Titel:
Asylklage, Ugander, Homosexualität, Unglaubhaft, Zeuge
Normenketten:
AsylG § 3
AsylG § 78
AufenthG § 60
Schlagworte:
Asylklage, Ugander, Homosexualität, Unglaubhaft, Zeuge
Fundstelle:
BeckRS 2024, 5217
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der 1985 geborene Kläger ist ugandischer Staatsangehöriger, reiste am … 2020 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am … Mai 2020 einen Asylantrag.
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Bei seiner Anhörung am … Juli 2020 und … August 2020 trug er vor, dass er Uganda aufgrund seiner Homosexualität verlassen habe. Er habe seine Homosexualität, die er im Alter von 13 Jahren bemerkt habe, im Geheimen ausgelebt. Im Alter von 16 Jahren – im Jahr 2001 – sei er deswegen der Schule verwiesen worden. Seine Familie habe dann davon erfahren und sein Verhalten missbilligt. Er habe auch eine Frau in einer arrangierten Ehe geheiratet und habe mit dieser Frau ein Kind. Er habe daneben eine Beziehung zu einem Mann in Uganda gehabt sowie einem Mann, der überwiegend in Italien gelebt habe und zu Besuchen in Uganda gewesen sei. Er habe seinen Freund Mitte Juli 2017 öffentlich geküsst. Danach sei er zusammengeschlagen worden und habe im Krankenhaus behandelt werden müssen. Mit diesem Freund habe er sich immer in den selben Hotels getroffen. An den Namen der Hotels könne er sich aber nicht erinnern. Er sei vom Dorfvorsteher mit Schreiben vom ... August 2017 aufgefordert worden, aus dem Stadtteil zu verschwinden, da er homosexuell sei. Er könne seit 2017 auch nicht mehr in die Kirche gehen, da er dort aufgrund seiner Homosexualität verspottet werde. Außerdem habe er in Uganda einen Drohbrief erhalten. Sonst habe er keine Probleme gehabt. Er habe auch Schwierigkeiten gehabt, Arbeit zu finden und habe sich in seiner Nachbarschaft immer als Außenseiter gefühlt. Die Regierung wolle außerdem ein Gesetz verabschieden, das die Strafbarkeit homosexueller Handlungen verschärfe. Er habe Angst vor Verfolgung in Uganda.
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Er habe dann mit Hilfe seines in Italien lebenden Freundes Uganda verlassen. Dieser habe alles organisiert und bezahlt. Nach seiner Ankunft in Deutschland sei er von diesem in die Niederlande gebracht worden. Er sei von diesem Freund und einem anderen Mann für zwei Monate in ein Haus eingesperrt worden. Dort habe er als Gegenleistung für seine Ausreise weißes Pulver in kleine Tütchen verpacken müssen, das die anderen Männer manchmal auch konsumiert hätten. Er habe seinen Reisepass in einer Schublade gefunden und sei weggelaufen. Dann habe er in den Niederlanden einen Asylantrag gestellt und sei nach Deutschland abgeschoben worden.
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Mit Bescheid vom … Januar 2021 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Der Bescheid wurde dem Kläger am … Januar 2021 zugestellt.
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Die Klagepartei hat am 28. Januar 2021 Klage erhoben und beantragt,
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Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom ... Januar 2021, zugestellt am … Januar 2021, verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen;
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Dem Kläger subsidiären Schutz gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 des Asylgesetzes (AsylG) zuzuerkennen;
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Festzustellen, dass Abschiebungsverbote hinsichtlich Uganda nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vorliegen.
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Der Kläger sei an das … – Schwules Kommunikations- und Kulturzentrum … e.V. angebunden, besuche dieses regelmäßig und habe an verschiedenen Demonstrationen für die Recht homosexueller Menschen teilgenommen. Hierfür wurde auch eine Bescheinigung von … vom … Juli 2021 sowie verschiedene Fotos vorgelegt.
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Das Bundesamt hat die Akten vorgelegt und keinen Antrag gestellt.
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Am 26. Februar 2024 fand mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Niederschrift vom 26. Februar 2024 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG), da er kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert hat, das diese Zuerkennung rechtfertigen würde.
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b) Der Vortrag des Klägers, insbesondere hinsichtlich einer befürchteten Verfolgung aufgrund seiner Homosexualität bei einer Rückkehr nach Uganda, ist unglaubhaft.
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Gerade in einer Gesellschaft wie der in Uganda, die gleichgeschlechtlicher Sexualität ablehnend gegenübersteht, ist das Bewusstwerden der eigenen homosexuellen Sexualität ein Schritt, der eine Abweichung der persönlichen sexuellen Orientierung von der gesellschaftlich erwarteten Orientierung bedingt. Das bedeutet eine Distanzierung von den gesellschaftlichen Konventionen, was sich nicht in einem einfachen Erkennen der eigenen abweichenden Orientierung erschöpft, sondern einen Prozess erfordert – gerade in einem eine solche Form der Sexualität ablehnenden Umfeld. Hierzu hat der Kläger nichts Substantiiertes vorgetragen. Das „innere Ringen“ zwischen den erwarteten gesellschaftlichen Konventionen und der Erkenntnis bzw. dem Nachgeben der eigenen sexuellen Veranlagung ist auch nicht nachvollziehbar vorgetragen worden (vgl. hierzu Berlit/Dörig/Storey, ZAR 2016, 332 ff.).
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Soweit der Kläger hierzu in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass „das seine Gefühle sind, die er nicht ändern kann“ sowie „wenn man weiß, was man fühlt, kann man das nicht ändern“, so wirkt das vage und aufgesetzt. Ein „inneres Ringen“ oder einen „Zwiespalt“ zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen und dem Nachgeben zugunsten seiner angeblich homosexuellen Veranlagung hat der Kläger nicht schlüssig und nachvollziehbar vorgetragen. Auch nachdem er mehrmals auf diese Problematik hingewiesen worden ist, hat er dazu nur ausgeführt, dass er ein „geheimes Leben“ geführt habe und „sein Leben so im Geheimen weitergeführt“ habe, so wirkt das ebenfalls sehr oberflächlich. Angesichts der grundsätzlichen Ablehnung von Homosexualität in Uganda ist das Ausleben dieser Form der Sexualität ein weitreichender Schritt. Eine Abwägung, der eigenen sexuellen Veranlagung dennoch nachzugeben und das damit verbundene Risiko in Kauf zu nehmen, muss nachvollziehbar und schlüssig geschildert werden. Das ist mit den vom Kläger erfolgten Äußerungen jedoch nicht erfolgt. Insgesamt hat der Kläger hierzu nur oberflächliche Angaben gemacht.
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Daran ändert nichts, dass der Zeuge P.V., der den Kläger seit Jahren betreut, einen anderen Eindruck haben will und das am Verhalten gegenüber Frauen und Männern sowie dem Verhalten schwulen Männern gegenüber festmacht. Denn das stellt einen im Wesentlichen auf Verhaltensbeobachtungen basierten subjektiven Eindruck dar. Dabei sind diese Beobachtungen wohl auch häufig innerhalb einer Gruppe gemacht worden. Zudem ist Verhalten vielfach auch steuerbar. Dieser Aussage kann daher nur ein geringer Beweiswert beigemessen werden.
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Diese Aussage kann die Bewertung des Gerichts, dass der Vortrag des Klägers zu dessen angeblicher Homosexualität unglaubhaft ist, nicht erschüttern. Denn die Frage, ob ein homosexueller Mensch seiner Veranlagung folgen soll, obwohl die gesellschaftlichen Konventionen und auch Strafgesetze in Uganda das nicht erlauben, ist ein ganz zentraler Punkt im Rahmen der Erkenntnis bzw. dem Nachgeben der eigenen sexuellen Veranlagung. Hier hatte das Gericht fast den Eindruck, dass der Kläger die Grundproblematik nicht versteht. Insbesondere auf eine eingehendere und ausdrückliche Nachfrage seiner Bevollmächtigten zur Problematik des „inneren Ringens“ kam dazu lediglich die Antwort, dass er sein „Leben so im Geheimen weitergeführt“ habe. Die oberflächlichen und platten Antworten zu dem inneren Konflikt zwischen eigener Veranlagung und gesellschaftlicher Erwartung bzw. gesellschaftlichem Erlaubtsein bedingen, dass die vom Kläger vorgetragene Homosexualität unglaubhaft ist. Denn diese Grundfrage stellt sich insbesondere in Uganda, in der Homosexualität gesellschaftlich verpönt und homosexuelle Handlungen strafbar sind.
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Unterstrichen wird der Eindruck der Unglaubhaftigkeit des Vortrags durch den Umstand, dass der Kläger seinen Freund in der Öffentlichkeit geküsst hat. Wenn er um die Gefahr homosexueller Handlungen gewusst haben will – wobei er immer wieder betont hat, dass er seine homosexuelle Veranlagung betreffend ein Leben im Geheimen geführt haben will, so wirkt die hierfür gegebene Erklärung nicht nachvollziehbar und aufgesetzt, dass die beiden Männer ihre Gefühle überwältigt hätten. Sie hätten auch nicht gedacht, dass sie jemand dabei habe beobachten können. Weiter hat der Kläger seinen Vortrag auch insoweit gesteigert, dass er vorgetragen hat, mit dem Tod bedroht worden zu sein, falls er nochmals in sein Dorf zurückkehren sollte. Zudem hat er vor Gericht angegeben, Männern manchmal „an den Hintern gefasst zu haben“ – das hat er beim Bundesamt nicht angegeben.
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Auch die Suche nach einem Partner hier in Deutschland wirkt oberflächlich, detailarm und daher nicht glaubhaft.
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In der Gesamtschau wirkt der gesamte Vortrag, insbesondere hinsichtlich der angeblichen Homosexualität, äußerst oberflächlich, vage, widersprüchlich und aufgesetzt.
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c) Das von der Klagepartei beim Bundesamt vorgetragene Engagement in einer Organisation, die homosexuelle Menschen betreut und berät sowie die Teilnahme an Veranstaltungen, bei denen für die Recht gleichgeschlechtlicher Menschen eingetreten wurde, kann den Kläger nicht davon befreien, seine homosexuelle Veranlagung glaubhaft darzulegen. Das hat der Kläger nicht getan.
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d) Die von anderen Verwaltungsgerichten in Bezug auf Homosexuelle in Uganda vertretene Ansicht (vgl. VG Regensburg, U.v. 4.9.2017 – RN 1 K 17.32818 – juris S. 12 m.w.N.), dass insoweit die Voraussetzungen der § 3 ff. AsylG erfüllt wären, kommt für den vorliegenden Fall von vornherein nicht zum Tragen. Denn der Kläger hat nicht glaubhaft vortragen können, homosexuell zu sein. Zur weiteren Begründung kann auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes verwiesen werden (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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e) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten.
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Für das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich.
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Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
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Zur weiteren Begründung wird auf den bereits zitierten Bescheid des Bundesamtes verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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2. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.