Titel:
Kombinierter Vollstreckungsauftrag an Gerichtsvollzieher – keine Hinweispflicht des Gerichtsvollziehers auf Vorliegen bereits abgegebener Vermögensauskunft vor Einleitung des Auskunftsverfahrens
Normenketten:
ZPO § 802a Abs. 2, § 803
GvKostG § 9
KV GvKostG Nr. 208, Nr. 261
GVGA § 32, § 58 Abs. 1 S. 3
Leitsätze:
1. Welche Maßnahmen der Gerichtsvollzieher ergreift, unterliegt der Disposition des Vollstreckungsgläubigers. Dieser entscheidet mit seinem Antrag über den Beginn der Zwangsvollstreckung, bestimmt die konkreten Vollstreckungsmaßnahmen und deren Reihenfolge. Er kann den Vollstreckungsantrag auf einzelne Maßnahmen beschränken und insbesondere die Vermögensauskunft an den Beginn der Zwangsvollstreckung stellen sowie isoliert die gütliche Einigung beantragen. (Rn. 23 – 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da jeder Auftrag an den Gerichtsvollzieher Kosten auslöst, obliegt es dem Vollstreckungsgläubiger, vor Auftragserteilung zu prüfen, ob er die Informationen, mit deren Beschaffung er den Gerichtsvollzieher beauftragen könnte, nicht auf andere Weise einfacher, schneller oder wenigstens zu geringeren Kosten erhalten könnte. Wählt er bedingte bzw. kombinierte Vollstreckungsaufträge, wird der Gerichtsvollzieher den Auftrag in der vorgegebenen Weise abarbeiten und der Vollstreckungsgläubiger kann unter Umständen einen Einzelschritt, der sich als nutzlos herausstellt und nur Kosten verursacht, nicht mehr aufhalten. (Rn. 25 und 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Gerichtsvollzieher hat nicht bereits vor der Einleitung des Auskunftsverfahrens eine Hinweispflicht gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger auf das Vorliegen einer bereits abgegebenen Vermögensauskunft des Schuldners. In anderen als den in § 32 GVGA genannten Fällen ist die Erteilung von Fruchtlosigkeitsbescheinigungen nicht vorgesehen und wegen der mit einer fingierten Antragsrücknahme verbundenen Gefahren für den Gläubiger auch nicht in entsprechender oder erweiternder Anwendung des § 32 GVGA geboten. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gerichtsvollzieherkosten, Kombinierter Vollstreckungsauftrag, Bestimmung der Vollstreckungsmaßnahmen, Reihenfolge von Vollstreckungsmaßnahmen, Einsicht in Schuldnerverzeichnis, Vorliegen Vermögensauskunft, Einleitung des Auskunftsverfahrens, Hinweispflicht des Gerichtsvollziehers, Fruchtlosigkeitsbescheinigung
Vorinstanz:
AG Miesbach, Beschluss vom 05.10.2023 – 2 M 259/23
Fundstellen:
JurBüro 2024, 324
LSK 2024, 5492
BeckRS 2024, 5492
Tenor
1. Die Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Miesbach vom 05.10.2023, Az. 2 M 259/23, wird zurückgewiesen.
2. Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
3. Das Verfahren ist gebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.
4. Beschwerdewert: 108,14 €
Gründe
1
Am 15.06.2023 beauftragte der Vollstreckungsgläubiger den Gerichtsvollzieher mittels Formulars für Gerichtsvollzieheraufträge mit der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner aus einem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Miesbach über 53,37 € zuzüglich Zinsen.
2
Hierbei beantragte er, nach vorherigem Pfändungsversuch das Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft einzuleiten, sofern der Schuldner wiederholt nicht anzutreffen ist (Modul G, G2, 2. Kreuz). Ferner beantragte er unter anderem die Einholung von Auskünften Dritter in Gestalt eines Ersuchens an das Bundeszentralamt für Steuern, bei den Kreditinstituten die in § 93b Abs. 1 der Abgabenordnung bezeichneten Daten abzurufen (Modul M, M2). Im Modul E „gütliche Erledigung“ kreuzte er unter E3 an, mit einer Abweichung von den Zahlungsmodalitäten nach dem Ermessen des Gerichtsvollziehers einverstanden zu sein. Im Modul F kreuzte er an, mit einer Zahlungsvereinbarung nicht einverstanden zu sein.
3
Der Gerichtsvollzieher unternahm daraufhin am 28.06.2023 und am 19.07.2023 zwei Vollstreckungsversuche in der Wohnung des Schuldners, bei denen dieser nicht angetroffen wurde. Bei dem Pfändungsversuch vom 28.06.2023 hinterließ der Gerichtsvollzieher dem Schuldner dabei ein auf den 26.06.2023 datierendes Schreiben, in dem er diesen zur Begleichung der Forderung aufforderte, ihm aber zudem eine Ratenzahlung oder die Beantragung einer Ratenzahlung anbot.
4
Mit Schreiben vom 25.07.2023 teilte der Gerichtsvollzieher dem Vollstreckungsgläubiger mit, dass der Schuldner bei den durchgeführten Vollstreckungsversuchen nicht habe angetroffen werden können. Da der Gläubiger für diesen Fall die Abgabe der Vermögensauskunft beantragt habe und nach den bisherigen Ermittlungen des Gerichtsvollziehers eine gültige Abgabe der Vermögensauskunft noch nicht vorliege, werde nunmehr das Verfahren zur Vermögensauskunft durchgeführt. Zudem führte der Gerichtsvollzieher am 25.07.2023 ein Kontenabrufersuchen bei dem Bundeszentralamt für Steuern durch.
5
Mit weiterem Schreiben vom 25.07.2023 teilte der Gerichtsvollzieher dem Vollstreckungsgläubiger mit, dass der Schuldner die Vermögensauskunft am 26.09.2022 abgegeben habe. Den gestellten Pfändungsauftrag habe er eingestellt, da der Schuldner nicht in der Wohnung anzutreffen gewesen sei. Er übersandte dem Gläubiger eine Abschrift des Vermögensverzeichnisses und dessen Vollstreckungsunterlagen.
6
Mit Schreiben ebenfalls vom 25.07.2023 teilte der Gerichtsvollzieher dem Schuldner mit, dass eine Eintragungsanordnung gem. § 882c Abs. 1 Nr. 2 ZPO ergehe. Hierin wies er den Schuldner zudem darauf hin, dass die Möglichkeit bestehe, die Forderung in Raten zu begleichen und bat um Kontaktaufnahme, falls dies für den Schuldner in Betracht komme.
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Am 28.07.2023 übersandte der Gerichtsvollzieher dem Vollstreckungsgläubiger die Auskunft des Bundeszentralamts für Steuern.
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Der Gerichtsvollzieher rechnete hierfür folgende Kosten ab (Bl. 24 d.A.):
KV208
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Versuch einer gütlichen Erledigung (2x)
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17,60 €
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KV261
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Vermögensverzeichnis an Dritte
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36,30 €
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KV440
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Einholung eine Auskunft
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14,30 €
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KV604
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nicht erledigte Pfändung (KV 205)
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16,50 €
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KV711
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Wegegeld bis 10 km (2x)
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6,50 €
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KV716
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Auslagenpauschale
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16,94 €
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Summe
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108,14 €
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9
Mit E-Mail vom 02.08.2023 teilte der Vollstreckungsgläubiger dem Gerichtsvollzieher mit, er werde die angegebenen Kosten nicht bezahlen und bat um Überlassung einer neuen Kostenrechnung. Das Vermögensverzeichnis habe bereits vorgelegen. Eine Auskunft sei unter diesen Umständen nicht erforderlich gewesen. Die Auslagenpauschale sei zu hoch.
10
Hierauf teilte der Gerichtsvollzieher dem Vollstreckungsgläubiger mit E-Mail vom 03.08.2023 mit, er habe sich streng an den Auftrag des Vollstreckungsgläubigers gehalten, wozu er verpflichtet sei. Wenn dem Gläubiger das Vermögensverzeichnis bereits vorgelegen habe, wäre es in dessen Schuldigkeit gewesen, den Auftrag entsprechend zu stellen. Die Gebühren und Auslagen richteten sich nach den strengen Vorgaben des Gerichtsvollzieherkostengesetzes und nach den Aufträgen bzw. Gebührentatbeständen des Gläubigers. Wenn dieser dies so beantrage, führe er diese Aufträge aus und berechne dann auch die entsprechenden Gebührentatbestände. Er bat um zeitnahe Bezahlung der Kostenrechnung.
11
Mit Mahnung vom 25.08.2023 mahnte der Gerichtsvollzieher bei dem Vollstreckungsgläubiger die Kosten erneut an.
12
Am 05.09.2023 bezahlte der Gläubiger auf die Rechnung 67,22 €. Im Rahmen weiterer Korrespondenz teilte der Vermögensgläubiger dem Gerichtsvollzieher per E-Mail vom 08.09.2023 mit, er werde die Vermögensauskunft nicht bezahlen. Er bat um Übersendung einer „berichtigten Rechnung ohne Vermögensauskunft“.
13
Nachdem der Gerichtsvollzieher die Teilzahlung zurückwies und die zwangsweise Einziehung der Gerichtsvollzieherkosten beim Vollstreckungsgläubiger ankündigte, legte der Vollstreckungsgläubiger mit Schreiben vom 13.09.2023 Erinnerung gegen die Kostenrechnung des Gerichtsvollziehers vom 25.07.2023 ein.
14
Zur Begründung führte er aus, der Gerichtsvollzieher habe zwei Vollstreckungsversuche unternommen, obwohl der Schuldner bereits am 26.09.2022 bei dem Gerichtsvollzieher die Vermögensauskunft abgegeben habe. Er vertrat dabei die Auffassung, dass die Rechnung des Gerichtsvollziehers nicht geschuldet sei. Hätte er gewusst, dass der Schuldner die Vermögensauskunft abgegeben hatte, hätte er keinen Zwangsvollstreckungsauftrag erteilt. Auf die Vermögensauskunft hätte ihn der Gerichtsvollzieher sofort hinweisen müssen.
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Der Gerichtsvollzieher half der Erinnerung des Vollstreckungsgläubigers mit Schreiben vom 25.09.2023 nicht ab. Zur Begründung führte er aus, die Gebühren und Kosten des Gerichtsvollziehers seien so angefallen, wie in Rechnung gestellt. Bei der Ausführung des Verfahrens habe er sich streng an die vom Gläubiger beantragten Module des Auftragsformulars gehalten. Der Gläubiger bzw. dessen Vertreter habe bei Auftragsstellung zu prüfen und zu bewerten, welche Auskünfte bereits vorlägen und habe die Möglichkeit, dies im Auftrag entsprechend anzugeben oder Vollstreckungshandlungen auszuschließen. Ein entsprechender Hinweis des Gläubigers sei nicht vorhanden. Nach Abschluss des Verfahrens darauf hinzuweisen, dass das Vermögensverzeichnis oder andere Auskünfte bereits vorgelegen hätten und eigenmächtig die Kostenrechnung zu kürzen, komme nicht in Betracht.
16
Mit hier angefochtenem Beschluss vom 05.10.2023 wies das Amtsgericht Miesbach die Erinnerung des Vollstreckungsgläubigers zurück. Zur Begründung führte es insbesondere aus, dass die in der Rechnung ausgewiesenen Positionen tatsächlich entstanden seien und die Rechnung insoweit rechtmäßig sei. Ausgehend von dem Antrag des Vollstreckungsschuldners sei der Gerichtsvollzieher verpflichtet gewesen, zunächst Pfändungsversuche zu unternehmen. Dieser sei zu diesem Zeitpunkt nicht verpflichtet gewesen, den Vollstreckungsgläubiger auf die Abgabe der Vermögensauskunft durch den Vollstreckungsschuldner am 26.09.2022 hinzuweisen. Der Gerichtsvollzieher habe bis zur Einleitung des Verfahrens zur Abgabe der Vermögensauskunft lediglich die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung und etwaige Vollstreckungshindernisse zu prüfen. Erst mit der Einleitung des Auskunftsverfahrens habe er von Amts wegen auch die besonderen Voraussetzungen desselben zu prüfen, also insbesondere die Sperrfrist des § 802d ZPO zu beachten. Wenn die Sperrwirkung greife, werde der Antragsteller nunmehr auf die Sperrfrist hingewiesen und werde diesem ein Abdruck der letzten abgegebenen Vermögensauskunft übermittelt. Vor dem Zeitpunkt des Übergangs in das Auskunftsverfahren habe insoweit keine Prüfpflicht des Gerichtsvollziehers hinsichtlich einer bereits abgegebenen Vermögensauskunft und damit auch keine sich daraus ergebende etwaige Hinweispflicht bestanden. Gegen die Entscheidung ließ das Amtsgericht die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zu.
17
Mit Schreiben vom 18.10.2023, am selben Tag beim Amtsgericht Miesbach eingegangen, legte der Vollstreckungsgläubiger Beschwerde gegen den vorgenannten Beschluss ein. Zur Begründung führte er aus, es bestehe die Einheit der Rechtspflege. Am Rechtsverkehr Teilnehmende hätten aufeinander Rücksicht zu nehmen und eventuelle offenkundige Erkenntnisse mitzuteilen bzw. zu berücksichtigen. Dem Gerichtsvollzieher sei die Vermögenslosigkeit des Schuldners bekannt gewesen. Es hätten diesem die Auskünfte der Deutschen Rentenversicherung, des Bundeszentralamts für Steuern und des Kraftfahrtbundesamtes sowie das Vermögensverzeichnis aus einer früheren Vollstreckungshandlung des Gläubigers vorgelegen. Für ihn sei deshalb klar gewesen, dass jede Vollstreckung ohne Aussicht auf Erfolg gewesen sei. Dennoch habe er die Auskunft des Bundeszentralamts für Steuern eingeholt und verlange für die Vermögensauskunft 108,14 €, obwohl er gewusst habe, dass der Schuldner die Vermögensauskunft bereits abgegeben habe. Daher seien die Gebühren in Höhe von 108,14 € nicht geschuldet.
18
Mit Beschluss vom 20.10.2023 half das Amtsgericht der Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers gegen den Beschluss vom 05.10.2023 nicht ab. Zur Begründung führte es aus, eine Hinweispflicht des Gerichtsvollziehers habe vor Einleitung des Auskunftsverfahrens nicht bestanden. Es habe dem Vollstreckungsgläubiger oblegen, vor der Beauftragung selbständig zu überprüfen, ob Einträge im Vollstreckungsportal vorhanden seien.
19
1. Die Beschwerde des Vollstreckungsgläubigers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Miesbach vom 05.10.2023 ist ungeachtet des nicht erreichten Beschwerdewerts aufgrund der Zulassung der Beschwerde durch das Amtsgericht statthaft gem. § 5 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 i.V.m. § 66 Abs. 2 Satz 1, Satz 2 GKG analog. Sie ist auch in zulässiger Weise erhoben.
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2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
21
Die in der Kostenrechnung des Gerichtsvollziehers ausgewiesenen Maßnahmen sind im Auftrag des Vollstreckungsgläubigers durchgeführt worden, die hierfür abgerechneten Kosten sind angefallen und vom Vollstreckungsgläubiger geschuldet.
22
Die Beschwerdekammer schließt sich den Ausführungen des Amtsgerichts Miesbach in dem angefochtenen Beschluss vom 05.10.2023 und in der Nichtabhilfeentscheidung vom 20.10.2023 an.
Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
23
a. Welche Maßnahmen der Gerichtsvollzieher ergreift, unterliegt der Disposition des Vollstreckungsgläubigers. Der Gerichtsvollzieher kann nicht nach eigenem Ermessen Vollstreckungshandlungen vornehmen und Ermittlungen durchführen, sondern ist zwingend aufgrund der Dispositionsmaxime auf den Antrag des Gläubigers angewiesen. Aus dem Wortlaut von § 802a Abs. 2 Satz 1 ZPO ergibt sich, dass der Auftrag und die vollstreckbare Ausfertigung gemeinsam die verfahrensrechtliche Legitimationsgrundlage für die Vollstreckungshandlungen des Gerichtsvollziehers bilden.
24
§ 802a Abs. 2 Satz 2 ZPO macht gleichzeitig deutlich, dass der Gläubiger sowohl die konkreten Vollstreckungsmaßnahmen als auch die Reihenfolge der Durchführung bestimmt. Er kann den Vollstreckungsantrag auf einzelne Maßnahmen beschränken und insbesondere die Vermögensauskunft an den Beginn der Zwangsvollstreckung stellen. Auch kann der Gläubiger isoliert die gütliche Einigung beantragen. Der Ablauf des Vollstreckungsverfahrens liegt damit in den Händen des Gläubigers. Dieser entscheidet mit seinem Antrag über den Beginn der Zwangsvollstreckung, bestimmt die konkreten Vollstreckungsmaßnahmen und deren Reihenfolge (vgl. hierzu MüKoZPO/Forbriger, 6. Aufl. 2020, ZPO § 802a Rn. 4, 5).
25
Jeder Auftrag an den Gerichtsvollzieher löst dabei Kosten aus, § 9 GvKostG i.V.m. Anlage zu § 9 GvKostG. Es obliegt deshalb dem Vollstreckungsgläubiger, vor Auftragserteilung zu prüfen, ob er die Informationen, mit deren Beschaffung er den Gerichtsvollzieher beauftragen könnte, nicht auf andere Weise einfacher, schneller oder wenigstens zu geringeren Kosten erhalten könnte (vgl. Damm, Zwangsvollstreckung für Anfänger, Rn. 43, beck-online, dort zu sonstigen Drittauskunftsersuchen).
26
So wären im vorliegenden Fall bei Einsicht in das Schuldnerverzeichnis, die der Vollstreckungsgläubiger wegen seines berechtigten Auskunftsinteresses ohne weiteres vor der Beauftragung des Gerichtsvollziehers hätte beantragen können und aus dem für ihn ersichtlich gewesen wäre, dass der Schuldner bereits die Vermögensauskunft abgegeben hat, lediglich Gebühren in Höhe von 4,50 € je Datensatz angefallen (Nr. 2.4 Gebührenverzeichnis LJKostG Bayern).
27
Wählt der Vollstreckungsgläubiger – wie hier – bedingte bzw. kombinierte Vollstreckungsaufträge, kann ihm dies die Arbeit erleichtern, weil er mit einem einzigen Auftrag dem Gerichtsvollzieher vorgeben kann, was dieser unter welchen Voraussetzungen zu tun hat. Sonst müsste der Gläubiger immer nach einer Einzelmaßnahme des Gerichtsvollziehers dessen Benachrichtigung abwarten und dann einen neuen Antrag stellen. Das bedeutet zumindest einen Zeitverlust im Vergleich zu einem kombinierten Auftrag. Andererseits muss sich der Gläubiger von Anfang klar sein, was er will, denn sobald der kombinierte Auftrag beim Gerichtsvollzieher ist, wird dieser den Auftrag in der vorgegebenen Weise abarbeiten und der Gläubiger kann u.U. einen Einzelschritt, der sich als nutzlos herausstellt und nur Kosten verursacht, nicht mehr aufhalten (vgl. Damm a.a.O. Rn 256).
28
Dass der Gerichtsvollzieher im vorliegenden Fall die Aufträge des Vollstreckungsschuldners abgearbeitet hat mit der Konsequenz, dass die entsprechenden Positionen abgerechnet wurden, ist daher nicht zu beanstanden.
29
b. Dem steht auch nicht der in § 802a Abs. 1 ZPO postulierte Grundsatz einer effizienten Vollstreckung entgegen. Richtschnur der Vorgehensweise des Gerichtsvollziehers ist danach die möglichst zeitnahe und vollständige Befriedigung des Gläubigers, bei der jeder überflüssige Aufwand vermieden werden soll.
§ 802a Abs. 1 Satz 1 ZPO versteht sich indessen lediglich als programmatische Leitlinie und zugleich als Maßstab für die Rechtsanwendung des Gerichtsvollziehers im Einzelfall. Konkrete Rechtsfolgen sind aus ihr allein jedoch nicht abzuleiten (BT Drs 304/08 Seite 41).
30
Aus § 802a Abs. 2 Satz 2 ZPO folgt zudem weiterhin, dass Art und Umfang des Vollstreckungszugriffs der Gläubiger bestimmt, der seinen Vollstreckungsauftrag auf einzelne Maßnahmen nach Satz 1 beschränken kann (ebd. Seite 42). Hierzu gilt bereits das unter lit. a. Ausgeführte.
31
c. Der Gerichtsvollzieher hat auch nicht gegen den sich aus § 58 Abs. 1 Satz 3 GVGA ergebenden Grundsatz der kostenersparenden Vollstreckung verstoßen, wonach die Vollstreckung nicht nur effektiv und zügig erfolgen soll, sondern auch nur die unbedingt notwendigen Kosten entstehen sollen.
32
Wurde der Gerichtsvollzieher mit einer Pfändung beauftragt (§ 803 ZPO) und hat er begründeten Anhalt dafür, dass die Zwangsvollstreckung fruchtlos verlaufen werde, sendet er gem. § 32 GVGA dem Gläubiger unverzüglich den Schuldtitel mit einer entsprechenden Bescheinigung zurück, wenn der Gläubiger nicht zugleich weitere Aufträge erteilt hat. Dabei teilt er dem Gläubiger mit, dass er den Auftrag zur Vermeidung unnötiger Kosten als zurückgenommen betrachtet. Die Erwartung, dass die Vollstreckung fruchtlos verlaufen werde, kann insbesondere begründet sein, wenn ein Pfändungsversuch gegen den Schuldner in den letzten drei Monaten fruchtlos verlaufen ist oder der Schuldner in den letzten drei Monaten die Vermögensauskunft abgegeben hat und sich daraus keine Anhaltspunkte ergeben, dass er über pfändbare Gegenstände verfügt (Seibel u.a., Zwangsvollstreckungsrecht aktuell, § 4 Die GVGA – Konkrete Regelungen für Vollstreckungspraxis und Verhältnis zwischen Gerichtsvollzieher und Vollstreckungsparteien Rn. 39, 40, beck-online).
33
Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor. Zum einen hat der Vollstreckungsgläubiger dem Gerichtsvollzieher neben dem Pfändungsversuch weitere Aufträge erteilt. Zum anderen sind keine erfolglosen Pfändungsversuche während der letzten drei Monate ersichtlich, die Abgabe der letzten Vermögensauskunft erfolgte ca. 9 Monate vor dem hier gegenständlichen Auftrag des Vollstreckungsgläubigers.
34
In anderen Fällen ist die Erteilung von Fruchtlosigkeitsbescheinigungen nicht vorgesehen und angesichts dessen, dass eine derartige fingierte Antragsrücknahme auch Gefahren für die Gläubiger birgt (z.B. im Hinblick auf Vollstreckungsmaßnahmen, die zum Zweck des Neubeginns der Verjährung gem. § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB durchgeführt werden), auch nicht in entsprechender und/oder erweiternder Anwendung des § 32 GVGA geboten.
35
Hiernach ergab sich im vorliegenden Fall keine Hinweispflicht des Gerichtsvollziehers vor Einleitung des Auskunftsverfahrens auf die bereits abgegebene Vermögensauskunft des Schuldners.
36
d. Auch der Höhe nach ist die Rechnung des Gerichtsvollziehers nicht zu beanstanden:
KV208
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Versuch einer gütlichen Erledigung (2x)
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17,60 €
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37
Zwar hat der Vollstreckungsgläubiger in seinem Vollstreckungsauftrag im Modul „F“ angekreuzt, mit einer Zahlungsvereinbarung nicht einverstanden zu sein. Gleichwohl schließt dies den Anfall von Einigungsgebühren nicht aus (so auch Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 11.05.2017, 12 W 87/16, DGVZ 2017, 211; LG Heilbronn Beschluss vom 25.07.2017, Hn 1 T 290/17, beck-online). Dies gilt im vorliegenden Fall insbesondere auch deshalb, da der Vollstreckungsgläubiger im Modul „E“ zugleich angekreuzt hat, mit einer Abweichung von den Zahlungsmodalitäten nach dem Ermessen des Gerichtsvollziehers einverstanden zu sein. Damit hat er gerade nicht jedwede gütliche Einigung ausgeschlossen, die der Gerichtsvollzieher nach § 802b Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens versuchen soll; die Vornahme von Einigungsversuchen durch den Gerichtsvollzieher war jedenfalls nicht ermessensfehlerhaft.
38
Der Gerichtsvollzieher hat dem Schuldner in seinen Schreiben vom 26.06.2023 und vom 25.07.2023 jeweils den Abschluss von Ratenzahlungsvereinbarungen angeboten und damit zwei Mal auf eine gütliche Einigung hingewirkt. Zwar hätte der Gerichtsvollzieher eine solche Zahlungsvereinbarung nicht abschließend ohne das Einverständnis des Vollstreckungsgläubigers treffen können. Allerdings hätte er für den Fall, dass sich der Schuldner sich hiermit einverstanden erklärt, das Einverständnis des Vollstreckungsgläubigers nachträglich einholen können (vgl. MüKo-ZPO, 6. Auflage 2020, § 802b Rn. 11).
39
Sowohl das Angebot einer Ratenzahlungsvereinbarung in dem Schreiben von 26.06.2023 als auch das im Rahmen der Zustellung der Eintragungsanordnung gem. § 882c Abs. 1 Satz 2 ZPO lässt die Gebühr jeweils entstehen (vgl. hierzu Toussaint/Uhl, 53. Aufl. 2023, GvKostG Abs. KV207 KV 207, 208 Rn. 12).
KV261
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Vermögensverzeichnis an Dritte
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36,30 €
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40
Der Schuldner ist innerhalb von zwei Jahren nach Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c oder nach § 284 der Abgabenordnung nicht verpflichtet, eine weitere Vermögensauskunft abzugeben, es sei denn, ein Gläubiger macht Tatsachen glaubhaft, die auf eine wesentliche Veränderung der Vermögensverhältnisse des Schuldners schließen lassen. Besteht keine Pflicht zur Abgabe einer Vermögensauskunft – wie hier –, leitet der Gerichtsvollzieher dem Gläubiger einen Ausdruck des letzten abgegebenen Vermögensverzeichnisses zu. Die hierfür angefallenen Kosten sind daher zu erstatten. Selbst wenn ein Verzicht des Gläubigers auf die Zuleitung erfolgt wäre – wie nicht – wäre dies, wie sich § 802d Abs. 1 Satz 2, 2. HS ZPO ergibt, unbeachtlich.
KV440
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Einholung eine Auskunft
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14,30 €
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41
Für die auftragsgemäße (Modul M, M2) Einholung der Auskunft des Bundeszentralamts für Steuern ist diese Gebühr angefallen.
KV604
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nicht erledigte Pfändung (KV 205)
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16,50 €
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42
Für den beauftragten Pfändungsversuch (Modul G, G2), der erfolglos blieb, da der Schuldner mehrfach nicht angetroffen wurde, ist diese Gebühr angefallen.
KV711
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Wegegeld bis 10 km (2x)
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6,50 €
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43
Das Wegegeld für den Weg zwischen Miesbach (Sitz des Amtsgerichts) und … ist anlässlich der beiden Pfändungsversuche angefallen.
KV716
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Auslagenpauschale
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16,94 €
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44
Die geltend gemachte Auslagenpauschale von 16,94 € ist nicht zu beanstanden. Sie entspricht 20% der je Auftrag zu erhebenden Gebühren, Anlage (zu § 9) GvKostG, KV716. Im Falle der Gebühr für die Einholung einer Auskunft KV440 ist die Mindestgebühr von 3,- € sogar unterschritten. Hierdurch ist der Beschwerdeführer jedoch nicht beschwert.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 8 GKG analog.
46
Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage, ob der Gerichtsvollzieher bereits vor der Einleitung des Auskunftsverfahrens eine Hinweispflicht auf das Vorliegen einer bereits abgegeben Vermögensauskunft hat, wird die weitere Beschwerde zugelassen, § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 4 GKG analog. Obergerichtliche Rechtsprechung zu dieser Frage liegt – soweit ersichtlich – noch nicht vor.