsstelle selbst und nicht der Gerichte sein soll (BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18; BT-Drs. 12/5510, S. 12), auf die Nachprüfung zu beschränken, ob die Bewertungen der Schiedsstelle dem Sinngehalt dieser unbestimmten Gesetzesbegriffe gerecht werden und, gemessen daran, in Anbetracht des von der Schiedsstelle vollständig ermittelten Sachverhalts vertretbar sind (grundlegend BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 24; B.v. 28.02.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 9, jeweils zu § 94 BSHG a.F.).
47
Das Schiedsstellenverfahren besitzt infolgedessen den Charakter eines „Zwangsschlichtungsverfahrens“ (vgl. Schütte, NDV 2005, 246 [247 f.]), dem sich sowohl der jeweilige Leistungsanbieter als auch der Träger der Jugendhilfe im Streitfall unterwerfen müssen, wenn es zu einer Entgeltvereinbarung kommen soll. Dies schließt es aus, dass die Streitparteien ihre „Händel“ vor den Verwaltungsgerichten fortsetzen, ohne angemessen zu berücksichtigen, dass die materielle Entscheidung über die Angemessenheit des festzusetzenden Entgelts von der Schiedsstelle und nicht von den Richterinnen und Richtern der Verwaltungsgerichtsbarkeit getroffen wird (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 12). Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass es im prospektiven Entgeltsystem einen objektiv allein „richtigen“ Entgeltsatz nicht gibt (so zutreffend Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78g Rn. 15).
48
Die Verwaltungsgerichte können deshalb den Schiedsspruch einer Schlichtungsstelle nach § 78g SGB VIII nur daraufhin überprüfen, ob die Schiedsstelle die widerstreitenden Interessen der Verfahrensparteien zutreffend ermittelt hat, alle für die Abwägungsentscheidung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen wurden und die Abwägungsentscheidung frei von sachfremden Erwägungen in einem fairen und willkürfreien Verfahren inhaltlich orientiert an den materiellen Vorgaben des Entgeltvereinbarungsrechts des SGB VIII ergangen ist (vgl. hierzu näher Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78g Rn. 22 m.w.N.).
49
Dies bedeutet im Umkehrschluss zugleich auch, dass die Schiedsstelle im Rahmen der ihr durch § 78g SGB VIII eingeräumten Autonomie (vgl. hierzu Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 78g Rn. 2 ff.) und den durch höherrangiges Recht, namentlich das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), gezogenen Grenzen, ihr Prüf- und Entscheidungsprogramm zu§ 78b Abs. 2 und § 78c Abs. 2 SGB VIII selbstständig bestimmt (vgl. BT-Drucks. 13/10330, S. 17. u. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 12), sofern – wie derzeit – konkrete Vorgaben des Gesetzgebers im Entgeltvereinbarungsrecht des SGB VIII fehlen, nach dem Regelungs- und Gestaltungsauftrag des § 78g SGB VIII eine Entscheidung über die Entgeltfestsetzung aber gleichwohl getroffen werden muss. Die Autonomie der Schiedsstelle reicht dabei umso weiter, je weniger die Vorgaben des Gesetzgebers das Prüf- und Entscheidungsprogramm der Schiedsstelle bereichsspezifisch deter-minieren und ist demgegenüber umso begrenzter, je mehr der Gesetzgeber die Schlichtungsstelle an die Einhaltung konkreter gesetzlicher Vorgaben bindet.
50
Ohne das Rechtsinstitut einer unabhängigen, weisungsfreien Schiedsstelle (§ 78g SGB VIII) bliebe die Entgeltfestsetzung (§ 78c Abs. 2 SGB VIII, § 78b Abs. 2 SGB VIII) gleichsam inoperabel, da der Gesetzgeber die Grundsätze der von ihm verlangten Preisgestaltung – mit Ausnahme der unbestimmten Rechtsbegriffe der „Leistungsgerechtigkeit“, „Wirtschaftlichkeit“ und „Sparsamkeit“- selbst nicht durch weitere Konkretisierungen benennt. Diesen Konkretisierungsauftrag hat er für den Konfliktfall der Schiedsstelle überantwortet, der die alleinige Definition und Ausfüllung der Rechtsgrundsätze auch “Wirtschaftlichkeit“, „Sparsamkeit“ und “Leistungsgerechtigkeit“ als Hauptaufgabe übertragen ist (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18; BT-Drs. 12/5510, S. 12).
51
Legt der Gesetzgeber als Maßstab für die Entgeltfestsetzung allein den Gesichtspunkt der Leistungsgerechtigkeit (§ 78c Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) – mit anderen Worten ein angemessenes Verhältnis zwischen Entgelt und Leistung (vgl. hierzu Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 78c Rn. 11; Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78c Rn. 13) – zugrunde und nimmt er damit – implizit – zugleich auch auf die in § 78b Abs. 2 Satz 1 SGBVIII genannten Kriterien der „Wirtschaftlichkeit“ und „Sparsamkeit“ Bezug (vgl. hierzu Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 78b Rn. 22 f.; Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78b Rn. 13 ff.), ohne zugleich weitere Parameter zu deren Feststellung im Einzelfall zu bestimmen, so muss die Schiedsstelle – notgedrungen – ein eigenes Prüf- und Beurteilungssystem entwickeln, um ihrem Regelungs- und Gestaltungsauftrag aus § 78g SGB VIII gerecht werden zu können; denn ihr allein kommt im Konfliktfall die Entscheidung über die Kalkulationsgrundlagen zu (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 12).
52
Insoweit liegt es – in Ermangelung entsprechender näherer Vorgaben in § 78c Abs. 2 und§ 78b Abs. 2 SGB VIII durch den Gesetzgeber selbst – in der alleinigen Rechtsmacht der Schiedsstelle, auf in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundessozialgerichts zum ehemaligen BSHG (BVerwGE 108, 47 ff.; 116, 78 ff.) sowie zum SGB SGB XI und SGB XII (BSGE 102, 227 ff.; 113, 258 ff.; 120, 51 ff.; 129, 116 ff.) entwickelte Maßstäbe und Grundsätze sowohl des „internen Vergleichs“ (einrichtungsbezogene Plausibilitätskontrolle der Entgeltansätze) als auch des „externen Vergleichs“ (mit den Entgeltsätzen anderer vergleichbarer Einrichtungen) und anschließender Angemessenheitsprüfung zurückzugreifen (vgl. hierzu näher Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78b Rn. 16 ff.; Banafsche, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 2. El. 2023, § 78b Rn. 41 ff.; § 78c Rn. 15a; Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 78c Rn. 12 ff.). Eine Rechtspflicht der Schiedsstelle, sich dieser Maßstäbe und Grundsätze im Einzelnen oder gar in Kombination zu bedienen, vermag der Senat indes nicht zu erkennen. Vielmehr hat die Schiedsstelle – solange verbindliche Vorgaben durch den Gesetzgeber fehlen – ihr Prüf- und Entscheidungsprogramm zu § 78b Abs. 2 und § 78c Abs. 2 SGB VIII im Rahmen der ihr in § 78g SGB VIII eingeräumten Autonomie selbstständig zu bestimmen. Ihr allein kommt im Konfliktfall die Entscheidung über die Kalkulationsgrundlagen zu (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 12).
53
Letzteres folgt unzweifelhaft aus dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, dass sich die gerichtliche Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte, soweit es – wie hier – um die Beachtung der Grundsätze der „Wirtschaftlichkeit“, der „Sparsamkeit“ und der „Leistungsgerechtigkeit“ geht, auf die Nachprüfung zu beschränken hat, ob die Bewertungen der Schiedsstelle dem Sinngehalt dieser unbestimmten Gesetzesbegriffe gerecht werden und, gemessen daran, in Anbetracht des von der Schiedsstelle vollständig ermittelten Sachverhalts, vertretbar sind (grundlegend BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 21 ff.; B.v. 28.02.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 9, jeweils zu § 94 BSHG n.F.). Die Definition und Ausfüllung der Begriffe der „Wirtschaftlichkeit“, „Sparsamkeit“ und „Leistungsgerechtigkeit“ ist hingegen alleinige Aufgabe der Schiedsstelle selbst (vgl. BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 24). Nur ihr kommt im Konfliktfall die Entscheidung über die Kalkulationsgrundlagen zu (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 12).
54
Damit bleibt allerdings die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Schiedsstelle habe im Rahmen der Entgeltfestsetzung „zwingend“ einen „externen Vergleich“ vorzunehmen, ohne Grundlage. Eine solche Rechtspflicht besteht vor dem Hintergrund der der Schiedsstelle eingeräumten Einschätzungsprärogative und des Fehlens entsprechender gesetzlicher Vorgaben in § 78c Abs. 2 und § 78b Abs. 2 SGB VIII – jedenfalls derzeit – nicht. Die Schiedsstelle besitzt lediglich die Rechtsmacht, sich im Rahmen der ihr eingeräumten Autonomie eines „externen Vergleichs“ zu bedienen. Die Kontrollbefugnis der Verwaltungsgerichte ist demgegenüber auf eine reine „Vertretbarkeitskontrolle“ der Bewertungen der Schiedsstelle beschränkt (vgl. BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 24; B.v. 28.02.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 9). Die Schiedsstelle kann daher auch nach Aufhebung eines zunächst auf der Grundlage eines „externen Vergleichs“ ergangenen Schiedsstellenbeschlusses bei einer von ihr vorzunehmenden erneuten Entscheidung noch zum „internen Vergleich“ wechseln und umgekehrt. Ihr allein kommt im Konfliktfall die Entscheidung über die Kalkulationsgrundlagen zu (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 12).
55
Diese „Vorgaben“ sowohl des Bundesverwaltungsgerichts als auch des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 12) sind von seltener Klarheit und Eindeutigkeit; sie tragen dem Umstand Rechnung, dass sich die Gerichte nicht unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben und sich damit ihrer Bindung an Recht und Gesetz entziehen dürfen (vgl. BVerfGE 96, 375 [394]). Rechtsfortbildung findet stets dort ihre Grenzen, wo ohne jede Rückbindung an entsprechende Aussagen des Gesetzgebers – vorliegend im SGB VIII selbst – neue Regelungen unter Rückgriff auf (vermeintlich) einschlägige Parallelregelungen in (angeblich) verwandten Rechtsgebieten geschaffen werden (vgl. BVerfGE 126, 286 [306]).
56
Sollte der Gesetzgeber zu der Auffassung gelangen, die Rechtsmacht der Schiedsstellen (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 12) müsse durch weitere Vorgaben eingeschränkt werden, so ist ihm dies unbenommen. Es ist jedoch nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte, entsprechende Einschränkungen entgegen der den Schiedsstellen bislang kraft Gesetzes ausdrücklich eingeräumten Autonomie (§ 78g SGB VIII) zur Geltung zu bringen und damit letztlich ausschließlich eigenen Vorstellungen, nicht aber solchen des Gesetzgebers zum Durchbruch zu verhelfen.
57
Ohne ausdrücklichen Rechtsanwendungsbefehl des Gesetzgebers im SGB VIII selbst kommt eine verpflichtende Übertragung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum SGB XI und XII nicht in Betracht. Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen im SGB XI und XII einerseits und im SGB VIII andererseits sind vollkommen unterschiedlich. Insbesondere fehlt im SGB VIII eine Regelung wie in § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB XI, die einen „externen Vergleich“ überhaupt erst ermöglicht oder – wie in § 75 Abs. 2 Satz 10 SGB XII – zwingend vorsieht. Die gesetzlichen Regelungen, an die das Bundessozialgericht anknüpft, fehlen im SGB VIII. Eine verpflichtende Übertragung von dessen Rechtsprechung kommt deshalb ohne ein entsprechendes Tätigwerden des Gesetzgebers (auch) im SGB VIII nicht in Frage (so zutreffend Münder, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 78b Rn.18). Infolgedessen verbleibt es – jedenfalls bis zu einem gegenteiligen Handeln seitens des Gesetzgebers – bei der derzeitigen Autonomie und Einschätzungsprärogative der Schiedsstellen. Für eine Rechtsanalogie fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke.
58
Eine absolute Grenze der Beurteilungskompetenz erwächst der Schiedsstelle allerdings aus dem prospektiven Entgeltrecht selbst. Den Einrichtungen muss ein „auskömmlicher, leistungsgerechter Preis“ gewährleistet sein (vgl. BVerwG, U.v. 1.12.1997 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 23). Keine Einrichtung darf gezwungen werden, die von ihr erwarteten Leistungen unterhalb ihrer Gestehungskosten anzubieten und zu erbringen (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17; BT-Drs. 12/5510, S. 10). Diese absolute Grenze kann auch durch einen wie auch immer gearteten „externen Vergleich“ in Gestalt einer Kostendeckelung nicht überwunden werden.
59
Dabei ist die inhaltliche Überprüfung des Schiedsbeschlusses durch die Verwaltungsgerichte auf diejenigen Gegenstände bezogen, über die keine Einigung zwischen den Vertragsparteien erzielt werden konnte (vgl. Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 78g Rn. 16), allerdings ohne dass die Aufhebung des Schiedsbeschlusses – etwa infolge mangelnder Teilbarkeit – analog § 40 Abs. 4 SGB X von vornherein auf diese Bestandteile beschränkt wäre. Eine fehlerhafte Entscheidung der Schiedsstelle ist regelmäßig an diese zurückzuverweisen (vgl. Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78g Rn. 22) bzw. wird im Falle ihrer Aufhebung aufgrund der regelmäßig fortbestehenden Antragstellung der Einleitungskörperschaft erneut dort anhängig.
60
Unabdingbare Voraussetzung einer Vertretbarkeitskontrolle durch die Verwaltungsgerichte ist jedoch stets, dass die Entscheidung der Schiedsstelle schriftlich begründet ist (§ 35 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Sie muss die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die die Schiedsstelle zu ihrer Entscheidung bewogen haben, konkret benennen (§ 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Dargestellt werden muss vor allem, welche (verschiedenen) Erwägungen die Schiedsstelle angestellt hat, was die tragenden Gründe für die getroffene Entscheidung sind, von welchen Argumenten die Schiedsstelle sich hat leiten lassen und welche rechtliche Beurteilung sie im Einzelfall vor-genommen hat (vgl. Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78g Rn. 16; Telscher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, § 78g Rn. 35).
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Genügt die Schiedsstellenentscheidung diesen Anforderungen nicht, ist sie ins-besondere ungeeignet, den Schiedsbeschluss in allen seinen wesentlichen Punkten nachzuvollziehen, so unterliegt sie der Aufhebung (vgl. OVG LSA, U.v. 22.09.2020 – 4 L 260/19 – juris, Rn. 42 ff.). Eine Nachholung der Begründung erst im gerichtlichen Verfahren ist nicht möglich (vgl. OVG LSA, U.v. 22.09.2020 – 4 L 260/19 – juris, Rn. 41 m.w.N.). Das Schiedsstellenverfahren kann nicht im Gerichtsverfahren wiederholt oder auch nur fortgesetzt werden. Infolgedessen verbietet sich zugleich auch eine Beiladung der Schiedsstelle (vgl. Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78g Rn. 20). Diese besitzt im gerichtlichen Verfahren der Streitparteien keine eigenen materiellen Rechte (vgl. BVerwG, B.v. 28.02.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 21).
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b) Gemessen an diesem Maßstab ist das Verwaltungsgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Feststellungen der Schiedsstelle, der Entgeltvereinbarung seien die Personalkosten entsprechend § 10 Rahmenvertrag – Bayern zugrun-de zu legen, weshalb die Entgelte entsprechend Ziffern 3.1, 3.2 und 3.3 festzusetzen seien, rechtswidrig sind, den Kläger und Berufungsbeklagte in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und mangels Teilbarkeit analog § 40 Abs. 4 SGB X insgesamt aufzuheben sind. Die Schiedsstelle hat mit der Annahme einer Bindungswirkung des Rahmenvertrages – Bayern den rechtlichen Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative verkannt. Der Kläger und Berufungsbeklagte ist an diesen Vertrag nicht gebunden.
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aa) Im Unterschied zu den Rahmenverträgen im Sozialhilfe- und Pflegeversicherungsrecht kommt dem Rahmenvertrag nach § 78f SGB VIII keine Allgemeinverbindlichkeit zu (BGH, U.v. 18.2.2021 – III ZR 175/19 –, ZKJ 2021, 241 – juris, Rn. 25). Die Landesrahmenverträge besitzen für den öffentlichen Jugendhilfeträger und die Einrichtungsträger anlässlich der Vereinbarungsverhandlungen nach §§ 78b, 78c SGB VIII lediglich empfehlenden Charakter (Telscher, in: jurisPK-SGB VIII, Stand: 01.08.2022, § 78c Rn. 9; Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78f Rn. 3 u. 5). Der Rahmenvertrag wird deshalb nur dann Inhalt der Einzelvereinbarungen, wenn die Parteien die Regelungen des Rahmenvertrags ihrer Rechtsbeziehung zugrunde legen, indem sie auf die Bestimmungen des Rahmenvertrags mit entsprechendem Rechtsbindungswillen übereinstimmend Bezug nehmen, ihm beitreten oder seine Verbindlichkeit auf sonstige Weise (ausdrücklich) anerkennen (vgl. auch Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78f Rn. 6; Telscher, in: jurisPK-SGB VIII, Stand: 01.08.2022, § 78c Rn. 9; Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 78f Rn. 3).
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bb) Ein ausdrücklicher oder konkludenter Beitritt ist, wie das Verwaltungsgericht zu Recht feststellt, vorliegend nicht gegeben. Ebenso wenig muss der Kläger und Berufungsbeklagte einen solchen aufgrund widersprüchlichen Verhaltens gegen sich gelten lassen. Der Rahmenvertrag – Bayern selbst enthält keine Regelung hinsichtlich eines Beitritts der einzelnen Träger, auch die Satzung des Trägerverbandes des Klägers und Berufungsbeklagten sieht in Bezug auf den Rahmenvertrag keine Regelung vor. Ebenso wenig enthält die Satzung des Klägers und Berufungsbeklagten hierzu eine Regelung. Auch kann aus dem Beitritt des Klägers und Berufungsbeklagten zur „Vereinbarung nach § 78e Abs. 3 SGB VIII über die Bildung von Kommissionen“ vom 1. Juli 1999 in der Fassung vom 1. Januar 2007 zwischen den Kommunalen Spitzenverbänden in Bayern und u.a. dem Spitzenverband des Klägers und Berufungsbeklagten nicht auf deren Beitritt zum Rahmenvertrag – Bayern geschlossen werden. Die Vereinbarung nach § 78e SGB VIII enthält keine Regelung in Bezug auf den Rahmenvertrag, die dessen zwingende Anwendung vorsehen würde. Ebenso wenig trägt die in § 4 Abs. 2 festgelegte Verpflichtung, für den Abschluss von Vereinbarungen nach § 78b Abs. 1 SGB VIII ein Angebot nach Formblatt mit weiteren Anlagen vorzulegen, eine solche Annahme. Eine entsprechende ausdrückliche Regelung enthält dieses Formular nicht, wie das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat. Auch aus der Bevollmächtigung des Trägerverbandes durch den Kläger und Berufungsbeklagten zum Abschluss einer Vereinbarung nach § 78b Abs. 1 SGB VIII kann auf einen Beitritt zum Rahmenvertrag – Bayern nicht geschlossen werden. Ebenso wenig kann die Ermächtigung des jeweiligen Trägerverbandes zum Abschluss eines Rahmenvertrages mit dem Spitzenverband der Gegenseite eine rechtliche Verpflichtung des einzelnen Trägers begründen, dessen Inhalt ohne weiteren Rechtsakt auch im Rahmen einzelner Entgeltvereinbarungen gegen sich gelten zu lassen; es bedarf stets einer einvernehmlichen Inbezugnahme. Auch soweit weiter geltend gemacht wird, der Rahmenvertrag – Bayern und die Vereinbarung nach § 78e SGB VIII seien miteinander „verflochten“, sodass sie nur gemeinsam zur Anwendung kommen könnten, kann dies eine andere Beurteilung nicht rechtfertigen. Von einer zwingenden konkludenten Verknüpfung des Rahmenvertrags mit der Vereinbarung nach § 78e Abs. 3 SGB VIII kann mangels entsprechendem beiderseitigen Parteiwillen gerade nicht ausgegangen werden. Ebenso wenig kann der Regelung in § 5 der Geschäftsordnung der Entgeltkommission München für den Jugendhilfebereich (Stand 30.11.2018), wonach der Geschäftsstelle insbesondere die Aufgabe zukommt, Angebote auf der Grundlage der Rahmenverträge entgegenzunehmen und zu überprüfen, die Annahme einer entsprechenden Bindungswirkung rechtfertigen. Der Kläger und Berufungsbeklagte ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, nicht Partei des Vertrages. Zur Vermeidung weiterer unnötiger Wiederholungen wird auf die Ausführungen in der Entscheidung des Verwaltungsgerichts verwiesen (§ 130b Satz 2 VwGO).
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Ungeachtet dessen kann § 10 des Rahmenvertrages auch unter dem Gesichtspunkt eines unzulässigen „Vertrages zu Lasten Dritter“ – der Träger der einzelnen Einrichtungen – keine Verbindlichkeit beanspruchen (vgl. hierzu Engelmann, in: von Wulffen/ Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 57 Rn. 2; Diering, in: Diering/Timme, SGB X, 4. Aufl. 2016, § 57 Rn. 1), weil dieser sie – entgegen den Grundprinzipien des prospektiven Entgeltsystems (§ 78d Abs. 1 SGB VIII) – dazu zwänge, die von ihnen erwarteten Leistungen entgegen dem sie im Außenverhältnis bindenden Tarifvertrag unterhalb ihrer eigenen „Gestehungskosten“ anzubieten und zu erbringen (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17; BT-Drs. 12/5510, S. 10; siehe auch BVerwG, U.v. 01.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 23).
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Aufgrund der Anwendung des den Kläger und Berufungsbeklagten nicht bindenden Rahmenvertrages sind die Festlegungen der Schiedsstelle hinsichtlich der Kostenpunkte 3.1, 3.2 und 3.3 rechtswidrig, sodass die Entgeltfestsetzung – mangels Teilbarkeit analog § 40 Abs. 4 SGB X – im Ganzen aufzuheben ist. Es obliegt daher der Schiedsstelle, die Personalkosten und darauf beruhend das Gesamtentgelt im Rahmen der ihr zukommenden Einschätzungsprärogative neu festzusetzen. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt.
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c) In diesem Zusammenhang weist das Verwaltungsgericht weiter darauf hin, dass die Schiedsstelle im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative zu entscheiden haben werde, ob und in welchem Umfang sie der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts folge, welche in ständiger Rechtsprechung sowohl zum SGB XI (vgl. BSG, U.v. 16.5.2013 – B 3 P 2/12 R –, BSGE 113, 258 – juris, Rn. 20 ff.) als auch zum SGB XII (vgl. BSG, U.v. 7.10.2015 – B 8 SO 21/14 R – BSGE 120, 51 – juris, Rn. 18 ff.), davon ausgehe, dass die Bezahlung von tariflichen Entgelten grundsätzlich immer als wirtschaftlich angemessen zu werten sei, den Grundsätzen der wirtschaftlichen Betriebsführung entspreche und nur in Ausnahmefällen eine Kürzung erfahren dürfe.
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Auch diese Ausführungen sind zwar im Grundsatz zutreffend, da die Schiedsstelle aufgrund des Fehlens entsprechender gesetzlicher Vorgaben ihr Prüf- und Entscheidungsprogramm zu § 78b Abs. 2 und § 78c Abs. 2 SGB VIII selbstständig bestimmt und sich insoweit auch an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts orientieren darf (aber nicht orientieren muss). Gleichwohl bedarf es eines solchen Rückgriffs – anders als das Verwaltungsgericht meint – von vornherein nicht, da sich bereits den Materialien zum prospektiven Entgeltsystem mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen lässt, dass keine Einrichtung gezwungen werden darf, die von ihr erwarteten Leistungen unterhalb ihrer „Gestehungskosten“ anzubieten und zu erbringen (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17; BT-Drs. 12/5510, S. 10; siehe auch BVerwG, U.v. 01.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 23). Schon allein deshalb erweist sich die Bezahlung tariflicher Entgelte stets als wirtschaftlich angemessen im Sinne von § 78b Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, ohne dass es insoweit – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – noch einer Prüfung in Gestalt eines „externen Vergleichs“ bedarf. Vielmehr wird die Einschätzungsprärogative der Schiedsstelle insoweit durch die zwingenden Vorgaben des prospektiven Entgeltrechts begrenzt.
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Berufung und Anschlussberufung sind deshalb zurückzuweisen.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind nach Auffassung des Senats in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 21 ff.; B.v. 28.02.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 9) und den Gesetzesmaterialien zum prospektiven Entgeltsystem (vgl. BTBT-Drs. 13/10330, S. 17; BT-Drs. 12/5510, S. 10) bereits geklärt.