Titel:
Erfolglose Asyklage (Uganda)
Normenketten:
GG Art. 16a Abs. 1
AsylG § 3, § 4, § 74 Abs. 1
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsatz:
Fehlt ein konkreter Nachweis dazu, dass die Sendung an diesem Tag einer empfangsberechtigten Person des Zustelladressaten übergeben worden ist oder nur eine Benachrichtigung über die Sendung in den Briefkasten eingeworfen wurde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass das zuzustellende Schriftstück damit in den Machtbereich des Empfängers und diesem somit zugegangen ist. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylklage, Klagefrist, Einschreiben, Zugang nicht eindeutig nachweisbar, Uganda, Politische Unterstützung der N..., unglaubhaft, Asyl, Unglaubhaftigkeit des Vortrags, Zustellungsnachweis
Fundstelle:
BeckRS 2024, 5219
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die 1997 geborene Klägerin zu 1, die Kläger zu 2 bis 4 – deren 2015, 2017 und 2020 geborene Kinder – sind ugandische Staatsangehörige. Sie reisten am … 2021 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten hier am … 2021 einen Asylantrag.
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Bei ihrer Anhörung trug die Klägerin zu 1 vor, dass sie Uganda aufgrund einer politischen Verfolgung verlassen habe. Ihr Lebenspartner habe sehr viel Geld in die Partei N... investiert. Am … Mai 2021 seien Männer in ihr Haus eingedrungen, hätten sie zusammengeschlagen, ihre Kinder mit Waffen bedroht und die Klägerin zu 1 entführt. Sie habe mit den anderen Gefangenen nicht reden können. Die Gefangenen seien sehr schlecht behandelt worden. Am siebten Tag sei sie von einem Mann geschlagen worden. Ein anderer Mann habe den Vornamen der Klägerin zu 1 gehört und sie habe ihn sagen hören, dass man sie nicht hätte verhaften sollen. In der kommenden Nacht sei sie freigelassen worden. Nachdem sie festgestellt habe, dass ihre Kinder unversehrt geblieben seien, da sie sich bei der Mutter der Klägerin zu 1 aufgehalten hätten, sei sie ausgereist. Sie habe Wähler für die Partei angeworben. Für die Kläger zu 2) bis 4) wurden keine weiteren eigenen Asylgründe angegeben.
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Mit Bescheid vom ... 2022 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Der Bescheid wurde am … 2022 gegen Einschreiben zugestellt.
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Die Klagepartei hat am 4. Oktober 2022 Klage erhoben und beantragt,
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Die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom ... 2022 – zugestellt am … 2022 – zu verpflichten, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen und sie als Asylberechtigte anzuerkennen, hilfsweise den Klägern subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote hinsichtlich Uganda vorliegen.
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Der Vortrag der Klägerin zu 1 sei glaubhaft. Das ugandische Regime habe versucht, durch Druck auf die Klägerin zu 1 ihren Lebenspartner von einer weiteren Unterstützung der Oppositionspartei N... abzuhalten. Die Klägerin zu 1 sei innerhalb der N... aktiv und in dieser Partei für das Anwerben von (zukünftigen) weiblichen Parteimitgliedern und Wählerinnen zuständig gewesen.
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Das Bundesamt hat die Akten vorgelegt und beantragt,
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Am 26. Februar 2024 fand mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie insbesondere hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf die Niederschrift vom 26. Februar 2024 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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1. Das Gericht muss von der Zulässigkeit der Klage ausgehen, insbesondere der Einhaltung der Klagefrist von zwei Wochen nach Zustellung der Klage (§ 74 Abs. 1 Halbsatz 1 des Asylgesetzes/AsylG). Zwar ist auf Blatt 330 der Bundesamtsakte ein Ausdruck der D. P. AG enthalten, in dem unter „Sendungsverfolgung“ angegeben ist, dass die Sendung am … 2022 zugestellt worden sei. Es fehlt jedoch ein konkreter Nachweis dazu, dass die Sendung an diesem Tag einer empfangsberechtigten Person des Zustelladressaten übergeben worden ist oder nur eine Benachrichtigung über die Sendung in den Briefkasten eingeworfen wurde (zu den beiden Formen der Zustellung eines Einschreibebriefes: BGH, U.v. 27.9.2016 – II ZR 299/15 – BGHZ 212, 104, juris Rn. 23). Denn der Einwurf der Benachrichtigung über das Einschreiben bedeutet nicht, dass das zuzustellende Schriftstück damit in den Machtbereich des Empfängers und diesem damit zugegangen ist (BGH, B.v. 20.10.1983 – III ZR 42/83 – juris Rn. 4). Da der Zugang des Bescheids am … 2022 nicht nachgewiesen werden kann, ist vom Zugang des Schriftstücks am … 2022 (Eingangsstempel der Kanzlei der Klägerbevollmächtigten) auszugehen. Damit ist die Klageerhebung am Dienstag, … Oktober 2022, fristgerecht erfolgt, nachdem der … Oktober 2022 ein bundeseinheitlicher Feiertag ist.
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
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Die Kläger haben kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert, das die Anerkennung als Asylberechtigte (Art. 16a Abs. 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland – Grundgesetz/GG) wie auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG) rechtfertigen würde. Da für die Kläger zu 2) bis 4) als Kinder der Klägerin zu 1) keinen eigenen Asyl- und Fluchtgründe vorgetragen sind, kommt es maßgeblich für alle Kläger auf die von der Klägerin zu 1) vorgetragenen Asyl- und Fluchtgründe an.
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a) Der Vortrag der Klägerin zu 1) ist unglaubhaft. Das gilt insbesondere für ihren Vortrag, sie sei als herausgehobene Aktivistin der Partei N... ins Visier des Regimes geraten. Die Klägerin zu 1) mag einfaches Mitglied der N... sein. Aus der bloßen Mitgliedschaft erwächst aber keine Verfolgungsgefahr.
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Ihr angebliches Engagement für die Partei hat die Klägerin zu 1) aber widersprüchlich und damit unglaubhaft vorgetragen. Bei der Anhörung vor dem Bundesamt hat sie an zwei Stellen auf entsprechende Frage ausdrücklich angegeben, „Wähler angeworben“ zu haben. In der mündlichen Verhandlung hat sie angegeben, versucht zu haben „Menschen für die Partei zu mobilisieren“, also auch Mitglieder anzuwerben. Im Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom … Januar 2024 ist sogar davon die Rede, dass die Klägerin zu 1) führende Person für das Anwerben von (zukünftigen) weiblichen Parteimitgliedern bzw. Wählerinnen gewesen sei. Wenn der Klägerin zu 1) ihr Eintreten für die Partei N... so wichtig war, dann muss andererseits erwartet werden, dass sie diese Tätigkeit stringent und durchgängig logisch vorträgt. Das ist aber nicht der Fall. Denn das Werben um Wählerstimmen, indem sie zu den Personen nach Hause gegangen sei und sie angesprochen habe, den Präsidentschaftskandidaten der N... zu unterstützen und ihn zu wählen (Anhörung S. 7), ist etwas anderes als das Anwerben neuer Parteimitglieder, erst recht in angeblich herausgehobener Funktion. Letzteres hat sie in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich nicht vorgetragen. Die von ihr gegebene Erklärung hierzu, dass sie bei der Anhörung vor dem Bundesamt nicht ganz konzentriert gewesen sei, überzeugt nicht. Denn der Klägerin zu 1) musste aufgrund der Belehrungen und der Begleitung durch ihren Bevollmächtigten klar sein, dass sie alle Gründe für ihre Flucht umfassend und wahrheitsgemäß vorzutragen hatte. Hinzu kommt, dass ihr das Anhörungsprotokoll rückübersetzt wurde und vermerkt ist, dass es zu keinen Verständigungsschwierigkeiten gekommen ist.
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Hinzu kommt, dass die Klägerin zu 1) bei der Anhörung vor dem Bundesamt ebenfalls nicht angegeben hat, dass sie gegen Lösegeld freigelassen worden sei. Hierzu wurde auch eine eidesstattliche Versicherung eines angeblichen Sicherheitsbeamten in Uganda vorgelegt. Diesen für die Fluchtgründe wichtigen Umstand hat sie bei der Anhörung nicht erwähnt. Als Grund für ihre Freilassung hat sie vor dem Bundesamt angegeben, dass einer ihrer Bewacher gesagt haben soll, dass sie „diese Frau“ – gemeint ist die Klägerin zu 1) – nicht hätten verhaften sollen. Die Freilassung gegen Lösegeld stellt aber einen erheblich anderen Umstand dar. Bei einer wahrheitsgemäßen Schilderung ihrer Verfolgungsgründe ist zu erwarten, dass auch dieser Umstand mit erwähnt wird. Da das nicht erfolgt ist, belegt das ebenso den Eindruck der Unglaubhaftigkeit ihres Vortrags. Die von ihr hierzu gegebene Erklärung, dass der Dolmetscher vielleicht falsch übersetzt habe, überzeugt nicht. Denn – wie oben dargelegt – wurde ihr das Anhörungsprotokoll rückübersetzt und vermerkt, dass es zu keinen Verständigungsschwierigkeiten gekommen ist. Auch der Einwand, dass sie Angst gehabt habe, da sie noch nie in einer solchen Anhörungssituation gewesen sei, kann das Fehlen eines wesentlichen Punktes in den Verfolgungsgründen nicht erklären. Denn ihr musste die Bedeutung der Anhörung klar sein und ihr stand zur Unterstützung ihr Bevollmächtigter zur Seite.
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Insgesamt wirkte der Vortrag der Klägerin zu 1) zu ihrer angeblichen Tätigkeit auch sehr oberflächlich und detailarm. Das gilt auch für die Gründe, warum sie sich für die Partei N... eingesetzt haben will. Die Verengung der Zielsetzung auf die Verbesserung der Schulbildung und das Leben in Freiheit stellt die Wiedergabe von äußerst allgemeinen Standpunkten dar. Der Vortrag der Klägerin zu 1) wirkte insoweit emotionslos, platt und aufgesetzt, wie die Wiedergabe auswendig gelernter Punkte. Auch das unterstreicht den Eindruck der Unglaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin zu 1).
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Soweit die Klägerin zu 1) eine eidesstattliche Versicherung eines angeblichen Sicherheitsbeamten in Uganda vorgelegt hat, dass sie entführt und gegen Lösegeld freigekommen sei, bedingt das keine Umstände, die Glaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin zu 1) anders zu bewerten. Zum einen fehlt im Vortrag der Klägerin zu 1) die Freilassung gegen Lösegeld. Zum anderen ist Kernpunkt der Bewertung der Glaubhaftigkeit des Vortrags der Klägerin zu 1) dessen Stringenz und der persönliche Eindruck auf das Gericht. Wie oben dargelegt, ist der Vortrag der Klägerin zu 1) nach deren persönlichen Eindruck als unglaubhaft zu bewerten. Die vorgelegt eidesstattliche Versicherung kann diesen Eindruck nicht erschüttern.
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Das gilt auch für den vorgelegten Zeitungsartikel aus der Zeitung „D. M.“. Wenn die Klägerin zu 1) dort namentlich als „Mitglied der N...“ angegeben wird und als „oppositionelle Aktivistin“ bezeichnet wird, die sich der N... zuschreibe, so ist dieser Text bereits nicht stringent formuliert. Wenn die Klägerin zu 1) Mitglied der N... ist, dann ist die im Satz zuvor stehende Angabe, dass sie sich der N... „zuschreibe“ sinnentleert. Soweit dort angegeben ist, dass die Klägerin zu 1) angeblich die wichtigste N...-Mobilisatorin für Frauen im N D gewesen sei, so steht das in Widerspruch zu ihren eigenen Angaben und ihren oberflächlichen Darstellungen ihrer Tätigkeit und der Parteiziele. Den im Artikel dargestellten Tatsachen kann daher keine Authentizität beigemessen werden. Es ist daher auch nicht glaubhaft, wenn die Klägerin zu 1) beim Bundesamt angegeben hat, dass sie bei einer Rückkehr nach Uganda wieder politisch für die N... tätig sein wolle.
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Für die Kläger zu 2) bis 4) wurden keine eigenen Asyl- und Fluchtgründe vorgetragen.
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b) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Insbesondere für das Vorliegen von krankheitsbedingten Abschiebungshindernissen ist konkret weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
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c) Es sind daher auch keine Gesichtspunkte ersichtlich, die ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnten. Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes verwiesen (§ 77 Abs. 2 Asylgesetz/AsylG).
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Da die Klägerin zu 1) vor ihrer Ausreise ihren Lebensunterhalt ohne weiteres bestreiten konnte, wird ihr das auch bei einer Rückkehr nach Uganda möglich sein. Insbesondere konnte sie die nicht unerheblichen Mittel für die Ausreise ihrer gesamten Familie aus Uganda nach Deutschland aufbringen. Es ist daher zu erwarten, dass sie nach einer Rückkehr nach Uganda in der Lage sein wird, das Existenzminimum für sich und ihre Familie aufzubringen. Im Übrigen kann sie hierfür – landesüblich – auch auf die Hilfe ihrer Familie verwiesen werden.
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3. Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
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Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes vom 6. April 2023 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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4. Die Kläger haben als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.