Titel:
Beschwerde, Schadensersatzanspruch, Schadensersatz, Gesellschaft, Kaufpreis, Pflichtverletzung, Vorstand, Zeitpunkt, Beteiligung, Streitwert, Medien, Aufsichtsrat, Software, Gesamtschuldner, Kosten des Rechtsstreits, Beschwerde gegen Beschluss, wirtschaftliche Lage
Schlagworte:
Beschwerde, Schadensersatzanspruch, Schadensersatz, Gesellschaft, Kaufpreis, Pflichtverletzung, Vorstand, Zeitpunkt, Beteiligung, Streitwert, Medien, Aufsichtsrat, Software, Gesamtschuldner, Kosten des Rechtsstreits, Beschwerde gegen Beschluss, wirtschaftliche Lage
Fundstelle:
BeckRS 2024, 51384
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
IV. Der Streitwert wird bis zur Zustellung der Widerklage auf € 29.500,--, ab diesem Zeit- punkt auf € 217.500,-- festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin und die Beklagten zu 2) und zu 3) streiten um das Bestehen von Organhaftungsansprüchen im Zusammenhang mit einem Sonderprüfungsverfahren bei der Klägerin.
2
1. Der Beklagte zu 2) war in der Zeit vom 1.1.2020 bis zu seiner Amtsniederlegung am 4.2.2022 Vorstand der über ein Grundkapital von € 674.150,- verfügenden Klägerin – einem Unternehmen, das Media-Asset-Management-Lösungen sowie digitale Verkaufsplattformen für visuelle Medien entwickelt und betreibt sowie digitale Lösungen für professionelle Anbieter und Nutzer von digitalen Bildmedien anbietet, mit denen Medien- und Nutzungsrechte effizient beschafft, organisiert und angeboten werden können. Der Beklagte zu 3) gehörte dem Vorstand der Klägerin vom 1.1.2020 bis zur Niederlegung seines Vorstandsamtes am 4.2.2022 an.
3
2. Im Dezember 2019 – also noch vor dem Beginn der Amtszeit der Beklagten zu 2) und zu 3) – erwarb die Klägerin von der Beklagten zu 1) – eine über einen Anteil von 50% plus eine Aktie verfügende Aktionärin der Klägerin – 6.250 Geschäftsanteile an der ... GmbH zu einem Kaufpreis von € 500.000,-.
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Im Rahmen der Veröffentlichung des Jahresabschlusses 2019 führten die Beklagten zu 2) und zu 3) in ihrer Schlusserklärung des Vorstandes folgendes aus (Anlage RS 3):
„Die unterzeichnenden Vorstände der ... waren zum Zeitpunkt der Erhöhung der Beteiligung an der ... GmbH (siehe oben) noch nicht im Amt. Die nachfolgende Schlusserklärung wird daher auf Grund der Umstände erklärt, die – soweit feststellbar – dem zum Zeitpunkt der Vornahme des genannten Rechtsgeschäfts amtierenden Vorstand bekannt waren bzw. dem heute amtierenden Vorstand jetzt bekannt sind: Der Vorstand der ... erklärt daher, dass er derzeit keine Kenntnis davon hat, dass der damalige Vorstand der ... zu dem Zeitpunkt, zu dem das vorgenannte Rechtsgeschäft vorgenommen wurde, wusste, ob die Gesellschaft eine angemessene Gegenleistung erhalten hat; insbesondere ist eine Bewertung der Beteiligung auf den damaligen Zeitpunkt nicht möglich. Jedenfalls aber zu dem Zeitpunkt, zu dem der heute amtierende Vorstand Kenntnis von dem vorgenannten Rechtsgeschäft erlangt hat, stellt sich die Gegenleistung als nicht mehr angemessen dar. Die ... wurde dadurch benachteiligt.
Die Nachteile sind nicht ausgeglichen worden.
5
Ein Strategiepapier der Klägerin vom 2.10.2018 (Anlage ML 12) enthielt unter anderem folgende Aussagen:
„Für die nachhaltige Sicherung des Zugangs zu Content und zur Vermeidung von Abhängigkeiten zu klassischen Medienbezugspunkten wurde im 2018 bereits eine strategische Investition in die Content-Plattform ... getätigt, die direkten Zugriff auf Content – ohne Zwischenhändler – sichert.“ [Seite 55]
„Eine Kombination des Software-Angebots mit einem integrieren Mediennutzungsvolumen ermöglicht es, ein derzeit einzigartiges Angebot zu schaffen. Das monatliche Entgelt für das angebotene Bundle, wäre zunächst für den Kunden nur schwer mit dem Wettbewerb zu vergleichen, da unklar ist welche Anteile des monatlichen Betrags auf Software-Leistungen und welche auf Medien entfallen.
Shutterstock (Stand 19.09.2018) verlangt für den kollaborativen Zugriff von zwei Team-Mitgliedern auf bis zu 750 Bilder im Monat einen Preis von 379 Euro pro Monat. Getty Images (Stand 19.09.2018) bietet über istock ebenfalls Medien-Bundles im Bereich von 85,00 Euro bis 339 Euro für Nutzer an. Bei beiden Anbietern liegt klar der Schwerpunkt auf dem Medienlizenzierungsvolumen, die angebotene Beschaffungssoftware ist in ihren Featuren extrem begrenzt und im Wesentlichen auf das Angebot der eigenen Plattform ausgerichtet.
Das Preismodell wird bewusst sehr einfach und transparent gehalten.
picturemaxx wird für die Nutzung von Software und Medien in der Grundversion einen monatlichen Preis ab 49,90 Euro pro Monat berechnen und peilt bei vollem Funktionsumfang 299 Euro pro Monat an. Es wird ein durchschnittlich auf ... entfallender Umsatz pro Unternehmenskunde von 75,00 Euro pro Monat angestrebt, so dass der Jahrespreis unter der üblichen Freigabegrenze von 1.000 Euro pro Jahr liegt. Neben dem Funktionsumfang unterscheiden sich die Versionen hinsichtlich Auswahl und möglichem Nutzungsumfang der im Preis enthaltenen Medien.“ [Seite 62]
6
Die Beklagten zu 2) und zu 3) hatten Kenntnis von einem Bericht des Vorstands an den Aufsichtsrat vom 11.6.2018 (Anlage ML 13), in dem die Gründe für den Erwerb der Anteile an der ... GmbH mit der Bewahrung einer klaren Eigentümerstruktur samt Vermeidung des Risikos von Interessenkollisionen mit weiteren Eigentümern, der strategischen Bedeutung für die künftige Unternehmensentwicklung der Klägerin im Sinne einer strikten Konzentration auf die Rolle als M1.platz für digitale Medien mit Fokussierung auf die Medienabnehmer sowie ein positives Ergebnis der Chancen-Risiko-Abwägung und der Beurteilung der wirtschaftlichen Aussichten genannt waren. Mit einem bereits nach knapp sechs Jahren erreichten ROI des Investments herausgestellt wurden. Eine Fünf-Jahres-Planung (Anlage ML 14) der GmbH sah für das Jahr 2018 ein Betriebsergebnis von € 423.000,-, für das Jahr 2019 von € 547.000,-, für das Jahr 2020 von € 201.000,-, für das Jahr 2021 von € 947.000,- und für das Jahr 2022 von € 1.798.000,- vor. Herr ... auch damals Mitglied des Aufsichtsrats der Klägerin – sandte am 6.9.2019 eine E-Mail an die Beklagten zu 2) und z u 3) sowie den Aufsichtsrat der Klägerin, in der er Überlegungen zur Unternehmensstrategie, Marktpositionierung und zur Beteiligung an der ... GmbH anstellte. In einer E-Mail vom 13.2.2020 (Anlage ML 16) beantwortete Herr ... eine Reihe von Fragen der Rechtsanwältin ... und teilte einleitend mit, auf einem Computer im Finanzbuchhaltungsraum der Klägerin sei der Zugang zu sämtlichen Belegen und Buchungsvorgänge der ... GmbH eingerichtet und damit für die Klägerin die Möglichkeit gegeben, nicht nur alle Belege, Kontoauszüge etc. einzusehen, sondern die gesamte Buchhaltung, Kontenstrukturen, alle Kontenblätter, Summen- und Saldenlisten, Abschlüsse, Betriebswirtschaftliche Auswertungen etc.
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Der frühere Geschäftsführer der ... GmbH, Herr ... teilte in einer E-Mail vom 7.5.2021 (Anlage ML 17) an Herrn Wirtschaftsprüfer ... im Zusammenhang mit der Durchführung einer Sonderprüfung unter anderem Folgendes mit:
„c. Ermittlung des Kaufpreises (Bewertung)
Der Unternehmenswert bzw. der Wert eines Geschäftsanteils der ... GmbH wurde innerhalb des Jahres 2017 ermittelt. Auf Basis umfangreicher Besprechungen und Präsentationen wurde der Preis für einen Geschäftsanteil im späteren Gesellschafterkreis, bestehend aus ... GmbH und ... GmbH bzw. ... AG letztendlich im Dezember 2017 vereinbart. Ich selbst habe Präsentationen vor Vertretern der Gesellschafter gehalten, die Plattform ... vorgestellt und die Geschäftschancen erläutert.“
8
Hinsichtlich der näheren Einzelheiten dieser Unterlagen wird in vollem Umfang auf die Anlagen ML 12 bis ML 17 Bezug genommen.
9
3. Die ... S.A. – ebenfalls Aktionärin der Beklagten – stellte mit Schriftsatz vom 12.8.2020 einen an das Landgericht München I gerichteten Antrag auf Bestellung eines Sonderprüfers zur Prüfung des Rechtsgeschäfts zum Erwerb der 6.250 Anteile an der ... GmbH im Dezember 2019 unter Hinweis auf die Erklärung im Schlussbericht über den fehlenden Nachteilsausgleich. Das Landgericht München I bestellte mit Beschluss vom 19.11.2020 die Treuhandgesellschaft Südbayern, ... zur Sonderprüferin. Die von der hiesigen Klägerin im Rahmen des Sonderprüfungsverfahrens mandatierte Rechtsanwältin ... aus der Kanzlei .. legte namens der hiesigen Klägerin gegen diesen Beschluss Beschwerde ein, die sie zurücknahm, nachdem das Oberlandesgericht München darauf hingewiesen hatte, die Voraussetzungen des § 315 Satz 1 AktG lägen unzweifelhaft vor.
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Der Sonderprüfer erstellte seinen Bericht (Anlage RS 4) unter dem 30.9.2022. In dem Bericht führte er unter Ziffer 1.2.6 „Schwierigkeiten bei der Auftragsbearbeitung“ aus, die Durchführung habe sich erheblich verzögert. Als Gründe nannte er vor allem komplexe und zeitaufwendige Informationsbeschaffung aufgrund der am 23.4.2021 und damit unmittelbar vor Beginn der Prüfungshandlung beendeten Liquidation der ... GmbH mit ihrer Löschung zum 14.9.2021, stark eingeschränkte Verfügbarkeit der Ansprechpartner, eingeschränkte Bereitschaft zur Zusammenarbeit seitens der Organe der Klägerin, in der Regel nur mit hohem Zeitversatz erfolgte Zuarbeiten, Zurückbehaltung von Dokumenten durch die Organe der Klägerin, stark divergierende Wahrnehmungen der Beteiligten bezüglich diverser Sachverhalte, widersprüchliche bzw. ergebnisorientierte Aussagen der Ansprechpartner, die zum Teil revidiert worden seien und zu erheblichen zusätzlichen Prüfungsaufwand geführt hätten sowie erhöhte Anforderungen an die Quellenangaben im Prüfungsbericht sowie an dessen Berichtstiefe seitens der ehemaligen Vorstände der Klägerin.
11
In einer E-Mail vom 13.1.2022, 12.05 Uhr bezifferte Herr Rechtsanwalt Dr. ... aus der Kanzlei ... die Kosten zur Abwehr des Sonderprüfungsantrags auf rund € 19.500,- netto und die Kosten zur Verringerung der Sonderprüfervergütung auf rund € 3.150,- netto. Der Geschäftsführer der Treuhandgesellschaft ... GmbH stellte der Klägerin am 4.10.2022 für die Sonderprüfung einen Betrag von € 198.000,- zuzüglich 19% Umsatzsteuer, insgesamt also € 235.620,- in Rechnung.
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Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin in ihrer Klageschrift im Wesentlichen geltend, in dem gezeigten obstruktiven Verhalten der Beklagten zu 2) und zu 3) liege eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 2) und zu 3). Dieses Verhalten zeige sich an der Einlegung von Rechtsmitteln entgegen der eindeutigen Rechtslage gegen den Beschluss des Landgerichts München I über die Bestellung eines Sonderprüfers, wobei ihnen die Erfolglosigkeit der Beschwerde bewusst gewesen sein müsse, nachdem es in der Konstellation des § 315 Satz 1 Nr. 3 AktG kein Ermessen des Gerichts gebe. Dadurch sei der Klägerin ein Schaden in Höhe der vergeblichen Kosten der Rechtsberatung zur Abwehr des Sonderprüfungsantrages in Höhe von € 19.500,- entstanden.
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In ihrer Replik führt die Klägerin aus, die Beklagten zu 2) und zu 3) hätten Erkenntnisse zum Unternehmenswert der ... GmbH erzielen können. Ihnen sei bewusst gewesen, keine ausreichenden Prüfungshandlungen vorgenommen zu haben und den Abbruch der Transformation und strategischen Neuausrichtung nicht auf angemessener Informationsgrundlage vorgenommen zu haben. Die Obstruktion der Sonderprüfung habe zu Mehrkosten von € 148.000,- geführt. Die fehlerhaft abgegebene Schlusserklärung sei die Ursache für die Sonderprüfung, deren Kosten von den Beklagten zu 2) und zu 3) zu ersetzen seien.
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Der Wert der ... GmbH könne nach den Ausführungen im Termin zur mündlichen Verhandlung angesichts eines strategischen Investments nicht maßgeblich sein. Die ... GmbH hätte in das Modell der Klägerin integriert werden sollen. In der Folgezeit sei es indes zu einer den Beklagten zu 2) und zu 3) im Sommer 2020 bekannten Strategiewechsel gekommen.
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Die Klägerin beantragt daher entsprechend den Klageerweiterungen in den Schriftsätzen vom 6.3.2024 und vom 15.4.2024:
I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 29.500,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlten.
II. Die Beklagten zu 2) und 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin weitere € 138.000,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
III. Die Beklagten zu 2) und zu 3) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin weitere € 50.000,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
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III. Die Beklagten zu 2) und zu 3) beantragen demgegenüber:
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Zur Begründung berufen sie sich im Wesentlichen darauf, die Sonderprüfung weder verhindert noch pflichtwidrig verzögert zu haben. Der Sonderprüfungsantrag einer Aktionärsgruppe verursache angesichts des Erfordernisses einer anwaltlichen Prüfung zwangsläufig Kosten. Auch hätten die Beklagten zu 2) und zu 3) auf den Rechtsrat von Frau ... vertrauen dürfen, deren Gründe für die Einlegung der Beschwerde mehr als plausibel gewesen seien. Angesichts der damit verbundenen Kosten und der damit verbundenen Bindung von Kräften habe die Sonderprüfung nicht im Interesse der Gesellschaft gelegen. Die Beschwerdebegründung habe vor allem auch damit argumentiert, aus der Schlusserklärung folge, dass die Benachteiligung zum Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs nicht zu 100% sicher gewesen sei. Die Beklagten zu 2) und zu 3) hätten alles getan, um die Arbeit des Sonderprüfers im Rahmen ihrer Möglichkeiten durch die Hinzuziehung der Vorstandsassistentin ... und die Etablierung eines Systems zur zeitnahen und passend zu den verschiedenen Anfragen erfolgenden Bereitstellung der Daten zu unterstützen. Auch hätten sie alle Anfragen des Sonderprüfers stets zeitnah beantwortet und alle Unterlagen – soweit möglich und vorhanden – übersandt. Angesichts der auf einem Rat von Frau Rechtsanwältin ... basierenden differenzierten Formulierung müsse einem Antrag auf Durchführung einer Sonderprüfung nicht entsprochen werden. Im Jahr 2019 habe es zur Bewertung der ... GmbH keine hinreichenden Unterlagen gegeben. Eine aktualisierte Bewertung der ... GmbH habe nicht stattgefunden.
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Es fehle zudem an jedem Vortrag der Klägerin zur Kausalität des Schadens zwischen der Mandatierung der Anwaltskanzlei und der Kosten, weil bereits die zwingend erforderliche Prüfung und Bewertung des gerichtlichen Antrags auf Sonderprüfung wie auch des Beschlusses des Landgerichts München I einen erheblichen Aufwand erfordert habe, der in jedem Fall entstanden wäre, selbst wenn kein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Landgerichts München I eingelegt worden wäre. Die Klägerin habe auch nicht vorgetragen, inwieweit eine Verzögerung bei der Erstellung des Sonderprüfungsberichts überhaupt zu einer konkreten Verteuerung geführt habe.
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Einen Strategiewechsel habe es nicht gegeben; zudem sei der entsprechende Vortrag verspätet. Abgesehen davon handele es sich bei der Formulierung „Strategiewechsel“ um einen Marketingausdruck, aber nicht um hinreichend substantiierten Vortrag.
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1. Die Klägerin hat ihre sich zunächst auch gegen die Beklagte zu 1) richtende und auf die Veranlassung der Entscheidungen durch die Beklagte zu 1) im Sinne des § 317 Abs. 1 AktG gestützte Klage mit Schriftsatz vom 23.5.2024 (Bl. 217/218 d. A.) zurückgenommen.
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2. Die mit Schriftsatz der Beklagten zu 2) und zu 3) vom 16.2.2024 (Bl. 148/149 d. A.) im Wege der Widerklage erhobene negative Feststellungsklage des Inhalts, dass der Klägerich auch über den geltend gemachten Teilbetrag von € 29.500,- hinaus keine Ansprüche (Schadensersatzansprüche aus und im Zusammenhang mit dem Sonderprüfungsverfahren bei der Klägerin) gegen die Beklagten zu 2) und zu 3) zustünden, haben die Parteien nach dem Stellen der Anträge im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18.7.2022 übereinstimmend für erledigt erklärt.
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Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18.7.2024 (Bl. 231/235 d. A.).
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet, weil der Klägerin gegen die Beklagten zu 2) und zu 3) kein Schadensersatzanspruch aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG zusteht.
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Danach sind Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Aufgrund von § 93 Abs. 1 AktG haben die Vorstandsmitglieder bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabes und Beachtung der Voraussetzungen der Darlegungs- und Beweislast lassen sich die Voraussetzungen einer Haftung der Beklagten zu 2) und zu 3) nicht bejahen.
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1. Dies gilt zunächst für den Vorwurf der Mandatierung der Rechtsanwaltskanzlei ... nach Eingang des Sonderprüfungsantrages der ... S. A. und weiterer Aktionäre.
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a. Die Beklagten zu 2) und zu 3) sind keine Juristen und mussten daher zur Beurteilung der Erfolgsaussichten dieses Antrags eine Rechtsanwaltskanzlei mit gesellschaftsrechtlicher Expertise mandatieren, wozu die ausgewählte Kanzlei und die dort tätig gewordene Rechtsanwältin ... zweifelsfrei gehören, wie der Kammer aus anderen bei ihr rechtshängig gewordenen Verfahren bekannt ist. Diese Einschaltung von fachkundigen Rechtsanwälten zur Überprüfung der Erfolgsaussichten eines gegen die von den Beklagten zu 2) und zu 3) gem. § 78 Abs. 1 AktG vertretenen Klägerin gerichteten Antrags kann bereits objektiv nicht pflichtwidrig sein, weil es gerade zu den Pflichten eines ordentlichen Kaufmanns gehört, sich fachkundig abzusichern, wenn die eigene Sachkunde nicht angenommen werden kann.
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b. Nichts anderes gilt für die Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 19.11.2020 über die Bestellung eines Sonderprüfers.
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(1) Allein aus der Tatsache, dass das Oberlandesgericht München die Rücknahme der sofortigen Beschwerde wegen Aussichtslosigkeit angeregt hat, kann nicht auf die objektive Pflichtwidrigkeit geschlossen werden. Das Einlegen eines Rechtsmittels, das die jeweilige Verfahrensordnung eröffnet, gehört zu den elementaren Rechten eines unterlegenen Beteiligten in einem Rechtsstaat. Wenn sich der Gesetzgeber für die Eröffnung einer weiteren Instanz entscheidet, so darf der Zugang dazu nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Art und Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 104, 220, 232 = NJW 2002, 2456; Beschluss vom 25.3.2015, 1 BVR 2791/14 zit. nach juris). Eine solche unzumutbare Erschwernis würde es bedeuten, wenn dem Vorstand in einer solchen Situation eine Inanspruchnahme auf Schadensersatz wegen Pflichtverletzungen gemäß § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG drohen würde. In dieser Situation kann es nicht pflichtwidrig sein, ein Rechtsmittel zu ergreifen, solange der Inhalt der Begründung nicht offensichtlich willkürlich und sich keinem denkbaren Blickwinkel rechtfertigen lässt. Von einer solchen objektiv willkürlichen Begründung kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Die Beschwerdebegründung stellte insbesondere darauf ab, dass die Benachteiligung angesichts der fehlenden Kenntnis der Beklagten zu 2) und zu 3) zum Zeitpunkt der Schlusserklärung keinesfalls zu 100% sicher gewesen sei, weshalb dies nicht unter § 315 Satz 1 Nr. 3 AktG subsumiert werden könne. Dies letztlich auch auf den Gedanken einer teleologischen Reduktion abzielende Argument kann keinesfalls als jeder rechtlichen Grundlage entbehrend und damit nicht als willkürlich eingestuft werden, auch wenn die Beschwerdeinstanz auf den rein formal zu betrachtenden Wortlaut der Norm abgestellt hat.
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(2) Doch selbst wenn man dies noch anders sehen wollte, handelten die Beklagten zu 2) und zu 3) keinesfalls schuldhaft.
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(a) Der organschaftliche Vertreter einer Gesellschaft, der selbst nicht über die erforderliche Sachkunde verfügt, kann den strengen Anforderungen an eine ihm obliegende Prüfung der Rechtslage und an die Beachtung von Gesetz und Rechtsprechung nur genügen, wenn er sich unter umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen von einem unabhängigen, für die zu klärende Frage fachlich qualifizierten Berufsträger beraten lässt und den erteilten Rechtsrat einer sorgfältigen Plausibilitätskontrolle unterzieht (vgl. BGH NJW 2007, 2118, 2120 = NZG 2007, 545, 547 = AG 2007, 548, 550 = ZIP 2007, 1265, 1266 f. = WM 2007, 1274, 1276 = DB 2007, 1455, 1457 = DB 2007, 1801, 1803 = MDR 2007, 1085, 1086 = NZI 2007, 477, 478; NZG 2011, 1271, 1273 = AG 2011, 876, 877 = ZIP 2011, 2097, 2099 = WM 2011, 2092, 2094 = DB 2011, 2484, 2486 = BB 2011, 2960, 2962 = DZWIR 2012, 118, 120 = NJW-RR 2011, 1670, 1672 – Ision; NZG 2015, 792, 794 = AG 2015, 535, 536 = ZIP 2015, 1220, 1222 = WM 2015, 1197, 1200 = DB 2015, 1459, 1461 = BB 2015, 1743, 1745 = ZWH 2015, 243, 244 = MDR 2015, 780, 781 = NJW-RR 2015, 988, 991; OLG Stuttgart NZG 2010, 141, 143 = AG 2010, 133, 135 = CCZ 2010, 112, 115; Fleischer in: BeckOGK AktG, Stand: 1.2.2024, § 93 Rdn. 44 und 252; Koch, AktG, a.a.O., § 93 Rdn. 81; Grigoleit/Tomasic in: Grigoleit, AktG, 2. Auf., § 93 Rdn. 59; Sailer-Coceani in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., § 93 Rdn. 34; U. Schmidt in: Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl., § 93 Rdn. 105; Dauner/Lieb in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 5. Aufl., § 93 AktG Rdn. 32 a).
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(b) Frau Rechtsanwältin ... waren die Umstände im Zusammenhang mit der Sonderprüfung bekannt, nachdem sie die Beklagte zu 2) und zu 3) bereits beim Eingang des Antragsschriftsatzes beraten hatte und weitere Informationen zum Beteiligungserwerb der Klägerin an der ... GmbH bereits in einem Besprechungstermin vom 20.2.2020 erlangt hatte, an dem unter anderem die Geschäftsführer der ... GmbH sowie Herr Wirtschaftsprüfer ... von der Abschlussprüferin teilgenommen hatte, der zudem auf eine Abschreibungsnotwendigkeit hingewiesen hatte. An der sachlichen Unabhängigkeit und Fachkompetenz der tätig gewordenen Rechtsanwältin bestehen keine Zweifel. Ebenso prüften die Beklagten zu 2) und zu 3) nach dem nicht bestrittenen und damit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden geltenden Vortrag den Rat von Frau ... auf Plausibilität, wobei sie keinen Zweifel an der Richtigkeit der zugrunde gelegten Tatsachen haben mussten; die Richtigkeit der Rechtsauskunft kann dagegen nicht Gegenstand der Plausibilitätsprüfung sein (vgl. BGH NZG 2015, 792, 795 = AG 2015, 535, 537 = ZIP 2015, 1220, 1223 = WM 2015, 1197, 1201 = DB 2015, 1459, 1463 = BB 2015, 1743, 1746 = Der Konzern 2015, 326, 330 = ZWH 2015, 243, 246 = DStR 2015, 1635, 1639 = NJW-RR 2015, 988, 992; Fleischer in: BeckOGK AktG, Stand: 1.2.2024, § 93 Rdn. 49 f.).
32
2. Ein Schadensersatzanspruch lässt sich auch nicht im Zusammenhang mit dem Vorwurf der Obstruktion und Verzögerung der Sonderprüfung begründen, wobei die Kammer nicht abschließend entscheiden muss, inwieweit der entsprechende Vortrag der Klägerin hierzu zutreffend ist und inwieweit die Beklagten zu 2) und zu 3) ihre Pflichten hier tatsächlich objektiv und subjektiv verletzt haben. Es fehlt nämlich an einem hinreichenden Vortrag der Klägerin zur Schadenshöhe, wobei die Klägerin die Darlegungslast zur ziffernmäßigen Höhe des Schadens und zur Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Schaden trifft (vgl. BGHZ 152, 280, 284 = NJW 2003, 358, 359 = NZG 2003, 81, 83 = AG 2003, 381, 382 = ZIP 2002, 2314, 2316 = WM 2002, 2509, 2511 = DB 2002, 2706, 2708 = BB 2003, 273, 274 = MDR 2003, 339, 340 = GmbHR 2003, 113, 115; BGH NJW 2009, 2454, 2457 = NZG 2009, 550, 553 = AG 2009, 404, 407 = ZIP 2009, 860, 863 = WM 2009, 851, 854 f. = DB 2009, 948, 951 GmbHR 2009, 654, 657 = VersR 2009, 1635, 1638 = NZI 2009, 490, 493; Spindler in: Münchener Kommentar zum AktG, 6. Aufl., § 93 Rdn. 231; Koch, AktG, 18. Aufl., § 93 Rdn. 103). Die Klägerin hat nicht vorgetragen, welche zusätzlichen Kosten gerade durch die Verzögerung der Sonderprüfung entstanden sind – nur solche wären indes geeignet, einen ersatzfähigen Schaden zu begründen. Die Durchführung einer Sonderprüfung durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zur Beurteilung der Werthaltigkeit einer Beteiligung ist regelmäßig mit erheblichen Kosten verbunden, die dann aber nicht auf einer Verzögerung oder Obstruktion der Sonderprüfung beruhen. Eine derartige Differenzierung hat die Klägerin nicht vorgetragen, weshalb der Vortrag nicht ausreichend sein kann, um eine schlüssige Klage zu begründen.
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3. Soweit die Klage im Schriftsatz vom 6.3.2024 auf die unzutreffenden Ausführungen im Zusammenhang mit den Erkenntnismöglichkeiten zur Planung begründet wird, wird dies als zulässige Klageerweiterung in Form der Änderung des Lebenssachverhalts zu sehen sein, die aber gleichfalls keinen Schadensersatzanspruch aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG begründen kann.
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a. In diese Klageerweiterung haben die Beklagten zu 2) und zu 3) eingewilligt, indem sie einen Klageabweisungsantrag gestellt haben, ohne dies gemäß § 267 ZPO zu rügen, weshalb die Klageänderung zulässig im Sinne des § 263 ZPO ist. Diese Vorschriften der §§ 263, 267 ZPO finden Anwendung, weil auf eine solche nachträgliche objektive Klagehäufung, bei der der gleichbleibende Klageantrag durch einen weiteren Klagegrund in Form eines neuen Lebenssachverhalts ergänzt wird, die Vorschriften über die Klageänderung entsprechend anzuwenden sind (vgl. BGHZ 158, 295, … II. 2. a. = NJW 2004, 2152, 2154; BGH NJW 1985, 1841, 1842; Assmann in: Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 263 Rdn. 41; Becker-Eberhard in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl., § 263 Rdn. 21).
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b. Die dergestalt erweiterte Klage ist jedoch nicht begründet, weil eine Pflichtverletzung im Sinne des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG in Form einer unzutreffenden Schlusserklärung nicht angenommen werden kann.
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(1) Aufgrund von § 312 Abs. 3 AktG hat der Vorstand am Schluss des (Abhängigkeits-)Berichts unter anderem zu erklären, ob die Gesellschaft nach den Umständen, die ihr in dem Zeitpunkt bekannt waren, indem das Rechtsgeschäft vorgenommen wurde, eine angemessene Gegenleistung erhielt. Dieser Schlussbericht muss wahrheitsgemäß erfolgen.
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(2) Gegen diese Pflicht haben die Beklagten zu 2) und zu 3) indes nicht verstoßen, als sie ausführten, aktuell keine Kenntnis zu haben, inwieweit der damalige Vorstand zum damaligen Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts eine angemessene Gegenleistung erhalten habe; eine Bewertung auf den damaligen Zeitpunkt sei nicht möglich.
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Die den Beklagten zu 2) und zu 3) vorliegenden Unterlagen aus der Zeit des Vertragsabschlusses wie auch danach ermöglichen keine Feststellungen zur Angemessenheit der für einen Kaufpreis von € 500.000,- erhaltenen Gegenleistung in Form von 6.250 Geschäftsanteilen an der ... GmbH.
39
a) Eine Planung der ... GmbH zum Stichtag des Vertragsschlusses lag bei der Klägerin nicht vor. Die als Anlage ML 14 vorgelegte Geschäftsplanung entstammt dem Jahr 2017 und enthielt Planzahlen für die Jahre 2018 bis 2022. Eine aktuelle Planung zum maßgeblichen Stichtag im Dezember 2019 kann daraus nicht abgeleitet werden. Auch wenn eine Erwerbsentscheidung auf Verhandlungen beruht und der bei aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen zu ermittelnde objektivierte Unternehmenswert in dieser Situation nicht allein ausschlaggebend sein kann, kommt es in dieser Situation, in der individuelle Interessen auf Erwerberwie Veräußererseite in das Verhandlungsergebnis und damit den Kaufpreis einfließen, zu Anpassungen des objektivierten Unternehmenswerts (vgl. Peemöller/Kunowski in: Peemöller, Praxishandbuch der Unternehmensbewertung, 8. Aufl., S. 371 ff.), die dann zu einem subjektiven Unternehmenswert in Form des Entscheidungswerts führen. Ungeachtet dessen muss aber ein objektivierter Unternehmenswert, der regelmäßig mit Hilfe der Ertragswertmethode ermittelt wird, Ausgangspunkt auch für solche Verhandlungen sein.
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Dieser Ertragswert eines Unternehmens wird dabei durch Diskontierung der den Unternehmenseignern künftig zufließenden finanziellen Überschüsse gewonnen, die aus den künftigen handelsrechtlichen Erfolgen abgeleitet werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es einen exakten oder „wahren“ Unternehmenswert zum Stichtag nicht geben kann. Vielmehr kommt dem Gericht die Aufgabe zu, unter Anwendung anerkannter betriebswirtschaftlicher Methoden den Unternehmenswert als Grundlage der Abfindung im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zu bestimmen (vgl. nur BGHZ 208, 265, 272 = NZG 2016, 461, 462 = AG 2016, 359, 360 f. = ZIP 2016, 666, 668 = WM 2016, 711, 713 f. = DB 2016, 883, 885 = MDR 2016, 658 f. = NJW-RR 2016, 610, 611 f.; OLG München WM 2009, 1848, 1849 = ZIP 2009, 2339, 2340; AG 2007, 287, 288; NZG 2022, 362, 364 f.; Beschluss vom 11.9.2014, Az. 31 Wx 278/13; OLG München, Beschluss vom 13.11.2018, Az. 31 Wx 372/15; Beschluss vom 9.4.2021, Az. 31 Wx 2/19; OLG S2. AG 2007, 128, 130; OLG Düsseldorf WM 2009, 2220, 2224; AG 2016, 329 = ZIP 2016, 71, 72 = WM 2016, 1685, 1687; OLG F. AG 2012, 513, 514 = ZIP 2012, 124, 126; LG München I Der Konzern 2010, 188, 189; AG 2016, 51, 52 = ZIP 2015, 2124, 2127; Beschluss vom 28.4.2017, Az. 5. HK O 16513/11; Beschluss vom 30.5.2018, Az. 5HK O 10044/16; Beschluss vom 29.8.2018, Az. 5HK O 15685/15; Beschluss vom 28.3.2019, Az. 5HK O 3374/18; Beschluss vom 27.8.2021, Az. 5HK O 5884/20). Dabei ist es nicht geboten, zur Bestimmung des wahren „Wertes“ stets jede denkbare Methode der Unternehmensbewertung heranzuziehen oder die Kompensationsleistung nach dem Meistbegünstigungsprinzip zu berechnen. Verfassungsrechtlich geboten sind nur die Auswahl einer im vorliegenden Fall geeigneten, aussagekräftigen Methode und die gerichtliche Überprüfbarkeit ihrer Anwendung (vgl. BVerfG NJW 2011, 2497, 2498 = NZG 2011, 869, 870 = AG 2011, 511 f. = ZIP 2011, 1051, 1053 = WM 2011, 1074, 1075 f. = BB 2011, 1518, 1520; NZG 2012, 907, 908 f. = AG 2012, 625, 626 = ZIP 2012, 1408, 1410 = WM 2012, 1374, 1375 = BB 2012, 2780 f.; OLG M2. AG 2020, 133, 134 = WM 2019, 2104, 2106; Beschluss vom 30.7.2018, Az. 31 Wx 136/16; OLG D. AG 2016, 864, 865). Die Ertragswertmethode ist in Rechtsprechung und Literatur wie auch der bewertungsrechtlichen Praxis weithin anerkannt. Grundlage für die Ermittlung für die Ermittlung der künftigen Erträge ist dabei die Planung für die Gesellschaft, die auf der Basis einer Vergangenheitsanalyse vorzunehmen ist und vorliegend auch vorgenommen wurde. Bei Anwendung des Ertragswertverfahrens sind die in die Zukunft gerichteten Planungen der Unternehmen und die darauf aufbauenden Prognosen ihrer Erträge allerdings nur eingeschränkt überprüfbar. Sie sind in erster Linie ein Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen.
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Allerdings können mindestens 1 ½ Jahre alte Planungen nicht zur Grundlage der Ermittlung eines Unternehmenswerts gemacht werden, weil diese bis zum maßgeblichen Stichtag regelmäßig überholt sind.
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(b) Das Strategiepapier der Klägerin (Anlage ML 12) enthält keine Aussagen zur Werthaltigkeit der Anteile und wurde zudem ebenfalls deutlich vor dem maßgeblichen Stichtag ermittelt.
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(c) Der zeitliche Abstand zwischen dem Bericht des Vorstands an den Aufsichtsrat in Bezug auf die Ausübung des Bezugsrechts bei der Kapitalerhöhung der ... GmbH zum 11.6.2018 ist gleichfalls nahezu ein Jahr alt, selbst wenn von einem maßgeblichen Stichtag bereits im Mai 2018 ausgegangen werden sollte. Ein Rückschluss auf den späteren Wert lässt sich daraus nicht ziehen. Zudem beschreibt auch dieser Bericht lediglich die strategische Bedeutung der Kapitalerhöhung bei der ... GmbH für die künftige Entwicklung der Klägerin, ohne sich aber mit dem Wert der Anteile an der ... GmbH auseinanderzusetzen.
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(d)Die E-Mail von Herrn ... als (damaligem) Geschäftsführer der ... GmbH und Mitglied des Aufsichtsrats der Klägerin, die vom 6.9.2019 datiert, an den Beklagten zu 2), die der Beklagte zu 3) cc erhielt, beschreibt wiederum nur die Strategie der Klägerin, das wirtschaftliche Umfeld und die Marktpositionierung sowie den strategischen Aspekt der Beteiligung an und der Zusammenarbeit mit der ... GmbH, ohne aber irgendeine Angabe zum Wert dieser Gesellschaft zu machen.
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(e) Aus der E-Mail von Herrn ... an Frau ..., die auch die Beklagten zu 2) und zu 3) erhielten, mit dem Hinweis auf den Zugang unter anderem zu belegen, Kontoauszügen, zur gesamten Buchhaltung, zu Kontenstrukturen, zu allen Kontenblättern, zu Summen- und Saldenlisten, Abschlüssen und Betriebswirtschaftlichen Auswertungen lässt sich selbst bei Einsicht in die Unterlagen keine Aussage zur Angemessenheit der Gegenleistung treffen. Aus der Buchhaltung ergibt sich nur der Status quo der geschäftlichen Beziehungen mit den entsprechenden Geldflüssen, nicht aber konkrete Planzahlen, die zur Grundlage einer Unternehmensbewertung zu machen wären. Nichts anderes gilt für die Betriebswirtschaftliche Auswertungen. Bei ihnen handelt es sich um ein wesentliches Steuerungsinstrument, das Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Lage der Antragsgegnerin zulässt. Dasselbe gilt für die Summen- und Saldenliste, weil diese neben der Betriebswirtschaftlichen Auswertung die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens innerhalb des Wirtschaftsjahres aufzeigt. Sie beinhaltet regelmäßig alle Eröffnungs- und Schluss-Salden, die Kontobewegungen der Bestands- und Erfolgskonten sowie eine Übersicht der Außenstände eines Unternehmens mit ihren Kunden und Lieferanten. Auch wenn die genannten Unterlagen, insbesondere Betriebswirtschaftliche Auswertungen und Summen- und Saldenlisten Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Lage eines Unternehmens zulassen, sind sie keinesfalls so zukunftsgerichtet, als dass sie eine ordnungsgemäße Unternehmensplanung darstellen und ersetzen könnten, die die kommenden drei bis fünf Jahre abbildet – also einen Zeitraum, der üblicherweise als Planungshorizont für eine notwendige Detailplanungsphase herangezogen wird.
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(f) Die E-Mail von Herrn ..., dem früheren Geschäftsführers der ... GmbH, vom 7.5.2021 gibt auch keine zentralen Hinweise auf das Vorhandensein einer aktuellen Planung als Grundlage für die Ermittlung des Werts der Anteile an der ... GmbH.
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4. Soweit sich die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung erstmals auf einen den Beklagten zu 2) und zu 3) bekannten Strategiewechsel vom Dezember 2019 berief, begründet dies keinen Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG. Zum einen bleibt unklar, was mit Strategiewechsel gemeint sein könnte und inwieweit dieser Einfluss auf die Angemessenheit der Gegenleistung haben könnte, weshalb es bereits an einem substantiierten Vortrag zu einer objektiven Pflichtverletzung fehlt. Zum anderen hat dies die Klägerin erstmals im Termin vom 18.7.2024 vorgetragen. Da die Beklagte diesen Vortrag bestritten hat, müsste selbst bei Vorliegen eines hier ohnehin fehlenden tauglichen Beweisangebots von einer Verspätung im Sinne des § 296 Abs. 1 ZPO ausgegangen werden. Nach dieser Vorschrift ist ein Angriffsmittel, das erst nach Ablauf einer hierfür gesetzten Frist und, soweit diese Fristsetzung gegenüber einer Partei ergeht (§ 276 Abs. 3 ZPO), vorgebracht wird, nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts die Zulassung die Entscheidung des Rechtsstreits verzögern würde oder wenn die Partei die Verzögerung genügend entschuldigt. Bei dem Vortrag zum Strategiewechsel handelt es sich auch um ein Angriffsmittel, weil es der Durchsetzung des geltend gemachten Anspruchs dient (vgl. Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, 45. Aufl., § 146 Rdn. 2), das nach Ablauf der gemäß § 276 Abs. 3 ZPO gesetzten Frist zur Replik vorgebracht wurde. Eine Beweisaufnahme würde den Rechtsstreit verzögern, nachdem hier der absolute Verzögerungsbegriff gilt. Danach liegt eine Verzögerung vor, wenn die Zulassung des nach Fristablauf eingegangenen Vorbringens zu irgendeiner zeitlichen Verschiebung des Verfahrensablaufs zwingt (so die heute ganz h.M.; vgl. BGHZ 75, 138, 141, 142 = NJW 1979, 1988; BGHZ 86, 31, … = NJW 1983, 575, 576 = ZIP 1983, 366; Greger in: Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 296 Rdn. 22; Prütting in: Münchener Kommentar zur ZPO, a.a.O., § 296 Rdn. 80 f.; Huber/Röß in: Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl., § 296 Rdn. 13; Seiler in: Thomas/Putzo, ZPO, 45. Aufl., § 296 Rdn. 14).
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Angesichts dessen musste die Klage abgewiesen werden.
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1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 91 a Abs. 1 Satz 1, 269 Abs. 3 ZPO.
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a. Soweit über die Klage streitig entschieden wurde, ist die Klägerin unterlegen, weshalb sie gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
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b. Im Rahmen der einheitlichen Kostenentscheidung ist auch über die Kosten der übereinstimmend für erledigt erklärten Widerklage nach den Grundsätzen des § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO zu entscheiden. Haben die Parteien in der mündlichen Verhandlung den Rechtsstreit für erledigt erklärt, so entscheidet das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes durch Beschluss. Wenn wie hier nur ein Teil des Rechtsstreits übereinstimmend für erklärt worden ist, ist die Kostenentscheidung nach § 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO in das Urteil einzubeziehen (vgl. BGH MDR 2013, 671 f.; Althammer in: Zöller, ZPO, a.a.O. § 91 a Rdn. 54). Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes muss davon ausgegangen werden, dass die Widerklage bis zum erledigenden Ereignis in Form der Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung vom 18.7.2024 zur Leistungsklage zulässig und begründet war.
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(1) Die als negative Feststellungsklage erhobene Widerklage war bis zum erledigenden Ereignis zulässig, insbesondere muss das Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO bejaht werden. Die Klägerin berühmte sich eines Anspruchs auf Schadensersatz, was sich bereits daraus ergibt, dass die ursprünglich mit Schriftsatz vom 21.7.2023 erhobene Klage ausdrücklich als Teilklage ausgestaltet war und die Klägerin ausführte, es seien tatsächlich € 148.000,- an Kosten für die Sonderprüfung angefallen, wovon zunächst aus Kostengründen nur € 10.000,- geltend gemacht würden. Dies muss für ein Sich-Berühmen eines über den Betrag von € 10.000,- hinausgehenden Anspruchs im Zusammenhang mit der Sonderprüfung als ausreichend angesehen werden, nachdem die Beklagten zu 2) und zu 3) aus der Formulierung „zunächst“ durchaus den Schluss ziehen können, die Klägerin ziehe eine Klageerweiterung in Betracht. Um eine der Rechtskraft fähige Entscheidung zu bekommen, können und müssen sie den Weg der negativen Feststellungsklage erheben.
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(2) Diese negative Feststellungsklage war bis zur Antragstellung im Termin vom 18.7.2024 auch begründet, weil der Klägerin kein Schadensersatzanspruch aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG aus und im Zusammenhang mit dem Sonderprüfungsverfahren bei der Klägerin gegen die Beklagten zu 2) und zu 3) zustand. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann in vollem Umfang auf die obigen Ausführungen unter I. verwiesen werden.
54
c. Soweit die Klage gegen die Beklagte zu 1) zurückgenommen wurde, hat die Kostenentscheidung ihre Grundlage in § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO.
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2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
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3. Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 48 Abs. 1, 45 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GKG, 3 ZPO. Eine Addition findet trotz einer Klageänderung in Form der Klageerweiterung nicht statt, weil der neue Streitgegenstand mit dem alten wirtschaftlich identisch ist. Angesichts dieser wirtschaftlichen Identität kommt eine Addition nicht in Betracht, wie der Wertung des § 45 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 GKG zu entnehmen ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 17.4.2019, Az. L 9 KR 114/18 B – zit. nach juris; N. Schneider in: Schneider/Volkert, AnwK RVG, 9. Aufl., § 22 RVG Rdn. 10; auch OLG Celle ABS 2008, 466). Da die Widerklage das kontradiktorische Gegenteil der Klage dargestellt hat, betrifft sie denselben Gegenstand wie die Klage, weshalb nur der Wert des höheren Anspruchs maßgeblich ist – dies ist hier die bezifferte Klage. Eine Addition findet mithin nicht statt.