Inhalt

OLG Nürnberg, Endurteil v. 08.10.2024 – 14 U 3488/21
Titel:

Widerrufsrecht, Kündigungsrecht, Darlehensvertrag, Verbraucherschutz, Pflichtangaben, Effektivzins, Vertragslaufzeit

Schlagworte:
Widerrufsrecht, Kündigungsrecht, Darlehensvertrag, Verbraucherschutz, Pflichtangaben, Effektivzins, Vertragslaufzeit
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth vom 19.08.2021 – 6 O 2080/21
Rechtsmittelinstanz:
BGH, Urteil vom 21.10.2025 – XI ZR 133/24
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 50851

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19.08.2021, Az. 6 O 2080/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 67.377,80 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines durch die Kläger erklärten Widerrufs ihrer auf den Abschluss von Darlehensverträgen gerichteten Willenserklärung sowie einer hilfsweise erklärten Kündigung nach § 494 Abs. 6 BGB.
2
Die Parteien – die Kläger als Verbraucher, die Beklagte als Unternehmerin – schlossen zum Zwecke der Umschuldung am 21.03.2012 in einer Vertragsurkunde zwei grundpfandrechtlich besicherte Forward Zinszahlungsdarlehen ab über einen Betrag in Höhe von 263.500 Euro (Nr. …) und einen Betrag in Höhe von 76.500 (Nr. …) zu einem Sollzinssatz in Höhe von jeweils 3,99% p.a., einem effektiven Jahreszins in Höhe von jeweils 4,06%, einer Zinsbindung für jeweils 15 Jahre und einer Vertragslaufzeit von jeweils 18 Jahren und einem Monat. Die Darlehensvaluten dienten der Finanzierung der Immobilie der Kläger. Hinsichtlich der Einzelheiten, insbesondere der erteilten Widerrufsinformation, wird auf die als Anlage K 1 vorgelegte Darlehensvertragsurkunde Bezug genommen.
3
Mit dem als Anlage K 2 vorgelegten Schreiben vom 01.04.2020 widerriefen, hilfsweise kündigten die Kläger die streitgegenständlichen Darlehensverträge. Die Beklagte hat den Widerruf und die Kündigung der Kläger zurückgewiesen.
4
Wegen des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Parteivorbringens sowie der dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des Endurteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19.08.2021 Bezug genommen.
5
Mit diesem Urteil hat das Landgericht Nürnberg-Fürth die Klage als unbegründet abgewiesen, da die Kläger die streitgegenständlichen Darlehensverträge weder wirksam widerrufen noch wirksam gekündigt hätten.
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Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 29.08.2021 zugestellte Urteil haben diese mit Schriftsatz vom 20.09.2021, eingegangen bei Gericht am selben Tag, Berufung eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 25.10.2021, eingegangen bei Gericht ebenfalls am selben Tag, begründet.
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Die Kläger sind der Auffassung, dass in den streitgegenständlichen Darlehensverträgen Pflichtangaben nicht bzw. nicht ordnungsgemäß erteilt worden seien, weshalb die Widerrufsfrist nicht zu laufen begonnen habe und der Widerruf mit Schreiben vom 01.04.2020 nicht verfristet sei. Hilfsweise seien die streitgegenständlichen Darlehensverträge gemäß § 494 Abs. 6 BGB wirksam gekündigt worden, weil in ihnen Angaben zum Kündigungsrecht nicht vollständig enthalten seien.
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Die Kläger beantragen,
das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 19.08.2021 – 6 O 2080/21 – abzuändern und
1. festzustellen, dass die Klagepartei wegen des Widerrufs [hilfsweise: wegen der Kündigung nach § 494 Abs. 6 Satz 1 BGB] vom 01.04.2020 nicht mehr aus dem mit der Beklagtenpartei geschlossenen Darlehensvertrag vom 20./21.03.2012 über 263.500,00 EUR (Konto Nr. …) verpflichtet ist, Zinszahlungen und Tilgungsleistungen zu erbringen;
2. festzustellen, dass die Klagepartei wegen des Widerrufs [hilfsweise: wegen der Kündigung nach § 494 Abs. 6 Satz 1 BGB] vom 01.04.2020 nicht mehr aus dem mit der Beklagtenpartei geschlossenen Darlehensvertrag vom 20./21.03.2012 über 76.500,00 EUR (Konto Nr. …) verpflichtet ist, Zinszahlungen und Tilgungsleistungen zu erbringen.
3. festzustellen, hilfsweise hinsichtlich der Anträge zu 1. und 2.: festzustellen, dass der Klagepartei hinsichtlich der unter 1. und 2. genannten Darlehensverträge jeweils ein Kündigungsrecht gemäß § 494 Abs. 6 BGB zusteht, für das die Regelung des § 489 Abs. 3 BGB eingreift/zu beachten ist.
9
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Kläger/Berufungskläger zurückzuweisen.
10
Die Beklagte verteidigt das Ersturteil.
11
Der Senat hat gemäß Beweisbeschluss vom 27.02.2024 (Bl. 176/176R d. A.) Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. F. vom 11.06.2024. Auf den Inhalt dieses schriftlichen Gutachtens (Bl. 185-188R d.A.) wird Bezug genommen.
12
Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz wird im Übrigen auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
13
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
14
Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
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Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, da die Darlehensverträge nicht wirksam widerrufen wurden. Die Kläger haben die Darlehensverträge auch nicht wirksam gekündigt.
(Sämtliche im Folgenden benannten Vorschriften werden in der zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gültigen Fassung zitiert).
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1. Der mit Schreiben vom 01.04.2020 gemäß § 495 Abs. 1, § 355 Abs. 1 Satz 1 BGB erklärte Widerruf der Kläger war verfristet, weil zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung die zweiwöchige Widerrufsfrist des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB bereits abgelaufen gewesen ist.
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a. Gemäß § 495 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 Buchst. b) BGB i.V.m. § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt die zweiwöchige Widerrufsfrist, wenn dem Verbraucher spätestens bei Vertragsschluss die Pflichtangaben zum Widerrufsrecht gemäß § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 3 Nr. 13 EGBGB erteilt worden sind. Dies war vorliegend der Fall.
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Der Darlehensgeber erfüllt die Anforderungen an die Pflichtangaben zum Widerrufsrecht, wenn er – wie vorliegend in der Widerrufsinformation – das in Anlage 6 zu Art. 247 EGBGB zur Verfügung gestellte Muster einsetzt, das mit einer Gesetzlichkeitsfiktion ausgestattet ist (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB; vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 71. Aufl. Art. 247 § 6 Rn. 4).
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Die mit einer schwarzen Umrandung versehene Widerrufsinformation erfüllt auch die Anforderungen des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB an eine hervorgehobene und deutlich gestaltete Form. Entgegen dem Vorbringen der Kläger (Schriftsatz vom 25.10.2021, Seite 16, Bl. 118 d.A.) finden sich auch nicht auf sämtlichen Seiten der Darlehensverträge gleichgeartete Umrahmungen.
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Die Gesetzlichkeitsfiktion entfällt nicht deshalb, weil die Beklagte in der Widerrufsinformation den gemäß dem Mustertext zwingenden Passus „Für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung ist bei vollständiger Inanspruchnahme des Darlehens pro Tag ein Zinsbetrag in Höhe von 5 Euro zu zahlen. Dieser Betrag verringert sich entsprechend, wenn das Darlehen nur teilweise in Anspruch genommen wurde“ doppelt verwendet und jeweils um die Worte „für das Unterkonto Nr. …“ ergänzt hat. Die Regelung des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 5 EGBGB, die eine ausdrückliche Erlaubnis zur Abweichung vom Muster in Format und Schriftgröße enthält, sowie die Verwendung des Begriffs „entspricht“ in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB geben einer Prüfung Raum, ob und unter welchen Umständen gewisse Veränderungen am gesetzlichen Muster nur eine für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion unschädliche Bearbeitung darstellen (vgl. BGH, Urteil vom 01.12.2022 – I ZR 28/22, juris Rn. 32). Die vorgenommenen Veränderungen waren sprachlich allein dem Faktum von zwei Darlehensverträgen und der dadurch bestehenden Notwendigkeit der Zuordnung der divergierenden Zinsbeträge zum richtigen Vertrag geschuldet. Diese rein der Klarstellung dienenden Anpassungen stellen für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion unschädliche Bearbeitungen dar.
21
Der Beachtlichkeit der Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB steht weiter nicht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 26. März 2020 (C-66/19, WM 2020, 688 – Kreissparkasse Saarlouis) entgegen. Darin hat der Gerichtshof zwar entschieden, Art. 10 Abs. 2 Buchst. p der RL 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der RL 87/102/EWG des Rates (“Verbraucherkreditrichtlinie“) sei dahin auszulegen, dass er dem entgegenstehe, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der in Art. 10 dieser Richtlinie genannten Angaben auf eine nationale Vorschrift verweise, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweise. Wie der BGH aber mit Beschluss vom 31. März 2020 (Az.: XI ZR 198/19) im Einzelnen begründet hat, ist es ihm verwehrt, sich gegen die ausdrückliche Anordnung des Gesetzgebers in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB zu stellen. Für eine richtlinienkonforme Auslegung ist kein Raum (zum Ganzen: vgl. BGH, Verfügung vom 01.12.2020 – XI ZR 321/20, juris Rn. 4). Letztlich sind streitgegenständlich auch zwei grundpfandrechtlich besicherte Immobiliardarlehensverträge, auf welche die Verbraucherkreditrichtlinie nach ihrem Art. 2 Abs. 2 Buchst. a und c keine Anwendung findet (BGH, Beschluss vom 31.03.2020, XI ZR 581/18).
22
Ein Mangel an klaren und verständlichen Angaben zum Widerrufsrecht liegt auch nicht darin, dass nur eine Widerrufsinformation für beide Darlehensverträge existiert. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen mehrere Darlehensverträge in einer Vertragsurkunde zusammengefasst worden sind, hat der BGH ausdrücklich eine einheitliche Belehrung als genügend anerkannt (BGH, Beschluss vom 29.08.2017 – XI ZR 318/16, juris Rn. 2). Für die Kläger war aufgrund der differenzierten Angaben zu den für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens zu begleichenden Zinsbeträgen für die jeweiligen Unterkonten auch klar ersichtlich, dass sich die Widerrufsinformation auf beide abgeschlossenen Darlehensverträge bezogen hat.
23
b. Anders als die Kläger meinen, fehlt es bei Vertragsabschluss auch nicht an Pflichtangaben gemäß § 495 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b), § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 1 EGBGB. Tatsächlich war der Sicherungszweckvertrag nicht gemäß Art. 247 § 8 Abs. 1 Satz 1 EGBGB im Vertragstext anzugeben. Bei dem Sicherungszweckvertrag zwischen den Klägern und der Beklagten handelt es sich nicht um einen Vertrag über eine Zusatzleistung des Kreditgebers oder eines Dritten, über den gemäß Art. 247 § 8 Abs. 1 EGBGB hätte informiert werden müssen; denn der Vertrag hat keine Leistung des Kreditgebers oder eines Dritten zum Gegenstand, sondern eine Leistung des Darlehensnehmers selbst, der sich im Sicherungszweckvertrag verpflichtet, die vereinbarten Sicherheiten zu stellen. Die gemäß Art. 247 § 7 Nr. 2 EGBGB bestehende Verpflichtung, über das Verlangen des Darlehensgebers hinsichtlich Sicherheiten zu informieren, gilt für Immobiliardarlehensverträge gemäß Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz 1 EGBGB nicht (OLG Stuttgart, Urteil vom 04.06.2019, 6 U 90/18, juris Rn. 32; OLG Frankfurt, Urteil vom 10.07.2024 – 17 U 63/23, juris Rn. 93; OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 07.02.2022, 14 U 3552/21, n.v.). Etwas anderes folgt auch nicht daraus, soweit sich die Kläger gemäß dem Sicherungszweckvertrag verpflichtet haben, die auf dem belasteten Grundstück befindlichen Gebäude und Zuberhörstücke auf ihre Kosten gegen alle Gefahren versichern zu lassen (s. hierzu Schriftsatz vom 25.10.2021, Seite 20, Bl. 122 d.A.); hieraus ergibt sich nicht, dass der Abschluss dieser Versicherung Bedingung dafür ist, dass der Darlehensvertrag überhaupt oder zu bestimmten Konditionen gewährt wird. Weiterhin ist entgegen dem Vorbringen der Kläger (Schriftsatz vom 25.10.2021, Seite 20 Bl. 122 d.A.) die Verpflichtung der Kläger zum Abschluss von Versicherungen für Gebäude und Zubehör auf dem belasteten Grundstück ausdrücklich im Vertragstext geregelt (Seiten 3 u. 4 der Anlage K1).
24
c. Es fehlen keine Pflichtangaben i.S.d. Art. 247 § 9 Abs. 1 EGBGB i.V.m. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB.
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Sonstige Kosten i.S.d. Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB sind alle Gebühren, Kosten und Auslagen, die der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Vertrag, vor Vertragsabschluss und bei Durchführung zu tragen hat. Kosten aus separaten Verträgen (hier: Versicherungen für Gebäude und Zubehörstücke) sind hierbei gerade nicht anzugeben (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB, 71. Aufl., Art. 247 EGBGB § 3 Rn. 2; BT-Drucks. 16/11643, S. 124). Notar- und Gerichtsgebühren waren ebenfalls nicht konkret zu beziffern (BGH, Beschluss vom 12.11.2019, XI ZR 34/19). Ebenso zählen auch Kosten für ein von der Beklagtenpartei für die Darlehenserteilung gefordertes Schuldanerkenntnis sowie Kosten für die Freigabe von Sicherheiten (s. hierzu z.B. Schriftsatz vom 25.10.2021, Seite 21, Bl. 123 d.A.) nicht zu den Entgelten für den Kreditvertrag und werden von Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB daher nicht erfasst (vgl. BT-Drucks. 16/11643, S. 124; OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.10.2019 – 19 U 30/19, juris Rn. 30).
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d. Entgegen dem Vorbringen der Kläger mangelt es nicht an der Pflichtangabe nach Art. 247 § 3 Nr. 2 EGBGB i.V.m. Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz 1 EGBGB über die Art des Darlehens.
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Mit dieser Anforderung ist sowohl die Vertragsart als auch dessen nähere Ausgestaltung gemeint, wobei eine kurze schlagwortartige Bezeichnung ohne weitergehende Erläuterung grundsätzlich ausreicht (Wittig in: Kümpel/Mülbert/Früh/Seyfried, Bankrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2022, 5. Teil Kreditgeschäft mit Verbrauchern, Rn. 5.84; Staudinger/Kessal-Wulf (2012) BGB § 491a Rn. 12). Der Vertrag (Anlage K1) wurde mit den Überschriften „Darlehensvertrag“ und „Baufinanzierung“ versehen. Unter der Rubrik „Art des Darlehens“ wurde zwar nur das Kürzel „ZF“ verwendet, nachfolgend aber kenntlich gemacht, dass es sich hierbei um die Abkürzung für ein „Zinszahlungsdarlehen Forward“ handelt. Diese schlagwortartigen Angaben reichen zur Abgrenzung von anderen Kreditformen und mithin zur Erfüllung der Pflichtangabe aus. Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass die Besonderheiten des Zinszahlungsdarlehens im Vertrag noch einmal ausdrücklich in den Darlehensbedingungen unter Ziffer 9.2. (Anlage K1, Seite 6) sowie unter den „Besonderheiten bei Tilgungsaussetzung kombiniert mit einer Kapitallebensversicherung“ (Anlage K1, Seite 10) erläutert werden. Unter Ziffer IV. des Vertrags (Anlage K1, Seite 2) wird zum Forward Darlehen ausdrücklich angegeben, dass es der Umschuldung zu einem Auszahlungstermin dient, welcher auf eine Zeit nach dem Vertragsschluss datiert ist.
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e. Soweit die Kläger schließlich die Pflichtangabe zum effektiven Jahreszins gemäß Art. 247 § 3 Nr. 3 EGBGB i.V.m. Art. 247 § 9 Abs. 1 Satz1 EGBGB als unrichtig (zu niedrig) bemängeln, dringen sie hiermit ebenfalls nicht durch.
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aa. Entgegen dem Vorbringen der Kläger war in die Berechnung des Effektivzinssatzes für den Zeitraum nach dem Ende der Sollzinsbindung kein variabler Sollzinssatz in Höhe von 6,00% p.a. einzustellen, woraus sich ein Effektivzinssatz in Höhe von 4,97% p.a ergeben würde (s. hierzu Schriftsatz vom 28.06.2021, Seite 5, Bl. 48 d.A.).
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Die von den Klägern ihrer Berechnung zugrunde gelegte Methode nach der Annahme j) des Teils II der Anlage zu § 6 PAngV (in der bis zum 31.12.2012 geltenden Fassung) findet auf die vorliegende Fallgestaltung keine Anwendung. Diese setzt voraus, dass bereits bei Vertragsschluss fest für das Ende der Sollzinsbindung ein neuer, veränderlicher Sollzinssatz vereinbart wird. Der hiesige Fall liegt jedoch anders. Nach Nr. 6.2. der Darlehensbedingungen (Anlage K1, Seite 6) wurde bei Vertragsschluss ein veränderlicher Sollzinssatz nach dem Ablauf der Sollzinsbindung nur für den Fall vereinbart, dass der Darlehensnehmer vor Ablauf der Sollzinsbindung ein Angebot der Bank über einen neuen gebundenen Sollzinssatz nicht annimmt. Da bei einer solchen Abrede zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gerade nicht feststeht, ob für die Zeit nach Ablauf der Sollzinsperiode die Verzinsung auf der Grundlage eines festen oder auf der Grundlage eines variablen Sollzinssatzes erfolgen wird, findet die Berechnungsmethode der Annahme j) des Teils II der Anlage zu § 6 PAngV (in der bis zum 31.12.2012 geltenden Fassung) keine Anwendung (vgl. Ellenberger/Bunte/von Spannenberg, Bankrechtshandbuch § 53. Vergütungen, 6. Aufl. 2022, Rn. 49 f.; a.A. OLG Düsseldorf, Urteil vom 30.10.2020 – 17 U 170/19, juris Rn. 60). Dies wurde durch den Gesetzgeber ausdrücklich in der ab dem 01.01.2013 geltenden Fassung des Teils II der Anlage zu § 6 PangV klargestellt [s. hierzu Drucksache 328/12 (Beschluss des Bundesrates vom 06.07.2012) ]. Danach wurde der Annahme j) ein Satz 2 hinzugefügt, nach dem Satz 1 der Annahme j) der Berechnung des effektiven Jahreszinses nur dann zugrunde gelegt wird, wenn feststeht, dass nach Ablauf der Sollzinsbindung ein variabler Sollzins zur Anwendung kommt. Hiermit wird vermieden, dass – je nach Zinslage – der effektive Zinssatz mit einem Wert angegeben wird, der unter dem Nominalzins liegt [hierzu Drucksache 328/12 (Beschluss des Bundesrates vom 06.07.2012) ].
31
bb. Soweit die Kläger auch im Übrigen die Richtigkeit der Berechnung des Effektivzinssatzes, insbesondere die korrekte Berücksichtigung der Annahme c) des Teils I der Anlage zu § 6 PangV, bestritten haben, hat der Senat den Effektivzinssatz durch den Sachverständigen Prof. Dr. F. berechnen lassen. Nach dem Ergebnis des schriftlichen Sachverständigengutachtens vom 11.06.2024 weist das Darlehen mit der Unterkontonummer (Endnummer) … einen Effektivzinssatz von ca. 4,065790% p.a. sowie das Darlehen mit der Unterkontonummer … einen Effektivzinssatz von ca. 4,066063% p.a. auf; diese beiden Beträge sind gemäß Anmerkung d) des Teils I der Anlage zu § 6 PangV auf 4,07% p.a. zu runden.
32
Damit weicht der sich aus dem Gutachten ergebende Effektivzinssatz in Höhe von 0,01% von dem seitens der Beklagten in den Darlehensverträgen angegebenen Effektivzinssatz (4,06% p.a.) ab.
33
Eine solche minimale Abweichung des effektiven Jahreszinses um lediglich 0,01% stellt aus der Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers, auf den abzustellen ist, jedenfalls eine gänzlich untergeordnete Informationspflichtverletzung dar, die auf dessen Willensbildung vernünftigerweise keinen Einfluss haben kann (MüKo/Weber, BGB, 9. Aufl., § 495 Rn. 12, m.w.N.), so dass gleichwohl die Widerrufsfrist zu laufen beginnt.
34
2. Die Kläger haben den streitgegenständlichen Darlehensvertrag mit Schreiben vom 01.04.2020 auch nicht gekündigt.
35
Da die Kläger die Darlehensbeträge nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Kündigungserklärung zurückgezahlt haben, gilt die Kündigung der Kläger als nicht erfolgt (§ 489 Abs. 3 BGB). Entgegen der Auffassung der Kläger ist § 489 Abs. 3 BGB auf alle Darlehensverträge und auch auf die Kündigungsmöglichkeit nach § 494 Abs. 6 BGB anwendbar (Grüneberg/Weidenkaff, BGB, 83. Aufl., § 489 Rn. 12; § 494 Rn. 10; OLG Stuttgart, Urteil vom 25.04.2023 – 6 U 213/21, juris Rn. 52; Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 28.06.2023, 4 U 88/22, juris Rn. 50; OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.01.2023, 9 U 58/22, juris Rn. 66).
36
3. Der hilfsweise erhobene Feststellungsantrag (Klageantrag Ziffer 3.) ist bereits unzulässig. Die begehrte Feststellung, dass den Klägern ein Kündigungsrecht nach § 494 Abs. 6 BGB zusteht, für das die Regelung des § 489 Abs. 3 BGB eingreift/zu beachten ist, bezieht sich nicht auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines gegenwärtigen Rechtsverhältnisses zwischen den Parteien. Sie soll vielmehr den Klägern zur Beantwortung ihrer Frage dienen, ob eine neue, wiederum auf § 494 Abs. 6 BGB gestützte Kündigung berechtigt wäre.
III.
37
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO.
38
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 709, § 711 ZPO.
39
Die Revision ist zuzulassen.
40
Das OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 30.10.2020 (Az.: 17 U 170/19) die Anwendbarkeit der Annahme j) des Teils II der Anlage zu § 6 PAngV (in der bis zum 31.12.2012 geltenden Fassung) für eine identische Fallkonstellation bejaht. Die hiesige Entscheidung beruht ebenfalls auf dieser Rechtsfrage und beantwortet diese abweichend von der vorbenannten Entscheidung. Aufgrund der insoweit divergierenden Entscheidungen gleichrangiger Gerichte ist die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO).