Titel:
Asylklage, Ugander, Homosexualität, Unglaubhaft, Gefälschtes Dokument, Auskunft Auswärtiges, Amt, Offensichtlich unbegründet
Normenketten:
AsylG § 3
AsylG § 78
AufenthG § 60
Leitsätze:
1. I. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
2. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Schlagworte:
Asylklage, Ugander, Homosexualität, Unglaubhaft, Gefälschtes Dokument, Auskunft Auswärtiges, Amt, Offensichtlich unbegründet
Fundstelle:
BeckRS 2024, 5202
Tatbestand
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Der 1987 geborene Kläger ist ugandischer Staatsangehöriger, reiste am *. Juni 2019 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am … August 2019 einen Asylantrag.
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Bei seiner Anhörung am … Oktober 2019 trug er vor, dass er Uganda aufgrund seiner Homosexualität verlassen habe. Er habe am … Oktober 2014 mit seinem damaligen Partner Geburtstag gefeiert. Auf der Toilette eines Clubs seien beide beim Sex erwischt worden. Dann hätten Sicherheitsleute beide geschlagen und die Polizei gerufen. Nach zwei Tagen in Haft habe der Kläger seine Eltern anzurufen. Diese seien dann gekommen und sein Vater habe ihn beschimpft. Er sei dann wieder in die Zelle gekommen und in ein „Safehouse“ gebracht worden. Dort sei er gefoltert worden, da man von ihm habe erfahren wollen, ob er noch weitere Homosexuelle kenne. Dort sei er krank geworden und in ein Krankenhaus gekommen. Ein Bewacher habe ihm gesagt, dass er fliehen könne. Darauf sei er auf eine Kaffeeplantage gegangen und habe dort von Dezember 2014 bis Dezember 2016 gearbeitet. Er sei dann nach K* … zurückgegangen und habe eine Anstellung als Lehrer gefunden. Dort habe er von 2017 bis 2019 gearbeitet. Dann seien die Eltern seines Partners auf ihn aufmerksam geworden und hätten ihn bedroht, da er in Freiheit sei und ihr Sohn nicht. Außerdem habe er in ständiger Angst vor Strafverfolgung gelebt. So habe er mit seinen Ersparnissen seine Ausreise organisieren können.
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Mit Bescheid vom … Mai 2020 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) sowie auf subsidiären Schutz (Nr. 3) als unbegründet ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Nr. 4). Es forderte die Klagepartei auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen, anderenfalls wurde die Abschiebung nach Uganda oder in einen anderen Staat, in den eingereist werden darf oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Die Klagepartei hat am 28. Mai 2020 Klage erhoben und zuletzt beantragt,
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1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom … Mai 2020, mir zugestellt am … Mai 2020, wird in Ziffer 1 bis 6 aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen.
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3. Die Beklagte wird verpflichtet, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
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4. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) bestehen.
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Nach einer Bescheinigung von … – Schwules Kommunikations- und Kulturzentrum … e.V. vom … August 2019 sei er in die dort angebotene Beratung eingebunden.
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Nach einem vorläufigen Entlassungsbrief einer Klinik für Pneumologie wurde der Kläger dort von … bis … Juli 2019 stationär behandelt. Es bestehe ein Verdacht auf Reaktivierung einer in Uganda im Jahr 2015 behandelten Lungentuberkolose. Der Kläger sei in medikamentöser Behandlung entlassen worden.
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Das Bundesamt hat die Akten vorgelegt und keinen Antrag gestellt.
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Das Bundesamt hat die Akten vorgelegt und keinen Antrag gestellt.
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Das Auswärtige Amt teilte mit Schreiben vom … November 2022 mit, dass ein vom Kläger vorgelegtes „Release on bond“ vom Aktenzeichen her nicht der Systematik der ugandischen Polizei entspreche, da für die Monatseintragung die Ziffer 15 verwendet worden sei, obwohl dort maximal die Ziffer 12 zu erwarten sei. Außerdem werde dort bescheinigt, dass mit Datum … November 2014 die Freilassung aus der Haft verfügt worden sei mit der Auflage, sich am … November 2014 (drei Tage zuvor) wieder bei der Polizei zu melden. Schließlich erscheine es ausgeschlossen, dass eine Freilassung aus einem „Safehouse“ mit einem offiziellen Dokument belegt werden. Denn von offizieller Seite würde das Bestehen solcher „Safehouses“ bestritten. Da es in Uganda kein mit Deutschland vergleichbares Meldesystem gebe, sei es grundsätzlich vorstellbar, dass jemand nach der Flucht aus der Haft unbemerkt über längere Zeit leben und arbeiten könne, wenn die Person unter einem anderen Namen auftrete und im Bezirk einer anderen Polizeistation lebe. Es sei aber ungewöhnlich, dass der Kläger unter seinem eigenen Namen im selben Bezirk, in dem er verhaftet worden sei, nach einer angeblichen Flucht aus der Haft arbeite.
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Am 26. Februar 2024 fand mündliche Verhandlung statt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren, die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Niederschrift vom 26. Februar 2024 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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1. Die zulässige Klage ist unbegründet.
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a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 des Asylgesetzes/AsylG), da er kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal geschildert hat, das diese Zuerkennung rechtfertigen würde.
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b) Der Vortrag des Klägers, insbesondere hinsichtlich einer befürchteten Verfolgung aufgrund seiner Homosexualität bei einer Rückkehr nach Uganda, ist unglaubhaft.
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Gerade in einer Gesellschaft wie der in Uganda, die gleichgeschlechtlicher Sexualität ablehnend gegenübersteht, ist das Bewusstwerden der eigenen homosexuellen Sexualität ein Schritt, der eine Abweichung der persönlichen sexuellen Orientierung von der gesellschaftlich erwarteten Orientierung bedingt. Das bedeutet eine Distanzierung von den gesellschaftlichen Konventionen, was sich nicht in einem einfachen Erkennen der eigenen abweichenden Orientierung erschöpft, sondern einen Prozess erfordert – gerade in einem eine solche Form der Sexualität ablehnenden Umfeld. Hierzu hat der Kläger nichts Substantiiertes vorgetragen. Das „innere Ringen“ zwischen den erwarteten gesellschaftlichen Konventionen und der Erkenntnis bzw. dem Nachgeben der eigenen sexuellen Veranlagung ist auch nicht nachvollziehbar vorgetragen worden (vgl. hierzu Berlit/Dörig/Storey, ZAR 2016, 332 ff.).
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Soweit der Kläger hierzu in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass das „in seiner Natur liege“, „es fühle sich gut an“, das sei für ihn „in Ordnung“, sowie dass er „ein Mann sei, der mache, was ihm gefalle“, das „liege in seiner Natur“, „wenn die Gesellschaft dagegen sei, dann sei das eben so“, so wirkt das vage und aufgesetzt. Ein „inneres Ringen“ oder einen „Zwiespalt“ zwischen den gesellschaftlichen Erwartungen und dem Nachgeben zugunsten seiner angeblich homosexuellen Veranlagung hat der Kläger nicht schlüssig und nachvollziehbar vorgetragen. Angesichts der grundsätzlichen Ablehnung von Homosexualität in Uganda ist das Ausleben dieser Form der Sexualität ein weitreichender Schritt. Eine Abwägung, der eigenen sexuellen Veranlagung dennoch nachzugeben und das damit verbundene Risiko in Kauf zu nehmen, muss auch bei einem jungen Menschen nachvollziehbar und schlüssig geschildert werden. Das ist mit den vom Kläger erfolgten Äußerungen jedoch nicht erfolgt. Insgesamt hat der Kläger hierzu nur oberflächliche Angaben gemacht. Es wirkt platt, wenn der Kläger hierzu im Kern angibt, dass „das seine Natur sei, wenn die Gesellschaft dagegen sei, sei das eben so“. Daran ändert auch der Vortrag nichts, dass der Kläger in Deutschland angeblich eine homosexuelle Beziehung geführt haben will. Denn die angebliche Homosexualität kann dem Kläger aufgrund der geschilderten platten und oberflächlichen Schilderungen nicht abgenommen werden. Auch der Hinweis, dass er derzeit wenig Zeit habe, um hier in Deutschland nach einem Freund zu suchen, da er arbeiten müsse, eine neue Beziehung sei momentan nicht mehr so wichtig, unterstreicht die Oberflächlichkeit der Darstellung hinsichtlich seiner Sexualität.
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Bestätigt wird der Eindruck der Unglaubhaftigkeit des Vortrags durch den Umstand, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung widersprüchliche Angaben gegenüber der Anhörung beim Bundesamt gemacht hat. So hat er beim Bundesamt ausdrücklich die Frage, ob er mit einem „Mr. R.“ – einem Lehrer – eine intime Beziehung gehabt habe, ausdrücklich bejaht. Die Einlassung in der mündlichen Verhandlung, dass er mit diesem Mann keine intime Beziehung gehabt haben will, steht hierzu in Widerspruch. Der Erklärungsversuch des Klägers, dass er das bei der Anhörung vor dem Bundesamt anders gesagt habe, überzeugt nicht. Denn die Anhörung wurde dem Kläger seinerzeit nochmals rückübersetzt; es wurde von ihm bestätigt, dass es keinerlei Verständigungsschwierigkeiten gegeben habe. Ebenso hat er in der mündlichen Verhandlung angegeben, nach dem Ende der Grundschulzeit die Beziehung zu seinem Freund weitergeführt zu haben. Bei Bundesamt hat er dazu vorgetragen, dass er seinen Freund aus der Grundschulzeit erst später – auf der Universität – wieder getroffen habe. Der Erklärungsversuch, dass er mit der Angabe, seinen Freund während der Schulzeit wieder getroffen zu haben, die gesamte Ausbildungszeit verstanden wissen wollte, wirkt aufgesetzt und unlogisch. Schließlich wirkt es auch unlogisch und lebensfremd, dass der Kläger mit seinem Freund auf der Toilette eines Clubs sexuelle Handlungen vorgenommen haben will, ohne hierbei Vorkehrungen gegen eine Entdeckung getroffen zu haben. Angesichts der verbreiteten Ablehnung von Homosexualität in Uganda muss es sich dem Kläger aufdrängen, durch sexuelle Handlungen an einem Ort, der vom Club aus frei zugänglich ist, sich einer entsprechend hohen Entdeckungsgefahr ausgesetzt zu haben. Es wirkt platt und aufgesetzt, wenn der Kläger hierzu vorträgt, dass beide angetrunken gewesen seien und sich dadurch nicht unter Kontrolle gehabt zu haben.
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Auch das angeblich erlittene Verfolgungsschicksal ist unglaubhaft. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom … November 2022 ist es ungewöhnlich, dass der Kläger im selben Polizeibezirk, in dem er wegen homosexueller Handlungen einige Jahre zuvor verhaftet und in einem „Safehouse“ angeblich misshandelt worden sein sollte, unter seinem Namen an einer Schule gearbeitet haben will. Denn das bringt eine ganz erhebliche Gefahr der Entdeckung mit sich und ist unlogisch. Der Vortrag des Klägers hierzu, dass er unter seinem Namen aufgetreten sei, da er ja niemanden umgebracht habe, steht in Widerspruch zu seiner beim Bundesamt noch vorgegebenen Angst vor einer Strafverfolgung. Das wirkt unlogisch, aufgesetzt und frei erfunden. Schließlich wirkt auch der Vortrag, ihm sei durch die Hilfe eines Bewachers gelungen, aus dem Krankenhaus zu fliehen, unlogisch und aufgesetzt. Wenn der Kläger im Krankenhaus bewacht worden sein will, so wirkt es völlig lebensfremd und frei erfunden, dass ihm einer der Bewacher zur Flucht verholfen haben soll.
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Unterstrichen wird die massive Unglaubhaftigkeit des angeblichen Verfolgungsschicksals, dass das vom Kläger beim Bundesamt vorgelegte Dokument „release on bond“ nach Auskunft des Auswärtigen Amtes vom … November 2022 nicht echt ist. Bereits der Inhalt des Dokuments ist unlogisch. Denn dort wurde mit Datum … November 2014 die Freilassung aus der Haft verfügt mit der Auflage, sich am … November 2014 (drei Tage zuvor) wieder bei der Polizei zu melden. Außerdem entspricht das Dokument nicht dem System der Aktenzeichen der ugandischen Polizei. Der Kläger selbst hat in der mündlichen Verhandlung auch zugegeben, dass dieses Dokument eine Fälschung ist.
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In der Gesamtschau wirkt der gesamte Vortrag, insbesondere hinsichtlich der angeblichen Homosexualität, äußerst oberflächlich, vage, widersprüchlich und aufgesetzt.
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c) Die von der Klagepartei beim Bundesamt vorgetragene Anbindung und Betreuung durch eine Organisation, die homosexuelle Menschen betreut und berät, kann den Kläger nicht davon befreien, seine homosexuelle Veranlagung glaubhaft darzulegen. Das hat der Kläger nicht getan.
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d) Die von anderen Verwaltungsgerichten in Bezug auf Homosexuelle in Uganda vertretene Ansicht (vgl. VG Regensburg, U.v. 4.9.2017 – RN 1 K 17.32818 – juris S. 12 m.w.N.), dass insoweit die Voraussetzungen der § 3 ff. AsylG erfüllt wären, kommt für den vorliegenden Fall von vornherein nicht zum Tragen. Denn der Kläger hat nicht glaubhaft vortragen können, homosexuell zu sein. Zur weiteren Begründung kann auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamtes verwiesen werden (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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e) Das Bundesamt hat im Übrigen auch zu Recht die Zuerkennung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG) und das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgelehnt. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder sonst ersichtlich, die die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen in Frage stellen könnten.
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Für das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist weder etwas vorgetragen noch ersichtlich. Sofern in den Akten eine stationäre Behandlung in einer Klinik für Pneumologie von *. bis … Juli 2019 wegen des Verdachts auf Reaktivierung einer in Uganda im Jahr 2015 behandelten Lungentuberkulose belegt ist, hat der anwaltlich vertretene Kläger aktuell weder eine medizinische Behandlungsbedürftigkeit einer Erkrankung vorgetragen noch hierzu irgendwelche ärztliche Bescheinigungen vorgelegt.
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Auch gegen die Rechtmäßigkeit des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG bestehen keine Bedenken.
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Zur weiteren Begründung wird auf den Bescheid des Bundesamtes verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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2. Die Unbegründetheit der Klage drängt sich nach allgemeiner Rechtsansicht geradezu auf. Denn das geltend gemachte Verfolgungsschicksal ist unplausibel, widersprüchlich und auf ein Dokument gestützt, dem die Authentizität abgesprochen werden muss. Der Vortrag des Klägers wirkt in der Gesamtwürdigung damit als frei erfunden und völlig unglaubhaft. Die Klage ist daher als offensichtlich unbegründet abzuweisen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG). Es besteht kein vernünftiger Zweifel an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen, wobei sich bei einem solchen Sachverhalt die Abweisung der Klage nach allgemeiner Rechtsauffassung geradezu aufdrängt (Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Auflage 2020, § 78 AsylG Rn. 40 m.w.N.).
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3. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Nach § 83 b AsylG ist das Verfahren gerichtskostenfrei.
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Dieses Urteil ist unanfechtbar (§ 78 Abs. 1 Satz 1 AslyG).