Inhalt

VGH München, Beschluss v. 13.02.2024 – 12 BV 23.1357
Titel:

Überprüfung einer Schiedsstellenentscheidung

Normenkette:
SGB VIII § 78b, § 78c, § 78g
Leitsätze:
1. Der Schiedsstelle steht nach § 78g SGB VIII für ihre Bewertungen und Beurteilungen anlässlich der Prüfung der unbestimmten Rechtsbegriffe Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsgerechtigkeit (§ 78b Abs. 2, § 78c Abs. 2 SGB VIII) eine Einschätzungsprärogative zu, die es erfordert, die gerichtliche Überprüfung darauf zu beschränken, ob sie die ihr gesetzten rechtlichen Vorgaben beachtet, den Sachverhalt vollständig ermittelt und in einem fairen und willkürfreien Verfahren zu vertretbaren Bewertungen gefunden hat (im Anschluss an BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 24; BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 9, jeweils zu § 94 BSHG a.F.). (Rn. 70)
2. Im Rahmen dieser, der Schiedsstelle durch § 78g SGB VIII eingeräumten Autonomie und den ihr durch höherrangiges Recht, insbesondere das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), gezogenen Grenzen, bestimmt die Schiedsstelle ihr Prüf- und Entscheidungsprogramm zu § 78b Abs. 2 und § 78c Abs. 2 SGB VIII grundsätzlich selbst, sofern – wie im SGB VIII – weitere konkrete Vorgaben des Gesetzgebers fehlen. (Rn. 71)
3. Es liegt deshalb in der alleinigen Rechtsmacht der Schiedsstelle, auf die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundessozialgerichts zum ehemaligen BSHG (BVerwGE 108, 47 ff.; 116, 78 ff.) sowie zum SGB XI und SGB XII (BSGE 102, 227 ff.; 113, 258 ff.; 120, 51 ff.; 129, 116 ff.) entwickelten Maßstäbe und Grundsätze eines „internen Vergleichs“ (einrichtungsbezogene Plausibilitätskontrolle der Entgeltansätze) und/oder eines „externen Vergleichs“ (mit den Entgeltsätzen anderer vergleichbarer Einrichtungen) zurückzugreifen. (Rn. 74)
4. Eine Rechtspflicht der Schiedsstelle, sich dieser Maßstäbe und Grundsätze im Einzelnen oder gar in Kombination zu bedienen, besteht – solange eine entsprechende Anordnung des Gesetzgebers im SGB VIII selbst fehlt – indes nicht; denn allein der Schiedsstelle kommt im Konfliktfall die Entscheidung über die Kalkulationsgrundlagen zu (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 12). (Rn. 74)
5. Unabdingbare Voraussetzung einer Vertretbarkeitskontrolle durch die Verwaltungsgerichte ist allerdings, dass die Entscheidung der Schiedsstelle schriftlich begründet ist. Sie muss die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die die Schiedsstelle zu ihrer Entscheidung bewogen haben, konkret benennen. Dargestellt werden muss vor allem, welche (verschiedenen) Erwägungen die Schiedsstelle an-gestellt hat, was die tragenden Gründe für die getroffene Entscheidung sind, von welchen Argumenten die Schiedsstelle sich hat leiten lassen und welche rechtliche Beurteilung sie im Einzelfall vorgenommen hat. (Rn. 82)
6. Genügt die Schiedsstellenentscheidung diesen Anforderungen nicht, ist sie insbesondere ungeeignet, den Schiedsbeschluss in allen seinen wesentlichen Punkten nachzuvollziehen, so unterliegt sie der Aufhebung. Eine Nachholung der Begründung erst im gerichtlichen Verfahren ist nicht möglich (im Anschluss an OVG LSA, U.v. 22.09.2020 – 4 L 260/19 – juris, Rn. 41 m.w.N.). (Rn. 83)
7. Da es in einem prospektiven Entgeltsystem generell ausgeschlossen ist, einen nachträglichen Ausgleich vorzunehmen, bedarf es regelmäßig eines kalkulatorischen „Puffers“ in Gestalt des „Unternehmenswagnisses“ (Unternehmensgewinns), um für den Fall des Auftretens unvorhergesehener Ereignisse und Risiken ein leistungsgerechtes Entgelt zu gewährleisten; denn keine Einrichtung darf gezwungen werden, die von ihr erwarteten Leistungen unterhalb ihrer „Gestehungskosten“ anzubieten und zu erbringen (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17; BT-Drs. 12/5510, S.10). (Rn. 86)
Schlagworte:
Überprüfung einer Schiedsstellenentscheidung, Einschätzungsprärogative, Unternehmenswagnis, Kosten für Rechtsberatung und Fremdkapitaleinsatz
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 21.06.2023 – M 18 K 22.3408
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 20.12.2024 – 5 B 6.24
Fundstellen:
BeckRS 2024, 6197
FDSozVR 2024, 006197

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung des Beklagten werden zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Berufungs- und Anschlussberufungsverfahrens trägt die Klägerin 3/4, der Beklagte 1/4. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.
III. Die Entscheidung ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der jeweilige Kostengläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Der Rechtsstreit betrifft einen Schiedsbeschluss, der im Rahmen der Entgeltfestsetzung ein allgemeines Unternehmenswagnis, unternehmensspezifische Einzelwagnisse und Kosten der Rechtsberatung sowie des Fremdkapitaleinsatzes be-rücksichtigt.
2
Die Klägerin und Rechtsmittelführerin ist Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Der Beklagte ist ein Träger der freien Jugendhilfe und Mitglied des D. Werks Bayern e.V.. Er betreibt im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Klägerin eine stationäre Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe.
3
Mit Schreiben vom 19. Mai 2021 forderte der Beklagte die Klägerin und die Geschäftsstelle der Entgeltkommission M. zum Abschluss einer Entgeltvereinbarung auf. In dem Angebot des Beklagten wurden im Rahmen der Kalkulation ein Ausgleichsbetrag spezifischer Risiken in Höhe von 33.653,36 €, für Innovationskosten ein Betrag von 14.550,79 € sowie ein Ausgleichsbetrag für allgemeine unternehmerische Risiken in Höhe von 14.923,89 € angesetzt. Die Entgeltkommission lehnte das Angebot u.a. wegen dieser Kostenansätze ab.
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Mit Schreiben vom 29. Juli 2021 beantragte der Beklagte die Durchführung eines Schiedsstellenverfahrens zur Festsetzung einer Leistungsbeschreibung, Qualitätsentwicklungsvereinbarung und Entgeltvereinbarung für den Vereinbarungszeitraum vom 1. August 2021 bis zum 31. Juli 2022.
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1. Mit streitgegenständlichem Beschluss vom 6. Mai 2022 setzte die Schiedsstelle für den Zeitraum vom 1. August 2021 bis 31. Juli 2022 (Ziffer 4 der Entscheidung) die Leistungs- und Qualitätsentwicklungsvereinbarung fest (Ziffer 1 und 2 der Entscheidung) und legte unter Ziffer 3 der Entscheidung folgendes fest:
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„Für die angebotene Leistung ist ein Entgelt zu vereinbaren, das die folgenden Entscheidungen berücksichtigt:
1. Die Personalkosten sind gemäß § 10 des bayerischen Rahmenvertrages zu berechnen.
2. Die sonstigen Personalkosten sind mit 2% der Personalkosten zu berechnen, die sich aus der Berücksichtigung des § 10 des bayerischen Rahmenvertrages ergeben.
3. Die zentralen Verwaltungskosten sind mit 7% der Personalkosten zu berechnen, die sich aus der Berücksichtigung des § 10 des bayerischen Rahmenvertrages ergeben.
4. Die Rufbereitschaft ist im Entgelt wie im Vergleich geregelt zu berücksichtigen.
5. Grundsätzlich besteht kein Anspruch auf Beschäftigung und Berücksichtigung von Praktikant…innen, Dual Studierenden und Auszubildenden der Fachakademie für Sozialpädagogik im Entgelt. Ist deren Beschäftigung allerdings in der Leistungsvereinbarung akzeptiert, sind die vollen Kosten im Entgelt zu berücksichtigen.
6. Bei der Berechnung des angemessenen Leitungsanteils ist der Einsatz von Praktikant…innen, Dual Studierenden oder Auszubildenden der Fachakademie für Sozialpädagogik mit den jeweils in der Leistungsvereinbarung angesetzten Vollzeitäquivalenten zu berücksichtigen.
7. Das allgemeine Unternehmerwagnis wird mit 3% der Gesamtkosten bewertet.
8. Die unternehmensspezifischen Einzelwagnisse werden mit 7.577 € bewertet und sind mit dieser Summe im Entgelt zu berücksichtigen.
9. Die Kosten der Rechtsberatung sind im Entgelt mit 1.800 € zu berücksichtigen.
10. Die Kosten des Fremdkapitaleinsatzes sind im Entgelt mit 3.842,89 € zu berücksichtigen.“
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Zur Begründung führte die Schiedsstelle unter dem 27. Mai 2022 zu den im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Regelungen unter Ziffern 3.7 bis 3.10 u.a. aus, dass die Schiedsstelle den Anspruch des Beklagten, das allgemeine Unternehmerrisiko im Entgelt berücksichtigt zu bekommen, bejahe. Das allgemeine Unternehmerrisiko werde nach der Terminologie des ... Institut für Europäische Gesundheits- und Sozialwirtschaft – der Begrifflichkeit der Kosten- und Leistungsrechnung folgend – als das Wagnis bezeichnet, als Unternehmer Überschüsse erwirtschaften zu müssen, um mittel- und langfristig investieren, Innovationen gestalten und unerwarteten Ereignissen begegnen zu können. Davon zu unterscheiden sei die berechtigte Erwartung, mit dem Unternehmen Gewinne zu erzielen, um dieses dauerhaft erhalten und einen Unternehmerlohn für die persönliche Arbeitsleistung erwirtschaften zu können. Die „Gemeinsame Empfehlung der in der Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege kooperierenden Verbände zum Umgang mit der angemessenen Vergütung des Unternehmerrisikos gemäß § 84 Abs. 2 Satz 4 SGB XI“ vom 28. Februar 2018 schließe sich dieser Differenzierung der Risiken/Wagnisse an und berufe sich hierbei auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 16. Mai 2013 (B 3 P 2/12 R –, BSGE 113, 258). Danach ergebe sich der Anspruch auf eine angemessene Vergütung des allgemeinen Unternehmerrisikos aus dem Grundsatz des prospektiven Leistungsentgelts. Den Einrichtungen verblieben Überschüsse, Verluste seien hingegen von ihnen zu tragen. Aus diesem Grundsatz folgere das Bundessozialgericht, dass der Unternehmergewinn die Kehrseite des unternehmerischen Wagnisses sei. Dieser Meinung schließe sich die Schiedsstelle an.
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Auf Grund ihres Beurteilungsspielraums habe sich die Schiedsstelle nicht an der pauschalen Forderung des Beklagten von 2% orientiert, sondern die genannten Risiken und sonstigen Forderungen daraufhin überprüft, ob sie dem allgemeinen Unternehmerrisiko zuzuordnen seien. Ausgehend von einer betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise habe sie sodann folgende Risiken dem allgemeinen Unternehmerrisiko zugeordnet: Versäumte Fristen, nicht abgerechnete Leistungen, Fehleinschätzungen z.B. bei anfallenden Nebenkosten, unerwartete Krisen, nicht kalkulierbare und nicht versicherte Schadensersatzforderungen, Kosten für Innovationen, Funktionsausfall und Schutz der IT. Für diese allgemeinen Risiken, die nicht im Einzelnen prospektiv und konkret kalkuliert werden könnten, deren Eintreten aber wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich sei, sowie für weitere Kosten wie der für den Bestand der Einrichtung und des Unternehmens zwingend notwendigen Investitionen in Innovationen und Anpassungen der Konzeption, z.B. an das Kinder- und Jugendhilfestärkungsgesetz, halte die Schiedsstelle einen Risikozuschlag von 3% der Gesamtkosten dieser Einrichtung für angemessen.
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Ein Zuschlag für spezifische Unternehmerrisiken sei zudem bereits aus dem Erfordernis der prospektiven Entgeltkalkulation (§ 78d Abs. 1 SGB VIII) heraus gerechtfertigt. Dies werde deutlich, wenn man sich des betriebswirtschaftlichen Begriffs des Risikos bzw. (dort gebräuchlicher) des Wagnisses bediene. Insoweit sei zwischen dem Unternehmerwagnis und den Einzelwagnissen zu unterscheiden. Einzelwagnisse oder auch kalkulatorische Wagnisse würden in der internen Betriebsbuchführung dazu verwendet, im Einzelnen ungewisse, im ganzen aber planbare Risiken periodengerecht als Kosten anzusetzen. Diese seien daher eng mit dem Begriff der Versicherung verknüpft. Es handele sich um kalkulatorische Plangrößen, welche in den Wagniskosten abgebildet würden. Die insoweit vom Einrichtungsträger vorgelegte Risikoanalyse mit einem Raster mit jeweils fünf Stufen, sowohl was die Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts, als auch des Schadensmaßes angehe, sei von der Schiedsstelle als Grundlage ihrer Entscheidung genutzt worden. Auch die Kosten der Rechtsberatung seien bei einer prospektiven Kostenkalkulation zu berücksichtigen. Gleiches gelte für die Kosten des Fremdkapitaleinsatzes. Der Einrichtungsträger habe überzeugend dargelegt, dass er tatsächlich vorfinanzieren müsse und es dafür keinen anderweitigen Ausgleich gebe.
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Die geltend gemachten Kostenpositionen seien nachvollziehbar und plausibel dargelegt und von der Schiedsstelle als die voraussichtlichen Gestehungskosten der Einrichtung für den angestrebten Zeitraum anerkannt. Auch wenn die Schiedsstelle in Übereinstimmung mit den Parteien nur die Parameter des angemessenen Entgelts festgelegt habe, sei sie der Überzeugung, dass das sich daraus ergebende Entgelt in angemessener Relation zu den Sätzen anderer Jugendhäuser in M. stehe. Zum einen ergebe sich dies aus der Anwendung des Rahmenvertrages, der in den wesentlichen kostenträchtigen Positionen für alle Einrichtungen vergleichbare Bedingungen festlege. Zum anderen belege dies die Entgeltkalkulation der Geschäftsstelle, in der nur in denjenigen Positionen Differenzen aufgeführt seien, die der Schiedsstelle zur Entscheidung vorgelegt worden seien. Zum Teil sei die Schiedsstelle der Kalkulation der Geschäftsstelle gefolgt und habe damit vergleichbare Bedingungen wie für andere von der Entgeltkommission zu entscheidende Fälle sichergestellt. In den Fällen, in denen die Schiedsstelle dem Antrag des Einrichtungsträgers gefolgt sei (insbesondere in der Risikobewertung und der Beurteilung des Einsatzes von Studierenden), habe es an Vergleichsmöglichkeiten gefehlt, weil die Klägerin diese Entgeltbestandteile bisher in allen Fällen abgelehnt habe und entsprechende Entscheidungen der Schiedsstelle gerichtlich angegriffen worden seien. Erst rechtskräftige Gerichtsentscheidungen würden demnach für vergleichsfähige Zustände sorgen.
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2. Mit Schreiben vom 7. Juli 2022 erhob die Klägerin, nachdem der Beklagte mit Schriftsatz vom 21. Juni 2022 bereits Klage gegen die Schiedsstellenentscheidung hinsichtlich der Ziffern 3.1, 3.2 und 3.3 (M 18 K 22.3190) erhoben hatte, ebenfalls Klage und beantragte mit Schriftsatz vom 2. Mai 2023 zuletzt,
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(1) Ziffern 3.7, 3.8, 3.9 und 3.10 der Schiedsstellenentscheidung aufzuheben und zur erneuten Entscheidung an die Schiedsstelle zurückzuverweisen.
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(2) Hilfsweise den gesamten Schiedsspruch aufzuheben.
14
Zur Begründung wurde insbesondere ausgeführt, dass die Schiedsstelle die Argumente der Klägerin in der Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt habe und keine ausreichende Abwägung der widerstreitenden Interessen erfolgt sei. Die Grundsätze aus § 78b Abs. 2 SGB VIII seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Bezüglich des festgesetzten allgemeinen Unternehmerwagnisses habe die Schiedsstelle den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt; bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen sei sie von einer falschen Ausgangslage bzw. Prämisse ausgegangen. Das zugesprochene allgemeine Unternehmerwagnis in Höhe von 3% führe zu einer Überfinanzierung der Leistung des Beklagten. Dieses Wagnis sei bereits durch die üblichen Regularien, insbesondere über den Rahmenvertrag nach § 78f SGB VIII, abgedeckt. Die verhandelten Jahreskosten würden nicht durch die Plätze und Öffnungstage geteilt, sondern entsprechend dem Rahmenvertrag je nach Platzzahl durch 337 bzw. 345 Tage. Ein „Risikoaufschlag“ von 5,8% bzw. 8,3% werde bereits seit den ersten Entgeltvereinbarungen aus dem Jahr 2000 praktiziert. Es sei bisher im Bereich der Entgeltkommission M. kein Träger bekannt, der an den angeblich zu großen und zu schlecht berücksichtigten Risiken gescheitert wäre. Zudem bestehe über § 12 Abs. 4 Rahmenvertrag die Möglichkeit, bei entsprechenden Nachweisen die Berechnungstage (zum Beispiel zur Existenzsicherung) anpassen zu lassen. Auch erläutere die Schiedsstelle nicht, in welcher Art und Weise Pflegeeinrichtungen der Studie des ... mit Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe vergleichbar sein sollten. Ebenso wenig sei ersichtlich, wie die Schiedsstelle auf die Zahl von 3% komme.
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Bei den Feststellungen zu den unternehmerspezifischen Einzelwagnissen habe die Schiedsstelle nicht hinreichend erläutert, wie sie zu der Auffassung gelange, dass die Wahrscheinlichkeit des Risikoeintritts überzeugend dargelegt worden sei. Es handle sich nicht um wiederkehrende Risiken, die durch einen Prozentanteil ins Entgelt mit eingerechnet werden müssten. Die Klägerin stimme weder der Berechnungsmatrix noch den genannten Risiken zu. Da die Methode der sogenannten Risikomatrix hinsichtlich ihrer Aussagekraft nicht sehr anerkannt sei, wiederhole die Klägerin die Forderung, ein externes Gutachten einzuholen. Auch hinsichtlich der Kosten der Rechtsberatung sei prospektivisch nicht davon auszugehen, dass der Beklagte bei Einreichung eines Angebots einer rechtlichen Beratung bedürfe. Dies entspreche nicht der Gesetzessystematik. Zudem sei die angesetzte Höhe nicht nachvollziehbar.
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Mit Beschluss vom 10. Oktober 2022 ordnete die Schiedsstelle auf Antrag des Beklagten die sofortige Vollziehung der Schiedsstellenentscheidung in den Ziffern 3.5, 3.6, 3.7, 3.8, 3.9 und 3.10 an.
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3. Mit Urteil vom 21. Juni 2023 hob das Verwaltungsgericht München die Entscheidung der Schiedsstelle vom 6. Mai 2022 – 13-6547.2-2-5 – in Ziffer 3 unter Klageabweisung im Übrigen auf. Die (nur) im Hilfsantrag (nicht aber im Hauptantrag) zulässige Klage sei im Ergebnis begründet. Der Schiedsbeschluss vom 6. Mai 2022 sei in Ziffer 3 rechtswidrig, da die im Verfahren streitgegenständlichen Festsetzungen zu den Entgeltbestandteilen unter Ziffer 3.7, 3.8, 3.9 und 3.10 in der Höhe rechtswidrig seien und die Klägerin in ihren Rechten verletzten. Dem Grunde nach blieben die Angriffe der Klägerin allerdings ohne Erfolg. Eine Aufhebung lediglich von einzelnen Entgeltbestandteilen des festgesetzten Gesamtentgelts sei unzulässig; der Schiedsbeschluss sei infolgedessen hinsichtlich Ziffer 3 (Entgeltfestsetzung) vollständig aufzuheben gewesen.
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Die Entscheidungen über einzelne Bestandteile der Entgeltfestsetzung stellten keine von den übrigen in der Entscheidung der Schiedsstelle zur Entgeltfestsetzung getroffenen Festlegungen unabhängigen Regelungen dar. Vielmehr handele es sich bei der Entgeltfestsetzung um eine insgesamt einheitliche Entscheidung der Schiedsstelle, die im Rahmen deren Beurteilungsspielraumes und eines umfassenden Abwägungsvorgangs verschiedene Aspekte in eine Gesamtlösung einfließen lasse. Ebenfalls unzulässig sei – der lediglich im Hauptantrag zusätzlich gestellte – Antrag, das Verfahren zur erneuten Entscheidung an die Schiedsstelle zurückzuverweisen. Die Schiedsstelle sei nach § 78g Abs. 2 Satz 3 SGB VIII nicht Partei des Verfahrens, sodass sie durch das Gericht nicht zu einer Neuverbescheidung verpflichtet werden könne (vgl. BVerwG, B.v. 28.2.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 17 ff.). Die Schiedsstelle habe lediglich die Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten (vgl. BVerwG, U.v. 26.9.2002 – 3 C 49/01 –, NVwZ-RR 2003, 281 – juris, Rn. 22). Soweit allerdings einzelne Kostenpunkte von den Parteien gerichtlich nicht erfolgreich angegriffen worden seien (vorliegend auch unter Berücksichtigung des Klageverfahrens M 18 K 22.3190 folglich lediglich die Ziffern 4.4, 3.5 und 3.6) gälten diese zwischen den Parteien als vereinbart und habe die Schiedsstelle diese Bestandteile ihrer neuerlichen Entscheidung auf Grund der Dispositionsmaxime der Parteien zu Grunde zu legen.
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Die Feststellungen der Schiedsstelle zu einem allgemeinen Unternehmerwagnis und den unternehmerischen Einzelwagnissen (Ziffern 3.7 und 3.8 des Schiedsbeschlusses) seien rechtswidrig, da sie nicht nur zum Teil in sich widersprüchlich, sondern vor allem hinsichtlich der festgesetzten Höhe nicht hinreichend begründet seien. Die von der Schiedsstelle für die Rechtsberatung (Ziffer 3.9) und den Fremdkapitaleinsatz (Ziffer 3.10) festgesetzten Beträge seien dem Grunde nach zwar ebenfalls unbedenklich, hinsichtlich der fehlenden Nachvollziehbarkeit des jeweils festgesetzten Betrages jedoch begründet.
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Die Annahme der Schiedsstelle, entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei ein Unternehmerrisiko zu berücksichtigen, stelle sich im Ergebnis als rechtmäßig dar. Die Grundsätze der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Anspruch des Einrichtungsträgers auf Realisierung eines angemes-senen Unternehmergewinns bzw. eine angemessene Vergütung des Unternehmerrisikos (vgl. BSG, U.v. 16.5.2013 – B 3 P 2/12 R –, BSGE 113, 258 – juris, Rn. 25 f.; U.v. 26.9.2019 – B 3 P 1/18 R –, BSGE 129, 116 – juris, Rn. 27 ff.; U.v. 8.12.2022 – B 8 S0 8/20 R –, ZKJ 2023, 269 – juris, 20 ff.) seien entgegen der Ansicht der Klägerin auch auf das Kinder- und Jugendhilferecht nach dem SGB VIII übertragbar. Eine obergerichtliche Rechtsprechung hierzu liege zwar bislang nicht vor. Die Kammer sei jedoch der Ansicht, dass sich aus der Historie der verschiedenen Gesetzesentwicklungen und den jeweils erfolgten Gesetzesbegründungen hierzu ergebe, dass die im Laufe der Zeit von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts herausgearbeiteten Grundsätze zur Entgeltvereinbarung – und dementsprechend auch die Berücksichtigung eines angemessenen Risikozuschlags – auch auf die Entgeltvereinbarungen im Kinder- und Jugendhilferecht Anwendung fänden.
21
In der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei, sowohl in Bezug auf das SGB XI als auch das SGB XII, durch die zuständigen Senate geklärt, dass die Pflegevergütung so bemessen sein müsse, dass sie bei wirtschaftlicher Betriebsführung die Kosten einer Einrichtung hinsichtlich der voraussichtlichen Gestehungskosten unter Zuschlag einer angemessenen Vergütung ihres Unternehmerrisikos und eines etwaigen zusätzlichen persönlichen Arbeitseinsatzes sowie einer angemessenen Verzinsung ihres Eigenkapitals decke (so bereits zum SGB XI: BSG, U.v. 29.1.2009 – B 3 P 7/08 R –, BSGE 102, 227 – juris, Rn. 24; U.v. 16.5.2013 – B 3 P 2/12 R –, BSGE 113, 258 – juris, Rn. 25 m.w.N.; dem folgend zum SGB XII: BSG, U.v. 8.12.2022 – B 8 SO 8/20 R –, ZKJ 2023, 269 – juris, Rn. 20).
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Wie das Bundessozialgericht zuletzt in seiner Entscheidung vom 8. Dezember 2022 (B 8 SO 8/20 R –, ZKJ 2023, 269 – juris Rn. 20) ausgeführt habe, stehe die Berücksichtigung einer kalkulatorischen Gewinnchance schon seit der Umstellung des Vergütungssystems für stationäre Einrichtungen von einem Selbstkostendeckungssystem auf das prospektive Entgeltsystem im Jahr 1994 mit einer leistungsgerechten Vergütung im Einklang. Es solle seither dadurch, dass der Einrichtungsträger mit im Voraus bestimmten Finanzmitteln rechnen könne, ein Anreiz zum wirtschaftlichen Handeln und die Möglichkeit zur Erzielung eines Überschusses gegeben werden; ein nachträglicher Ausgleich von Über- oder Unterdeckungen sei dagegen ausgeschlossen (BT-​Drs. 12/5510, S. 10 f). Damit müsse der Einrichtungsträger ein Verlustrisiko tragen, etwa als Folge von unwirtschaftlichem Verhalten oder wegen unternehmerischer Fehlentscheidungen. Umgekehrt müsse die Vergütung es aber auch ermöglichen, Gewinne zu erzielen, die als Überschuss verbleiben könnten. Dementsprechend gehe das Bundessozialgericht davon aus, dass das Unternehmerrisiko auch im Bereich des SGB XI trotz fehlender ausdrücklicher gesetzlicher Regelung bei der Entgeltfestsetzung zu berücksichtigen sei. Dies habe auch für die Entgeltfestsetzung nach dem Kinder- und Jugendhilferecht zu gelten.
23
Mit dem Inkrafttreten der Änderung des § 93 Abs. 3 BSHG zum 1. Januar 1994 sei eine Abkehr vom Selbstkostendeckungssystem und die Einführung des pro-spektiven Entgeltsystems erfolgt. Ein Ausgleich von Über- oder Unterdeckungen finde seither nicht mehr statt. Dem darin liegenden Risiko einer Unterdeckung stehe bei leistungsfähigen, wirtschaftlich arbeitenden Einrichtungen die Chance einer Überdeckung gegenüber, die der Einrichtung verbleibe. Dadurch sollten die Eigenverantwortung der Träger gestärkt, wirtschaftliche Betriebsführung belohnt und dem geltenden Gebot der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit verstärkt Rechnung getragen werden (BT-​Drs. 12/5510, S. 10).
24
Zum 26. Mai 1994 sei das SGB XI mit entsprechenden Entgeltregelungen in Kraft getreten (§§ 84 ff. SGB XI a.F.). Im Folgenden seien mehrfach Gesetzesänderungen, mit denen die Grundsätze des Entgeltsystems modifiziert wurden, erfolgt. Die Neuregelungen zielten u.a. auf Korrekturen bei der Vergütungsfindung. Maßgebend sei für den Gesetzgeber die Einschätzung gewesen, dass sich die Kostenträger entgegen der gesetzlichen Intention häufig an einem „Durchschnittswertemodell“ orientierten und auf Vergütungen zu durchschnittlichen Vergütungssätzen hinwirkten. Dies laufe dem Anspruch der Heime auf eine leistungsgerechte Vergütung zuwider und sei zudem kostentreibend. Dementsprechend hätten sich die Pflegesätze und Entgelte trotz ihrer Wettbewerbsorientierung nicht nur an der marktüblichen Vergütung für solche Leistungen zu orientieren, sondern auch an den voraussichtlichen Gestehungskosten. Eine Vergütung für stationäre Pflegeleistungen sei deshalb im Grundsatz erst dann leistungsgerecht, wenn sie die Kosten einer Einrichtung hinsichtlich der voraussichtlichen Gestehungskosten unter Zuschlag einer angemessenen Vergütung ihres Unternehmerrisikos und eines etwaigen zusätzlichen persönlichen Arbeitseinsatzes sowie einer angemessenen Verzinsung ihres Eigenkapitals decke (BSG, U.v. 29.1.2009 – B 3 P 7/08 R –, BSGE 102, 227 – juris Rn. 14 m.w.N., 24).
25
Mit den im Jahr 1996 eingeführten (und am 1. Januar 1999 in Kraft getretenen) Änderungen des § 93 BSHG und der Einführung der §§ 93a ff. BSHG sei dieses neue Finanzierungssystem weiter konkretisiert und näher ausgestaltet worden. Die zu vereinbarenden leistungsgerechten Entgelte seien zu einem an marktwirtschaftlichen Regeln ausgerichteten Preis-​/Leistungssystem fortentwickelt worden. Den Einrichtungen sei vorgegeben worden, dem Träger ein näher beschriebenes Leistungsangebot zu unterbreiten, für das sie eine nach marktwirtschaftlichen Kriterien kalkulierte Vergütung erhielten (BT-​Drs. 13/2440, S. 27 f.).
26
Die Neuordnung der Rechtsgrundlagen für die Finanzierung von Jugendhilfeleistungen im SGB VIII (§§ 78a ff. SGB VIII) seien ebenfalls zum 1. Januar 1999 in Kraft getreten. Nach dem Vorbild der Regelungen im Bereich der Pflegeversicherung (SGB XI) sowie des Bundessozialhilfegesetzes (§§ 93 ff. BSHG) sollten auch für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe die Rechtsgrundlagen für die Finanzierung von Leistungen in Einrichtungen neu geregelt werden. Dabei sei das Selbstkostendeckungsprinzip durch ein leistungsgerechtes prospektives Entgeltsystem ersetzt worden. Entsprechend der Gesetzesbegründung sei der Grundsatz leistungsgerechter Entgelte § 93 Abs. 2 a.F. BSHG bzw. § 84 Abs. 2 Satz 1 SGB XI entnommen worden. Soweit Sonderregelungen in Bezug auf die Besonderheiten im Bereich der Jugendhilfe erfolgten (vgl. § 78b, § 78g) sei dies im Rahmen der Gesetzesbegründung ausdrücklich kenntlich gemacht worden (BT-​Drs. 13/10330, S. 16 ff.).
27
Es sei daher davon auszugehen, dass mit der Neuregelung des Entgeltsystems im SGB VIII in Anlehnung an die Entgeltsysteme im BSHG und SGB XI die Grundsätze dieses dort eingeführten Systems ebenfalls hätten übernommen werden sollen. Zu diesen Grundsätzen gehöre nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, dass eine leistungsgerechte Vergütung auch eine an-gemessene Vergütung des Unternehmerrisikos abzudecken habe (BSG, U.v. 29.1.2009 – B 3 P 7/08 R –, BSGE 102, 227 – juris, Rn. 24).
28
Hiervon sei die Schiedsstelle zu recht ausgegangen; sie habe entgegen der Auffassung der Klägerin nachvollziehbar dargelegt und innerhalb ihrer Einschätzungsprärogative begründet, warum sie die Risiken nicht durch die bestehenden Entgeltmechanismen im Rahmenvertrag abgedeckt sehe (Begründung des Schiedsbeschlusses S. 31 unter Punkt 2.6.4). Soweit die Klägerin darüber hinaus der Ansicht sei, dass die Schiedsstelle für die Anerkennung von Risikozuschlägen dem Grunde nach nicht zuständig sei, sondern dies ausschließlich über den Rahmenvertrag bzw. eine Gesetzesänderung erfolgen könne, verkenne sie die dem Gesetz zugrundeliegende Systematik. Primär zur Auslegung der unbestimmten Rechtsbegriffe der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit berufen sei allein die Schiedsstelle im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative.
29
Dem Rahmenvertrag nach § 78f SGB VIII komme keine Allgemeinverbindlichkeit zu. Die Landesrahmenverträge hätten für den öffentlichen Jugendhilfeträger und die Einrichtungsträger bei den Vereinbarungsverhandlungen nach §§ 78b, c SGB VIII lediglich empfehlenden Charakter. Inhalt der Einzelvereinbarungen würden sie nur dann, wenn die Parteien die Regelungen des Rahmenvertrags ihrer Rechtsbeziehung auch tatsächlich zugrunde legten, indem sie auf die Bestimmungen des Rahmenvertrags Bezug nähmen, ihm beiträten oder seine Verbindlichkeit auf sonstige Weise anerkennen würden. Sofern dies nicht erfolge, habe die Schiedsstelle im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative über das Entgelt einschließlich eines Risikozuschlags zu entscheiden. Da vorliegend nicht davon auszugehen sei, dass der Beklagte sich dem Rahmenvertrag unterworfen habe (siehe hierzu ausführlich das Urteil im Parallelverfahren vom 21. Juni 2023 – M 18 K 22.3190), müsse nicht darüber entschieden werden, ob die Schiedsstelle in einem solchen Fall zusätzlich zu den Regelungen im Rahmenvertrag einen Risikozuschlag berücksichtigen könne, wovon die Schiedsstelle vorliegend jedoch – ohne weitere Begründung – ausgegangen sei.
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Allerdings vermöge die von der Schiedsstelle gegebene Begründung das von ihr festgesetzte „allgemeine Unternehmerwagnis“ mit 3% der Gesamtkosten (Ziffer 3.7) und die „unternehmerspezifischen Einzelwagnisse“ in Höhe von 7.577 € (Ziffer 3.8) nicht zu rechtfertigen. Bereits die von der Schiedsstelle vorgenommene Unterscheidung in Unternehmergewinne, allgemeines Unternehmerrisiko und spezielle Einzelrisiken könne nicht nachvollzogen werden, entspreche nicht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und erscheine zudem widersprüchlich, so dass die Schiedsstelle hierbei ihre Einschätzungsprärogative überschritten habe. Die Ermittlung der jeweiligen Kostenansätze beruhe auf dieser von der Schiedsstelle vorgenommenen Unterscheidung, sodass die von ihr festgesetzten Höhen rechtswidrig seien.
31
Wie die Schiedsstelle zu Recht feststelle, würden die oben genannten Begriffe sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung uneinheitlich verwendet. Allerdings könne die Kammer die von der Schiedsstelle vorgenommene Unterscheidung zwischen „Unternehmergewinn“ und „allgemeines Unternehmerrisiko“ nicht nachvollziehen. Insbesondere aus der von der Schiedsstelle in Bezug genommenen Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 16. Mai 2013 (B 3 P 2/12 R, BSGE 113, 258) folge gerade keine solche Unterscheidung; vielmehr werde der „Unternehmergewinn“ mit der Vergütung des „Unternehmerrisikos“ gleichgesetzt (ebenso BSG, U.v.26.9.2019 – B 3 1/18 R –, BSGE 129, 116 – juris, Rn. 27, 29 f., U.v. 8.12.2022 – B 8 SO 8/20 R –, ZKJ 2023, 269 – juris, Rn. 19 ff.). Dessen Berücksichtigung biete dem Leistungserbringer die Möglichkeit, Gewinne zu erzielen, die ihm als Überschuss verbleiben könnten (B 3 P 2/12 R –, BSGE 113, 258 – juris Rn. 25 f.). Auch führe die Schiedsstelle in der Begründung aus, das Bundessozialgericht folgere, dass der Unternehmergewinn die Kehrseite des unternehmerischen Wagnisses sei (S. 27). Die von der Schiedsstelle vor-genommene weitere Unterscheidung zwischen Gewinn und allgemeinem Unternehmerrisiko und die Subsumtion der vom Beklagten geforderten Einzelpositionen könne deshalb – auch mangels näherer Darlegungen, anhand welcher Kriterien die Schiedsstelle eine solche Unterscheidung vorgenommen habe – nicht nach-vollzogen werden.
32
Die Schiedsstelle sei im Folgenden davon ausgegangen, dass (auch) hinsichtlich des allgemeinen Unternehmerwagnisses eine konkrete Zuordnung von Risiken zu erfolgen habe. Ausgehend von einer betriebswirtschaftlichen Betrachtungsweise seien die Risiken von versäumten Fristen, nicht abgerechneten Leistungen, Fehleinschätzungen zum Beispiel bei anfallenden Nebenkosten, unerwarteten Krisen, nicht kalkulierbaren und nicht versicherten Schadensersatzforderungen, Kosten für Innovationen, Funktionsausfall und Schutz der IT dem allgemeinen Unternehmerrisiko zugeordnet worden. Diese allgemeinen Risiken seien zwar nicht im Einzelnen prospektiv und konkret kalkulierbar, ihr Eintreten sei aber wahrscheinlich oder sehr wahrscheinlich. Demgegenüber habe der Beklagte diese benannten Risiken jeweils unter die von ihm bezeichneten spezifischen Risiken subsumiert und entsprechend seiner vorgelegten Risikomatrix mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe bewertet. Insoweit könne nicht nachvollzogen werden, warum die Schiedsstelle bei den benannten Risiken davon ausgehe, dass eine Kalkulierbarkeit nicht möglich sei. Offen bleibe zudem, inwieweit die Schiedsstelle hierdurch tatsächlich das Unternehmerrisiko im Sinne der Bundessozialgerichtsrechtsprechung sachgerecht berücksichtigt habe.
33
Der Beklagte gehe insoweit unter Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 26. September 2019 (B 3 P 1/18 R –, BSGE 129, 116 – juris, Rn. 37) davon aus, dass für die Höhe des allgemeinen Unternehmerrisikos keine konkrete Benennung der Risiken erforderlich sei, und fordere eine Berücksichtigung im Entgelt mit 2% in Bezug auf die Gesamtkosten (Schriftsatz vom 24.11.2021, S. 16). Eine entsprechende Aussage vermöge die Kammer der benannten Fundstelle jedoch nicht zu entnehmen. Vielmehr führe das besagte Urteil an der besagten Stelle aus, dass es nicht um Gewinne gehen könne, die beispielsweise mit denjenigen bei Risikogeschäften in der freien Marktwirtschaft vergleichbar seien (a.a.O. Rn. 38). Eine zusätzliche, prozentual am Umsatz ausgerichtete pauschale Gewinnmarge werde deshalb regelmäßig nur dann angemessen sein, wenn sich der Pflegesatz einschließlich dieser Gewinnmarge auch im externen Vergleich noch als leistungsgerecht erweise (a.a.O. Rn. 43).
34
Dementsprechend werde die Höhe eines leistungsgerechten Risikozuschlags insbesondere von dem Ergebnis des von der Schiedsstelle anhand des Gesamttagessatzes durchzuführenden externen Vergleichs abhängig sein und sich so-wohl die von der Schiedsstelle als auch die von der Beklagtenseite verwendete Methode verbieten. Vielmehr habe die Schiedsstelle unter Zugrundelegung der Grundsätze der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Berücksichtigung eines angemessenen Unternehmergewinns im Einzelfall für dessen Bemessung sachgerechte Kriterien im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative zu entwickeln. Insoweit verkenne die Klägerin allerdings die Aufgabe der Schiedsstelle, sofern sie davon ausgehe, dass eine solche Risikoermittlung über ein Sachverständigengutachten zu erfolgen habe. Die Festlegung der leistungsgerechten Entgeltbestandteile sowie des Gesamttagessatzes sei vielmehr originäre Aufgabe der Schiedsstelle, wobei deren Ermittlungspflicht aufgrund der Besonderheiten des Schiedsverfahrens durch besondere Mitwirkungspflichten der Beteiligten in wesentlicher Hinsicht begrenzt sei (vgl. BSG, U.v. 7.10.2015 – B 8 SO 21/14 R –, BSGE 120, 51 – juris, Rn. 20 m.w.N.).
35
Ebenso wenig nachvollzogen werden könne die von der Schiedsstelle vorgenommene Zuordnung einzelner von dem Beklagten benannter Kostenpunkte zu spe-ziellen Einzelrisiken. Die Schiedsstelle habe insoweit auf die von ihr vorgenommene Systematik in der Schiedsstellenentscheidung vom 10. Februar 2020 verwiesen. In dieser Entscheidung habe die Schiedsstelle einen Zuschlag für die Risikovorsorge in Höhe von 0,43% der jährlichen Gesamtkosten festgesetzt. Zur Begründung sei damals ausgeführt worden, dass sich bereits aus dem Erfordernis der prospektiven Entgeltkalkulation die Berücksichtigung des Risikozuschlags ergebe. Im vorliegenden Verfahren unterscheide die Schiedsstelle nunmehr zusätzlich das allgemeine Unternehmerwagnis von einem Unternehmensgewinn (s.o.) und subsumiere einzelne von dem Beklagten als unternehmensspezifische Einzelwagnisse benannte Kostenpunkte unter dem Kostenpunkt allgemeines Unternehmerwagnis, welchen die Schiedsstelle in dem Beschluss vom 10. Februar 2020 nicht als Kostenbestandteil akzeptiert habe. Aufgrund dieser Widersprüche könne die Zuordnung der einzelnen Kostenansätze zu dem all-gemeinen Unternehmerwagnis bzw. den unternehmerspezifischen Einzelwagnissen nicht nachvollzogen werden.
36
Zudem erscheine zweifelhaft, ob zusätzlich zu dem zu berücksichtigenden ange-messenen Unternehmerrisiko einzelne unternehmensspezifische Risiken, die jedoch nicht mit einem prospektiv kalkulierbaren Kostenansatz benannt werden könnten, in Form eines weiteren Zuschlags überhaupt zu berücksichtigen seien (vgl. BSG, U.v. 8.12.2022 – B 8 SO 8/20 R –, ZKJ 2023, 269 – juris, Rn. 26 unter Verweis auf BSG, U.v. 16.5.2013 – B 3 P 2/12 R –, BSGE 113, 258 – juris, Rn. 27). Insoweit bedürfe es zumindest einer zusätzlichen ausführlichen Begründung durch die Schiedsstelle.
37
Auch die Festsetzung der Schiedsstelle zur Berücksichtigung der Kosten der Rechtsberatung (Ziffer 3.9) sei in der Höhe rechtswidrig. Hinsichtlich dieses Kostenpunktes habe im Schiedsverfahren eine Entscheidung getroffen werden können, auch wenn dieser Kostenpunkt im Verfahren vor der Entgeltkommission in dem Angebot der Beklagten nicht enthalten gewesen sei. Die Entscheidung der Schiedsstelle, die Kosten der Rechtsberatung als Kostenbestandteil zu berücksichtigen, sei von deren Einschätzungsprärogative gedeckt. Allerdings könne die durch die Schiedsstelle festgesetzte Höhe nicht nachvollzogen werden. Weder die Niederschrift über die mündliche Verhandlung noch die Begründung des Schiedsbeschlusses enthalte insoweit klärende Angaben, auch aus den sonstigen Unterlagen zum Verfahren lasse sich der Wert nicht entnehmen. Soweit die Vermutung der Klägerin zutreffe, dass – wie in vergleichbaren Verfahren – der angesetzte Wert aus einer Berechnung von 300 EUR je Platz der Einrichtung durch die Schiedsstelle ermittelt worden sei, bedürfe es insbesondere hinsichtlich der in Bezug genommenen Größen ebenfalls einer Begründung.
38
In der Höhe rechtswidrig sei des Weiteren auch die Festsetzung der Schiedsstelle zu den Kosten des Kapitaleinsatzes (Ziffer 3.10). Die Begründung der Schiedsstelle zur grundsätzlichen Anerkennung der Kosten sei zwar nachvollziehbar und halte sich innerhalb der der Schiedsstelle zustehenden Einschätzungsprärogative. Die Beurteilung der Schiedsstelle, dass der Beklagte die erforderliche Vorfinanzierung überzeugend dargelegt habe, unterliege keinem Zweifel. Die Schiedsstelle habe auf Grund ihrer beschränkten Leistungskapazitäten insoweit lediglich eine Schlüssigkeitsprüfung vorzunehmen. Allerdings enthalte der Beschluss hinsichtlich der festgesetzten Höhe der Kosten keinerlei Begründung, so dass diese nicht nachvollziehbar sei. Lediglich die Ausführungen im Sachverhalt des Beschlusses unter Punkt 9 (S. 15), dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung den zu-nächst geforderten Betrag auf 3.842,89 € reduziert habe, genüge ohne weitere Begründung nicht den Anforderungen.
39
Aufgrund dieser Mängel seien die Festlegungen der Schiedsstelle hinsichtlich der Kostenpunkte 3.7 bis 3.10 rechtswidrig, sodass die Entgeltfestsetzung im Ganzen aufzuheben sei. Es obliege der Schiedsstelle, hinsichtlich der im vorliegenden Verfahren streitgegenständlichen Kostenpunkte „allgemeines Unternehmerwagnis/unternehmerspezifische Einzelwagnisse“ (Ziffer 3.7 und 3.8 des Schiedsbeschlusses), „Kosten der Rechtsberatung“ (Ziffer 3.9 des Schiedsbeschlusses) und „Kosten des Fremdkapitaleinsatzes“ (Ziffer 3.10 des Schiedsbeschlusses) eine Neubewertung vorzunehmen und darauf beruhend das Gesamtentgelt fest-zusetzen. Auf Grund der erforderlichen Neubewertung müsse die Schiedsstelle anhand des sich aus den einzelnen Kostenpunkten ergebenden Gesamtentgelts einen „externen Vergleich“ durchführen.
40
Zu Recht habe die Schiedsstelle unter Punkt 3 der Begründung (Seite 33 f.) unter Bezugnahme auf die „ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts“ bereits einen externen Vergleich des sich aus den einzelnen festgesetzten Entgeltpunkten ergebenden Entgelts durchgeführt und abschließend festgestellt, dass das Entgelt in angemessener Relation zu den Sätzen anderer Jugendhäuser im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Klägerin stehe.
41
Das Bundesverwaltungsgericht sei zwar in seinem Urteil vom 1. Dezember 1998 (5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 25) zu § 93 BSHG noch davon ausgegangen, dass die Definition und Ausfüllung der Begriffe „Wirtschaftlichkeit“, „Sparsamkeit“ und „Leistungsfähigkeit“ durch die Schiedsstelle notwendig einen Vergleich voraussetze und dabei entweder ein externer oder ein interner Vergleich in Betracht käme. In seinem Beschluss vom 8. Februar 2008 (Az. 5 B 6/08 – juris Rn. 2), ebenfalls noch zu § 93 BSHG, habe das Bundesverwaltungsgericht hierzu jedoch ausgeführt, dass in seiner Rechtsprechung geklärt sei, dass bei der Ermittlung einer leistungsgerechten Vergütung, welche den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entspreche, grundsätzlich und vorrangig auf einen Vergleich der Entgelte verschiedener Einrichtungen für vergleichbare Leistungen („externer Vergleich“) abzustellen sei und etwas anderes nur gelte, wenn ein Marktpreis nicht ermittelt werden könne, etwa, weil es wegen Besonderheiten der Einrichtung nicht möglich sei, eine ausreichend große Zahl vergleichbarer Angebote zu erhalten.
42
Ergänzend zum Erfordernis eines externen Vergleichs könne inzwischen auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu vergleichbaren Entgeltregelungen zurückgegriffen werden, sofern diese Entscheidungen in ihrer Begründung maßgeblich aus den „Grundsätzen zum leistungsgerechten Entgeltsystem nach § 93 BSHG“ entwickelt worden seien. Aus der Historie der verschiedenen Gesetzesentwicklungen und den jeweils erfolgten Gesetzesbegründungen hierzu ergebe sich, dass die im Laufe der Zeit von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts herausgearbeiteten Grundsätze zur Entgeltvereinbarung auch auf die Entgeltvereinbarungen im Kinder- und Jugendhilferecht Anwendung fänden. Insbesondere in der Rechtsprechung des 3. Senats des Bundessozialgerichts zum SGB XI sei geklärt, dass das Wettbewerbskonzept maßgeblich das prospektive Entgeltsystem präge, welches seit der Urfassung des § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB XI gelte und sich im Wesentlichen an der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 93 Abs. 3 BSHG zum 1. Januar 1994 orientiere (vgl. BSG, U.v. 16.5.2013 – B 3 P 2/12 R –, BSGE 113, 258 – juris, Rn. 19) und dass daher grundsätzlich zur Feststellung der Leistungsgerechtigkeit des Entgelts ein externer Vergleich vorzunehmen sei. Dieser Auffassung habe sich inzwischen auch der 8. Senat des Bundessozialgerichts für Vergütungsvereinbarungen nach dem SGB XII (ebenfalls unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Dezember 1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47) angeschlossen und festgestellt, dass die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit einen Vergleich mit an-deren Leistungserbringern auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung verlangen würden (grundlegend: BSG, U.v. 7.10.2015 – B 8 SO 21/14 R –, BSGE 120, 51 – juris, Rn. 16; zuletzt U.v. 8.12.2022 – B 8 SO 8/20 R –, ZKJ 2023, 269 – juris, Rn. 17).
43
Allerdings gehe der 3. Senat des Bundessozialgerichts für das SGB XI in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass zunächst in einem ersten Prüfungsschritt die Plausibilität der einzelnen Kostenpunkte festzustellen sei und in einem zweiten Prüfungsschritt ein Vergütungsvergleich mit anderen Einrichtungen („externer Vergleich“) anhand von – durch den 3. Senat entwickelten – Fallgruppen zu erfolgen habe (grundlegend: BSG, U.v. 29.1.2009 – B 3 P 7/08 R –, BSGE 102, 227 – juris; zuletzt U.v. 26.9.2019 – B 3 P 1/18 R –, BSGE 129, 116 – juris, Rn. 27), während der 8. Senat für stationäre Einrichtungen nach dem SGB VII im Hinblick auf die anders geartete Struktur des SGB XII und die geringere Normdichte, insbesondere die fehlenden ausdrücklichen Regelungen über die Mitwirkungspflichten im Schiedsstellenverfahren keine Veranlassung sehe, die Rechtsprechung des 3. Senats in der Form zu übertragen, dass die Schiedsstelle zu einem ent-sprechenden Vorgehen vollumfänglich und in jedem Fall gezwungen wäre (grundlegend: BSG, U.v. 7.10.2015 – B 8 SO 21/14 R –, BSGE 120, 51 – juris, Rn. 16; zuletzt U.v. 8.12.2022 – B 8 SO 8/20 R –, ZKJ 2023, 269 – juris, Rn. 17 zu § 75 SGB XII i.d.F. bis zum 31.12.2019). Mit der Änderung des § 75 SGB XII zum 1. Januar 2020 und der gesetzlichen Festlegung des Erfordernisses eines externen Vergleichs und der entsprechenden Anwendung der durch den 3. Senat des Bundessozialgerichts entwickelten Fallgruppen sei in Zukunft selbst insoweit von einer einheitlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum externen Vergleich auszugehen. Da die im vorliegenden Verfahren maßgeblichen Regelungen in den §§ 78a ff. SGB VIII ebenfalls auf der Einführung des prospektiven Entgeltsystems beruhten und der Gesetzgeber sich hierzu maßgeblich an dem Vorbild der Pflegeversicherung sowie des BSHG orientiert habe (BT-​Drs. 13/1033), sei davon auszugehen, dass auch für die Festsetzung von Entgelten durch die Schiedsstelle nach § 78g SGB VIII zwingend ein externer Vergleich zu erfolgen habe.
44
Dieser sei anhand des Gesamtentgelts vorzunehmen und nicht etwa in Bezug auf einzelne Kostenbestandteile (vgl. auch: Jaritz/Eicher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-​SGB XII, 2. Aufl, § 77 SGB XII (Stand: 11.08.2017), Rn. 68; § 76 Rn. 106). Denn aus der Begründung für das Erfordernis des externen Vergleichs ergebe sich, dass das „Entgelt“ insgesamt leistungsgerecht im Vergleich mit anderen Einrichtungen sein müsse. Ein externer Vergleich lediglich in Bezug auf einzelne Kostenpunkte könne dies jedoch nicht gewährleisten. Das Wettbewerbsprinzip solle einen Anreiz für eine wirtschaftliche Betriebsführung bieten (so bereits die Gesetzesbegründung zur Änderung des § 93 Abs. 3 BSHG, BT-​Drs. 12/5510 S. 10 ff). Hierzu sei die unternehmerische Freiheit erforderlich, hinsichtlich der einzelnen Kostenfaktoren unterschiedlich zu kalkulieren. Der Ansatz dieser einzelnen Kostenfaktoren sei in einem ersten Schritt durch die Schiedsstelle auf Plausibilität zu prüfen (BSG, U.v. 29.1.2009 – B 3 7/08 R –, BSGE 102, 227 – juris), während es im Rahmen des externen Vergleichs in der Gesamtbewertung entscheidend darauf ankomme, ob der von der Einrichtung geforderte Vergütungssatz im Vergleich mit günstigeren Pflegesätzen und Entgelten anderer Einrichtungen im Hinblick auf die Leistungen der Einrichtung und die Gründe für ihren ggf. höheren Kostenaufwand insgesamt angemessen und deshalb als leistungsgerecht anzu-sehen sei (BSG, U.v. 16.5.2013 – B 3 P 2/12 R –, BSGE 113, 258 – juris, Rn. 23). Dementsprechend könne die Schiedsstelle ggf. einzelne Positionen der Kalkulationsgrundlage offen lassen und – entsprechend begründet – einen ihrer fachlichen Einschätzung nach leistungsgerechten Gesamtbetrag festsetzen (BVerwG, U.v. 25.10.2018 – 3 C 22/16 –, BVerwGE 163, 283 – juris, Rn. 29 zur Entgeltfestsetzung nach dem KHEntgG).
45
4. Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, eine Aufhebung der Ziffer 3 des Schiedsbeschlusses vom 6. Mai 2022 nicht nur der Höhe der Festsetzungen in Ziffern 3.7, 3.8., 3.9 und 3.10 wegen, sondern auch bereits dem Grunde der genannten Entgeltfestsetzungen nach zu erwirken. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und die dort ge-nannten Grundsätze zur Berücksichtigung eines Unternehmerrisikos seien entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auf das Kinder- und Jugendhilferecht nicht übertragbar. Die im Rahmenvertrag – Bayern vereinbarten Regelungen zur Frage des Belegungsrisikos sähen bereits einen großzügigen Abschlag zur Abfederung dieses Risikos vor. Insoweit werde ein „Risikoaufschlag“ von 5,8 bzw. 8,3% seit den ersten Entgeltvereinbarungen aus dem Jahr 2000 praktiziert. Auch die Personalkostenquote biete den Betreibern ausreichend Gelegenheit, Überschüsse zu erzielen. Insoweit fehle es der Schiedsstellenentscheidung an einer Begründung, warum trotz dieser Gewinnmöglichkeit zu-sätzlich ein Unternehmenswagnis kostenmäßig berücksichtigt werden müsse. Vorliegend errechne sich ein Zuschlag von 6,67% wegen niedrig angelegter Auslastungsquote von 93,33% und weiterer 4,79% Risiken (3% allgemeines und 1,79% spezifisches Risiko) gemäß dem Schiedsspruch vom 6. Mai 2022, so dass sich insgesamt ein Zuschlag von 11,46% ergebe. Selbst in den aktuellen Entscheidungen des Bundessozialgerichts sei ein Aufschlag von „lediglich“ zwischen 4 und 5% diskutiert worden. Ein über den Zuschlag von 6,67% des Rahmenvertrages hinausgehender Risikoaufschlag sei infolgedessen nicht erforderlich, zumal in den letzten Jahren bereits verschiedene Berechnungswerte, etwa die Krankheitszeiten der Mitarbeiter von 3 auf 4 bzw. 4,4% sowie die Personalkostenpauschale erhöht worden seien. Ungeachtet dessen stimme die Klägerin weder der Berechnungsmethodik noch der angewandten Risikomatrix zu und wiederhole den Vorschlag, der Schiedsstelle die Einholung eines externen Gutachtens aufzugeben.
46
Ebenso wenig berücksichtigungsfähig seien die Kosten der Rechtsberatung. Weder vor der Schiedsstelle noch vor dem Verwaltungsgericht bestehe Anwaltszwang, sodass eine entsprechende Beratung nicht erforderlich sei. Ungeachtet dessen könne jeder freie Träger, sofern eigene Sachkunde nicht vorhanden sei, auf den juristischen Sachverstand seines Spitzenverbandes zurückgreifen. Aus dem grundsätzlich bestehenden Recht, sich schon im Verwaltungsverfahren anwaltlicher Hilfe zu bedienen, folge nicht die zwingende Pflicht des Staates, die Kosten anwaltlicher Vertretung zu tragen. Derjenige, der freiwillig einen Anwalt einschalte, müsse für dessen Kosten selbst aufkommen.
47
Als bereits dem Grunde nach ebenfalls nicht berücksichtigungsfähig erwiesen sich schließlich auch die Kosten für den Fremdkapitaleinsatz. Insoweit gehe es nicht an, Kosten für Fremdkapital, die aufgrund einer Vorfinanzierung entstünden, be-reits alleine deshalb als wirtschaftlich angemessen anzusehen, weil sie in einer bestimmten Höhe entstünden. Vielmehr müsse der freie Träger darlegen, dass der jeweilige Kredit für die Aufrechterhaltung des Betriebs und die Leistungserbringung tatsächlich notwendig sei. Es bestehe deshalb kein Grund, regelhaft Kosten für Fremdkapital einzurechnen.
48
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
49
unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 21. Juni 2023 die Schiedsstellenentscheidung vom 6. Mai 2022 in Ziffer 3 nicht nur der Höhe der Festsetzungen in Ziffern 3.7, 3.8, 3.9 und 3.10 wegen, sondern auch bereits deren Grunde nach aufzuheben.
50
Der Beklagte beantragt (sinngemäß),
51
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen
52
und
53
das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 21. Juni 2023 im Wege der Anschlussberufung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
54
Die Schiedsstelle habe sich mit der Entscheidung vom 6. Mai 2022 hinsichtlich der Ziffern 3.7, 3.8, 3.9 und 3.10 innerhalb des ihr zukommenden Beurteilungsspielraums bewegt und damit in vertretbarer und zugleich auch gerichtlich nicht zu beanstandender Weise bei der Entgeltfestsetzung ein allgemeines Unternehmerwagnis, unternehmensspezifische Einzelwagnisse und Kosten der Rechtsberatung sowie des Fremdkapitaleinsatzes berücksichtigt. Entgegen den Feststellungen des Verwaltungsgerichts ergebe sich aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hinreichend klar eine Differenzierung zwischen einem all-gemeinen Unternehmerrisiko und spezifischen Unternehmerrisiken. Mit der streit-gegenständlichen Entscheidung habe die Schiedsstelle daher folgerichtig ein-richtungsspezifisch für das allgemeine Unternehmerrisiko unter Einschluss von Innovationskosten einen Ansatz von 3% der Gesamtkosten gewählt. Dieses allgemeine Unternehmerrisiko, welches im Gegensatz zu den spezifischen Risiken nicht mit bestimmten Risiken zu benennen sei, habe sich sowohl tatsächlich als auch in der Höhe realisiert, insbesondere aufgrund mit der Corona Pandemie bedingten Mehrkosten sowie der galoppierenden Inflation. Durch die Schulschließungen hätten die jungen Menschen auch am Vormittag betreut und zusätzlich beschult werden müssen. Gleichzeitig sei der Krankenstand des Personals mit 6% in 2021 deutlich höher als die kalkulierten 4,4% gewesen. Teilweise hätten Personalausfälle von bis zu 70% zeitgleich kompensiert werden müssen. Auch die Sachkosten seien deutlich stärker als die kalkulierten 1,97% gestiegen. Zudem hätten viele, nicht einkalkulierte Investitionen (Computer, Zoom-Lizenzen, Netflix-Account, Spielekonsole und mehrere Gemeinschaftsspiele) getätigt werden müssen. Der Kalkulation des Tagessatzes habe eine Auslastungsquote von 92,33% zugrunde gelegen. Die Auslastung im streitgegenständlichen Zeitraum habe jedoch deutlich daruntergelegen, sodass die Auslastungsquote zusätzlich risiko-erhöhend gewirkt habe. Ein Risikoaufschlag werde daher entgegen der Annahme der Klägerin mit der Auslastungsquote gerade nicht ermöglicht. Zusätzlich zur Anerkennung eines nicht näher zu konkretisierenden allgemeinen Unternehmerrisikos seien bei der Entgeltfestsetzung weitere Unsicherheiten über die Höhe der künftigen Gestehungskosten der Einrichtung zu berücksichtigen. Als solche spezi-fischen Risiken habe die Schiedsstelle zu Recht nicht besetzte Stellen, Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit, Personalakquise, Renovierungskosten und Ersatzbeschaffungen anerkannt. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei auch die konkrete Festsetzung des Risikoausgleichs vom Beurteilungsspielraum der Schiedsstelle gedeckt. Diese habe die Zuerkennung des Risikoausgleichs einrich-tungsspezifisch begründet und festgestellt, dass die festgesetzten Gestehungskosten plausibel und nachvollziehbar dargelegt seien. Zu einer weitergehenden Prüfung sei die Schiedsstelle nicht verpflichtet gewesen. In Bezug auf die mit 1.800 Euro festgesetzten Rechtsberatungskosten (Ziffer 3.9) sei festzustellen, dass diese betriebsnotwendig, aber nicht annähernd kostendeckend seien. Den Ausführungen der Klägerin zur Überflüssigkeit einer Rechtsberatung könne nicht gefolgt werden. Die Notwendigkeit, Fremdkapital, insbesondere für Miet- und Personalkosten, in Anspruch zu nehmen, ergebe sich in einem rechnerischen Mittel von rd. 46 Tagen. Die Schiedsstelle habe sich daher innerhalb des ihr zukommenden Bewertungsspielraums gehalten.
55
Die Klägerin beantragt (sinngemäß), die
56
Anschlussberufung zurückzuweisen.
57
Der Beklagte mache über den Umweg des Risikoausgleichs nicht erforderliche Kosten geltend. Solche seien noch nie zuvor in dieser Form akzeptiert worden.
58
Mit Schreiben vom 29. Januar 2024 hat der Senat die Verfahrensbeteiligten zu einer Entscheidung nach § 130a VwGO angehört.
59
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die bei-gezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
60
Die zulässige Berufung ist im streitgegenständlichen, die Klägerin beschwerenden Umfang der Ablehnung einer weitergehenden Aufhebung auch dem Grunde (nicht nur der Höhe) der Festsetzungen nach unbegründet. Gleiches gilt hinsichtlich der Anschlussberufung des Beklagten, mit der dieser sich im Wesentlichen gegen die Aufhebung des Schiedsbeschlusses vom 6. Mai 2022 der Höhe der in Ziffern 3.7, 3.8, 3.9 und 3.10 getroffenen Festsetzungen wegen wendet.
61
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die (nur) im Hilfsantrag (nicht aber im Hauptantrag) zulässige isolierte Anfechtungsklage (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 28.02.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 17) begründet ist und zur Aufhebung des Schiedsbeschlusses vom 6. Mai 2022 in seiner Gesamtheit führen musste, auch wenn (lediglich) die in den Ziffern 3.7, 3.8, 3.9 und 3.10 erfolgten Festsetzungen zu den Entgeltbestandteilen mangels hinreichender Begründung von deren Höhe rechtswidrig sind und die Klägerin in ihren Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Eine weitergehende Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Festsetzungen auch dem Grunde nach liegt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht vor.
62
1. Der Senat kann über die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung des Beklagten nach Anhörung der Beteiligten gem. § 130a Satz 1 VwGO in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens durch Beschluss entscheiden, da er diese einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet. Die Rechtssache weist weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht außergewöhnliche Schwierigkeiten auf (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, U.v. 30.6.2004 – 6 C 28.03 –, BVerwGE 121, 211 [212]; U.v. 9.12.2010 – 10 C 13.09 -, BVerwGE 138, 289 [297 f.]). Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind – entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts – durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtsnatur des Schiedsstellenverfahrens (vgl. U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 21 ff.; B.v. 28.02.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 9, jeweils zu § 94 BSHG a.F.) und die Gesetzesmaterialien zum prospektiven Entgeltsystem (vgl. BT-Drucks. 13/10330, S. 17; BT-Drucks. 12/5510, S. 10) bereits hinreichend geklärt.
63
Die Beteiligten hatten im Berufungsverfahren ausreichend Gelegenheit, sich zu den maßgeblichen Fragen zu äußern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, welche auf der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK gründet (vgl. hierzu U.v. 29.10.1991 – Nr. 22/1990/213/275 –, NJW 1992, 1813 f.), muss in Fällen einer erstinstanzlichen öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht stets und unabhängig von der Art der zu entscheidenden Fragen in der folgenden zweiten Instanz eine weitere mündliche Verhandlung stattfinden (vgl. BVerwG, B.v. 25.9.2007 – 5 B 53/07 – juris, Rn. 18). Dies gilt namentlich dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – nur über Rechtsfragen zu entscheiden ist (vgl. BVerwG, B.v. 25.9.2003 – 4 B 68/03 –, NVwZ 2004, 108 [110]; B.v. 7.9.2011 – 9 B 61/11 –, NVwZ 2012, 379 [380] Rn. 6 f.; s.a. Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 7/2019, § 130a Rn. 3 a.E.). Tatsachenfragen, die eine (weitere) Beweiserhebung erfordert hätten, haben sich entscheidungserheblich nicht gestellt. Die aufgeworfenen Fragen lassen sich bereits alleine aufgrund der Aktenlage und der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an-gemessen beurteilen (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 25.9.2007 – 5 B 53/07 – juris, Rn. 18; s.a. Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 7/2019, § 130a Rn. 3 a.E.).
64
Die Klägerin hat der beabsichtigten Verfahrensweise im Rahmen der Anhörung gem. § 130a Satz 2 i.V.m. § 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO mit Schreiben vom 9. Februar 2024 nicht widersprochen; sie teilt lediglich nicht die Auffassung des Senats, dass die aufgeworfenen Rechtsfragen bereits durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Rechtsnatur des Schiedsstellenverfahrens und die Gesetzesmaterialien zum prospektiven Entgeltsystem geklärt seien und beantragt deshalb die Zulassung der Revision. Dies gibt dem Senat nach Kenntnisnahme des, neue tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte nicht ent-haltenden Vorbringens auch nach nochmaliger Abwägung aller für und gegen die Durchführung einer Berufungsverhandlung sprechenden Gründe gleichwohl keinen Anlass, in Ausübung des durch § 130a VwGO eingeräumten Ermessens von seiner beabsichtigten Verfahrensweise abzuweichen (vgl. BVerwG, B.v. 2.3.2010 – 6 B 72/09 –, NVwZ 2010, 845 [846] Rn. 8; B.v. 22.6.2007 – 10 B 56/07 – juris, Rn. 9). Sämtliche aufgeworfenen Rechtsfragen waren – soweit ihnen nach der insoweit allein maßgeblichen Auffassung des Senats überhaupt entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt – bereits Gegenstand der erst-instanzlichen mündlichen Verhandlung. Neue, im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht relevante Rechts- oder Tatsachenfragen (vgl. hierzu BVerwG, B.v.18.12.2014 – 8 B 47/14 –, NVwZ 2015, 600 [601] Rn. 7) haben sich im Berufungsverfahren entscheidungserheblich nicht gestellt.
65
Mit Anhörungsschreiben vom 29. Januar 2024 hat der Senat die Verfahrensbeteiligten über das Ergebnis seiner rechtlichen Prüfung im Berufungsverfahren unter Hinweis auf die sowohl in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als auch in den Gesetzesmaterialien zum prospektiven Entgeltsystem betonte Einschätzungsprärogative der Schiedsstelle in Kenntnis gesetzt. Ein diskursiver Prozess zwischen dem Gericht und den Verfahrensbeteiligten (vgl. BVerwG, B.v. 20.5.2015 – 2 B 4/15 –, NVwZ 2015, 1299 Rn. 5; s.a. Anm. Heusch, NVwZ 2015, 1301) hat daher in umfassender Weise stattgefunden, wenn auch nicht mit dem von der Klägerin gewünschten Ergebnis. Zu einem weitergehenden „Rechtsgespräch“ ist der Senat – selbst im Rahmen einer mündlichen Verhandlung – nicht verpflichtet (vgl. BVerfGE 86, 133 [144 f.] m.w.N.). Mithin kann der Senat in Ausübung des nach § 130a Satz 1 VwGO eingeräumten Ermessens durch Beschluss entscheiden. Einer weiteren Anhörungsmitteilung bedurfte es nicht (vgl. BVerwG, B.v. 17.5.1993 – 4 B 73/93 – juris, Rn. 3; B.v. 2.3.2010 – 6 B 72/09 –, NVwZ-​RR 2010, 845 [846] Rn. 8; B.v. 22.6.2007 – 10 B 56/07 – juris, Rn. 9; B.v. 25.8.1999 – 8 C 12/98 – juris, Rn. 16).
66
2. Der Senat teilt zunächst die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, dass eine lediglich teilweise Aufhebung einzelner Bestandteile der Entscheidung der Schiedsstelle vom 6. Mai 2022 über das Entgelt (Hauptantrag) unzulässig ist. Die Entscheidungen über einzelne Bestandteile der Entgeltfestsetzung stellen – wie das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt hat – keine von den übrigen in der Entscheidung der Schiedsstelle zur Entgeltfestsetzung getroffenen Festlegungen unabhängigen Regelungen dar. Vielmehr handelt es sich insoweit um eine insgesamt einheitliche Entscheidung der Schiedsstelle in Gestalt eines Verwaltungsakts gemäß § 31 Satz 1 SGB X (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 28.02.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 10; Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78g Rn. 8), die im Rahmen deren Beurteilungsspielraumes verschiedene Aspekte in eine Gesamtlösung einfließen lässt. Aufgrund dieser Interdependenz der einzelnen Entgeltfestsetzungen kommt die Annahme einer Teilbarkeit analog § 40 Abs. 4 SGB X nicht in Betracht. Eine lediglich teilweise Aufhebung einzelner Entgeltbestandteile ist daher nicht möglich, denn es kann derzeit nicht mit hinreichender Gewissheit ausgeschlossen werden, dass die Schiedsstelle anlässlich einer erneuten Beurteilung und Begründung der Höhe der einzelnen Entgeltfestsetzungen der Ziffern 3.7, 3.8, 3.9 und 3.10 des Beschlusses vom 6. Mai 2022 im Rahmen ihrer Einschätzungsprärogative zugleich auch zu einer Neubeurteilung der im Verfahren M 18 K 22.3190 ebenfalls erfolgreich beanstandeten Entgeltfestsetzungen der Ziffern 3.1., 3.2 und 3.3 gelangt bzw. sich insoweit weitere, in eine neue Gesamtbetrachtung einfließende Interdependenzen ergeben. Eine bloße Teilaufhebung würde daher in nicht zu rechtfertigender Weise in die alleinige Beurteilungs- und Entscheidungskompetenz der Schiedsstelle übergreifen. Den Verfahrensbeteiligten entsteht dadurch kein rechtserheblicher Nachteil. Gegen die neue Entscheidung der Schiedsstelle ist ihnen der Verwaltungsrechtsweg erneut in vollem Umfang eröffnet. Im Einzelnen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in der angefochtenen Entscheidung verwiesen (§ 130b Satz 2 VwGO).
67
3. a) Auch hinsichtlich der Beurteilung im Übrigen ist das Verwaltungsgericht zu Recht von einer Einschätzungsprärogative der Schiedsstelle nach § 78g SGB VIII ausgegangen. Nach der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung hat der Gesetzgeber die Schiedsstelle als weisungsfreies, mit Vertretern der Interessen der betroffenen Gruppen besetztes Konfliktlösungs- und Schlichtungsgremium ausgestaltet und damit zum Ausdruck gebracht, dass er dieses Gremium als mit der zu regelnden Materie vertrautes und zu einer vermittelnden Zusammenführung potentiell gegenläufiger Interessen berufenes Entscheidungsorgan für geeignet hält, eine sach- und interessengerechte Lösung zu finden (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 11 f.; siehe zum Schiedsstellenverfahren allgemein Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78g Rn. 7 ff.; Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 78g Rn. 2 ff.). Der Schiedsstelle steht deshalb für ihre Bewertungen und Beurteilungen im Rahmen der unbestimmten Rechtsbegriffe (Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsgerechtigkeit) eine Einschätzungsprärogative zu, die es gebietet, die gerichtliche Überprüfung darauf zu beschränken, ob die Schiedsstelle die ihr gesetzten rechtlichen Vorgaben beachtet, den Sachverhalt vollständig ermittelt und in einem fairen und willkürfreien Verfahren zu vertretbaren Bewertungen gefunden hat (vgl. BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 24; B.v. 28.2.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 9; Telscher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, Stand: 01.08.2022, § 78g Rn. 34 m.w.N.).
68
Eine allgemeine normative Vorgabe für die Schiedsstelle und damit zugleich auch Prüfungsmaßstab im gerichtlichen Verfahren bildet der Bedarfsdeckungsgrundsatz sowie das in den §§ 78a ff. SGB VIII seit 1. Januar 1999 geregelte sog. prospektive Entgeltsystem (BT-​Drs. 13/10330, S. 17 ff.; BT-Drs. 12/5510, S. 10). Durch die Forderung des Gesetzes, dass die Entgelte leistungsgerecht sein und einer Einrichtung bei sparsamer und wirtschaftlicher Betriebsführung ermöglichen müssen, eine bedarfsgerechte Hilfe zu leisten, soll den Einrichtungen ein „auskömmlicher, leistungsgerechter Preis … gewährleistet“ werden (vgl. auch bereits BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 23). Auf Grund des prospektiven Entgeltsystems sollen Einrichtungen daher nicht gezwungen werden, die von ihnen erwarteten Leistungen unterhalb ihrer Gestehungskosten anzubieten (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17; BT-Drs. 12/5510, S. 10). (Prospektive) Selbstkosten bilden folglich, sofern sie den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsgerechtigkeit entsprechen, auch bei prospektiven Pflege- und Betreuungssätzen die Untergrenze des festzusetzenden Entgelts. Eine Beurteilung, ob ein Anbieter den von ihm geltend gemachten Pflegesatz zur Deckung seiner Selbstkosten auch tatsächlich benötigt, ist nicht möglich, ohne dass die Schiedsstelle eine an jenen Grundsätzen orientierte „Entscheidung über Kalkulationsgrundlagen“ trifft (vgl. BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 23). Soweit es um die Beachtung der Grundsätze der „Wirtschaftlichkeit“, der „Sparsamkeit“ und der „Leistungsgerechtigkeit“ geht, hat sich die gerichtliche Kontrolle gemäß dem Willen des Gesetzgebers, dass die Definition und Ausfüllung dieser Begriffe „Hauptaufgabe“ der Schiedsstelle selbst und nicht der Gerichte sein soll (BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18; BT-Drs. 12/5510, S. 12), auf die Nachprüfung zu beschränken, ob die Bewertungen der Schiedsstelle dem Sinngehalt dieser unbestimmten Gesetzesbegriffe gerecht werden und, gemessen daran, in Anbetracht des von der Schiedsstelle vollständig ermittelten Sachverhalts vertretbar sind (grundlegend BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 24; B.v. 28.02.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 9).
69
Das Schiedsstellenverfahren besitzt infolgedessen den Charakter eines „Zwangsschlichtungsverfahrens“ (vgl. Schütte, NDV 2005, 246 [247 f.]), dem sich sowohl der jeweilige Leistungsanbieter als auch der Träger der Jugendhilfe im Streitfall unterwerfen müssen, wenn es zu einer Entgeltvereinbarung kommen soll. Dies schließt es aus, dass die Streitparteien ihre „Händel“ vor den Verwaltungsgerichten fortsetzen, ohne angemessen zu berücksichtigen, dass die materielle Entscheidung über die Angemessenheit des festzusetzenden Entgelts von der Schiedsstelle und nicht von den Richterinnen und Richtern der Verwaltungsgerichtsbarkeit getroffen wird (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 12). Dies gilt gerade auch vor dem Hintergrund, dass es im prospektiven Entgeltsystem einen objektiv allein „richtigen“ Entgeltsatz nicht gibt (so zutreffend Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78g Rn. 15).
70
Die Verwaltungsgerichte können deshalb den Schiedsspruch einer Schlichtungsstelle nach § 78g SGB VIII nur daraufhin überprüfen, ob die Schiedsstelle die widerstreitenden Interessen der Verfahrensparteien zutreffend ermittelt hat, alle für die Abwägungsentscheidung erforderlichen tatsächlichen Feststellungen getroffen wurden und die Abwägungsentscheidung frei von sachfremden Erwägungen in einem fairen und willkürfreien Verfahren inhaltlich orientiert an den materiellen Vorgaben des Entgeltvereinbarungsrechts des SGB VIII ergangen ist (vgl. hierzu näher Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78g Rn. 22 m.w.N.).
71
Dies bedeutet im Umkehrschluss zugleich auch, dass die Schiedsstelle im Rahmen der ihr durch § 78g SGB VIII eingeräumten Autonomie (vgl. hierzu Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 78g Rn. 2 ff.) und den durch höherrangiges Recht, namentlich das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG), gezogenen Grenzen, ihr Prüf- und Entscheidungsprogramm zu § 78b Abs. 2 und § 78c Abs. 2 SGB VIII selbstständig bestimmt (vgl. BT-Drucks. 13/10330, S. 17. u. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 12), sofern – wie derzeit – konkrete Vorgaben des Gesetzgebers im Entgeltvereinbarungsrecht des SGB VIII fehlen, nach dem Regelungs- und Gestaltungsauftrag des § 78g SGB VIII eine Entscheidung über die Entgeltfestsetzung aber gleichwohl getroffen werden muss. Die Autonomie der Schiedsstelle reicht dabei umso weiter, je weniger die Vorgaben des Gesetzgebers das Prüf- und Entscheidungsprogramm der Schiedsstelle bereichsspezifisch determinieren und ist demgegenüber umso begrenzter, je mehr der Gesetzgeber die Schlichtungsstelle an die Einhaltung konkreter gesetzlicher Vorgaben bindet.
72
Ohne das Rechtsinstitut einer unabhängigen, weisungsfreien Schiedsstelle (§ 78g SGB VIII) bliebe die Entgeltfestsetzung (§ 78c Abs. 2 SGB VIII, § 78b Abs. 2 SGB VIII) gleichsam inoperabel, da der Gesetzgeber die Grundsätze der von ihm verlangten Preisgestaltung – mit Ausnahme der unbestimmten Rechtsbegriffe der „Leistungsgerechtigkeit“, „Wirtschaftlichkeit“ und „Sparsamkeit“- selbst nicht durch weitere Konkretisierungen benennt. Diesen Konkretisierungsauftrag hat er für den Konfliktfall der Schiedsstelle überantwortet, der die alleinige Definition und Ausfüllung der Rechtsgrundsätze der “Wirtschaftlichkeit“, „Sparsamkeit“ und “Leistungsgerechtigkeit“ als Hauptaufgabe übertragen ist (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18; BT-Drs. 12/5510, S. 12).
73
Legt der Gesetzgeber als Maßstab für die Entgeltfestsetzung allein den Gesichtspunkt der Leistungsgerechtigkeit (§ 78c Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) – mit anderen Worten ein angemessenes Verhältnis zwischen Entgelt und Leistung (vgl. hierzu Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 78c Rn. 11; Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78c Rn. 13) – zugrunde und nimmt er damit – implizit – zugleich auch auf die in § 78b Abs. 2 Satz 1 SGBVIII genannten Kriterien der „Wirtschaftlichkeit“ und „Sparsamkeit“ Bezug (vgl. hierzu Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 78b Rn. 22 f.; Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78b Rn. 13 ff.), ohne zugleich weitere Parameter zu deren Feststellung im Einzelfall zu bestimmen, so muss die Schiedsstelle – notgedrungen – ein eigenes Prüf- und Beurteilungssystem entwickeln, um ihrem Regelungs- und Gestaltungsauftrag aus § 78g SGB VIII gerecht werden zu können; denn ihr allein kommt im Konfliktfall die Entscheidung über die Kalkulationsgrundlagen zu (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 12).
74
Insoweit liegt es – in Ermangelung entsprechender näherer Vorgaben in § 78c Abs. 2 und § 78b Abs. 2 SGB VIII durch den Gesetzgeber selbst – in der alleinigen Rechtsmacht der Schiedsstelle, auf die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundessozialgerichts zum ehemaligen BSHG (BVerwGE 108, 47 ff.; 116, 78 ff.) und zum SGB XI und SGB XII (BSGE 102, 227 ff.; 113, 258 ff.; 120, 51 ff.; 129, 116 ff.) entwickelten Maßstäbe und Grundsätze sowohl des „internen Vergleichs“ (einrichtungsbezogene Plausibilitätskontrolle der einzelnen Entgeltansätze) als auch des „externen Vergleichs“ (mit den Entgeltsätzen anderer vergleichbarer Einrichtungen) und anschließender Angemessenheitsprüfung zurückzugreifen (vgl. hierzu näher Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78b Rn. 16 ff.; Banafsche, in: Hauck/Noftz, SGB VIII, 2. El. 2023, § 78b Rn. 41 ff.; § 78c Rn. 15a; Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 78c Rn. 12 ff.). Eine Rechtspflicht der Schiedsstelle, sich dieser Maßstäbe und Grundsätze im Einzelnen oder gar in Kombination zu bedienen, vermag der Senat indes nicht zu erkennen. Vielmehr hat die Schiedsstelle – solange verbindliche Vorgaben durch den Gesetzgeber fehlen – ihr Prüf- und Entscheidungsprogramm zu § 78b Abs. 2 und § 78c Abs. 2 SGB VIII im Rahmen der ihr in § 78g SGB VIII eingeräumten Autonomie selbstständig zu bestimmen. Ihr allein kommt im Konfliktfall die Entscheidung über die Kalkulationsgrundlagen zu (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 12).
75
Letzteres folgt unzweifelhaft aus dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers, dass sich die gerichtliche Kontrolle durch die Verwaltungsgerichte, soweit es – wie hier – um die Beachtung der Grundsätze der „Wirtschaftlichkeit“, der „Sparsamkeit“ und der „Leistungsgerechtigkeit“ geht, auf die Nachprüfung zu beschränken hat, ob die Bewertungen der Schiedsstelle dem Sinngehalt dieser unbestimmten Gesetzesbegriffe gerecht werden und, gemessen daran, in Anbetracht des von der Schiedsstelle vollständig ermittelten Sachverhalts, vertretbar sind (grundlegend BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 21 ff.; B.v. 28.02.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 9). Die Definition und Ausfüllung der Begriffe der „Wirtschaftlichkeit“, „Sparsamkeit“ und „Leistungsgerechtigkeit“ ist hingegen alleinige Aufgabe der Schiedsstelle selbst (vgl. BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 24). Nur ihr kommt im Konfliktfall die Entscheidung über die Kalkulationsgrundlagen zu (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 12).
76
Damit bleibt die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Schiedsstelle habe im Rahmen der Entgeltfestsetzung „zwingend“ einen „externen Vergleich“ vorzunehmen, ohne Grundlage. Eine solche Rechtspflicht besteht vor dem Hintergrund der der Schiedsstelle eingeräumten Einschätzungsprärogative und des Fehlens entsprechender gesetzlicher Vorgaben in § 78c Abs. 2 und § 78b Abs. 2 SGB VIII – jedenfalls derzeit – nicht. Die Schiedsstelle besitzt lediglich die Rechtsmacht, sich im Rahmen der ihr eingeräumten Autonomie eines „externen Vergleichs“ zu bedienen. Die Kontrollbefugnis der Verwaltungsgerichte ist demgegenüber auf eine reine „Vertretbarkeitskontrolle“ der Bewertungen der Schiedsstelle be-schränkt (vgl. BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 24; B.v. 28.02.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 9). Die Schiedsstelle kann daher auch nach Aufhebung eines zunächst auf der Grundlage eines „externen Vergleichs“ ergangenen Schiedsstellenbeschlusses bei einer von ihr vorzunehmenden erneuten Entscheidung noch zum „internen Vergleich“ wechseln und umgekehrt. Ihr allein kommt im Konfliktfall die Entscheidung über die Kalkulationsgrundlagen zu (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 12).
77
Diese „Vorgaben“ sowohl des Bundesverwaltungsgerichts als auch des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 12) sind von seltener Klarheit und Eindeutigkeit; sie tragen dem Umstand Rechnung, dass sich die Gerichte nicht unter Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben und sich damit ihrer Bindung an Recht und Gesetz entziehen dürfen (vgl. BVerfGE 96, 375 [394]). Rechtsfortbildung findet stets dort ihre Grenzen, wo ohne jede Rückbindung an entsprechende Aussagen des Gesetzgebers – vorliegend im SGB VIII selbst – neue Regelungen unter Rückgriff auf (vermeintlich) einschlägige Parallelregelungen in (angeblich) verwandten Rechtsgebieten geschaffen werden (vgl. BVerfGE 126, 286 [306]).
78
Sollte der Gesetzgeber zu der Auffassung gelangen, die Rechtsmacht der Schiedsstellen (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17 u. 18 f.; BT-Drs. 12/5510, S. 12) müsse durch weitere Vorgaben eingeschränkt werden, so ist ihm dies unbenommen. Es ist jedoch nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte, entsprechende Einschränkungen entgegen der den Schiedsstellen bislang kraft Gesetzes ausdrücklich eingeräumten Autonomie (§ 78g SGB VIII) zur Geltung zu bringen und damit letztlich ausschließlich eigenen Vorstellungen, nicht aber solchen des Gesetzgebers zum Durchbruch zu verhelfen.
79
Ohne ausdrücklichen Rechtsanwendungsbefehl des Gesetzgebers im SGB VIII selbst kommt eine verpflichtende Übertragung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum SGB XI und XII nicht in Betracht. Die einschlägigen gesetzlichen Regelungen im SGB XI und XII einerseits und im SGB VIII andererseits sind vollkommen unterschiedlich. Insbesondere fehlt im SGB VIII eine Regelung wie in § 84 Abs. 2 Satz 7 SGB XI, die einen „externen Vergleich“ überhaupt erst ermöglicht oder – wie in § 75 Abs. 2 Satz 10 SGB XII – zwingend vorsieht. Die gesetzlichen Regelungen, an die das Bundessozialgericht anknüpft, fehlen im SGB VIII. Eine verpflichtende Übertragung von dessen Rechtsprechung kommt deshalb ohne ein entsprechendes Tätigwerden des Gesetzgebers (auch) im SGB VIII nicht in Frage (so zutreffend Münder, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 78b Rn. 18) Infolgedessen verbleibt es – jedenfalls bis zu einem gegenteiligen Handeln seitens des Gesetzgebers – bei der derzeitigen Autonomie und Einschätzungsprärogative der Schiedsstellen. Für eine Rechtsanalogie fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke.
80
Eine absolute Grenze der Beurteilungskompetenz erwächst der Schiedsstelle allerdings aus dem prospektiven Entgeltrecht selbst. Den Einrichtungen muss ein „auskömmlicher, leistungsgerechter Preis“ gewährleistet sein (vgl. BVerwG, U.v. 1.12.1997 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 23). Keine Einrichtung darf gezwungen werden, die von ihr erwarteten Leistungen unterhalb ihrer Gestehungskosten anzubieten und zu erbringen (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17; BT-Drs. 12/5510, S. 10). Diese absolute Grenze kann auch durch einen wie auch immer gearteten „externen Vergleich“ in Gestalt einer Kostendeckelung nicht überwunden werden.
81
Dabei ist die inhaltliche Überprüfung des Schiedsbeschlusses durch die Verwaltungsgerichte zwar auf diejenigen Gegenstände – vorliegend die Festsetzung der Vergütungsbestandteile unter den Ziffern 3.7, 3.8, 3.9 und 3.10 des Beschlusses vom 6. Mai 20022 – bezogen, über die keine Einigung zwischen den Vertragsparteien erzielt werden konnte (vgl. Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 78g Rn. 16), allerdings ohne dass die Aufhebung des Schiedsbeschlusses – etwa infolge mangelnder Teilbarkeit – analog § 40 Abs. 4 SGB X von vornherein auf diese Bestandteile beschränkt wäre. Eine fehlerhafte Entscheidung der Schiedsstelle ist regelmäßig an diese zurückzuverweisen (vgl. Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78g Rn. 22) bzw. wird im Falle ihrer Aufhebung aufgrund der regelmäßig fortbestehenden Antragstellung der Einleitungskörperschaft erneut dort anhängig.
82
Unabdingbare Voraussetzung einer Vertretbarkeitskontrolle durch die Verwaltungsgerichte ist jedoch stets, dass die Entscheidung der Schiedsstelle schriftlich begründet ist (§ 35 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Sie muss die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe, die die Schiedsstelle zu ihrer Entscheidung bewogen haben, konkret benennen (§ 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Dargestellt werden muss vor allem, welche (verschiedenen) Erwägungen die Schiedsstelle angestellt hat, was die tragenden Gründe für die getroffene Entscheidung sind, von welchen Argumenten die Schiedsstelle sich hat leiten lassen und welche rechtliche Beurteilung sie im Einzelfall vorgenommen hat (vgl. Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78g Rn. 16; Telscher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, § 78g Rn. 35).
83
Genügt die Schiedsstellenentscheidung diesen Anforderungen nicht, ist sie insbesondere ungeeignet, den Schiedsbeschluss in allen seinen wesentlichen Punkten nachzuvollziehen, so unterliegt sie der Aufhebung (vgl. OVG LSA, U.v. 22.09.2020 – 4 L 260/19 – juris, Rn. 42 ff.). Eine Nachholung der Begründung erst im gerichtlichen Verfahren ist nicht möglich (vgl. OVG LSA, U.v. 22.09.2020 – 4 L 260/19 – juris, Rn. 41 m.w.N.). Das Schiedsstellenverfahren kann nicht im Gerichtsverfahren wiederholt oder auch nur fortgesetzt werden. Infolgedessen verbietet sich zugleich auch eine Beiladung der Schiedsstelle (vgl. Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78g Rn. 20). Diese besitzt im gerichtlichen Verfahren der Streitparteien keine eigenen materiellen Rechte (vgl. BVerwG, B.v. 28.02.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 21).
84
b) Gemessen an diesem Maßstab ist die Schiedsstelle auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens (vgl. hierzu Münder, in: Münder/Meysen/ Trenczek, SGB VIII, 7. Aufl. 2013, § 78g Rn. 13; Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78g Rn. 13: im Sinne der Möglichkeit einer Einholung, aber keiner Rechtspflicht zur Einholung) zutreffend davon ausgegangen, dass die Festsetzung eines „Unternehmens- und Einzelwagnisses“ (Ziffer 3.7 und 3.8), von „Kosten der Rechtsberatung“ (Ziffer 3.9) und des „Fremdkapitaleinsatzes“ (3.10) dem Grunde nach unbedenklich sind. Die hiergegen im Berufungsverfahren seitens der Klägerin erhobenen Einwände greifen nicht durch.
85
Dies folgt – auch ohne Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – aus dem Umstand, dass die festzusetzenden Entgelte leistungsgerecht sein müssen (§ 78c Abs. 2 Satz 1 SGB VIII), und um eine bedarfsgerechte Hilfe zu gewährleisten, bei sparsamer und wirtschaftlicher Betriebsführung (§ 78b Abs. 2 SGB VIII) ein „auskömmlicher, leistungsgerechter Preis gewährleistet sein muss“ (vgl. BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 23).
86
Da es in einem solchen Entgeltsystem aber zugleich generell ausgeschlossen ist, einen nachträglichen Ausgleich vorzunehmen (vgl. BVerwG, U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 23), bedarf es eines kalkulatorischen „Puffers“ in Gestalt des „Unternehmenswagnisses“ (Unternehmensgewinns), um für den Fall des Auftretens unvorhergesehener Ereignisse und Risiken ein leistungsgerechtes Entgelt zu gewährleisten (vgl. Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 78b Rn. 23; Telscher, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, Stand: 01.08.2022, § 78c Rn. 39 u. 42). Dem Risiko einer Unterdeckung muss bei einer leistungsfähigen, wirtschaftlich arbeitenden Einrichtung die Chance einer Überdeckung (kalkulatorischen Gewinn) gegenüberstehen, die der Einrichtung verbleibt; keine Einrichtung darf gezwungen werden, die von ihr erwarteten Leistungen unterhalb ihrer „Gestehungskosten“ anzubieten und zu erbringen (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17; BT-Drs. 12/5510, S.10). Infolgedessen kann auch der „Grundsatz der Sparsamkeit“ (§ 78b Abs. 2 Satz 1 SGB VIII) eine Sperrwirkung gegenüber gewinnorientierten Entgelten nicht entfalten (vgl. BVerwG, U.v. 01.12.1998 – 5 C 29/97 –, BVerwGE 108, 56 – juris, Rn. 13).
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Dem vermag die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenzuhalten, im Rahmenvertrag – Bayern sei für die Abdeckung des Belegungsrisikos bereits ein „Aufschlag“ von 5,8 bzw. 8,3% vorgesehen. Das spezifische, durch den Rahmenvertrag berücksichtigte „Belegungsrisiko“, hat mit dem allgemeinen Unternehmerrisiko, wie es dem Schiedsspruch vom 6. Mai 2022 zugrunde liegt, nichts gemein. Eine „Verrechnung“ oder gar „Kompensation“ ist deshalb nicht möglich. Die „Überlegungen“ der Klägerin greifen insoweit bereits dem Grunde nach ins Leere.
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Nichts Anderes gilt hinsichtlich der „Kosten für Rechtsberatung“ (Ziffer 3.9) und der „Kosten des Kapitaleinsatzes“ (Ziffer 3.10). Die Anerkennung dieser Entgelte bewegt sich – wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat – dem Grunde nach ebenfalls innerhalb der Einschätzungsprärogative der Schiedsstelle. Hinsichtlich der Kosten der Rechtsberatung verkennt die Klägerin den Gesichtspunkt der „Waffengleichheit“ grundlegend. Die Klägerin kann nicht einerseits ein „Heer von Juristinnen und Juristen“ vorhalten, die einzelnen Träger der freien Jugendhilfe hingegen auf die Inanspruchnahme ihres lediglich persönlichen Sachverstandes verweisen wollen. Für ein solches Gebaren ist in einem Rechtsstaat kein Raum. Dass der Antrag bezüglich der Kosten der Rechtsberatung erst während des Schiedsstellenverfahrens, nicht aber bereits vor deren Anrufung gestellt wurde, ist unerheblich, da die Schiedsstelle zur inhaltlichen Gestaltung der Vertragsbeziehungen der Beteiligten berechtigt ist und im Rahmen dieser „Vertragshilfe“ zugleich auch nachträglich gestellte Anträge noch berücksichtigen kann (vgl. hierzu Schön, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, 6. Aufl. 2022, § 78g Rn. 2 und 16). Regelungen des Rahmenvertrages-Bayern stehen dem nicht entgegen. Dieser findet auf den Beklagten keine Anwendung (vgl. Parallelverfahren M 18 K 22.3190).
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Ebenso wenig kommt der Klägerin die Befugnis zu, die Berücksichtigung des Fremdkapitaleinsatzes bereits dem Grunde nach für rechtswidrig erachten zu dürfen. Die Klägerin verkennt ganz offensichtlich, dass sie sich in einem Zwangsschlichtungsverfahren befindet, in welchem sie aufgrund des Fehlens gegen-teiliger Anordnungen des Gesetzgebers der Autonomie und Entscheidungsprärogative der Schiedsstelle unterworfen ist. Deren Einschätzung und Beurteilung hat sie sich zu beugen. Fallen tatsächlich Kosten für den Fremdkapitaleinsatz an, so sind diese zu berücksichtigen; denn im prospektiven Entgeltsystem darf keine Einrichtung gezwungen werden, die von ihr erwarteten Leistungen unterhalb ihrer „Gestehungskosten“ anzubieten und zu erbringen (vgl. BT-Drs. 13/10330, S. 17; BT-Drs. 12/5510, S. 10).
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c) Zutreffend für rechtwidrig erachtet hat das Verwaltungsgericht den Schiedsbeschluss vom 6. Mai 2022 allerdings deshalb, weil sich die für die Höhe der Festsetzungen im Einzelnen gegebene Begründung auch unter Berücksichtigung der der Schiedsstelle eingeräumten Einschätzungsprärogative nicht als nachvollziehbar erweist. Die Anschlussberufung des Beklagten kann insoweit zu keiner anderen Beurteilung führen.
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Dies gilt insbesondere für die Festsetzung des „allgemeinen Unternehmerwagnisses“ mit 3% der Gesamtkosten (Ziffer 3.7) und die Anerkennung eines (weiteren) „unternehmerspezifischen Einzelwagnisses“ in Höhe von 7.577 Euro (Ziffer 3.8). In diesem Zusammenhang kann, wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, ohne nähere Darlegung und Abgrenzung die vorgenommene Unterscheidung in Unternehmergewinne, allgemeines Unternehmerrisiko und spezielle Einzelrisiken nicht nachvollzogen werden. Insoweit bedarf es der Verwendung einer stringenten, redundanzfreien Begrifflichkeit und der konkreten Darlegung der im Einzelnen für die Bestimmung der Höhe der entsprechenden Entgelte angewandten sachlichen Kriterien. Die Schiedsstelle muss in der Sache nachvollziehbar aufzeigen, anhand welcher konkreten Maßstäbe sie zur Annahme eines Unternehmerwagnisses in Höhe von 3% der Gesamtkosten (und nicht beispielsweise lediglich 1,5% oder stattdessen 4%) gelangt ist, obwohl der Beklagte lediglich 2% in Ansatz gebracht hatte, und warum sie ein zusätzliches unternehmensspezifisches Einzelwagnis in Höhe von 7.577 Euro anerkannt hat. Insoweit fehlt es nicht nur an einer stringenten und widerspruchsfreien Abgrenzung zwischen allgemeinen und spezifischen (Einzel-) Risiken, sondern auch an einer in der Sache nachvollziehbaren Darlegung des konkreten Zustandekommens der jeweils festgesetzten Beträge und Prozentzahlen.
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Als ebenso wenig nachvollziehbar erweist sich die Festsetzung der „Kosten der Rechtsberatung“ mit 1.800 Euro und die Anerkennung der „Kosten des Fremdkapitaleinsatzes“ in Höhe von 3.842,89 Euro. Es mag zutreffen, dass es für deren Höhe gute Gründe gibt. Diese sind jedoch im Schiedsbeschluss unter Abwägung mit anderen, möglicherweise entgegenstehenden Gesichtspunkten zu benennen, damit den vom Schlichtungsspruch betroffenen Verfahrensbeteiligten und nicht zuletzt auch den Verwaltungsgerichten die Möglichkeit einer Prüfung eröffnet ist. Die Adressaten des Schlichtungsverfahrens müssen erkennen können, welche Erwägungen die Schiedsstelle angestellt hat, was die tragenden Gründe für die getroffene Entscheidung sind, von welchen Argumenten die Schiedsstelle sich hat leiten lassen und auf welchen rechtlichen Annahmen der Schlichterspruch gründet (vgl. Schindler, in: Münder/Meysen/Trenczek, SGB VIII, 9. Aufl. 2022, § 78g Rn. 16).
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Diesen Anforderungen genügt der Schiedsbeschluss vom 6. Mai 2022 nicht, wie das Verwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat. Hierauf wird zur Vermeidung weiterer unnötiger Wiederholungen Bezug genommen (§ 130b Satz 2 VwGO). Ein Schiedsbeschluss, der den Begründungsanforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 SGB X nicht genügt, unterliegt der Aufhebung (OVG LSA, U.v. 22.09.2020 – 4 L 260/19 – juris, Rn. 42 ff.). Eine Nachholung der Begründung erst im gerichtlichen Verfahren ist nicht möglich (OVG LSA, a.a.O., Rn. 41 m.w.N.). Aufgrund der Interdependenz der einzelnen Entgeltfestsetzungen erfasst die Aufhebung – wie bereits erwähnt – den Schiedsspruch vom 6. Mai 2022 insgesamt.
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d) Dessen Aufhebung hat zur Folge, dass das Schlichtungsverfahren erneut vor der Schiedsstelle anhängig wird. Letzteres gibt dieser Gelegenheit, die vom Verwaltungsgericht zu Recht festgestellten Begründungsmängel zu beseitigen und zugleich auch die vom Beklagten mit der Anschlussberufung für die Höhe der zu treffenden Festsetzungen vorgebrachten Argumente zu berücksichtigen. Anders als das Verwaltungsgericht meint, ist die Schiedsstelle insoweit jedoch nicht verpflichtet, einen „externen Vergleich“ zur Festlegung der Höhe der einzelnen Entgeltfestsetzungen durchzuführen. Wie bereits dargelegt, bestimmt die Schiedsstelle – solange konkrete Vorgaben seitens des Gesetzgebers im SGB VIII fehlen – ihr Prüf- und Entscheidungsprogramm zu § 78b Abs. 2 und § 78c Abs. 2 SGB VIII im Rahmen der in § 78g Abs. 2 SGB VIII eingeräumten Autonomie in den durch das Entgeltfestsetzungsrechts des SGB VIII, das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) gezogenen Grenzen selbst. Die Schiedsstelle kann die Angemessenheit der Entgeltfestsetzung deshalb entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch sehr wohl ausschließlich auf der Grundlage eines lediglich „internen Vergleichs“ beurteilen (so auch bereits BVerwG, U.v. 01.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 25: „externer Vergleich“ oder „interner Vergleich“; die Entscheidung des BVerwG vom 08.02.2008 – 5 B 6/08 – juris, Rn. 2, in der im Schwerpunkt maßgeblich auf einen „externen Vergleich“ abgestellt wird, betrifft nur das ehemalige BSHG, nicht aber das SGB VIII). Voraussetzung ist insoweit allein eine nachvollziehbare Begründung im Rahmen der Einschätzungsprärogative.
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Gerade darin zeigt sich der besondere Charakter des Schiedsstellenverfahrens als Instrument der „zwangsweisen“ Streitschlichtung. Die Definition und Ausfüllung der Begriffe der „Wirtschaftlichkeit“, „Sparsamkeit“ und „Leistungsgerechtigkeit“ obliegt nach dem Willen des Gesetzgebers allein der Schiedsstelle; die Verwaltungsgerichte sind auf eine bloße Vertretbarkeitskontrolle auf der Grundlage eines von der Schiedsstelle zu ermittelnden vollständigen Sachverhalts beschränkt (vgl. BVerwG, U.v.1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 24; B.v. 28.02.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 9).
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Berufung und Anschlussberufung sind deshalb zurückzuweisen.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 188 Satz 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO .
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5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind nach Auffassung des Senats in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 1.12.1998 – 5 C 17/97 –, BVerwGE 108, 47 – juris, Rn. 21 ff.; B.v. 28.02.2002 – 5 C 25/01 –, BVerwGE 116, 78 – juris, Rn. 9) und den Gesetzesmaterialien zum prospektiven Entgeltsystem (vgl. BTBT-Drs. 13/10330, S. 17; BT-Drs. 12/5510, S. 10) bereits geklärt.