Inhalt

FG Nürnberg, Beschluss v. 01.03.2024 – 5 V 1163/23
Titel:

Einkommenssteuer bei Betrieb einer PV-Anlage unter Investitionsabzug

Normenketten:
EStG § 7g Abs. 1, § 15 Abs. 2
AO § 165 Abs. 1 S. 1 u. S. 2
FHP § 69 Abs. 3 S. 1
FGO § 69 Abs. 3
EEG § 49
Leitsätze:
1. Eine PV-Anlage hat bei summarischer Prüfung eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 20 Jahren. (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)
2. Als persönlicher Grund, der gegen das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht spricht, kommt daher im Streitfall bei summarischer Prüfung auch das Streben nach einer Minderung der Einkommensteuerschuld der Antragsteller in Betracht. In diesem Fall wird das Streben nach Totalgewinn von persönlichen Gründen, nämlich nach der Erzielung von Einkommensteuerersparnissen, verdrängt (vgl. BFH-Urteil vom 21.08.1990 VIII R 25/86, BFHE 163, 524, EN199022009630). (Rn. 101) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Vorschrift des § 165 Abs. 2 Satz 1 AO sieht eine Änderungsmöglichkeit insoweit vor, als eine Steuer – wie im Streitfall – vorläufig festgesetzt ist. Weitere Änderungsvoraussetzungen sind im Gesetz nicht enthalten (vgl. BFH-Urteil vom 16.06.2015 IX R 27/14, BStBl II 2016, 144, BFHE 250, 486, EN2015095971) (Rn. 115) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagwort:
Einkommensteuer
Fundstellen:
StEd 2024, 243
EFG 2024, 955
BeckRS 2024, 6173
LSK 2024, 6173

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Antragsteller zu tragen.

Gründe

I.
1
Streitig ist in der Hauptsache die Rechtmäßigkeit der Rückgängigmachung des im Jahr 2021 für den Betrieb einer Photovoltaikanlage (PV-Anlage) gebildeten Investitionsabzugsbetrags (IAB).
2
Die Antragsteller erzielten im Streitjahr 2021 Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen. Der Antragsteller erzielte zudem Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit.
3
Die Antragsteller werden bei dem Antragsgegner zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
4
Mit Schreiben vom 06.01.2022 reichten die Antragsteller den ausgefüllten Fragenbogen zur Errichtung und zum Betrieb einer PV-Anlage beim Finanzamt ein. Darin erklärten sie, die geplante PV-Anlage auf der Dachfläche des Hauses A-Straße, Ort 1 – dem privaten Wohnhaus der Antragsteller –, solle voraussichtlich im Frühjahr 2022 in Betrieb genommen werden. Die PV-Anlage sei noch nicht errichtet, aber bereits beauftragt. Es gebe noch keine entsprechende Rechnung, es werde jedoch der am 19.12.2021 unterschriebene Auftrag an die A, B-Straße, Ort 2 (im Folgenden: A), vorgelegt. Diese habe auch eine Wirtschaftlichkeitsprognose vom 11.12.2021 erstellt, auf die wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen wird.
5
Eigentümer und Betreiber der Anlage sei die C GbR (im Folgenden: GbR) in der A-Straße, Ort 1. An der GbR sind zu J % der Antragsteller und zu I % die Antragstellerin beteiligt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag der GbR Bezug genommen.
6
Die Nennleistung der Anlage betrage 14,8 kWp, der prognostizierte jährliche Stromertrag belaufe sich auf 10.900 kWh. Der erzeugte Strom werde zu 55% der Gesamterzeugung an das örtliche Energieversorgungsunternehmen abgegeben, zu 45% der Gesamterzeugung werde der Strom für nichtunternehmerische Zwecke verwendet. Die PV-Anlage werde zu 100% dem Unternehmensvermögen zugeordnet. Es sei ein Stromspeicher/eine Batterie vorhanden, welche gleichzeitig mit der PV-Anlage angeschafft worden sei. Der Stromspeicher/die Batterie sei vor dem Wechselrichter eingebaut.
7
Laut Schlussrechnung der A vom 30.09.2022 beliefen sich die Anschaffungskosten für die PV-Anlage insgesamt auf 31.754,10 € brutto.
8
Ausweislich der Rechnung der A vom 20.12.2021 (1. Akontoforderung) wurde die Lieferung und Installation einer Wallbox in der A-Straße, Ort 1, in Auftrag gegeben.
9
Ihre Einkommensteuererklärung sowie die Einnahmenüberschussrechnung (EÜR) für den Betrieb der PV-Anlage durch die GbR für das Jahr 2021 reichten die Antragsteller am 16.10.2022 beim Finanzamt ein. Die Betriebseinnahmen sowie die Betriebsausgaben im Rahmen der EÜR erklärten die Antragsteller jeweils mit 0 €. Es sei ein Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) in Höhe von X € zu berücksichtigen. Daraus ergebe sich ein Verlust aus dem Gewerbebetrieb der GbR in Höhe von X €. Hiervon entfielen nach der Gewinnverteilungsabrede im Gesellschaftsvertrag der GbR -X € auf den Antragsteller und -X € auf die Antragstellerin.
10
Mit Einkommensteuerbescheid 2021 vom 02.12.2022 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer teilweise vorläufig gemäß § 165 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Abgabenordnung (AO) auf X € fest. Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb berücksichtigte es dabei erklärungsgemäß. In den Erläuterungen des Bescheids führte das Finanzamt u.a. aus, die Festsetzung der Einkommensteuer sei vorläufig hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb, weil die Gewinnerzielungsabsicht zurzeit nicht abschließend beurteilt werden könne. Die Vorläufigkeit umfasse auch die damit zusammenhängenden nachrangigen Fragen der Höhe der Betriebseinnahmen und der abziehbaren Betriebsausgaben. Die Antragsteller wurden aufgefordert, im Rahmen der Steuererklärung des Jahres 2022 nachzuweisen, dass aus dem Betrieb der PV-Anlage ein Totalgewinn erzielt werde. Sollte dies nicht der Fall sein, handele es sich steuerlich um Liebhaberei. Verluste könnten dann nicht anerkannt werden.
11
Am 29.12.2022 erließ das Finanzamt aus im vorliegenden Verfahren nicht streitgegenständlichen Gründen einen nach § 165 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid 2021. Die festgesetzte Einkommensteuer wurde auf X € erhöht. Hinsichtlich der angesetzten Höhe der Einkünfte aus Gewerbebetrieb ergaben sich keine Änderungen. Ebenso blieben die Erläuterungen zur Vorläufigkeit der Festsetzung der Einkommensteuer im Hinblick auf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb unverändert.
12
Mit nach § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG und nach § 165 Abs. 2 AO geändertem Bescheid für 2021 über Einkommensteuer vom 19.09.2023 setzte der Antragsgegner die Einkommensteuer auf X € fest. Die Festsetzung erfolgte weiterhin teilweise vorläufig nach § 165 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO. Einkünfte aus Gewerbebetrieb wurden bei den Antragstellern mit X € zugrunde gelegt. In den Erläuterungen zur Festsetzung führt das Finanzamt aus, Investitionsabzugsbeträge, die in vor dem 01.01.2022 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen und bis einschließlich zum 31.12.2021 noch nicht gewinnwirksam hinzugerechnet wurden, seien nach § 7g Abs. 3 EStG rückgängig zu machen, wenn in nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigte PV-Anlagen investiert wurde (BMF-Schreiben vom 17.07.2023, IV C 6-S 2121/23/10001:001, 2023/0659709, BStBl I 2023, 1494, Rz. 19). Der in 2021 in Anspruch genommene Investitionsabzugsbetrag sei in voller Höhe rückgängig zu machen. Ausführungen zur Vorläufigkeit der Steuerfestsetzung im Hinblick auf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb enthielt dieser Bescheid nicht mehr.
13
Die Antragsteller legten hiergegen am 20.09.2023 Einspruch ein und beantragten beim Finanzamt die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Bescheids.
14
Zur Begründung des Einspruchs trugen die Antragsteller vor, die Rechtsauffassung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) sei für die Fälle, in denen – wie im Streitfall – keine Liebhaberei vorliege, irrig und könne keinen Bestand haben. Eine Änderung des Jahressteuergesetzes 2022 könne im Übrigen auch keine Auswirkung betreffend das Jahr 2021 haben.
15
Das Finanzamt lehnte die beantragte Aussetzung der Vollziehung mit Schreiben vom 25.09.2023 ab.
16
In der am 29.09.2023 bzw. 08.10.2023 eingereichten EÜR und Einkommensteuererklärung für das Jahr 2022 erklärten die Antragsteller für die GbR einen steuerlichen Gewinn/Verlust in Höhe von 0 €. Betriebseinnahmen wurden in Höhe von 0 € unter der Bezeichnung „Ertrag PV-Anlage 2022 ertragssteuerfrei“ erklärt. Als Betriebsausgaben machten die Antragsteller X € als „Absetzung der AK (§ 7g Abs. 2 Satz 3 EStG)“ geltend. Den IAB aus dem Jahr 2021 rechneten die Antragsteller in Höhe von X € hinzu.
17
Die Antragsteller haben am 12.10.2023 beim Finanzgericht die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 2021 beantragt.
18
Es bestünden ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung (FGO), ob die Einkommensteuerfestsetzung 2021 geändert und der IAB rückgängig gemacht werden könne, obwohl die Antragsteller die geplante Investition im Kalenderjahr 2022 und damit innerhalb des Investitionszeitraums von drei Jahren getätigt hätten. Der Verfahrensbevollmächtigte verweist auf die Rechnung über die Anschaffung der PV-Anlage vom 30.09.2022.
19
Die Antragsteller erzielten mit einer mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenen PV-Anlage Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Im Veranlagungszeitraum 2021 sei im Hinblick auf die geplante Anschaffung der PV-Anlage ein Investitionsabzugsbetrag in Höhe von X € abgezogen worden. Die PV-Anlage sei am 22.06.2022 angeschafft bzw. in Betrieb genommen worden (Beginn der Einspeisung).
20
Der Investitionsabzugsbetrag sei im Veranlagungszeitraum 2021 wegen der geplanten Anschaffung einer mit Gewinnerzielungsabsicht betriebenen PV-Anlage abzuziehen.
21
Die geänderte Steuerfestsetzung für 2021 berücksichtige den gemeinsamen Beschluss des Bundesfinanzministeriums mit den obersten Finanzbehörden der Länder (BMF-Schreiben vom 17.07.2023), wonach die Investitionsabzugsbeträge rückgängig zu machen seien, wenn in eine nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigte PV-Anlage investiert worden sei. Eine Begründung für diese Rechtsauffassung enthalte das BMF-Schreiben nicht. Die Rückgängigmachung werde im Streitfall in den Erläuterungen zur Festsetzung nicht begründet bzw. es erfolgte lediglich ein Verweis auf das BMF-Schreiben vom 17.07.2023.
22
Es sei unstreitig, dass gewerbliche Einkünfte und die Bildung eines IAB das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht voraussetzten.
23
Das Finanzgericht Thüringen habe im Verfahren 3 K 56/18 vom 11.09.2019 entschieden, dass bei dem Betrieb einer PV-Anlage der Beweis des ersten Anscheins dafür spreche, dass diese in der Absicht der Gewinnerzielung betrieben werde (so auch FG Baden-Württemberg vom 09.02.2017 1 K 841/15).
24
Die Antragsteller betrieben die PV-Anlage nicht aus ideologischen Gründen zum Klimaschutz (so im Fall des BFH-Beschlusses X B 46/22 vom 16.11.2022), sondern hätten sich für die Anlageninvestition aus wirtschaftlichen Gründen entschieden. Der gewinnbringende Verkauf des erzeugten Stroms sei Grundlage und Anstoß der Investitionsentscheidung gewesen. Eine Liebhaberei komme bei einer negativen Ergebnisprognose erst dann in Betracht, wenn sich der Steuerpflichtige nicht wie ein Gewerbetreibender verhalte, z.B. die verlustbringende Tätigkeit aus dem Bereich der allgemeinen Lebensführung und in seinen persönlichen Neigungen liegenden Gründen (weiter) ausübe. Nachdem mit der Anlage jedoch fortlaufende Gewinne erzielt würden, stellten sich diese Fragen für den Betreiber bisher nicht.
25
Der Verfahrensbevollmächtigte reichte im gerichtlichen Verfahren zwei alternative Totalgewinnberechnungen bei Gericht ein. Die Variante 1 berücksichtige den tatsächlichen Verkauf des Stroms im Quartier und durch Einspeisung. Die Variante 2 berücksichtige alternativ eine nach Ansicht des Verfahrensbevollmächtigten unzutreffende Bewertung der Stromentnahmen mit den Herstellungskosten. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Berechnungen Bezug genommen.
26
Im Streitfall werde der Strom von der GbR erzeugt und an den Antragsteller geliefert und berechnet. Die Stromlieferung aus dem Betriebsvermögen durch die GbR an den Gesellschafter sei als normaler gewinnrealisierender Geschäftsvorfall zu behandeln (unter Verweis auf BFH-Urteil vom 19.09.2012 IV R 11/12, und Urteil des FG Niedersachsen vom 15.12.2022 1 K 88/19). Mit Rechnung vom 29.05.2023 habe die GbR die Stromlieferungen des Jahres 2022 abgerechnet; die Zahlung der Rechnung sei am 30.05.2023 erfolgt.
27
Für den Fall, dass die Stromlieferungen zwischen der GbR und der Ehegattengemeinschaft vom Finanzamt nicht anerkannt werden sollte, sei zu berücksichtigen, dass eine sog. „verdeckte Entnahme“ vorliegen würde. Nach dem BFH-Urteil vom 06.08.1985 VIII R 280/81 seien die Entnahmen mit dem Marktwert zu bewerten.
28
Auch ohne Stromverkauf durch die GbR sei ein steuerlicher Totalgewinn zu erwarten. Die Bewertung der Stromentnahme habe nach dem Teilwert zu erfolgen. Es sei der „Marktpreis“ zu berücksichtigen (unter Verweis auf das BFH-Urteil VIII R 280/81; Kulosa in: Schmidt, Tz. 51 zu § 6 EStG). Das Landesamt für Steuern N. bestätige in der Verfügung vom 17.10.2023. Tz. 9.2 die Auffassung, dass der Teilwert aus dem Marktpreis bestimmt werde und aus den Energiepreisen des regionalen Versorgers abgeleitet werden könne. Auch werde von der Finanzverwaltung die Meinung vertreten, dass die Stromentnahme aus Vereinfachungsgründen mit 20 Cent/kWh angesetzt werden könne (BMF-Schreiben vom 11.04.2022). Wenn die Entnahme aus dem Marktpreis abzuleiten sei, oder – nach Verwaltungsmeinung – mit 20 Cent/kWh angesetzt werden könne, dann könne die Frage nach dem Totalgewinn nicht im Streit stehen.
29
In der Variante 2 sei der Stromselbstverbrauch mit den Herstellungskosten bewertet. Die Prognoseberechnung erfolge über 20 Jahre und berücksichtige ergänzend die Wertveränderungen der Anlage bzw. auch Gewinne aus der weiteren technischen Lebensdauer der Anlage, die nicht unberücksichtigt bleiben dürften. Die Totalgewinnprognose ende mit einem Gewinn in Höhe von 206 € bzw. 2.606 €.
30
Bei der Totalgewinnprognose müssten auch Wertveränderungen der PV-Anlage berücksichtigt werden, da die Anlage bei der Verneinung einer Liebhaberei steuerlich verstrickt sei (Betriebsvermögen). Es sei zu berücksichtigen, dass die Anlage nach Ablauf des Prognosezeitraums von 20 Jahren noch weitere 10 Jahre funktionstüchtig sein werde. Ausgehend von der zu erwartenden Anlagenleistung sei anzunehmen, dass diese noch weitere 100.000 kWh Strom erzeuge. Ein potenzieller Erwerber könne mit der Anlage bei angenommenen 24 Cent pro kWh einen Umsatz von 20.400 € erzielen. Bei einem 60% Abschlag für Gewinn und Risiko betrage der erwartete Wert 8.160 €.
31
Alternativ könne berücksichtigt werden, dass die Anlage nicht entnommen oder verkauft, sondern weiterhin selbst betrieben werde. Die zukünftigen Einnahmen nach dem 20-jährigen Prognosezeitraum dürften nicht unberücksichtigt bleiben und seien, ausgehend von einem Strompreis von 24 Cent pro kWh, mit 5.760 € geschätzt worden. Preissteigerungen bzw. Wertveränderungen seien hierbei nicht berücksichtigt.
32
Die Variante 2 diene nur einer alternativen Betrachtung unter Berücksichtigung von Stromentnahmen zu den Herstellungskosten. Die Bewertung sei jedoch im Allgemeinen nicht anzuwenden und hier im speziellen Fall des Betriebes der PV-Anlage durch eine Anlagen GbR inhaltlich unzutreffend.
33
Die Aufhebung der Vollziehung werde im Hinblick auf bereits eingetretene Säumnisfolgen beantragt (vgl. BFH-Beschluss vom 03.02.2005 I B 208/04, BStBl II 2005, 351).
34
Die Antragsteller beantragen,
die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2021 vom 19.09.2023, konkret die Nachzahlung zur Einkommensteuer in Höhe von X € und des Solidaritätszuschlages in Höhe von X €, bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung oder anderweitiger Erledigung des Einspruchsverfahrens auszusetzen und im Hinblick auf verwirkte Säumniszuschläge ab Fälligkeit aufzuheben.
35
Das Finanzamt beantragt,
den Antrag abzulehnen.
36
Es seien keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids zu erkennen, die eine Aussetzung der Vollziehung rechtfertigen könnten.
37
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid sei hinsichtlich der Einkünfte aus der PV-Anlage vorläufig ergangen. Eine Änderung des Bescheids sei nach § 7g Abs. 3 EStG – unabhängig von einer bestehenden Vorläufigkeit – möglich gewesen.
38
Mit dem Jahressteuergesetz sei eine Steuerbefreiung für bestimmte PV-Anlagen eingeführt worden, § 3 Nr. 72 EStG. Unter die Steuerbefreiung fielen lediglich PV-Anlagen, die mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben würden. Liege hingegen ein Liebhabereibetrieb vor, so sei dieser ertragsteuerlich nicht von Relevanz. Ab dem Veranlagungszeitraum 2022 könnten keine Verluste aus dem Betrieb einer PV-Anlage geltend gemacht werden. Bei Liebhabereifällen unterbleibe von vorneherein eine Berücksichtigung aufgrund der fehlenden einkommensteuerlichen Relevanz.
39
Das Finanzamt legte eine Gewinnprognose für die PV-Anlage der GbR vor. Hiernach ergebe sich ein Verlust aus dem Betrieb der PV-Anlage in Höhe von X €, so dass die Gewinnerzielungsabsicht zu verneinen sei.
40
Das Finanzamt sei davon ausgegangen, dass die Batterie ein unselbständiges Wirtschaftsgut der PV-Anlage sei und die Vorsteuer aufgrund der Regelbesteuerung nicht zu den Anschaffungskosten gehöre. Sonstige tatsächliche Kosten wie z.B. Steuerberatungskosten, Finanzierungskosten usw. seien nicht bekannt und daher nicht angesetzt worden.
41
Als Entsorgungskosten würden die Kosten für den Gerüstaufbau bei der Anschaffung übernommen und zusätzlich um 250 € für den Abbau der Module erhöht. Hierbei handele es sich um eine Schätzung des Finanzamts. Die Entsorgung von PV-Anlagen sei im Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) geregelt. Gemäß diesem Gesetz könnten Altgeräte aus einem privaten Haushalt in haushaltüblichen Mengen unentgeltlich bei öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern entsorgt werden (§ 13 ElektroG). Geräte, die nach dem 24.10.2015 in Verkehr gebracht wurden, könnten ebenfalls kostenlos an den Hersteller zurückgeben werden und würden durch diesen entsorgt (§ 19 ElektroG). Bei den Entsorgungskosten seien daher im Regelfall nur die Demontagekosten anzusetzen, für die Entsorgung der Module fielen im Regelfall keine Aufwendungen an.
42
Bei der Kalkulation sei das Finanzamt von einer Volleinspeisung ausgegangen, da der Ansatz eines Eigenverbrauchs keinen Einfluss darauf habe, ob eine PV-Anlage mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werde. Der Eigenverbrauch sei entweder mit den Wiederherstellungskosten anzusetzen oder alternativ mit der Einspeisevergütung, wenn diese niedriger als die Wiederherstellungskosten sei. Die Wiederherstellungskosten entsprächen den Aufwendungen im jeweiligen Wirtschaftsjahr. Als Eigenverbrauch würden daher die Betriebsausgaben angesetzt, soweit diese auf die private Stromnutzung entfielen. Ein Gewinn könne durch den Ansatz der Wiederherstellungskosten nicht entstehen, da nur die entstandenen Kosten ohne Gewinnaufschlag neutralisiert würden. Es handele sich hierbei um ein Nullsummenspiel.
43
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Finanzgericht vorliegenden Akten des Finanzamts sowie die Finanzgerichtsakte verwiesen.
II.
44
Der Antrag ist unbegründet. An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen bei der gebotenen überschlägigen Prüfung anhand des aktenkundigen Sachverhalts und der präsenten Beweismittel keine ernsthaften Zweifel.
45
Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes auf Antrag auszusetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken. Die Entscheidung hierüber ergeht bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Zur Gewährung der AdV ist es nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe im Sinne einer Erfolgswahrscheinlichkeit überwiegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschlüsse vom 27.01.2016 V B 87/15, BFH/NV 2016, 716; vom 03.09.2018 VIII B 15/18, BFH/NV 2018, 1279; jeweils m.w.N.).
46
1. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Es bestehen bei der gebotenen summarischen Prüfung keine ernstlichen Zweifel daran, dass es an der Gewinnerzielungsabsicht hinsichtlich des Betriebs der PV-Anlage fehlt. Es bestehen weiterhin keine ernstlichen Zweifel dahingehend, dass das Finanzamt berechtigt war, die im ursprünglichen Einkommensteuerbescheid 2021 vom 29.12.2022 gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO vorläufig festgesetzte Steuer im Hinblick auf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 165 Abs. 2 Sätze 1 AO zu korrigieren, indem es bei den genannten Einkünften den zuvor gewinnmindernd berücksichtigten Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG aufgelöst hat.
47
a) Steuerpflichtige können für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens, das mindestens bis zum Ende des dem Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung folgenden Wirtschaftsjahres vermietet oder in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebes ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt wird, bis zu 50% der voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten unter den weiteren Voraussetzungen des § 7g Abs. 1 Sätze 2 bis 4 EStG gewinnmindernd abziehen, § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG (Investitionsabzugsbetrag – IAB).
48
Die Inanspruchnahme von IAB ist ausschließlich Betrieben (Einzelunternehmen, Personengesellschaften, Körperschaften) möglich, die aktiv am wirtschaftlichen Verkehr teilnehmen und eine in diesem Sinne werbende Tätigkeit ausüben (Roland in: Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 458. Lieferung, 1/2024, § 7g EStG Rn. 8). Bei Investitionen im Gesamthandvermögen oder Sonderbetriebsvermögen von Personengesellschaften (hier: der GbR) können IAB gemäß § 7g Abs. 1 i.V.m. Abs. 7 EStG in Anspruch genommen werden, wenn es sich um eine Mitunternehmerschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG handelt (Roland in: Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 458. Lieferung, 1/2024, § 7g Rn. 50).
49
Dies erfordert nach § 15 Abs. 2 EStG eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird. Fehlt eine solche Gewinnerzielungsabsicht, liegt eine steuerlich unbeachtliche private Tätigkeit und damit ein sog. Liebhabereibetrieb vor. Für einen Liebhabereibetrieb kann ein IAB daher nicht in Anspruch genommen werden (vgl. BFH-Urteil vom 01.08.2007 XI R 47/06, BStBl II 2008, 106, zu Ansparabschreibungen gemäß § 7g EStG a.F.).
50
Das Erfordernis des Vorliegens eines Gewerbebetriebs im Streitfall ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
51
aa) Die Gewinnerzielungsabsicht als Merkmal eines gewerblichen Unternehmens im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG ist das Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns im Sinne des Gesamtergebnisses des Betriebs von der Gründung bis zur Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation. Dies erfordert eine in die Zukunft gerichtete und langfristige Beurteilung, wobei alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen sind. Als innere Tatsache lässt sich die Gewinnerzielungsabsicht nur anhand äußerer Umstände feststellen (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.06.1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Diese Feststellung liegt im Wesentlichen auf dem Gebiet der Tatsachenwürdigung und obliegt insoweit dem Finanzgericht. Einzelne Umstände können dabei einen Anscheinsbeweis liefern.
52
bb) Die Gewinnerzielungsabsicht ist zweistufig zu prüfen. Sie besteht aus einer Ergebnisprognose und der Prüfung der einkommensteuerrechtlichen Relevanz der Tätigkeit. Bei einer positiven Ergebnisprognose ist die Gewinnerzielungsabsicht zu bejahen; bei einer negativen Prognose ist weiter zu prüfen, welche Gründe dafür verantwortlich sind (Wacker in: Schmidt, EStG, 42. Auflage 2023, § 15 Rn. 24 ff, m.w.N.).
53
Es ist zunächst in objektiver Hinsicht eine Prognose darüber anzustellen, ob der Betrieb nach seinem Wesen und der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer geeignet ist, einen Gewinn zu erwirtschaften. Ist die Prognose negativ, erlaubt dies jedoch nicht ohne Weiteres den Schluss, dass der Steuerpflichtige auch subjektiv die Erzielung eines Totalgewinns nicht beabsichtigte. Dies ist vielmehr nur dann – widerlegbar – gerechtfertigt, wenn die verlustbringende Tätigkeit typischerweise dazu bestimmt und geeignet ist, der Befriedigung persönlicher Neigungen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkunftssphäre zu dienen (sog. Hobbybereich). Bei anderen Tätigkeiten müssen zusätzliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Verluste aus persönlichen Gründen oder Neigungen hingenommen werden. Im Fall einer längeren Verlustperiode spricht vor allem das fehlende Bemühen, die Verlustursachen zu ermitteln und ihnen mit geeigneten Maßnahmen zu begegnen, für sich genommen schon dafür, dass langjährige Verluste aus im persönlichen Bereich liegenden Neigungen und Motiven hingenommen werden (vgl. hierzu Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.06.1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751; BFH-Beschluss vom 16.11.2022 X B 46/22, BFH/NV 2023, 118; BFH-Urteile vom 26.02.2004 IV R 43/02, BFHE 205, 243, BStBl II 2004, 455; vom 21.07.2004 X R 33/03, BFHE 207, 183, BStBl II 2004, 1063; vom 17.11.2004 X R 62/01, BFHE 208, 522, BStBl II 2005, 336; vom 20.09.2012 IV R 43/10, BFH/NV 2013, 408, m.w.N., sowie vom 23.08.2017 X R 27/16, BFH/NV 2018, 36).
54
In einem solchen Fall sind an die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen trotz der Verluste zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, zwar keine hohen Anforderungen zu stellen; die Feststellung ist aber nicht vollkommen entbehrlich (BFH-Beschluss vom 16.11.2022 X B 46/22, BFH/NV 2023, 118; BFH-Urteil vom 23.08.2017 X R 27/16, BFH/NV 2018, 36, m.w.N.).
55
cc) Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der Gewinnerzielungsabsicht trägt letzten Endes derjenige, der sich zur Ableitung bestimmter Rechtsfolgen auf das Vorhandensein eines Gewerbebetriebs beruft (BFH-Urteile vom 28.04.1977 IV R 98/73, BFHE 122, 462, BStBl II 1977, 728, und vom 24.06.1976 IV R 101/75, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562).
56
b) Dies zugrunde gelegt, ergibt sich bei summarischer Prüfung im vom erkennenden Senat zugrunde gelegten Prognosezeitraum von 20 Jahren ein Totalverlust.
57
aa) Als Prognosezeitraum sind vorliegend aufgrund der Gesamtumstände nach Auffassung des Senats bei summarischer Prüfung 20 Jahre zugrunde zu legen.
58
(1) Dies ergibt sich daraus, dass die PV-Anlage als wesentliche Grundlage des streitgegenständlichen Betriebs bei summarischer Prüfung eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von 20 Jahren hat (vgl. BMF-Schreiben vom 15.12.2000, IV D 2-S. 1551-188/00, BStBl I 2000, 1532, Tz. 3.1.6). Zwar sind die Tabellen zur Bestimmung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von Anlagegütern (sog. AfA-Tabellen) für die Gerichte nicht bindend. Dennoch haben sie die Vermutung der Richtigkeit für sich. Sie berücksichtigen nämlich sowohl die technische als auch die wirtschaftliche Abnutzung eines unter üblichen Bedingungen arbeitenden Betriebs (BFH-Urteil vom 09.12.1999 III R 74/97, BFHE 191, 125, BStBl II 2001, 311). Demzufolge ist davon auszugehen, dass die PV-Anlage unter besonderer Berücksichtigung der betriebstypischen Beanspruchung lediglich eine objektive Nutzbarkeit von 20 Jahren aufweist.
59
(2) Eine darüber hinausgehende Nutzbarkeit – wie vom Verfahrensbevollmächtigten behauptet – ist rein spekulativ und stützt sich nicht auf derzeit gesicherte Erkenntnisse. Es liegen im Streitfall bei summarischer Prüfung keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass die streitgegenständliche PV-Anlage eine betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer von mehr als 20 Jahren hat. Vielmehr ist aus der von der A erstellten Wirtschaftlichkeitsprognose zu ersehen, dass der Ersteller dieser Prognose als technische Fachkraft und Kenner der konkreten Anlage ebenfalls davon ausging, dass die PV-Anlage 20 Jahre betrieben werden kann.
60
(3) Darüber hinaus besteht ein Anspruch auf Einspeisevergütung nach §§ 19 Abs. 1 Nr. 2, 21 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes für den Ausbau Erneuerbarer Energien in der für das Jahr 2022 geltenden Fassung (im Folgenden: EEG) i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 EEG jeweils für die Dauer von 20 Kalenderjahren ab dem Beginn der Inbetriebnahme (hier: 22.06.2022). Welcher Marktpreis für eine spätere Stromeinspeisung erzielt werden kann, lässt sich nicht mit hinreichender Sicherheit abschätzen.
61
(4) In einer Gesamtschau ergibt sich nach Aktenlage, dass der Betrieb der GbR sowohl aufgrund der technischen Machbarkeit als auch der vertraglichen Rahmenbedingungen bei summarischer Prüfung eine gesicherte Basis für eine unternehmerische Tätigkeit nur innerhalb eines 20-Jahreszeitraumes aufweist. Die Voraussetzungen und Möglichkeiten für eine darüber hinausreichende Stromproduktion sind technisch und vertraglich unklar und können folglich bei der vorliegenden Beurteilung keine Berücksichtigung finden.
62
bb) Hinsichtlich der Nutzung des durch die PV-Anlage der GbR erzeugten Stroms durch den Antragsteller liegt eine Entnahme im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG vor, die im Rahmen der Totalgewinnprognose mit den anteiligen Selbstkosten zu bewerten ist.
63
(1) Der Senat vermag bei der gebotenen summarischen Prüfung der Auffassung des Verfahrensbevollmächtigten nicht zu folgen, der im Rahmen der ersten Alternative der von ihm erstellten Totalgewinnprognose einen Verkauf des durch die PV-Anlage der GbR erzeugten und nicht in das Netz eingespeisten Stroms an den Antragsteller mit einem Marktpreis von 0,24 €/kWh (34.164 €/142.350 kWh) bewertet.
64
Bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung sind nach Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die GbR tatsächlich den in ihrem Betrieb erzeugten Strom, soweit dieser nicht in das öffentliche Stromnetz eingespeist wird, an ihren Gesellschafter – den Antragsteller – verkauft hat. Weder findet sich in den Akten ein Vertrag zwischen der GbR und dem Gesellschafter hinsichtlich eines diesbezüglichen Verkaufs noch ergibt sich aus dem Gesellschaftsvertrag der GbR eine entsprechende Verkaufsabsicht. Auch im gerichtlichen AdV-Verfahren wurde kein Vertrag über den Stromverkauf vorgelegt. Der Verfahrensbevollmächtigte trägt lediglich vor, die GbR habe mit Rechnung vom 29.05.2023 die Stromlieferung des Jahres 2022 abgerechnet; die Zahlung der Rechnung sei am 30.05.2023 erfolgt. Zur Anerkennung eines Vertrags zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ist jedoch eine im Vorhinein getroffene, eindeutige Vereinbarung erforderlich, die auch entsprechend durchgeführt wird. Dies kann im vorliegenden Verfahren ausgehend von der Aktenlage nicht abschließend beurteilt werden. Es kann im Streitfall insbesondere nicht geprüft werden, ob ein eventuell zwischen der GbR und dem Antragsteller bestehender Vertrag Fremdvergleichsgrundsätzen entspricht, vor allem ist nicht ersichtlich, zu welchem Preis der Strom an den Antragsteller verkauft worden sein soll.
65
(2) Bei summarischer Prüfung ist daher hinsichtlich der Nutzung des von der PV-Anlage der GbR erzeugten Stroms durch den Gesellschafter vom Vorliegen einer Entnahme auszugehen. Bei der Bewertung dieser Entnahme im Rahmen der Totalgewinnprognose ist der Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG) maßgeblich.
66
Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG sind Entnahmen alle Wirtschaftsgüter (Barentnahmen, Waren, Erzeugnisse, Nutzungen und Leistungen), die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat. Hiernach können Gegenstand einer Entnahme sowohl (bilanzierungsfähige) Wirtschaftsgüter (Sachentnahmen) als auch Nutzungen (Nutzungsentnahmen) und Leistungen (Leistungsentnahmen) sein, die der Steuerpflichtige für betriebsfremde Zwecke entnimmt (z.B. BFH-Urteil vom 12.03.2020 IV R 9/17, BFHE 268, 319, BStBl II 2021, 226).
67
Die Bewertung der Sachentnahme (Entnahme eines Wirtschaftsguts) im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG richtet sich gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 1 EStG nach dem Teilwert des entnommenen Wirtschaftsguts. Hiermit wird bezweckt, die nicht betrieblich veranlasste Minderung des Betriebsvermögens durch die Hinzurechnung des Entnahmewerts rückgängig zu machen (z.B. BFH-Urteil vom 23.03.1995 IV R 94/93, BFHE 177, 408, BStBl II 1995, 637). Für die Bewertung von Nutzungs-/Leistungsentnahmen trifft § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG hingegen keine Aussage (z.B. BFH-Urteil vom 09.11.2017 III R 20/16, BFHE 260, 113, BStBl II 2018, 278). Solche Entnahmen sind grundsätzlich mit dem durch die Nutzung/Leistung verursachten Aufwand, d.h. mit den tatsächlichen Selbstkosten zu bewerten. Unter den tatsächlichen Selbstkosten, die den Maßstab für die Aufteilung der betrieblichen und privaten Nutzung eines betrieblichen Wirtschaftsguts bilden, versteht die Rechtsprechung seit jeher die Gesamtkosten (Gesamtaufwendungen), die der Betrieb für das Wirtschaftsgut aufwendet (BFH-Entscheidungen vom 26.10.1987 GrS 2/86, BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348; vom 23.01.2001 VIII R 48/98, BFHE 194, 383, BStBl II 2001, 395; BFH-Beschluss vom 08.12.2003 X B 43/03, juris; BFH-Urteile vom 19.03.2009 IV R 59/06, BFH/NV 2009, 1617; vom 03.12.2015 IV R 43/13, BFH/NV 2016, 742; vom 12.03.2020 IV R 9/17, BFHE 268, 319, BStBl II 2021, 226). Hiermit wird der für das Wirtschaftsgut entstandene Aufwand, der grundsätzlich in vollem Umfang als Betriebsausgabe den Gewinn mindert, neutralisiert, soweit er die außerbetriebliche Nutzung/Leistung betrifft (BFH-Urteil vom 12.03.2020 IV R 9/17, BFHE 268, 319, BStBl II 2021, 226).
68
Teilwert ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG der Betrag, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde. Dabei ist davon auszugehen, dass der Erwerber den Betrieb fortführt. Maßgeblich ist danach der Wert, den das einzelne Wirtschaftsgut als „Teil“ der wirtschaftlichen Einheit hat. Der Teilwert eines Wirtschaftsguts kann daher letztlich nur durch eine Schätzung ermittelt werden (BFH-Beschluss vom 20.12.2012 IV B 12/12, BFH/NV 2013, 547).
69
Der Teilwert bei der Entnahme von Strom nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG bestimmt sich grundsätzlich nach den anteiligen Herstellungskosten des entnommenen Stroms einschließlich Umsatzsteuer, soweit sich für Erzeugnisse gleicher Art und Güte kein niedrigerer Marktpreis gebildet hat (vgl. BFH-Urteil vom 12.03.2020 IV R 9/17, BStBl II 2021, 226; BMF-Schreiben vom 11.04.2022, IV C 7-S 2236/21/10001:002, FMNR202200772, BStBl I 2022, 633, Rn. 22). Dies gilt bei summarischer Prüfung unabhängig davon, ob es sich bei der Entnahme von selbst erzeugtem Strom um eine Sach- (vgl. BMF-Schreiben vom 11.04.2022, IV C 7-S 2236/21/10001:002, FMNR202200772, BStBl I 2022, 633, Rn. 22) oder eine Nutzungsentnahme (vgl. Kulosa in: Schmidt, EStG, 42. Auflage 2023, § 6 Rn. 517) handelt.
70
In verschiedenen Urteilen des BFH wird sehr allgemein ausgeführt, dass bei Entnahmen eines Wirtschaftsguts der Teilwert durch den Marktpreis bestimmt wird (vgl. BFHUrteil vom 12.03.2020 IV R 9/17, BFHE 268, 319, BStBl II 2021, 226, m.w.N.). In anderen (zu Teilwertabschreibungen ergangenen) Entscheidungen stellt der BFH eine differenziertere Betrachtung an. Danach entspricht der Teilwert von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens im Zeitpunkt der Herstellung (Fertigstellung) den Herstellungskosten nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG, später den Wiederbeschaffungskosten. Bei selbst hergestellten Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens (Eigenerzeugnissen) werden die Wiederbeschaffungskosten als sog. Reproduktions- oder Wiederherstellungskosten bezeichnet. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass ein gedachter Erwerber des Unternehmens für das einzelne (betriebsnotwendige) Wirtschaftsgut höchstens so viel zahlt, als er an Kosten aufwendet, um dieses Wirtschaftsgut, falls es fehlte, für den Betrieb wieder zu erlangen. Der Teilwert von zum Absatz bestimmten Waren und sonstigen Vorräten hängt aber nicht nur von ihren Herstellungs-(Reproduktions-)kosten, sondern auch von ihrem voraussichtlichen Veräußerungserlös ab. Deckt der voraussichtliche Veräußerungserlös nicht mehr die Selbstkosten der Waren zuzüglich eines durchschnittlichen Unternehmergewinns, so sind die Herstellungskosten um den Fehlbetrag zu mindern. Der Teilwert liegt daher unter den Herstellungs-(Reproduktions-)kosten, wenn die Erzeugnisse nach den Marktverhältnissen nicht zu einem Preis veräußert werden könnten, der diesen Kosten entspricht, weil sich z.B. für Erzeugnisse gleicher Art und Güte ein niedrigerer Marktpreis gebildet hat (BFH-Urteil vom 12.03.2020 IV R 9/17, BFHE 268, 319, BStBl II 2021, 226, m.w.N.). Für die Ermittlung des Teilwerts eines Wirtschaftsguts stellen die Wiederbeschaffungs- bzw. Wiederherstellungskosten daher regelmäßig die Wertobergrenze und der Einzelveräußerungspreis, gegebenenfalls vermindert um etwaige Veräußerungskosten und einen Unternehmergewinn, die Wertuntergrenze dar (BFH-Urteil vom 25.08.1983 IV R 218/80, BFHE 139, 268, BStBl II 1984, 33).
71
Nach Ansicht der Finanzverwaltung könne aus Vereinfachungsgründen der Entnahmewert auf Antrag auch aus dem Strompreis des/eines regionalen Energieversorgers abgeleitet oder pauschal mit 0,20 €/kWh angesetzt werden (vgl. BMF-Schreiben vom 11.04.2022, IV C 7-S 2236/21/10001:002, FMNR202200772, BStBl I 2022, 633). Die individuell erzielbare Einspeisevergütung könne nicht als Entnahmewert angesetzt werden. Die Einspeisevergütung sei ein Mindestpreis, der gesetzlich garantiert werde. Sie liege derzeit deutlich unter dem erzielbaren Marktpreis. Es handele sich damit nicht um den Teilwert, der für die Entnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG anzusetzen sei (vgl. Verfügung des Landesamts für Steuern Niedersachsen vom 17.10.2023, S. 2240-St 222/St 221-2473/2022, Tz. 9.2, juris).
72
(3) Im Streitfall ist nach den oben dargestellten Grundsätzen und bei der gebotenen summarischen Prüfung die Entnahme des durch die PV-Anlage der GbR erzeugten Stroms durch den Antragsteller mit den anteiligen Selbstkosten als Wiederherstellungskosten zu bewerten.
73
Diese bewegen sich zwischen 0,13 €/kWh (unter Zugrundelegung der Beträge laut Antragstellern) und maximal 0,172 €/kWh (laut Wirtschaftlichkeitsprognose von A). Die A legt ihrer Wirtschaftlichkeitsprognose vom 11.12.2021 Erzeugungskosten für Photovoltaikstrom (mit Speichersystem) in Höhe von 0,172 €/kWh zugrunde. Die Antragsteller geben in Variante 1 der Totalgewinnprognose vom 23.12.2023 an, dass über die Laufzeit von 20 Jahre Kosten in Höhe von X € anfallen würden und 228.600 kWh Strom erzeugt werden könne. Daraus errechnen sich Herstellungskosten pro kWh in Höhe von 0,13 €.
74
Für den Senat sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, warum zur Ermittlung des Totalgewinns über die Laufzeit von 20 Jahren auf die Vereinfachungsregelung der Finanzverwaltung zurückgegriffen werden sollte, nach welcher pro kWh 0,20 € angesetzt werden können. Unabhängig davon, dass der Senat aufgrund seiner eigenen Schätzungsbefugnis entscheidet, besteht vorliegend auch kein Bedarf auf diese Vereinfachungsregelung zurückzugreifen, da im Streitfall die erforderlichen Zahlen aus den Akten entnommen werden können. Die Antragsteller haben auch nicht beantragt, diese Regelung heranzuziehen.
75
Die anteiligen Selbstkosten als Wiederherstellungskosten stellen bei summarischer Prüfung die Obergrenze des Teilwerts für die Entnahme des durch die PV-Anlage der GbR erzeugten Stroms dar, da ein gedachter Erwerber des Unternehmens für das einzelne Wirtschaftsgut (hier: den Strom) höchstens so viel zahlen würde, als er an Kosten aufwenden müsste, um dieses Wirtschaftsgut für den Betrieb wieder zu erlangen.
76
Die Antragsteller gehen selbst von einem der Totalgewinnprognose zugrunde zulegenden durchschnittlichen Marktpreis von 0,24 €/kWh aus. Dies ergibt sich aus der Berechnung in der Variante 1 der Totalgewinnprognose vom 23.12.2023. Hiernach seien in 20 Jahren für 142.350 kWh (Selbstverbrauch/Quartierverkauf) 34.164 € zu erzielen. Auch im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprognose der A wurde ein durchschnittlicher Strompreis für 20 Jahre in Höhe von 0,2361 €/kWh angesetzt. Dieser Marktpreis entspricht jedoch im Streitfall bei summarischer Prüfung nicht dem Entnahmewert des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG, da die anteiligen Selbstkosten des Betriebs zur Erzeugung von Strom geringer sind.
77
(4) Der Entnahmewert beträgt demnach bezogen auf einen Prognosezeitraum von 20 Jahren und einer zugrunde gelegten Entnahmemenge von 4.905 kWh pro Jahr (45% von 10.900 kWh) zwischen 12.753 € und 16.873 €.
78
Die Entnahmemenge ist im Streitfall mit 4.905 kWh pro Jahr, d.h. 98.100 kWh in 20 Jahren, und nicht wie vom Verfahrensbevollmächtigten angenommen mit 6.500 kWh pro Jahr und damit 130.000 kWh in 20 Jahren anzusetzen.
79
Die Antragsteller geben im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung an, der erzeugte Strom werde zu 55% der Gesamterzeugung an das örtliche Energieversorgungsunternehmen abgegeben, zu 45% der Gesamterzeugung werde der Strom für nichtunternehmerische Zwecke verwendet. Hierbei sei von einem prognostizierten Stromertrag von 10.900 kWh pro Jahr auszugehen. Die Wirtschaftlichkeitsprognose der A geht von einem „angenommenen Stromverbrauch“ von 6.500 kWh pro Jahr und einem prognostizierten Stromertrag von 10.900 kWh pro Jahr (736,43 kWh/kWp x 14,8 kWp) aus. Ausweislich der Totalgewinnprognose vom 23.12.2023 belaufe sich der Selbstverbrauch auf 6.500 kWh pro Jahr. Unter Annahme einer Verbrauchsänderung in Höhe von 1% ergebe sich ein prognostizierter Selbstverbrauch über die Laufzeit von 20 Jahren in Höhe von 142.350 kWh. Die jährliche Stromerzeugung betrage 12.000 kWh.
80
Der Senat gelangt unter Zugrundelegung der Wirtschaftlichkeitsprognose der A sowie des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung zu der Auffassung, dass zwischen dem prognostizierten angenommenen Stromverbrauch insgesamt im Anwesen A-Straße, Ort 1, (6.500 kWh pro Jahr laut Wirtschaftlichkeitsprognose der A) und dem prognostizierten Eigenverbrauch hinsichtlich des durch die PV-Anlage erzeugten Stroms (4.905 kWh pro Jahr laut Fragenbogen zur steuerlichen Erfassung) zu differenzieren ist. Nur letzterer Wert kann im Rahmen der Totalgewinnprognose hinsichtlich des Betriebs der PV-Anlage beachtlich sein. Soweit darüber hinaus Strom für den Eigenverbrauch im Anwesen A-Straße, Ort 1, erforderlich ist, wird dieser unabhängig vom Betrieb der PV-Anlage aus dem öffentlichen Stromnetz bezogen werden.
81
Der Selbstverbrauch ist daher mit 98.100 kWh in 20 Jahren der Totalgewinnprognose zugrunde zu legen. Soweit der Verfahrensbevollmächtigte in seiner Totalgewinnprognose vom 23.12.2023 von höheren Werten ausgeht, vermag dies den Senat mangels entsprechender Anhaltspunkte nicht zu überzeugen. Vielmehr setzt der Verfahrensbevollmächtigte in der Totalgewinnprognose ohne erkennbaren Grund den gesamten Selbstverbrauch mit dem Selbstverbrauch hinsichtlich des aus der PV-Anlage erzeugten Stroms gleich. Auch die Angabe, die PV-Anlage erziele pro Jahr 12.000 kWh Strom pro Jahr, findet bei summarischer Prüfung keine Stütze in den vorliegenden Akten. Dieser Wert widerspricht vielmehr den bisher getätigten Angaben und den Werten, die der Wirtschaftlichkeitsprognose zugrunde liegen. Es sind bei summarischer Prüfung und nach Aktenlage auch keine Anhaltspunkte für eine prognostizierte Erhöhung des Selbstverbrauchs, wie vom Verfahrensbevollmächtigten in der Totalgewinnprognose vom 23.12.2023 vorgenommen, ersichtlich. Insbesondere lässt sich aus der Wirtschaftlichkeitsprognose der A nicht erkennen, dass auch dort eine Steigerung des Eigenverbrauchs über die Laufzeit von 20 Jahren angesetzt worden wäre.
82
Die Entnahmewerte sind daher wie folgt zu ermitteln:

Selbstkosten laut Zahlen Antragsteller

Selbstkosten laut Wirtschaftlichkeitsprognose

Anteilige Selbstkosten

0,13 €/kWh

0,172 €/kWh

Selbstverbrauch über 20 Jahre

98.100 kWh

98.100 kWh

Entnahmewert

12.753 €

16.873 €

83
cc) Im Rahmen der Totalgewinnprognose über die Laufzeit von 20 Jahren ergibt sich ein Totalverlust.
84
(1) Als Einnahme ist die zu erzielende Einspeisevergütung, die für 20 Jahre festgelegt ist, zu berücksichtigen.
85
Der Anspruch auf Einspeisevergütung nach §§ 19 Abs. 1 Nr. 2, 21 Abs. 1 Nr. 1 EEG i.V.m. § 25 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 EEG besteht jeweils für die Dauer von 20 Kalenderjahren ab dem Beginn der Inbetriebnahme. Diese erfolgte im Streitfall nach dem Vortrag des Verfahrensbevollmächtigten im AdV-Verfahren zum 22.06.2022. Die Tatsache, dass auf den eingereichten Totalgewinnprognosen vom 23.12.2023 als Datum der Inbetriebnahme der 30.09.2022 angegeben ist, erachtet der Senat als nicht relevant, insbesondere da auch der Name des Betriebsinhabers mit „M. Energie“ bezeichnet ist.
86
Nach den archivierten Vergütungssätzen der Bundesnetzagentur (https://www.....html; abgerufen am 06.02.2024) beträgt die Einspeisevergütung für eine PV-Anlage gemäß § 48 Abs. 2 EEG mit Inbetriebnahme ab 01.06.2022 und bis einschließlich einer installierten Leistung von 40 kW 0,0615 € (ohne Degressionsberechnung nach § 49 EEG 2021). .
87
Unter Annahme einer auf 20 Jahre erzeugten Strommenge von 218.000 kWh (20 x 10.900 kWh) und unter Abzug des im gleichen Zeitraum angenommenen Eigenverbrauchs von 98.100 kWh verbleiben 119.900 kWh, die in das Stromnetz zu der oben genannten Einspeisevergütung in Höhe von 0,0615 € eingespeist werden können. Hieraus errechnen sich Einnahmen in Höhe von 7.374 € in 20 Jahren.
88
(2) Die Summe der Ausgaben beläuft sich über die Laufzeit von 20 Jahren nach Angaben der Antragsteller auf X €.
89
(3) Die Totalgewinnprognose stellt sich daher bei summarischer Prüfung wie folgt dar und führt bei summarischer Prüfung zu einer negativen Ergebnisprognose:

Selbstkosten: 0,13 €/kWh

Selbstkosten: 0,172 €/kWh

Einspeisevergütung

7.374 €

7.374 €

Entnahmen

12.753 €

16.873 €

Ausgaben

X €

X €

Verlust

X €

X €

90
Die erstattete Vorsteuer sowie die gezahlte Umsatzsteuer können bei summarischer Prüfung unberücksichtigt bleiben, da sich die beiden Positionen gegenseitig neutralisieren.
91
(4) Die von den Antragstellern in ihrer zweiten Alternative dargestellte Totalgewinnprognose kann nach Auffassung des erkennenden Senats nicht zur Beurteilung des Vorliegens einer Gewinnerzielungsabsicht herangezogen werden.
92
Insbesondere sind bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Restwert der PV-Anlage nach 20 Jahren ebenso wie die vom Verfahrensbevollmächtigten angenommenen zukünftigen Einnahmen nach Ablauf der 20 Jahre außer Acht zu lassen. Ein Zweitmarkt für gebrauchte PV-Anlagen ist – soweit im summarischen Verfahren erkennbar – nicht existent. Die Antragsteller haben diesbezüglich auch keine weiteren Anhaltspunkte vorgetragen oder Unterlagen vorgelegt, aus denen sich entsprechendes ergeben würde. Zudem wären in diesem Fall auch noch Deinstallationskosten der Anlage zu berücksichtigen, die die Ausgabenseite zusätzlich erhöhen würden (vgl. Urteil des FG Baden-Württemberg vom 09.02.2017 1 K 841/15, EFG 2017, 913, m.w.N.).
93
Bei – nach summarischer Prüfung erforderlichen – Außerachtlassung dieser Positionen (Entnahmewert lt. gesonderter Anlage/Tabelle; zukünftige Einnahmen) ergäbe sich auch in der zweiten Alternativberechnung der Antragsteller ein negatives Totalergebnis über die Laufzeit von 20 Jahren.
94
dd) Selbst in Fällen, in denen die Ergebnisprognose negativ ist, kommt eine Liebhaberei nur in Betracht, wenn die Tätigkeit auf einkommensteuerrechtlich unbeachtlichen Motiven beruht und sich der Steuerpflichtige nicht wie ein Gewerbetreibender verhält, z.B. wenn die verlustbringende Tätigkeit aus dem Bereich der allgemeinen Lebensführung und persönlichen Neigungen liegenden Gründen (weiter) ausgeübt wird. Im Streitfall gelangt der Senat bei summarischer Prüfung und nach Aktenlage zur Ansicht, dass insbesondere private Gründe, die außerhalb der einkommensteuerrechtlichen Sphäre liegen, Anlass für die Investition in die PV-Anlage waren.
95
(1) Bei dem Betrieb einer PV-Anlage spricht nach Auffassung des Senats zunächst der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass sie in der Absicht der Gewinnerzielung betrieben wird. Denn Unternehmen dieser Art sind nach der Lebenserfahrung – anders als Tätigkeiten im Hobbybereich – typischerweise nicht dazu bestimmt und geeignet, der Befriedigung persönlicher Neigungen des Steuerpflichtigen oder der Erlangung wirtschaftlicher Vorteile außerhalb der Einkommenssphäre zu dienen (vgl. auch Urteil des FG Baden-Württemberg vom 09.02.2017, 1 K 841/15, EFG 2017, 913).
96
(2) Dieser Anscheinsbeweis wird aber bei summarischer Prüfung im Streitfall dadurch erschüttert, dass nach der Ergebnisprognose innerhalb eines Zeitraums von 20 Jahren mit dem Betrieb der PV-Anlage kein Gewinn erzielt werden kann. Diese negative Totalgewinnprognose indiziert ihrerseits nach der Lebenserfahrung das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht (vgl. BFH-Urteil vom 24.11.1988 IV R 37/85, BFH/NV 1989, 574).
97
In einem solchen Fall sind an die Feststellung persönlicher Gründe und Motive, die den Steuerpflichtigen trotz der Verluste zur Weiterführung seines Unternehmens bewogen haben könnten, keine hohen Anforderungen zu stellen (BFH-Beschluss vom 16.11.2022 X B 46/22, BFH/NV 2023, 118; BFH-Urteil vom 23.08.2017 X R 27/16, BFH/NV 2018, 36, m.w.N.).
98
(3) Bei summarischer Prüfung und nach Aktenlage bestehen keine ernsthaften Zweifel daran, dass die Antragsteller als Gesellschafter der GbR die PV-Anlage aus im Bereich der privaten Lebensführung liegenden Gründen betreiben.
99
Aus der Einkommensteuerakte des Finanzamts ist ersichtlich, dass der Antragsteller bereits Ende des Jahres 2021 für das Anwesen A-Straße in Ort 1 die Installation einer Wallbox beauftragt hatte. Der Betrieb der PV-Anlage sollte daher nach Aktenlage wohl auch der einfachen und bequemen Lademöglichkeit von Elektroautos im Haushalt der Antragsteller dienen. Auch in der Wirtschaftlichkeitsprognose von A wird insbesondere der Nutzen der PV-Anlage für die private Elektromobilität hervorgehoben. Dies stellen Gründe und Vorteile dar, die sich außerhalb der einkommensteuerrechtlichen Sphäre der Antragsteller bewegen und damit der privaten Lebensführung zuzuordnen sind.
100
Des Weiteren ist im Streitfall zu berücksichtigen, dass die Bildung des IAB im Streitjahr von den Antragstellern insbesondere dazu verwendet wurde, die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit des Antragstellers zu reduzieren. Zwar wurde im Rahmen der Einkommensteuererklärung für den Veranlagungszeitraum 2022 vom 29.09.2023 bzw. 08.10.2023 der im Vorjahr in Abzug gebrachte IAB wieder hinzugerechnet und diese Hinzurechnung durch Geltendmachung der Absetzung nach § 7g Abs. 2 Satz 3 EStG betragsmäßig neutralisiert. Die Antragsteller erklärten jedoch im Veranlagungszeitraum 2022 keine Betriebseinnahmen aus dem Betrieb der PV-Anlage, obwohl das Programm unter der Rubrik Betriebseinnahmen explizit auch die Angabe steuerfreier Betriebseinnahmen vorsieht. Vielmehr bezifferten sie die Betriebseinnahmen mit X € unter der Bezeichnung „Ertrag PV-Anlage 2022 ertragssteuerfrei“. Die Antragsteller versuchten offenbar durch Kombination verschiedener steuerlicher Vorteile aus unterschiedlichen Vorschriften des EStG die für sie günstigste Variante zu gestalten. Bei konsequenter Umsetzung des Gesetzes hinsichtlich der Einkünfte aus dem Betrieb der PV-Anlage hätten zu den geltend gemachten Betriebsausgaben (Absetzung der Anschaffungskosten nach § 7g Abs. 2 Satz 3 EStG) entweder auch die Betriebseinnahmen als steuerpflichtige Einnahmen des Jahres 2022 erklärt werden müssen, da § 3 Nr. 72 EStG dann keine Anwendung finden würde. Alternativ hätten – wenn das Vorliegen steuerfreier Einnahmen nach § 3 Nr. 72 EStG bejaht würde – auch keine Betriebsausgaben – wie jedoch von den Antragstellern durchgeführt – angesetzt werden können.
101
Als persönlicher Grund, der gegen das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht spricht, kommt daher im Streitfall bei summarischer Prüfung auch das Streben nach einer Minderung der Einkommensteuerschuld der Antragsteller in Betracht. In diesem Fall wird das Streben nach Totalgewinn von persönlichen Gründen, nämlich nach der Erzielung von Einkommensteuerersparnissen, verdrängt (vgl. BFH-Urteil vom 21.08.1990 VIII R 25/86, BFHE 163, 524).
102
(4) Eine andere Beurteilung lässt sich bei summarischer Prüfung auch nicht aus der Wirtschaftlichkeitsprognose der A vom 11.12.2021 ableiten.
103
Diese prognostiziert nach 20 Jahren einen Überschuss in Höhe von 43.108 €. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass diese positive Prognose hauptsächlich dadurch zustande kommt, dass die Stromkosteneinsparung beim Eigenverbrauch mit einem geschätzten durchschnittlichen Strompreis auf 20 Jahre in Höhe von 0,4209 €/kWh berechnet wurde. Dieser Berechnung ist – wie oben dargestellt – für Zwecke der Bewertung der Entnahme des Stroms für den Eigenverbrauch nicht zutreffend.
104
c) Das Finanzamt war bei summarischer Prüfung berechtigt, die im Bescheid vom 29.12.2022 vorläufig festgesetzte Steuer im Hinblick auf die Einkünfte der Antragsteller aus Gewerbebetrieb im angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2021 vom 19.09.2023 zu korrigieren. Der Umstand, dass das Finanzamt die Änderung auch auf § 7g Abs. 3 EStG gestützt hat, führt nicht zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids.
105
aa) Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde eine Steuer vorläufig festsetzen, soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung der Steuer eingetreten sind. Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind anzugeben, § 165 Abs. 1 Satz 3 AO.
106
bb) Das Finanzamt hat im Einkommensteuerbescheid 2021 vom 29.12.2022 einen Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO aufgenommen. Es bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel daran, dass das Finanzamt den Grund und den Umfang der Vorläufigkeit im Einkommensteuerbescheid 2021 vom 29.12.2022 ausreichend erkennbar bezeichnet hat (vgl. BFH-Urteil vom 06.03.1992 III R 47/91, BFHE 167, 290, BStBl II 1992, 588).
107
Das Finanzamt hat im Streitfall hinsichtlich der Einkünfte der Antragsteller, die diese als Gesellschafter der GbR als Einkünfte aus Gewerbebetrieb erklärt hatten, von der Möglichkeit der Vorläufigkeitserklärung gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO Gebrauch gemacht, da im Zeitpunkt des Erlasses des Einkommensteuerbescheids 2021 vom 29.12.2022 das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht nicht beurteilt werden habe können. Die Vorläufigkeit gemäß § 165 Abs. 1 Satz 1 AO umfasste nach den eindeutigen Ausführungen des Finanzamts im Einkommensteuerbescheid vom 29.12.2022 auch die damit zusammenhängenden nachrangigen Fragen der Höhe der Betriebseinnahmen und der abziehbaren Betriebsausgaben.
108
cc) Soweit die Finanzbehörde eine Steuer vorläufig festgesetzt hat, kann sie die Festsetzung aufheben oder ändern, § 165 Abs. 2 Satz 1 AO. Wenn die Ungewissheit beseitigt ist, ist eine vorläufige Steuerfestsetzung aufzuheben, zu ändern oder für endgültig zu erklären, § 165 Abs. 2 Satz 2 AO.
109
(1) § 165 Abs. 2 AO regelt die Folgen der Vorläufigkeit. Die Vorschrift differenziert zwischen dem jederzeitigen Aufhebungs-, Änderungs- oder Endgültigkeitserklärungsrecht des Finanzamts während einer Vorläufigkeitsphase (Satz 1) und der grundsätzlichen Verpflichtung, Entsprechendes zu tun, wenn die Ungewissheit beseitigt ist (Satz 2).
110
(2) Die Kompetenzen des Finanzamts nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO setzen nicht den Wegfall der Ungewissheit voraus. Die Behörde hat somit das jederzeitige Recht, innerhalb des durch die Begründung des Vorläufigkeitsvermerks nach § 165 Abs. 1 Satz 3 AO abgesteckten Rahmens (vgl. § 165 Abs. 2 Satz 1 AO: „Soweit…“) den Steuerfall erneut zu prüfen und hiernach die bisherige Festsetzung aufzuheben, zu ändern oder sogar für endgültig zu erklären (Reddig, AO-StB 2021, 25). Der vorläufige Bescheid kann nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO vor Beseitigung der Ungewissheit z.B. nach Maßgabe der wahrscheinlichen Sachverhaltsgestaltung oder aufgrund einer Schätzung geändert werden, etwa wenn mit einem baldigen Wegfall der Ungewissheit nicht mehr zu rechnen ist oder wenn trotz Ungewissheit eine endgültige Regelung getroffen werden soll (Rüsken in: Klein, 17. Aufl. 2023, AO § 165 Rn. 65).
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dd) Es bestehen bei der im AdV-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung keine Zweifel daran, dass das Finanzamt berechtigt war, den Einkommensteuerbescheid 2021 vom 29.12.2022 gemäß § 165 Abs. 2 Satz 1 AO im Hinblick auf die festgesetzte Steuer in Bezug auf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Antragsteller zu ändern.
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Im Streitfall nennt das Finanzamt als Änderungsvorschrift sowohl § 165 Abs. 2 AO als auch § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG.
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(1) Es kann vorliegend im summarischen Verfahren dahinstehen, ob sich das Finanzamt zu Recht auch auf die Änderungsvorschrift des § 165 Abs. 2 Satz 2 AO berufen hätte können. Hierfür wäre erforderlich, dass die Ungewissheit hinsichtlich des Vorliegens der Gewinnerzielungsabsicht in Bezug auf die gewerblichen Einkünfte der Antragsteller im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids am 19.09.2023 aus Sicht des Finanzamts beseitigt gewesen wäre. Davon ist auszugehen, wenn die für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht maßgeblichen Hilfstatsachen festgestellt werden können und das Finanzamt hiervon positive Kenntnis hat (vgl. Urteil des FG Münster vom 21.02.2018 7 K 288/16 E, juris).
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(2) Jedenfalls lagen im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 19.09.2023 die Voraussetzungen von § 165 Abs. 2 Satz 1 AO vor, so dass bei summarischer Prüfung keine rechtlichen Zweifel daran bestehen, dass das Finanzamt zu Recht von seiner jederzeitigen Änderungsbefugnis hinsichtlich der vorläufigen Festsetzung der Steuer in Bezug auf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb Gebrauch gemacht hat.
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Die Vorschrift des § 165 Abs. 2 Satz 1 AO sieht eine Änderungsmöglichkeit insoweit vor, als eine Steuer – wie im Streitfall – vorläufig festgesetzt ist. Weitere Änderungsvoraussetzungen sind im Gesetz nicht enthalten (vgl. BFH-Urteil vom 16.06.2015 IX R 27/14, BStBl II 2016, 144, BFHE 250, 486). Die Änderungsbefugnis nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO hat insbesondere in den Fällen Bedeutung, in denen die Ungewissheit wahrscheinlich nicht mehr beseitigt werden kann und die Behörde die Steuerfestsetzung daher an den wahrscheinlichsten Fall anpassen will (Oellerich in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 179. Ergänzungslieferung, November 2023, § 165 AO Rn. 142). Aufgrund der ab dem Veranlagungszeitraum 2022 bestehenden Steuerfreiheit der Einnahmen und Entnahmen gemäß § 3 Nr. 72 EStG, die die Antragsteller ausweislich ihrer Einkommensteuererklärung ab dem Jahr 2022 auch in Anspruch genommen haben, und der damit einhergehenden Befreiung von der Gewinnermittlungspflicht nach § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG lässt sich die Ungewissheit hinsichtlich der Gewinnerzielungsabsicht bezogen auf den Betrieb der Photovoltaikanlage nicht mehr beseitigen. Das Finanzamt hat im Änderungsbescheid vom 19.09.2023 daraus Konsequenzen gezogen und von der Änderungsvorschrift des § 165 Abs. 2 Satz 1 EStG Gebraucht gemacht.
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(3) Da es sich hierbei um eine Ermessensentscheidung des Finanzamts handelt, kann diese im finanzgerichtlichen Verfahren nur auf Ermessensfehler überprüft werden (§ 102 FGO).
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Derartige Ermessensfehler sind bei summarischer Prüfung und nach Aktenlage nicht erkennbar. Insbesondere aufgrund der geringen Anforderungen an die Voraussetzungen für das Eingreifen der Änderungsbefugnis nach § 165 Abs. 2 Satz 1 AO und der damit einhergehenden umfassenden Entscheidungskompetenz des Finanzamts im Hinblick auf vorläufig festgesetzte Steuern bestehen nach Auffassung des erkennenden Senats keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ermessenentscheidung des Finanzamts.
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(4) Die Tatsache, dass das Finanzamt seine Änderungsbefugnis im Einkommensteuerbescheid vom 19.09.2023 auch auf § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG gestützt hat, vermag bei summarischer Prüfung ebenfalls nicht zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids zu führen.
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An der Rechtmäßigkeit eines Änderungsbescheids ändert der Umstand nichts, dass die Finanzbehörde ihre Änderungsbefugnis aus einer eventuell unzutreffenden Änderungsvorschrift hergeleitet hat. Die von der Finanzbehörde herangezogene Vorschrift stellt nichts anderes dar, als die rechtliche Begründung der vorgenommenen Änderung, die grundsätzlich zu jeder Zeit durch eine andere rechtliche Begründung ausgewechselt werden kann. Entscheidend für die Rechtmäßigkeit eines Änderungsbescheids ist danach, dass die Voraussetzungen für eine Änderung materiell überhaupt vorliegen (vgl. Steinhauff in: Hübschmann/Hepp/Spitaler: AO/FGO, 277. Lieferung, 11/2023, § 42 FGO, Rn. 104, m.w.N.).
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2. Die Vollziehung des angefochtenen Bescheides ist auch nicht wegen unbilliger Härte gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO auszusetzen.
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a) Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinn dieser Vorschriften liegt vor, wenn dem Zahlungspflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes wirtschaftliche Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (BFH-Beschlüsse vom 21.02.1990 II B 98/89, BStBl II 1990, 510; vom 05.03.1998 VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325).
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b) Eine solche unbillige Härte ist nicht ersichtlich.
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Die Antragsteller haben nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie durch die Vollziehung in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht wäre oder welche kaum mehr gutzumachenden Nachteile ihnen entstehen würden.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.