Titel:
Zwischenfeststellung zur Wirksamkeit eines Ehevertrages
Normenketten:
ZPO § 256 Abs. 2
BGB § 242, § 313
Leitsätze:
1. Es besteht ein Interesse an der Klärung durch eine Zwischenfeststellung, ob ein Ehevertrag hinsichtlich der anhängigen Folgesachen Versorgungsausgleich und Güterrecht einer Inhaltskontrolle standhält. (Rn. 31) (red. LS Axel Burghart)
2. Die eheliche Solidarität dient nicht dem Umstand, dass ein Ehegatte Anrechte des anderen Ehegatten erhält, um damit nach Scheitern der Ehe sein Vermögen im Alter zu erhalten. (Rn. 38) (red. LS Axel Burghart)
Schlagworte:
Ehevertrag, Gütertrennung, Zwischenfeststellungsantrag, Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich, Inhaltskontrolle, Wirksamkeitskontrolle, Ausübungskontrolle
Fundstelle:
BeckRS 2024, 5123
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der am 27.06.1996 zwischen den Beteiligten geschlossene Ehevertrag UR.Nr. … im Hinblick auf die versorgungsausgleichsrechtlichen und güterrechtlichen Vereinbarungen wirksam und insbesondere weder sittenwidrig noch im Wege der Ausübungskontrolle anzupassen ist.
2. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalt.
Entscheidungsgründe
1
Die Beteiligten streiten im Rahmen des Scheidungsverbunds in der Folgesache Versorgungsausgleich und in der Folgesache Güterrecht über die Folgen eines Ehevertrags.
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Der Antragsteller und die Antragsgegnerin, beide deutsche Staatsangehörige, schlossen am ... 1996 vor dem Standesamt in B. Kreis St. unter der Register-Nr. … die Ehe.
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Zuvor schlossen sie am ... 1996 vor dem Notar … einen notariellen Ehevertrag. Auszugsweise enthielt der Vertrag folgende Regelungen:
„(…) Abschnitt 2: Gütertrennung
Für unsere soll künftig der Güterstand der Gütertrennung gelten.
- Es findet kein Zugewinnausgleich statt.
- Jeder Ehegatte kann über sein Vermögen vollkommen frei verfügen.
(…) Abschnitt 3: Ausschluß des Versorgungsausgleichs
Wir verzichten hiermit gegenseitig auf den Versorgungsausgleich. Der Notar hat uns über das Wesen des Versorgungsausgleichs belehrt und uns insbesondere darauf hingewiesen, daß bei einer evtl. Scheidung unserer Ehe keiner an den Versorgungsansprüchen des anderen teilhaben wird.
(…) Abschnitt 5: Teilunwirksamkeit
Sollte eine der Regelungen in dieser Urkunde unwirksam sein oder werden, so soll das die Gültigkeit aller übrigen Teile nicht betreffe; die übrigen Teile bleiben dann weiter wirksam. (…)
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Die Beteiligten leben seit Dezember 2018 getrennt. Der Scheidungsantrag des Antragstellers ist der Antragsgegnerin am 21. Januar 2020 zugestellt worden. Die Antragsgegnerin beantragte ebenfalls die Scheidung. Der Antrag wurde dem Antragsteller am 10.02.2020 zugestellt.
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Am 24.11.2020 wurde mündlich zur Sache verhandelt. Am 05.02.2021 erließ das Gericht einen Hinweisbeschluss und teilte dabei insbesondere mit, dass zur Frage, ob der verfahrensgegenständliche notarielle Ehevertrag einer gerichtlichen Ausübungskontrolle standhält, die Auskunft und die Ermittlung der in Rede stehenden Versorgungsanwartschaften für erforderlich erachtet werde. In der Folge wurden die Anrechte der Beteiligten zum Versorgungsausgleich ermittelt.
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Die Ermittlungen zum Versorgungsausgleich kamen zu folgendem Ergebnis:
Anrechte des Antragstellers:
Gesetzliche Rentenversicherung
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1. Bei der Deutschen Rentenversicherung … hat der Antragsteller keine Anteile in der Ehezeit erworben.
Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes
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2. Bei der Ev. Zk hat der Antragsteller ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 95,62 Versorgungspunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 51,47 Versorgungspunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 20.353,49 Euro.
Berufsständische Versorgung
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3. Bei der Bayerischen Ärzteversorgung – Bayerischen Versorgungskammer hat der Antragsteller ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 69,6181 Punktwerte erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 34,8091 Punktwerte zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 217.278,40 Euro.
Anrechte der Antragsgegnerin:
Gesetzliche Rentenversicherung
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4. Bei der Deutschen Rentenversicherung … hat die Antragsgegnerin ein Anrecht mit einem Ehezeitanteil von 17,7366 Entgeltpunkten erlangt. Der Versorgungsträger hat gem. § 5 Abs. 3 VersAusglG vorgeschlagen, den Ausgleichswert mit 8,8683 Entgeltpunkten zu bestimmen. Der korrespondierende Kapitalwert nach § 47 VersAusglG beträgt 64.167,35 Euro.
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Am 01.08.2022 macht der Antragsteller die Folgesache Güterrecht anhängig und stellte dort unter Ziff. I 1.) zunächst folgenden Antrag:
Es wird festgestellt, dass der am 27.06.1996 zwischen den Beteiligten geschlossene Ehevertrag … wirksam und insbesondere weder sittenwidrig noch im Wege der Ausübungskontrolle anzupassen ist.
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Ferner wurde für den Fall, dass das Gericht der Ansicht sein sollte, dass der am 27.06.1996 zwischen den Beteiligten geschlossene Ehevertrag … sittenwidrig ist und/oder eine Vertragsanpassung vorzunehmen ist, folgender Antrag gestellt:
Es wird weiter festgestellt, dass der Ehevertrag insgesamt nichtig und/oder anzupassen ist und nicht nur im Bereich des Versorgungsausgleichs.
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Ferner wurden für den Fall der Feststellung und/oder Anpassung des Ehevertrages nach Erledigung des Antrags und mithin nicht bei Feststellung der Wirksamkeit des Ehevertrages Anträge zur Auskunft- und Belegstufe zum Zugewinn gestellt.
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Nach Erledigung der Anträge zur Auskunfts- und Belegstufe behielt sich die Antragstellerseite vor, folgenden Antrag zu stellen:
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, die eidesstattliche Versicherung abzugeben, dass sie das Anfangsvermögen, das Vermögen bei Trennung und das Endvermögen vollständig und richtig angegeben hat.
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Im Anschluss an die ggf. abzugebende eidesstattliche Versicherung wurde beantragt:
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, für den Fall der Scheidung an den Antragsteller Zugewinnausgleich in einer nach Auskunftserteilung und eidesstattlicher Versicherung noch zu beziffernden Höhe nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab Rechtskraft der Scheidung zu zahlen.
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Der Antragsteller ist der Auffassung, die Beteiligten müssten sich an den Vereinbarungen des Ehevertrags festhalten lassen. Der Versorgungsausgleich sei nicht durchzuführen. Der Ehevertrag halte eine Inhalts- und Ausübungskontrolle stand. Zum Vertragsschluss hätte die Antragsgegnerin über ein beachtliches Immobilienvermögen mit Wert von ca. 1,5 Mio DM verfügt. Es sei klar gewesen, dass die Immobilien als Altersvorsorge habe dienen sollen. Die Antragsgegnerin habe sich als hinreichend abgesichert gesehen und habe ihrerseits die Absicherung des Immobilienvermögens und der erwartenden weiteren Erbschaften begehrt. Ihr sei bewusst gewesen, dass die Gütertrennung für den Fall der Scheidung einen erheblichen finanziellen Vorteil mit sich bringe, welcher den im Verhältnis geringeren Verlust zum Versorgungsausgleich bei Weitem decken würde. Die Antragsgegnerin sei davon ausgegangen, dass sie ihr Immobilienvermögen weiter ausbauen werde. Daran, insbesondere an den erwartbaren Wertsteigerungen, habe sie den Antragsteller nicht teilhaben wollen. Im Gegenzug habe sie auf den Versorgungsausgleich verzichtet. Die Antragsgegnerin habe den Vertrag gewollt, eine subjektive Imparität habe nicht vorgelegen. Auch im Rahmen der Ausübungskontrolle sei keine Anpassung des Vertrags vorzunehmen. Entscheidend sei, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss einer oder mehrerer Scheidungsfolg/n eine evident einseitige, unzumutbare Lastenverteilung ergebe. Diese läge nicht vor. Die Antragsgegnerin sei, anders als der Antragsteller, Millionärin. Ferner weiche die tatsächliche einvernehmliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse nicht von der ursprünglichen, dem Vertrag zu Grunde liegenden Lebensplanung grundlegend ab. Das Gegenteil sei der Fall. Die dem Vertrag zugrundliegende Lebensplanung habe sich genau so verwirklicht, wie von den Eheleuten beabsichtigt. Die Beteiligten hätten vier gemeinsame Kinder bekommen. Die Antragsgegnerin habe im Vergleich zum Antragsteller geringe Anwartschaften verdient. Das Immobilienvermögen der Antragsgegnerin habe sich in der Anzahl verringert, die verbleibende Immobilie …, M., sei aber beträchtlich im Wert gestiegen. Es sei von einem Wert von mindestens 5 Mio. Euro auszugehen. Die Immobilie habe eine Wohnfläche von 220 qm und sei luxuriös ausgestattet. Vergleichbare Wohnungen in der Nachbarschaft würden für ca. 7.000 Euro vermietet. Die Antragsgegnerin könne sich sehr gut um ihre eigene Altersvorsorge aus dem bestehenden Immobilienvermögen kümmern. Diese Immobilie könne jederzeit verkauft oder verwertet werden. Aus dem Erlös könne sich die Antragsgegner eine kleine Immobilie kaufen und vom restlichen Erlös die nächsten Jahrzehnte – auch im Alter – sehr gut leben. Der Antragsteller verfüge nicht über ein Immobilienvermögen. Müsste er von seiner Altersversorgung etwas abgeben, dürfe er entweder nicht aufhören zu arbeiten oder er werde im Alter zum Sozialfall. Er habe sich auf den Ehevertrag verlassen und sein Einkommen der Familie zum Verbrauch zur Verfügung gestellt. Es liege auch kein Wegfall der Geschäftsgrundlage vor. Es sei klar gewesen, dass der Antragssteller später über höhere Rentenanwartschaften verfüge, die Antragsgegnerin im Gegenzug über ein hohes Immobilienvermögen. Auf keinen Fall sei eine Vertragsanpassung angezeigt. Wenn der Vertrag bezüglich des Versorgungsausgleichs anzupassen wäre, so wäre der Vertrag insgesamt nichtig bzw. müsste angepasst werden, da der Antragsteller keinen Vertrag ohne den Ausschluss des Versorgungsausgleichs zugestimmt hätte. Zur Folgesache Güterrecht trug der Antragsteller vor, der Zwischenfestellungsantrag sei zulässig. Dieser ermögliche es dem Antragsteller nach § 256 Abs. 2 ZPO eine rechtskräftige Entscheidung auch über den Bestand eines des Hauptantrags vorgreiflichen Rechtsverhältnisses herbeizuführen. Die Wirksamkeit des Ehevertrags sei hier vorgreiflich für die Folgesachen Versorgungsausgleich und Güterrecht.
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Die Antragsgegnerin wendet ein, dass der Versorgungsausgleich durchzuführen sei. Es sei zwar richtig, dass die Beteiligten einen Ehevertrag abgeschlossen hätten, dieser Ehevertrag würde aber jedenfalls der Ausübungskontrolle mit Blick auf den Versorgungsausgleich nicht standhalten. Die Antragsgegnerin habe nach der Geburt vier gemeinsame Kinder geboren, habe ihre Berufstätigkeit als diplomierte Hotelfachfrau aufgegeben und bei fortbestehender vollschichtiger und intensiver Tätigkeit des Antragstellers die Versorgung der vier gemeinsamen Kinder übernommen, mit der Folge, dass sie ehezeitlich familienbedingt nur geringe Versorgungsanwartschaften, überwiegend aus Kindererziehungszeiten, erworben habe. Die Antragsgegnerin verfüge daher nicht über eine ausreichende Altersversorgung. Demgegenüber habe der Antragsteller sich eine hohe Altersversorgung verschaffen können. Ohne die von ihr geleistete Familienarbeit würde die Antragsgegnerin aus ihrer Erwerbstätigkeit als diplomierte Hotelfachfrau über eine erhebliche Altersversorgung verfügen. Der Versorgungsausgleich falle unter den Kernbereich einer richterlichen Prüfung der Vertragsautonomie. Der Schutz dieses Kernbereichs gebiete daher im Wege der Ausübungskontrolle die Teilhabe an der Versorgung des Antragstellers. Aufgrund der Vereinbarung der Beteiligten im Ehevertrag unter Ziff. 5, sei der Ehevertrag im Übrigen wirksam. Die Antragsgegnerin habe vor der Ehe über ein hohes Anfangsvermögen verfügt, welches sie vollumfänglich und mit Ausnahme der von ihr und den gemeinsamen Kindern bewohnten Wohnung vollständig in die Familie zu deren Lebensunterhalt und in die Wohnung investiert habe. Der Antragsteller habe sein Einkommen nur zu einem sehr geringen Teil in den Unterhalt investiert und aus seinen Einkünften die aufgenommenen Darlehen für den Erwerb der KV-Zulassung sowie die berufliche Selbstständigkeit und den Erwerb seines Gesellschaftsanteils an der Gemeinschaftspraxis investiert. Das zu Beginn der Ehe vorhandene Immobilienvermögen der Antragstellerin sei, anders als bei Vertragsschluss erwartet, vermindert worden. Aus dem nunmehr aufgebrauchten Anfangsvermögen der Antragsgegnerin habe diese den Lebensunterhalt und den Lebensstandard der gesamten Familie investiert, sowie deren Wohnmöglichkeit. Wäre das Immobilienvermögen ausgebaut worden, so könnte die Antragsgegnerin tatsächlich aus Einkünften aus Vermietung und Verpachtung weiterer Immobilien leben. Ebenso habe sich das Leben der Beteiligten bezüglich der Erwerbstätigkeit der Antragsgegnerin anders entwickelt, als von den Beteiligten erwartet. Der Vertrag sei im Wege der Ausübungskontrolle anzupassen, da die Antragsgegnerin nicht über eine hinreichende Altersvorsorge verfüge. Das Immobilienvermögen habe sich entgegen der Vorstellung beider Beteiligten nicht vermehrt, sondern vermindert. Die Antragstellerin habe lediglich das von ihr selbst bewohnte Familienanwesen in der … in ihrem Eigentum, mit einem Wert von geschätzten drei Mio. Euro, in dem sie zwar lebe, von dem sie aber nicht leben könne. Auch habe die Antragsgegnerin immer vorgehabt, trotz der Geburt der Kinder zu arbeiten. Der Antragsteller habe wesentliche Vermögenswerte erworben in Gestalt seines Gesellschaftsanteils an der florierenden Arztpraxis und in Gestalt seiner Kassenzulassung, die einen Wert von rund 600.000 Euro habe, sowie eine gute Altersvorsoge. Die Antragsgegnerin habe ausgenommen der Immobilie kein Vermögen und eine minimale Altersvorsorge. Der Antragsteller habe ferner eine stabile Erwerbstätigkeit und die Möglichkeit, hieraus seinen Lebensunterhalt mit Gewinnen in Höhe von mehreren 100.000 Euro p.A. zu gestalten. Die Antragsgegnerin habe keine stabile Verdienstmöglichkeit, auch wenn sie inzwischen eine Erwerbstätigkeit gefunden habe. Diese sei aber weder stabil noch geeignet, eine stabile Altersversorgung aufzubauen. Die nicht Durchführung des Versorgungsausgleichs zu Lasten der Antragstellerin würde zu einem nicht hinnehmbaren, dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs grob widersprechenden Ergebnis führen. Es bedürfe somit einer Anpassung des Vertrages dahingehend, dass der Versorgungsausgleich nach den gesetzlichen Regelungen durchgeführt werde. Die Regelung zum Versorgungsausgleich liege im Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts. Die Durchführung des Versorgungsausgleichs nach den gesetzlichen Vorschriften im Wege der Ausübungskontrolle führe nicht zur Unwirksamkeit anderer Regelungen im Ehevertrag. Die Beteiligten hätten im notariellen Ehevertrag in Abschnitt 5 ausdrücklich geregelt, dass im Falle der Unwirksamkeit einer Regelung der Urkunde, die Gültigkeit der anderen Regelungen nicht betroffen werden solle.
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Zur Folgesache Güterrecht trug die Antragsgegnerin vor, der Antrag sei unzulässig, es liege bereits kein Feststellungsinteresse vor. Die Frage, ob der Vertrag wirksam sei, sei entweder inzident in der Folgesache Zugewinn oder im Versorgungsausgleich zu klären.
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Am 19.07.2023 erließ das Gericht einen Hinweisbeschluss.
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Hierzu wandte der Antragsteller zunächst ein, dass der Zwischenfeststellungsantrag nicht zu weit gefasst sei. Den weiteren Ausführungen des Gerichts sei nichts hinzuzufügen.
21
Die Antragsgegnerin wandte zum Hinweis des Gerichts ein, die Annahme des Gerichts sei unzutreffend, dass die Antragstellerseite und die Antragsgegnerseite übereinstimmend angenommen hätten, dass der Ehevertrag einer Inhaltskontrolle standhalte. Der Begriff Inhaltskontrolle sei der Überbegriff für die Wirksamkeitskontrolle nach § 138 BGB und Ausübungskontrolle nach § 242 BGB. Da die Antragsgegnerin der Auffassung sei, dass der Vertrag im Wege der Ausübungskontrolle anzupassen sei, halte der Ehevertrag auch einer Inhaltskontrolle nicht stand. Ferner greife der Hinweis des Gerichts zu kurz zu der Frage, dass Voraussetzung für eine Anpassung sei, dass die Antragsgegnerin nicht über eine hinreichende Altersversorgung verfüge. Dies sei nicht Voraussetzung einer im Rahmen der Ausübungskontrolle vorgenommenen Vertragsanpassung. Der Richter müsse im Rahmen einer Ausübungskontrolle prüfen, ob und inwieweit es einem Ehegatten verwehrt sei, sich auf eine ihm begünstigenden Regelung zu berufen. Entscheidend sei, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige unzumutbare Lastenverteilung ergebe. Auch die Grundsätze über die Vertragsanpassung über den Wegfall der Geschäftsgrundlage könnten Anwendung finden, wenn und soweit die tatsächliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von derjenigen ursprünglichen Lebensplanung abweiche, welche die Ehegatten dem Ehevertrag zugrunde gelegt hätten.
22
Mit Schriftsatz vom 05. Oktober 2023 änderte der Antragsteller seinen Zwischenfeststellungsantrag aus dem Schriftsatz vom 01.08.2022 ab und beantragte nunmehr:
I.1.) Es wird festgestellt, dass der am 27.06.1996 zwischen den Beteiligten geschlossene Ehevertrag … im Hinblick auf die versorgungsausgleichsrechtlichen und güterrechtlichen Vereinbarungen wirksam und insbesondere weder sittenwidrig noch im Wege der Ausübungskontrolle anzupassen ist,
und für den Fall, dass das Gericht der Ansicht sein sollte, dass der am 27.06.1996 zwischen den Beteiligten geschlossene Ehevertrag … im Bereich des Versorgungsausgleichs sittenwidrig ist und /oder eine Vertragsanpassung vorzunehmen ist
I.2). wird weiter festgestellt, dass der Ehevertrag auch im Bereich des Güterrechts nichtig und/oder anzupassen ist und nicht nur im Bereich des Versorgungsausgleichs.
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Die Antragsgegnerin wendet sich auch gegen den abgeänderten Zwischenfeststellungsantrag mit Schriftsatz vom 24.10.2023.
24
Mit Schriftsätzen vom 27.11.2023 und 29.11.2023 erteilten die Beteiligten ihre Zustimmung für eine Entscheidung des Gerichts im schriftlichen Verfahren.
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Am 24.11.2020 wurden die Beteiligten persönlich nach § 128 Abs. 2 FamFG angehört. Ein weiterer Termin fand am 03.02.2023 statt.
26
Mit Beschluss vom 01.12.2023 ordnete das Gericht mit Zustimmung der Beteiligten eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren an. Dabei wurde als Zeitpunkt, der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht und bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, der 29.12.2023 bestimmt. Ferner wurde Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt auf Dienstag, 20.02.2024.
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Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
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Der Zwischenfeststellungsantrag ist zulässig und in Ziff. I 1 begründet.
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Das Gericht hat zunächst über den Zwischenfeststellungsantrag im Rahmen eines Teilbeschlusses zu entscheiden, da dieser in Ziff. I.1.) unbedingt gestellt wurde und daher seitens der Antragstellerseite eine isolierte Vorabentscheidung über diesen begehrt ist.
1. Zulässigkeit des Zwischenfeststellungsantrags
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Der Zwischenfeststellungsantrag ist zulässig. Das Amtsgericht ist örtlich zuständig.
31
Der Zwischenfeststellungsantrag ist nach § 113 Abs. 1 FamFG iVm § 256 Abs. 2 ZPO zulässig. Bei dem Ehevertrag handelt es sich um ein der Entscheidung über den Auskunftsanspruch in der Folgesache Güterrecht und zum Versorgungsausgleich vorgreifliches Rechtsverhältnis, über das zur Vermeidung einer unzulässigen Teilentscheidung auf der ersten Stufe des Stufenverfahrens eine Zwischenfeststellung möglich ist. Denn die geltend gemachten güterrechtlichen Ansprüche wären nach der vereinbarten Gütertrennung ausgeschlossen, wenn die Vereinbarung der Beteiligten wirksam wäre, ebenso wie der durch die Antragsgegnerin begehrte Versorgungsausgleich, welcher ebenfalls in dem Ehevertrag ausgeschlossen wurde. Es besteht ein Interesse des Antragstellers an der Klärung, ob der Ehevertrag hinsichtlich der in diesem Verfahren anhängigen Folgesachen Versorgungsausgleichs und Güterrecht einer Inhaltskontrolle standhält. Denn nach seiner Auffassung hält der Vertrag zwar einer Inhaltskontrolle stand, diese Frage steht aber im Streit, da die Antragsgegnerin eine Vertragsanpassung bezüglich der Regelung zum Versorgungsausgleich im Ehevertrag begehrt, für diesen Fall der Antragsteller aber der Auffassung ist, dass auch die Regelung des Ehevertrags zur Gütertrennung anzupassen wäre. Denn hierzu trug der Antragssteller vor, dass er den Ehevertrag nicht in dieser Form geschlossen hätte, sofern der Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht Vertragsbestandteil gewesen wäre.
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Die Antragsänderung vom 05.10.2023 ist bezüglich des Zwischenfestellungsantrags zulässig, soweit über diesen zu entscheiden war, § 264 ZPO.
2. Begründetheit des Zwischenfeststellungsantrags
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Der Zwischenfeststellungsantrag ist auch begründet, da der am 27.06.1996 zwischen den Beteiligten geschlossene Ehevertrag zur … im Hinblick auf die versorgungsausgleichsrechtlichen und güterrechtlichen Vereinbarungen wirksam und weder sittenwidrig noch im Wege der Ausübungskontrolle anzupassen ist und die Vereinbarungen im Ehevertrag diesbezüglich einer Inhaltskontrolle standhalten.
a) Wirksamkeitskontrolle des Ehevertrags im Hinblick auf die versorgungsausgleichsrechtlichen und güterrechtlichen Vereinbarungen
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Das Gericht folgt den nach Verständnis des Gerichts übereinstimmenden Ausführungen der Beteiligten, dass der am 27.06.1996 zwischen den Beteiligten geschlossene Ehevertrag zur … im Hinblick auf die versorgungsausgleichsrechtlichen und güterrechtlichen Vereinbarungen wirksam und nicht sittenwidrig ist und daher einer Wirksamkeitskontrolle standhält. Entsprechend sind weitergehende Ausführungen diesbezüglich entbehrlich, § 38 Abs. 4 Nr. 2 FamFG entsprechend.
b) Ausübungskontrolle des Ehevertrags im Hinblick auf die versorgungsausgleichsrechtlichen und güterrechtlichen Vereinbarungen
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Der Ehevertrag hält auch im Hinblick auf die versorgungsausgleichsrechtlichen und güterrechtlichen Vereinbarungen einer Ausübungskontrolle stand und bedarf daher diesbezüglich keiner Anpassung.
36
Soweit ein Ehevertrag – wie hier – der Wirksamkeitskontrolle standhält, muss das Gericht im Rahmen einer Ausübungskontrolle prüfen, ob und inwieweit ein Ehegatte die ihm durch den Vertrag eingeräumte Rechtsmacht missbraucht (§ 242 BGB), wenn er sich gegenüber einer vom anderen Ehegatten begehrten gesetzlichen Scheidungsfolge darauf beruft, dass diese Rechtsfolge durch den Vertrag wirksam abbedungen sei. Entscheidend ist insofern, ob sich im Zeitpunkt des Scheiterns der Ehe aus dem vereinbarten Ausschluss der Scheidungsfolge eine evident einseitige und nach Treu und Glauben unzumutbare Lastenverteilung ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 8.10.2014 – XII ZB 318/11). Ein zunächst wirksam vereinbarter – völliger oder teilweiser – Ausschluss des Versorgungsausgleichs hält nach diesen Maßstäben einer Ausübungskontrolle nicht stand, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte auf Grund einvernehmlicher Änderung der gemeinsamen Lebensumstände über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar ist (BGH a.a.O.). Auch die Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) können dabei auf Eheverträge Anwendung finden, wenn und soweit die tatsächliche Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse von derjenigen ursprünglichen Lebensplanung abweicht, welche die Ehegatten dem Ehevertrag zugrunde gelegt haben (OLG Nürnberg Beschl. v. 21.5.2013 – 11 UF 1740/12). Insbesondere hält ein zunächst wirksam vereinbarter – völliger oder teilweiser – Ausschluss des Versorgungsausgleichs einer Ausübungskontrolle nicht stand, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund einvernehmlicher Änderung der gemeinsamen Lebensumstände über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint (a. a. O.).
37
Unter Berücksichtigung dieser Umstände hält der Vertrag einer Ausübungskontrolle stand.
38
Zunächst folgt das Gericht den Ausführungen der Antragsgegnerin bezüglich der Frage, dass sie durch die Erziehung der vier Kinder Nachteile bezüglich des Erwerbs von Rentenanwartschaften in der Ehezeit erlitt. Insofern geht das Gericht aufgrund der Ausführungen beider Beteiligten davon aus, dass die Beteiligten vor der Ehe zwar bereits den Wunsch hatten, gemeinsame Kinder zu bekommen, dass aber dieser Wunsch in der Anzahl der Kinder bei Eheschließung nicht sicher feststand. Ferner war zu berücksichtigen, dass die berufliche Entwicklung der Antragsgegnerin während der Ehezeit nicht so erfolgreif verlief, wie diese vor der Ehe angenommen hatte und sie dadurch ebenfalls Nachteile bezüglich des Erwerbs von Rentenanwartschaften erlitt sowie, dass sich die Anzahl der Immobilien der Antragsgegnerin in der Ehezeit von drei auf eine Immobilie verringerte. Dies war aber in eine Gesamtabwägung zu bringen zu dem Umstand, dass die Antragsgegnerin nun zwar nach den bisherigen Feststellungen über geringe Rentenanwartschaften im Kapitalwert als der Antragsteller verfügt, wobei etwaige nicht ausgleichsreife Anrechte der Antragsgegnerin im Ausland bislang nicht in der Höhe und der Anzahl geklärt werden konnten, aber die Antragsgegnerin Eigentümerin ist der Immobilie in der …, deren Wert die Antragsgegnerin nach ihrem Vortrag auf ca. 3 Mio. Euro schätzt, der Antragssteller diese auf einen Wert von 5 Millionen Euro. Auch wenn die Antragsgegnerin nach dem Ergebnis der Ermittlungen geringere Anwartschaften in Deutschland erworben hat als der Antragsteller, liegt keine solche evident einseitige und nach Treu und Glauben unzumutbare Lastenverteilung durch die Vereinbarung zum Nachteil der Antragsgegnerin vor, da die Antragsgegnerin über eine Altersversorgung durch ihre Immobilie mit einem Wert von mindestens drei Millionen Euro im Alter verfügt, welche damit im Kapitalwert unstreitig nicht niedriger zu bewerten ist, als die bestehende Altersvorsorge des Antragstellers. Dass es vorliegend dem Antragssteller nach § 242 BGB verwehrt wäre, sich auf die Vereinbarung zum Versorgungsausgleich zu berufen, da eine evident einseitige und nach Treu und Glauben unzumutbare Lastenverteilung zum Nachteil der Antragsgegnerin vorliege, konnte das Gericht nicht feststellen, da die eheliche Solidarität nicht dem Umstand dient, dass ein Ehegatte Anrechte des anderen Ehegatten erhält, um damit nach Scheitern der Ehe sein Vermögen im Alter zu erhalten. Der Vortrag der Antragsgegnerin, dass sie in dieser Immobilie lebe, sie aber nicht von der Immobilie leben könne, überzeugt daher nicht, da, wie bereits ausgeführt, die eheliche Solidarität nach der Ehe nicht dem Erhalt von Vermögen eines der Ehegatten dient und die Immobilie jedenfalls nicht als solche i.S.D. § 90 Abs. 2 SGB XII zu bewerten ist.
39
Es war auch keine Anpassung des Ehevertrags bezüglich des Versorgungsausgleichs oder der Gütertrennung nach § 313 BGB vorzunehmen.
40
Nach Verständnis des Gerichts war das Ziel des Ehevertrags, die gegenseitigen Vermögenswerte im Falle der Trennung zu sichern, nämlich die erwarteten Rentenanwartschaften beim Antragsteller und das Vermögen der Antragsgegnerin. Dieses Ziel ist vorliegend eingetreten. Die Antragsgegnerin konnte während der Ehe frei über ihr Vermögen verfügen. Ferner hat sich ihr Vermögen zwar in der Anzahl der Immobilien verringert, aber nicht im Vermögenswert. Dass der Ehevertrag dem gemeinsamen Ziel der Ehegatten gedient hätte, dass der Ehevertrag nicht nur dem Erhalt der Vermögenswerte, sondern auch der Anzahl der Immobilien der Antragsgegnerin gedient hätte, konnte das Gericht anhand des Vortrags beider Beteiligten nicht feststellen. Da nach Verständnis des Gerichts das Ziel der Vereinbarung der Schutz und damit der Erhalt der erwartenden gegenseitigen Vermögenswerte im Fall einer Trennung war, nämlich der Erhalt von zu erwartenden Rentenansprüche auf Seiten des Antragstellers und der Erhalt von Vermögen als solches auf Seiten der Antragsgegnerin, und sich diese Umstände während der Ehe nicht derart abweichend entwickelten, da die Antragsgegnerin nun über höheres Vermögen verfügt als vor der Eheschließung. Daher lagen keine ausreichenden Gründe vor, welche eine Anpassung des Vertrages zwingend erforderlich machten.
41
Ebenso verhält es sich bezüglich der Vereinbarung zum Güterrecht.
42
Insofern ist auch keine Anpassung des Ehevertrags bezüglich der Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich und zum Güterrecht vorzunehmen.
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Eine Kostenentscheidung ist im Rahmen dieser Entscheidung nicht veranlasst. Über die Kosten ist einheitlich mit Abschluss des Verfahrens zu entscheiden.