Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 19.02.2024 – Au 9 K 23.262
Titel:

Informationsanspruch nach dem Umweltinformationsgesetz, personenbezogene Daten, Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Betroffenen (verneint)

Normenketten:
BayUIG Art. 2 Abs. 2
BayUIG Art. 3 Abs. 1 S. 1
BayUIG Art. 8 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Schlagworte:
Informationsanspruch nach dem Umweltinformationsgesetz, personenbezogene Daten, Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Betroffenen (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2024, 5234

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2023 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin als Umweltinformation nach Art. 3 Bayerisches Umweltinformationsgesetz (BayUIG) die jährlichen Abschusszahlen Rehwild seit dem Jagdjahr 2013/2014, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Todesart und der dazugehörigen Zahlen des Abschussplanes für die jeweiligen Jagdjahre, sowie die jährlichen Abschusszahlen Schwarzwild, aufgeschlüsselt nach Geschlecht mit Nummer und Name des Reviers bezüglich der drei streitgegenständlichen Reviere der Hegegemeinschaft ... mitzuteilen.
 II.    Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
III.    Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage Auskunft über die Abschusszahlen und Abschussplanung für Rehwild und Schwarzwild der Hegegemeinschaft ....
2
Die Klägerin beantragte am 2. August 2022 beim Landratsamt ... (Landratsamt) für die Hegegemeinschaft ... Auskunft über die jährlichen Abschusszahlen Rehwild seit dem Jagdjahr 2013/14 und die dazugehörigen Zahlen des Abschlussplanes für die jeweilige Jagdperiode sowie die jährlichen Abschusszahlen Schwarzwild.
3
Die Regierung von ... nahm als höhere Jagdbehörde am 3. August 2022 Stellung und teilte dem Landratsamt mit, dass nach Rücksprache mit dem Staatsministerium für ... (...) bei den Revierinhabern eine Abfrage über die Zustimmung zur Weitergabe der Daten erfolgen solle. Liege keine „begründete Ablehnung“ vor, erfolge die Entscheidung zur Weitergabe durch das Landratsamt.
4
Das Landratsamt gab den betroffenen Revierinhabern sodann die Gelegenheit, sich zur Weitergabe der Zahlen gem. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Bayerisches Umweltinformationsgesetz (BayUIG) zu äußern. 12 der 18 Revierinhaber erteilten der Datenherausgabe ihre Zustimmung. Die Verweigerung der Zustimmung der anderen Revierinhaber erfolgte teilweise mit der Begründung, der Datenempfänger sei nicht bekannt. Erst gegen Herausgabe des Namens des Antragstellers (Klägerin) werde der Datenübermittlung zugestimmt. Außerdem sei eine Zustimmung auch aus Sicherheitsgründen nicht möglich, da es Personen in Deutschland gebe, die Jagdeinrichtungen sabotieren würden. Es habe in einigen Revieren Giftköderfälle gegeben. Ziele dieser Angriffe seien wahrscheinlich Jagdhunde gewesen. Daraufhin holte der Beklagte Auskünfte zu derartigen Vorfällen bei den für das Gebiet zuständigen Polizeiinspektionen ein.
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Am 21. September 2022 übersandte das Landratsamt der Klägerin die erbetenen Daten von 12 Revieren und teilte der Klägerin mit, dass zur Weitergabe der Abschusszahlen die Zustimmung der Revierinhaber hätte eingeholt werden müssen. Einer der Revierinhaber habe im Zuge dessen um Mitteilung des Namens der Klägerin gebeten.
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Mit E-Mail vom 21. September 2022 widersprach die Klägerin der Weitergabe ihrer Daten, da sie die Namen der Jäger auch nicht erhalte.
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Ebenfalls mit E-Mail vom 21. September 2022 teilte die Polizeiinspektion ... mit, dass im Frühjahr/Sommer 2022 keine Anzeigen von Giftköderfällen erfolgt seien.
8
Am 22. September 2022 bezog die Datenschutzbeauftragte des Landratsamtes Stellung. Bei der Bearbeitung des Antrags nach Art. 3 BayUIG handele es sich um eine Verarbeitung personenbezogener Daten. Der Antrag könne abgelehnt werden, soweit bei Bekanntwerden der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt würden. Bei der Weitergabe des Namens der Klägerin an den Jäger handele es sich um die Übermittlung gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Bayerisches Datenschutzgesetz (BayDSG). Da es sich bei den Jägern nicht um eine öffentliche Stelle handele, müsse zunächst ein berechtigtes Interesse dargelegt werden, reine Neugierde reiche nicht aus.
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Den Revierinhabern, deren Zustimmung zur Weitergabe der Daten fehlte, wurde mit Schreiben vom 11. Oktober 2022 erneut Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
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Mit Schreiben vom 25. Oktober 2022 bezog der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz Stellung. Der Anspruch auf Zugang zu Umweltinformationen nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG unterliege nicht seiner Aufsichtszuständigkeit. Daher könne die aufgeworfene, nicht datenschutzrechtliche Frage nicht beantwortet werden. Bezüglich der Frage der Weitergabe der Daten der Klägerin habe in der Vergangenheit ein ähnlicher Sachverhalt beurteilt werden müssen. Dabei sei die Ansicht vertreten worden, dass personenbezogene Daten zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben nur insoweit an Dritte übermittelt werden dürften, wie dies auch erforderlich sei. Im Rahmen der Anhörung nach Art. 8 Abs. 1 Satz 3 BayUIG sei dem Betroffenen auf Verlangen Name und Anschrift des Antragstellers zu benennen, um den im Rechtsstaatsprinzip verankerten Grundsatz der Waffengleichheit zu wahren.
11
Am 20. Dezember 2022 übersandte das Landratsamt die Daten dreier weiterer Reviere an die Klägerin.
12
Am 10. Januar 2023 teilte die Polizeiinspektion ... mit, dass eine Recherche hinsichtlich Giftköderfunden ergebnislos durchgeführt worden sei.
13
Mit Bescheid vom 19. Januar 2023 (Az. 30-7532-7) lehnte das Landratsamt den Antrag der Klägerin vom 2. August 2022 bezüglich drei von 18 Revieren der Hegegemeinschaft ... ab. Die Befürchtungen des Inhabers des Eigenjagdreviers – EJR, Jagdhunde könnten Ziel der Giftköder gewesen seien, seien nicht völlig unbegründet, auch wenn sich der behauptete Sachverhalt durch eine Nachfrage bei den Polizeiinspektionen nicht habe erhärten lassen. Die Berichterstattung in den ... Nachrichten am 17. Januar 2023 über eine unangemeldete Demonstration von Tierschützern bei der Messe „...“ am 15. Januar 2023 in, sei ein Indiz für die aktuelle gesellschaftliche Diskussion über die Jagd. Das Landratsamt sehe daher die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des betroffenen Revierinhabers des EJR, zumal diesem der Empfänger der Daten nicht bekanntgegeben werden dürfe. Ein überwiegendes öffentliches Interesse an den revierbezogenen Daten werde nicht bejaht. Der Gesetzgeber sehe es in Art. 13 Bayerisches Jagdgesetz (BayJG) gerade als Zweck einer Hegegemeinschaft, eine einheitliche großräumige Abschussplanung zu ermöglichen und als Aufgabe, die Abschussplanvorschläge aufeinander abzustimmen. Die Revierinhaber der Gemeinschaftsjagdreviere -GJR- ... und ... würden gegen eine Datenweitergabe einwenden, sie würden den Empfänger nicht kennen und würden zunächst dessen Daten erhalten wollen. Nach Auffassung des Landratsamtes sei unter dem Grundsatz der Waffengleichheit zu verstehen, dass die revierbezogenen Daten als personenbezogene Daten herausgegeben werden können, wenn die Antragstellerin und Datenempfängerin der Nennung ihrer Adresse zustimme.
14
Am 17. Februar 2023 ließ die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben mit dem Antrag:
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I. Der Bescheid des Landratsamts vom 19. Januar 2023 wird aufgehoben.
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II. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Antrag der Klägerin vom 2. August 2022 auf Nennung der jährlichen Abschusszahlen Rehwild seit dem Jagdjahr 2013/2014, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Todesart und der dazugehörigen Zahlen des Abschussplanes für die jeweiligen Jagdjahre, sowie der Nennung der jährlichen Abschusszahlen Schwarzwild, aufgeschlüsselt nach Geschlecht mit Nummer und Name des Reviers bezüglich drei von 18 Revieren der Hegegemeinschaft ... stattzugeben.
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Die Klage sei begründet, da die Ablehnung der beantragten Auskünfte die Klägerin in ihren Rechten verletze. Der Auskunftsanspruch folge aus Art. 3 Satz 1 BayUIG. Bei den begehrten Informationen handele es sich um Umweltinformationen im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 a) BayUIG, über die das Landratsamt als informationspflichtige Stelle verfüge. Versagungsgründe könnten dem Anspruch nicht entgegengehalten werden, da durch die Informationsweitergabe keine schützenswerten Interessen der Revierinhaber beeinträchtigt würden. Es werde bereits die Betroffenen-Eigenschaft der Revierinhaber bestritten. Es seien keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Revierinhaber der EJR ... nach Bekanntgabe der Informationen mit gravierenden negativen Reaktionen rechnen müsse. Selbiges gelte für die Berichterstattung der ... Nachrichten vom 17. Januar 2023. Weiter stelle es keinen Versagungsgrund dar, wenn der Revierinhaber die Daten des Antragstellers nicht erhalte. Das UIG bzw. das BayUIG sehe keine Rechte Dritter auf Nennung des Antragstellers vor. Die Kenntnis des Namens und der Anschrift des Antragstellers sei damit weder erforderlich, noch rechtlich geboten. Besondere Umstände, die vorliegend eine Ausnahme rechtfertigen würden, seien nicht vorgebracht worden. Dies gelte auch für die vorgebrachte „Waffengleichheit“. Der Antragsteller stehe der Staatsgewalt gegenüber und genieße deshalb besonderen Grundrechtsschutz. Die Waffengleichheit werde gerade dadurch hergestellt, dass der Antragsteller seine Daten gegenüber der Behörde nicht preisgeben muss. Dies entspreche dem Grundgedanken und Ziel des Umweltinformationsrechts. Für dieses sei das allgemeine Interesse der Öffentlichkeit an der Transparenz von Umweltinformationen relevant.
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Der Beklagte ist der Klage mit Schriftsatz vom 17. März 2023 entgegengetreten und beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Ablehnung sei nach Beteiligung der Datenschutzbeauftragten des Landratsamtes und des Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz erfolgt. Nach deren Stellungnahme verstehe das Landratsamt unter dem Grundsatz der Waffengleichheit, dass die Revierdaten dann herausgegeben werden, wenn den Revierinhabern die von diesen geforderte Adresse des Antragtellers herausgegeben werde. Die Revierinhaber seien Antragsgegner und damit Beteiligte im Sinne des Verwaltungsverfahrensgesetztes. Die Betroffenen-Eigenschaft sei unstrittig gegeben. Es werde deshalb angeregt, die betroffenen Revierinhaber beizuladen. Bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit der Interessen sehe die untere Jagdbehörde nicht nur die entfernte Möglichkeit von Anfeindungen oder „Selbstjustiz“. Es greife zu kurz, nur auf polizeilich dokumentierte Vorfälle in den drei Revieren abzustellen. In den ... Nachrichten sei beispielsweise am 28. April 2022 von vergiftetem Rotwild im Nachbarlandkreis A. sowie abgetrennten Rehköpfen im Landkreis Ai.-Fr. berichtet worden. Ebenso sei unter anderem in der Deutschen Jagdzeitung am 16. August 2022 von beschädigten Jagdeinrichtungen in Niederbayern berichtet worden. Des Weiteren beziehe sich die vom Bevollmächtigten der Klagepartei vorgebrachte rechtliche Begründung, weshalb die Daten des Antragstellers nicht herauszugeben seien, auf das Immissionsschutzrecht und sei damit mit dem streitgegenständlichen Verfahren im Jagdrecht nicht vergleichbar. Zudem handele es sich bei der Klägerin nicht um einen nach § 3 Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) anerkannten Verband.
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Mit Schreiben vom 28. März 2023 bezog die Klägerin erneut Stellung. Das Landratsamt könne sich nicht auf ein Schreiben des Bayerischen Landesbeauftragten für Datenschutz berufen, da dieser bereits seine Aufsichtszuständigkeit zu Fragen des BayUIG verneint habe, weil es sich um keine Materie des Datenschutzes handele. Ebenso irre die Gegenseite, wenn sie die Revierinhaber als Antragsgegner betrachte. Die Betroffenen-Eigenschaft sei durchaus strittig. Eine solche sei dann gegeben, wenn ein Eingriff in den Schutzbereich eines Grundrechts zu bejahen ist. Dieser habe durch eine Maßnahme der öffentlichen Gewalt zu erfolgen. Da die Klägerin Privatperson sei, sei fraglich, inwieweit diese in Grundrechte der Revierinhaber eingreifen könne. Bei der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 8 BayUIG seien die „... Nachrichten“ und die „... Zeitung“ nicht ausreichend, um eine konkrete oder auch nur abstrakte Gefahr zu bejahen. Ebenso sei eine Vergleichbarkeit von Art. 8 BayUIG mit der Regelung des § 12 Abs. 2 Satz 3 der 9. BImSchV durchaus gegeben. Der angeregten Beiladung werde widersprochen, da diese das Rechtsschutzziel der Klägerin, die gewünschten Informationen zu erlangen, ohne hierfür Name und Anschrift preisgeben zu müssen, konterkariert werde.
22
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
23
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die vom Beklagten vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht konnte über die Klage der Klägerin im Wege des schriftlichen Verfahrens (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit jeweils einverstanden erklärt haben.
25
Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Erteilung von revierbezogenen Umweltinformationen zu (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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1. Der Auskunftsanspruch der Klägerin folgt aus Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG i.d.F. d. Bek. vom 8. Dezember 2006 (GVBl. S. 933; BayRS 2129-1-4-U). Danach hat jede Person nach Maßgabe dieses Gesetzes einen Anspruch auf freien Zugang zu Umweltinformationen, über die eine informationspflichtige Stelle im Sinn des Art. 2 Abs. 1 BayUIG verfügt, ohne ein rechtliches Interesse darlegen zu müssen. Die genannten Tatbestandsvoraussetzungen des Informationsanspruchs sind im Falle der Klägerin gegeben.
27
a) Die Klägerin ist als natürliche Person gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG anspruchsberechtigt und hat mit E-Mail vom 2. August 2022 gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 Satz 1 BayUIG die Gewährung von Informationen zu den Abschusszahlen und Abschussplänen in der Hegegemeinschaft ... beantragt. Das Landratsamt ... ist eine informationspflichtige Stelle im Sinn des Art. 1 Abs. 2, Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 BayUIG, Art. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) und Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 BayVwVfG, an die der Antrag auf Zugang zu den begehrten Informationen zu richten war.
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b) Bei den Informationen über die getätigten Abschusszahlen Rehwild und Schwarzwild sowie die geplanten Abschüsse in der Hegegemeinschaft ... handelt es sich unstreitig um Umweltinformationen im Sinn von Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a) BayUIG.
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Gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a) BayUIG sind Umweltinformationen – unabhängig von der Art ihrer Speicherung – unter anderem alle Daten über Maßnahmen oder Tätigkeiten, die sich auf Umweltbestandteile im Sinn von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 BayUIG oder auf Faktoren im Sinn von Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 BayUIG auswirken oder wahrscheinlich auswirken. Zu den Maßnahmen im Sinn des Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 BayUIG gehören auch Pläne und Programme (Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 HS 2 BayUIG). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die in Art. 2 Abs. 2 BayUIG genannten Fallgruppen weit auszulegen (EuGH, U.v. 17.6.1998 – C-321/96 – juris). Die von der Klägerin begehrten tatsächlichen Abschusszahlen und die geplanten Abschüsse beziehen sich auf Maßnahmen und Tätigkeiten, die sich auf Umweltbestandteile im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 BayUIG, insbesondere auf die Artenvielfalt und ihre Bestandteile, auswirken können und stellen somit Umweltinformationen im Sinn von Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a) BayUIG dar.
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c) Das Landratsamt verfügt als informationspflichtige Stelle über die begehrten Umweltinformationen (vgl. Art. 2 Abs. 3 Satz 1 BayUIG), sodass die Voraussetzungen des Anspruchs nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayUIG vorliegend gegeben sind.
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2. Dem Anspruch der Klägerin auf Zugang zu den begehrten Umweltinformationen können auch keine Versagungsgründe entgegengehalten werden, insbesondere steht der vom Beklagten angeführte Ablehnungsgrund des Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayUIG dem Auskunftsanspruch der Klägerin nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift ist der Antrag abzulehnen, wenn durch das Bekanntwerden der begehrten Informationen personenbezogene Daten offenbart werden und dadurch schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt würden, es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
32
a) Bei den begehrten Informationen über die Abschusszahlen in der Hegegemeinschaft handelt es sich um personenbezogene Daten im Sinn des Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayUIG.
33
Da der Begriff der personenbezogenen Daten weder im BayUIG noch im Umweltinformationsgesetz (UIG) i.d.F. d. Bek. vom 27. Oktober 2014 (BGBl. I S. 1643) näher bestimmt ist, kann für die Auslegung auf die Legaldefinition im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) bzw. in der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zurückgegriffen werden. Danach sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen (vgl. § 46 Nr. 1 BDSG und Art. 4 Nr. 1 DSGVO). Damit sind Daten personenbezogen, wenn sie unabhängig von dem Inhalt der jeweiligen Information eine Aussage über eine Person zulassen (vgl. Karg in: BeckOK Informations- und Medienrecht, Gersdorf/Paal, Stand: 1.11.2020, § 9 UIG Rn. 9). Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayUIG ist daher auch anzuwenden, wenn im Zusammenhang mit den betreffenden Daten keine bestimmten Personen genannt werden, diese aber aufgrund der bekannt gegebenen Daten ohne größeren Aufwand, gegebenenfalls unter Heranziehung von Zusatzwissen, bestimmbar sind. Dabei ist auch etwaiges Zusatzwissen, über das der Informationssuchende oder Dritte nachweislich verfügen, zu berücksichtigen (Reidt/Schiller in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 93. EL Aug. 2020, § 9 UIG, Rn. 9 m.w.N.).
34
Zwar haben die begehrten Informationen keinen unmittelbaren Bezug zu persönlichen Daten einzelner Revierinhaber. Es ist jedoch im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass Abschusszahlen in Revieren zumindest mittelbar Rückschlüsse auf einzelne Revierinhaber zulassen, da ihre Person anhand der Revierbezeichnungen mit einem vertretbaren Aufwand ermittelbar ist. Vor diesem Hintergrund ist nach Auffassung des Gerichts anhand der räumlichen bzw. namentlichen Bezeichnung der Reviere, der einzelne Revierinhaber ohne größeren Aufwand zu ermitteln.
35
b) Ein Versagungsgrund gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayUIG ist jedoch im vorliegenden Fall gleichwohl nicht gegeben, da durch die Informationsweitergabe keine schutzwürdigen Interessen der betroffenen Revierinhaber beeinträchtigt werden.
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Zur Begründung einer Interessenbeeinträchtigung führt das Landratsamt im streitgegenständlichen Ablehnungsbescheid aus, es sei eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Revierinhabers des EJR ... gegeben, da die Befürchtung von Übergriffen nicht völlig unbegründet sei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die vom Revierinhaber vorgetragenen Vorfälle mit Giftködern zutreffend seien. Außerdem sei die unangemeldete Demonstration von Tierschützern bei der Messe „...“ in ... zumindest ein Indiz für die aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen über die Jagd. In der Klageerwiderung wird auf weitere in der Zeitung berichtete Vorfälle mit Rehen und beschädigten Jagdeinrichtungen hingewiesen.
37
Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass durch Informationsweitergabe ausgelöste Anfeindungen oder „Selbstjustiz“ bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit der Interessen berücksichtigt werden können. Allerdings muss die nur entfernte Möglichkeit solcher Reaktionen unberücksichtigt bleiben. Es ist regelmäßig zu prüfen, ob gewichtige Umstände dafür sprechen, dass im konkreten Einzelfall mit Gewaltaktionen, Anfeindungen oder ähnlichen Reaktionen gegen den jeweiligen Inhaber der personenbezogenen Daten gerechnet werden muss. Anderenfalls könnten Informationsansprüche allzu leicht unter einem Vorwand ausgeschlossen und das der gesetzlichen Regelung zu Grunde liegende Regel-Ausnahme-Verhältnis konterkariert werden (vgl. BayVGH, B.v. 22.11.2000 -ZE 00.2779 – NVwZ 2001, 342, 343; Reidt/Schille in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand: 93. EL Aug. 2020, § 9 UIG, Rn. 14b).
38
Im vorliegenden Fall sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass einzelne Revierinhaber nach Bekanntgabe der revierbezogenen Abschusszahlen an die Klägerin mit gravierenden negativen Reaktionen bestimmter Interessengruppen rechnen müssen. Im Verwaltungsverfahren wurde lediglich vorgebracht, dass es Giftköderfälle in der Nähe des Reviers gegeben habe und diese wahrscheinlich gegen Jagdhunde gerichtet gewesen seien. Derartige Vorfälle wurden durch die kontaktierten Polizeiinspektionen nicht bestätigt. Selbst wenn es tatsächlich zu Vorfällen dieser Art gekommen sein sollte, so sind keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür gegeben, dass sich diese wegen des Unmuts gegenüber der Tätigkeit der Jäger gezielt gegen die Hunde der Revierinhaber richten sollten. Auch aus der vom Landratsamt vorgebrachten unangemeldeten Demonstration von Tierschützern gegen das Jagen und Fischen kann nicht der Schluss gezogen werden, dass es durch Weitergabe der revierbezogenen Abschusszahlen zu gravierenden Anfeindungen gegenüber einzelnen Revierinhabern kommen wird. Bei der Demonstration handelt es sich um eine allgemeine Meinungskundgabe, die keinerlei Bezug zu den vom Antrag der Klägerin umfassten Revieren hat. Der Umstand, dass Demonstrationen gegen das Jagen allgemein stattfinden, begründet allein noch keine konkrete Gefahr für die Revierinhaber, durch die Herausgabe der Abschusszahlen erheblichen Anfeindungen ausgesetzt zu sein. Auch die vom Beklagten angeführten Berichte über abgetrennte Rehköpfe oder beschädigte Jagdeinrichtungen führen zu keiner anderen Beurteilung. Auch diese Vorfälle weisen keinen Bezug zu den hier streitgegenständlichen Revieren auf. Anhaltspunkte für mögliche Gewalt- oder Racheaktionen gegen die Revierinhaber sind damit nicht ersichtlich. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass durch die Weitergabe der Daten mit Racheaktionen oder Anfeindungen seitens der Klägerin zu rechnen ist.
39
Das Landratsamt konnte den Antrag nicht unter Berufung auf die verweigerte Zustimmung der Revierinhaber ablehnen. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayUIG bestimmt, dass soweit durch das Bekanntgeben der Informationen personenbezogene Daten offenbart und dadurch schutzwürdige Interessen der Betroffenen beeinträchtigt würden, der Antrag abzulehnen ist, es sei denn, die Betroffenen haben zugestimmt oder das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe überwiegt. Die Zustimmung der Revierinhaber ist damit nur dann zur Weitergabe der Informationen erforderlich, wenn eine Beeinträchtigung der schutzwürdigen Interessen bereits festgestellt ist. Verweigern die Betroffenen in diesem Fall ihre Zustimmung, so kann dem Antrag nur stattgegeben werden, wenn das öffentliche Interesse an der Bekanntgabe das Interesse des Betroffenen überwiegt. Für den Fall, dass bereits keine Beeinträchtigung vorliegt, kann die Behörde somit dem Antrag auch trotz verweigerter Zustimmung stattgeben.
40
Wie oben bereits ausgeführt, liegt eine Beeinträchtigung i.S.d. Art.8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayUIG in Bezug auf die drei Revierinhaber nicht vor. Der Umstand, dass die Revierinhaber die Weitergabe der Daten verweigert haben, weil sie zunächst die Daten der antragstellenden Person erhalten wollen, hindert die Behörde damit nicht an der Weitergabe der Abschusszahlen. Die Zustimmung der Revierinhaber war zur Stattgabe des Antrags in diesem Fall nicht erforderlich. Unabhängig davon sieht das Gesetz keine Regelung dahingehend vor, dass der Antragsteller im Gegenzug für die beantragten Informationen seine persönlichen Daten wie Name und Anschrift herausgeben muss und bei einer Weigerung die Behörde dessen Antrag ablehnen darf. Die Ablehnungsgründe sind in Art. 7 und Art. 8 BayUIG abschließend geregelt und sehen einen derartigen Ablehnungsgrund nicht vor. Die Behörde kann sich somit nicht darauf berufen, dass nach dem Prinzip der Waffengleichheit die Klägerin der Herausgabe ihrer Daten zustimmen muss, um die beantragten Informationen zu erhalten. Anhaltspunkte hierfür bietet auch der UIG Leitfaden. In diesem wird bei der Prüfung der Ausnahmetatbestände des § 9 UIG, der inhaltlich Art. 8 BayUIG entspricht, ausgeführt, dass bei der Anhörung des Dritten (hier den Revierinhabern) zu klären ist, ob Name und Anschrift der antragstellenden Person zu offenbaren sind. Die Stellungnahme des Dritten solle nicht durch mögliche Kenntnisse über die Person des Antragstellers oder die Antragstellerin beeinträchtigt werden, soweit dies nicht aus besonderen Umständen angezeigt ist. Außerdem soll vermieden werden, dass der Dritte Versuche unternimmt, die antragstellende Person in der Ausübung ihres Rechts auf Informationszugang zu beeinflussen (vgl. Entscheidungshilfe für BMU-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Anwendung des Umweltinformationsgesetzes (UIG), Stand: 24.1.2020, Seite 30). Das zeigt, dass auf Verlangen des Dritten nicht notwendigerweise die Daten der antragstellenden Person im Gegenzug für die verlangten Informationen herausgegeben werden müssen. Bei der Frage, ob die persönlichen Daten des Antragstellers an den Dritten weitergegeben werden sollen, geht es vielmehr darum, ob dies für den Dritten notwendig ist, um ausreichend zur beabsichtigten Informationsweitergabe Stellung zu nehmen. Die Anhörung und Informationsweitergabe haben somit grundsätzlich ohne Preisgabe der Daten der antragstellenden Person zu erfolgen. Besondere Umstände, die eine Weitergabe von Name und Anschrift der Klägerin im Rahmen der Anhörung der Revierinhaber rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich und wurden auch von der Behörde nicht vorgebracht. Somit kann der Beklagte erst Recht nicht den Anspruch der Klägerin von der Weitergabe ihrer persönlichen Daten abhängig machen.
41
Ob ein überwiegendes öffentliches Interesse i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayUIG vorliegt, kann demnach dahinstehen, da bereits keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen vorliegt.
42
c) Da der Antrag der Klägerin auch offensichtlich nicht missbräuchlich im Sinn des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 BayUIG gestellt wurde, ist der Klage stattzugeben. Der Informationszugang ist gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BayUIG durch Auskunftserteilung zu erfüllen, weil dies von der Klägerin beantragt wurde und eine angemessene Art, die Information auf andere Weise zugänglich zu machen, nicht besteht.
43
3. Lediglich ergänzend ist auszuführen, dass eine Beiladung der drei betroffenen Revierinhaber nach § 65 VwGO nicht erforderlich war. Eine notwendige Beiladung i.S.d. § 65 Abs. 2 VwGO lag nicht vor, da die Revierinhaber an dem Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Behörde nicht derart beteiligt sind, dass die gerichtliche Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Eine einfache Beiladung hat das Gericht ebenfalls nicht als zweckmäßig erachtet. Die Revierinhaber wurden im Rahmen des behördlichen Verfahrens angehört und haben damit die Gelegenheit erhalten, sich zur Sache zu äußern. Zwar sind sie von der Weitergabe ihrer Abschusszahlen betroffen. Ziel des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist jedoch nicht, jeden am Gerichtsverfahren zu beteiligen, dessen Interessen durch die Entscheidung berührt werden können (vgl. Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 65 Rn. 6). Anhaltspunkte dafür, dass eine Beteiligung im Gerichtsverfahren zur Wahrnehmung ihrer Rechte erforderlich gewesen wäre, lagen nicht vor.
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4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
45
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).