Inhalt

LG Deggendorf, Beschluss v. 07.10.2024 – 12 T 120/24
Titel:

Verfahrenspfleger, Begründung der Rechtsbeschwerde, Rechtsbeschwerdegrund, Berufsbetreuer, Weiterer Betreuer, Elektronisches Dokument, Rechtliche Betreuung, Betreuungsbehörde, Sachverständigengutachten, Rechtliches Betreuer, Eltern als Betreuer, Betreuerbestellung, Betroffenheit, Verhinderungsbetreuer, Fehlende Eignung, Elektronischer Rechtsverkehr, Ablehnung der Bestellung, Beschwerdegericht, Betreuungsgericht, Aufgabe zur Post

Schlagworte:
Betreuung, Eignung, Sachverständigengutachten, emotionale Abhängigkeit, Verfahrenspflegerin, Beschwerde, Verhinderungsbetreuer
Vorinstanz:
AG Viechtach, Beschluss vom 02.08.2024 – XVII 344/17
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 24.09.2025 – XII ZB 513/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 50832

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Viechtach vom 02.08.2024, Az. XVII 344/17, wird zurückgewiesen.
2. Von der Erhebung der Kosten wird abgesehen.

Gründe

I.
1
Die 25jährige Betroffene leidet an einer geistigen Behinderung im Sinne einer leichten Intelligenzminderung.
2
Nach ihrem Eintritt in das 19. Lebensjahr hatte das Amtsgericht Viechtach mit Beschluss vom 26.09.2017 für die Betroffene die Betreuung angeordnet in den Aufgabenkreisen der Vermögenssorge, der Gesundheitsfürsorge, des Aufenthaltsbestimmungsrechts, der Postangelegenheiten, der Wohnungsangelegenheiten und der Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten und Sozialleistungsträgern.
3
Als Betreuer war zunächst ein Berufsbetreuer eingesetzt worden, dem mit Beschluss des Amtsgerichts Viechtach vom 09.04.2018 der Vater der Betroffenen (der Beteiligte zu 1) als weiterer Betreuer an die Seite gestellt worden war, bevor dem Vater die Betreuung durch Beschluss vom 23.01.2019 nahezu allein übertragen wurde. Lediglich für den Aufgabenkreis „Abschluss und Kündigung von Arbeitsverhältnissen“ blieb ein Berufsbetreuer bis zum 01.07.2022 als gemeinsam handlungsbefugter Betreuer bestellt.
4
Der Übernahme der Betreuung durch den Vater der Betroffenen ging ein Sachverständigengutachten des gerichtlich bestellten Neurologen und Psychiaters … vom 15.02.2018 voraus, der gemäß Beweisbeschluss vom 23.01.2018 ein Gutachten zu der Frage erstattete, ob die Eltern der Betroffenen als Betreuer geeignet sind (Bl. 67 d.A.). Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die damals alkoholabhängige Mutter der Betroffenen an einer ernsthaften psychischen Erkrankung leidet und deutliche Anzeichen aufweist einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen und histrionischen Anteilen, weshalb sie aus nervenärztlicher Sicht vollkommen ungeeignet war, die Betreuung für ihre Tochter zu übernehmen. Die psychische Störung der Mutter äußerte sich unter anderem in einem Verhalten, mit dem sie eigene Wünsche in den Vordergrund stellte und nicht die Entwicklung ihrer Tochter positiv beeinflusste. Die Mutter manipulierte ihre Tochter durch Bedrohungen, Bestrafungen und die Ankündigung, sich selbst zu zerstören, wenn die Tochter von zuhause weggehen würde. Die Betroffene selbst zeigte sich zerrissen zwischen den Wünschen der Mutter und ihren eigenen Wünschen und verhielt sich bei ihren Meinungsäußerungen stets situationsangepasst. Sie berichtete jeweils klar, vehement und konstant die Dinge so, wie sie glaubte, dass ihr Gegenüber sie hören mochte. Sie war aufgrund ihrer geistigen Behinderung nicht dazu in der Lage, ihre eigene Meinung konstant zu vertreten und sich gegen das Verhalten ihrer Mutter aufzulehnen (Bl. 74/89 d.A.).
5
Das emotionale Spannungsfeld zwischen Mutter und Tochter war auch ausführlich vom damaligen Berufsbetreuer in seinem Bericht vom 22.11.2017 (Bl. 37/39 d.A.) und in dem ausführlichen Bericht der zuständigen Betreuungsbehörde vom 08.01.2018 (Bl. 50/53 d.A.) beschrieben worden, wonach die Mutter-Kind-Beziehung auch aus Sicht der zuständigen Pädagogen als „abnorm“ eingeordnet wurde, indem die Mutter zwanghaft an der Tochter klammerte und Selbstständigkeitstendenzen ihrer Tochter blockierte.
6
Die Betroffene arbeitet seit August 2018 in den … . Sie wohnt weiterhin bei ihrer Mutter, mit der sie am 06.10.2023, vertreten durch einen Ergänzungsbetreuer, einen Pflege- und Versorgungsvertrag abgeschlossen hat (Blatt 263 d.A.). Ihr Vater lebt mittlerweile von der Mutter getrennt.
7
Über den Ergänzungsbetreuer (bei dem es sich um den nun als Verhinderungsbetreuer eingesetzten Beteiligten zu 2 handelte) wurde dem Gericht im Oktober 2023 der Wunsch der Betroffenen mitgeteilt, wonach die Mutter der Betroffenen zur weiteren Betreuerin bestellt werden möge, nachdem sich die familiäre Situation stabilisiert habe und die Mutter seit 2 Jahren „trockene Alkoholikerin“ sei. Die Betroffene begründete diesen Wunsch damit, dass ihre Mutter bei Anrufen auf der Arbeit keine Auskunft erhalte, da nur ihr Vater Betreuer sei (Bl. 261 d.A.).
8
Die zuständige Betreuungsbehörde trat der Bestellung der Mutter zur Betreuerin mit Bericht vom 08.03.2024 entgegen und äußerte Zweifel an ihrer persönlichen Eignung, u.a. unter Verweis auf das Sachverständigengutachten vom 15.02.2018. Zwar wirke die Betroffene im Vergleich zur Vergangenheit ruhiger und gereifter, dennoch äußere sich die Betroffene weiterhin ambivalent bezüglich der häuslichen Situation und zeige sich teilweise sehr angespannt. (Bl. 275 ff. d.A.).
9
Auch der Sozialdienst … berichtet in seinem Bericht vom 14.11.2023 von fortdauernden Spannungen im häuslichen Umfeld, von einer hohen psychosozialen Belastung der Betroffenen hierdurch und von ihrer hohen Ambivalenz und emotionalen Abhängigkeit im Verhältnis zur Mutter. Einerseits weine und beschwere sich die Betroffene praktisch täglich über ihre Mutter und wolle ausziehen, andererseits könne Sie diesen Schritt nicht gehen, da sie dies ihrer Mutter „nicht antun wolle“, da „die Mutter sie brauchen“ würde. Aus Sicht des Sozialdienstes machen jahrelanger Alkoholismus, die sehr unausgeglichene psychische Verfassung der Mutter und ihr körperlicher Gesundheitszustand es unmöglich, der Betroffenen die nötige Hilfestellung zu geben, im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein selbstbestimmtes Leben zu führen. So sei insbesondere fraglich, ob es der Mutter nicht eher um die Erfüllung der eigenen Bedürfnisse gehe als um das Wohl, vor allem die freie Entwicklung, ihrer Tochter. Insbesondere mische sich die Mutter massiv in das Leben ihrer Tochter ein, kontrolliere sie und übe Macht auf sie aus (Bl. 278/279).
10
Mit Beschluss vom 11.03.2024 setzte das Amtsgericht Viechtach eine Verfahrenspflegerin ein mit dem Aufgabenbereich, die Betroffene bei der Bestellung eines weiteren Betreuers zu vertreten.
11
Die Verfahrenspflegerin schilderte in ihrem ersten Bericht vom 25.03.2024 das Bestehen einer „extremen emotionalen Bindung und Abhängigkeit“ zwischen Mutter und Tochter. Die Betroffene scheine komplexe Zusammenhänge nicht zu begreifen und ihrem jeweiligen Gegenüber nach dem Mund zu reden. Von ihrer Mutter werde sie stark beeinflusst. Von ihrer Mutter sei die Betroffene im Gespräch mit der Verfahrenspflegerin mehrmals als „ihr Baby“ bezeichnet worden, das die Mutter niemals hergeben, sondern beschützen werde, und für das sie kämpfen werde wie eine Löwin. Während die Verfahrenspflegerin in ihrem vorgenannten Bericht die Bestellung der Mutter zur weiteren Betreuerin unter der Bedingung befürwortete, dass zu ihr ein Gegenpol geschaffen werde, sprach sich die Verfahrenspflegerin in ihrem zweiten Bericht vom 16.07.2024 explizit gegen die Bestellung der Mutter aus, da Zweifel an ihrer Eignung bestehen. Die Mutter verstehe weder den Unterschied zwischen rechtlicher Betreuung und elterlicher Fürsorge, noch könne sie die Angelegenheiten der Tochter in angemessener Weise vertreten, weshalb die Betreuung ausschließlich in den Händen des Vaters bleiben und bei Verhinderung durch einen Berufsbetreuer wahrgenommen werden solle.
12
Die Betreuungsbehörde nahm in ihrem Bericht vom 02.07.2024 dahin Stellung, dass es keinen Grund gebe für die Bestellung eines weiteren Betreuers und dass die Mutter hierfür ungeeignet sei (Bl. 301/302 d.A.).
13
Sowohl gegenüber der Verfahrenspflegerin, als auch gegenüber dem zuständigen Betreuungsrichter, erklärte die Betroffene in einer persönlichen Anhörung, mit der (erneuten Mit-) Betreuung durch den Beteiligten zu 2) einverstanden zu sein.
14
Mit Beschluss vom 02.08.2024 hat das Betreuungsgericht die bestehende Betreuung mit unverändertem Aufgabenkreis für sieben Jahre verlängert und den nunmehr 79jährigen Vater der Betroffenen erneut zum Betreuer bestellt. Zum Verhinderungsbetreuer wurde der Beteiligte zu 2) als Berufsbetreuer bestellt. Die Bestellung der Mutter zur weiteren Betreuerin wurde aufgrund fehlender Eignung abgelehnt.
15
Gegen diesen Beschluss wenden sich der Vater und die Betroffene mit Ihrem Schreiben vom 28.08.2024, eingegangen beim Amtsgericht Viechtach am 02.09.2024. Zur Begründung wurde angegeben, dass sich die Betroffene ausschließlich ihre beiden Eltern als Betreuer wünscht.
16
Das Amtsgericht Viechtach hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese durch Beschluss vom 12.09.2024 dem Landgericht Deggendorf zur Entscheidung vorgelegt.
17
Zur Ergänzung des weiteren Sachverhalts wird Bezug genommen auf den übrigen Akteninhalt.
II.
18
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg.
19
1. Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht erhoben.
20
Die Betroffene ist nach § 59 Abs. 1 FamFG beschwerdebefugt und der Vater als Betreuer gem. § 303 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 4 Satz 1 FamFG,
21
2. Die Beschwerde ist in der Sache jedoch unbegründet.
22
Die Bestellung eines weiteren Betreuers ist derzeit nicht veranlasst gem. § 1817 Abs. 1 Satz 1 BGB.
23
Soweit gem. § 1817 Abs. 4 Satz 1 BGB ein Verhinderungsbetreuer bestellt wurde, war dem Wunsch der Betroffenen zur Bestellung ihrer Mutter nach § 1816 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht zu entsprechen, da diese zur Führung der Betreuung nicht geeignet ist.
24
a) Nach § 1817 Abs. 1 Satz 1 BGB kann das Betreuungsgericht mehrere Betreuer bestellen, wenn die Angelegenheiten des Betreuten hierdurch besser besorgt werden können.
25
Hieraus folgt der Grundsatz der Einzelbetreuung: Die Betreuung durch mehrere Personen ist als Ausnahme von dem nach geltendem Grundsatz der Einzelbetreuung ausgestaltet, so dass die Bestellung von mehreren Betreuern nicht in das freie Ermessen des Gerichtes gestellt ist. Voraussetzung ist in jedem Fall, dass die Angelegenheiten des Betroffenen durch mehrere Betreuer besser besorgt werden können und diese Prognose auf konkreten Tatsachen beruht. Dies lässt sich nur im Einzelfall beurteilen. Insbesondere aus der Art der Angelegenheit, der Person des Betreuten oder des Betreuers können sich Gründe für die Bestellung mehrerer Betreuer ergeben (Jürgens/Brosey, 2023, BGB § 1817 Rn. 2 m.w.N.).
26
Die Bestellung eines weiteren Betreuers kann auch aus gesetzlichen Gründen notwendig sein, so beispielsweise wenn ein Betreuer aus rechtlichen Gründen gem. § 1824 BGB an der Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder der Führung eines Rechtsstreits gehindert ist (MüKoBGB/Schneider BGB § 1817 Rn. 5).
27
Gemessen an diesen Kriterien sind hier keine Gründe dafür ersichtlich, dass künftig die Angelegenheiten der Betroffenen durch die Bestellung eines Mitbetreuers besser geregelt werden könnten.
28
Der Vater der Betroffenen äußerte am 01.07.2024, dass es keinen zwingenden Grund für einen weiteren Betreuer gebe. Er sei im April zwar an der Hüfte operiert worden, er sei aber wieder genesen und weiterhin in der Lage, die rechtliche Betreuung zu führen. Der Wunsch nach einer Mitbetreuung durch seine Frau beruhe auf den persönlichen Interessen der Betroffenen. Zudem erhalte seine Frau mangels Betreuerbestellung keine Auskünfte über die Betroffene und könne daher telefonisch nichts regeln.
29
Was für konkrete Angelegenheiten einer telefonischen Regelung bedurft hätten und mangels Betreuerbestellung nicht geregelt werden konnten, mit deren erneutem Anfall aber zu rechnen ist, vertieft der Vater nicht und ergibt sich auch sonst nicht aus der Akte. Weder die Betreuungsbehörde, noch die Verfahrenspflegerin konnten Aufgabenkreise feststellen, die durch die Bestellung eines weiteren Betreuers besser geregelt werden könnten.
30
b) Nach § 1817 Abs. 4 Satz 1 BGB kann auch vorsorglich ein Verhinderungsbetreuer bestellt werden, der die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen hat, soweit der Betreuer aus tatsächlichen Gründen verhindert ist.
31
Die Norm stellt klar, dass für die Fälle tatsächlicher Verhinderungen (Urlaub, Krankheit, Fortbildung, etc.) vorsorglich einen Betreuer bestellt werden kann und dass ein Verhinderungsfall bei jedem Betreuer, unabhängig davon, ob er ehrenamtlich oder beruflich tätig ist, denkbar ist. Das Betreuungsgericht kann die Möglichkeit nutzen, im Rahmen der Betreuerbestellung den Betroffenen persönlich auch zu der Person des Verhinderungsbetreuers anzuhören und hierzu eine sinnvolle und dem Grundsatz der persönlichen Betreuung entsprechende Regelung treffen (Jürgens/Brosey BGB § 1817 Rn. 10).
32
Bei der Auswahl des Verhinderungsbetreuers hat das Gericht allerdings die Vorgaben des § 1816 BGB zu achten und einen Betreuer zu bestellen, der geeignet ist, in dem gerichtlich angeordneten Aufgabenkreis die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen, § 1816 Abs. 1 BGB. Dabei soll dem Wunsch des Betroffenen möglichst entsprochen werden, es sei denn, die gewünschte Person ist zur Führung der Betreuung ungeeignet, § 1816 Abs. 2 BGB. Berufliche Betreuer sind nur dann zu bestellen, wenn keine geeigneten Personen für die ehrenamtliche Führung der Betreuung zur Verfügung stehen, § 1816 Abs. 5 BGB.
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(1) Zunächst setzt eine Übernahme eines Betreueramtes die persönliche Eignung und Zuverlässigkeit voraus. Die persönliche Eignung umfasst insbesondere auch die Bereitschaft des Betreuers, die Betreuungsführung nach den in § 1821 BGB bestimmten gesetzlichen Vorgaben auszurichten, insbesondere die Wünsche des Betreuten festzustellen und nach Maßgabe von § 1821 Abs. 2 bis Abs. 4 BGB umzusetzen (Jürgens/Brosey BGB § 1816 Rn. 7).
34
Der BGH verlangt im Hinblick auf die Eignung eine Prognose, ob der potentielle Betreuer voraussichtlich die aus der konkreten Betreuung erwachsenden Aufgaben erfüllen kann und nennt in diesem Zusammenhang als bedeutsame Gesichtspunkte die intellektuellen und sozialen Fähigkeiten, die psychische und körperliche Verfassung, die persönlichen Lebensumstände (räumliche Nähe, berufliche Auslastung, finanzielle Verhältnisse), bereits bestehende familiäre oder sonstige Beziehungen zum Betroffenen, ferner besondere Kenntnisse und Einstellungen zu den für die Betreuungsführung relevanten Fragen; nicht aber komme es regelmäßig auf Spezialwissen und außergewöhnliche Fertigkeiten an. Der BGH verlangt jedenfalls eine positive Feststellung der Eignung, die nicht durch pauschale Annahmen auf der Grundlage eines Regel-Ausnahme-Verhältnisses ersetzt werden könne (MüKoBGB/Schneider BGB § 1816 Rn. 13).
35
(2) Ausweislich der festgestellten Tatsachen verfügt die Mutter der Betroffenen nicht über die sozialen Fähigkeiten und über die psychische Verfassung, die Angelegenheiten der Betroffenen so zu besorgen, dass diese im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihr Leben nach ihren eigenen Wünschen gestalten kann (§ 1821 Abs. 2 Satz 1 BGB).
36
Wie bereits im Jahre 2018 durch den Sachverständigen … festgestellt und für die aktuelle Lage sowohl durch die Betreuungsbehörde als auch durch die Verfahrenspflegerin bestätigt, befindet sich die Betroffene in einem äußerst ambivalenten Verhältnis zu ihrer Mutter, von der sie sich einerseits lösen möchte, für deren Wohlergehen sie sich aber andererseits verantwortlich fühlt. Diese Ambivalenz wird begleitet durch eine ausgeprägte emotionale Abhängigkeit der beiden zueinander.
37
Weder die Betroffene als Tochter, noch die Mutter verstehen den Unterschied zwischen einer rechtlichen Betreuung nach § 1814 BGB und einer tatsächlichen Betreuung durch die Mutter. Die rechtliche Betreuung beschränkt sich bei allen möglichen Aufgabenkreisen auf die Besorgung rechtlicher Angelegenheiten, sie ist also die Organisation und Unterstützung bei der selbstbestimmten Organisation der verschiedenen Aufgabenkreise, soweit dies im Rahmen der Rechtsfürsorge erforderlich ist, und lässt die Frage der persönlichen Pflege und persönlichen Betreuung außer Acht. Dabei liegt aber das Ziel der rechtlichen Betreuung darin, dem Betreuten eine möglichst selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen.
38
(3) Das Amtsgericht stützt die fehlende Eignung der Mutter auf ihre mehrfach im Gerichtsverfahren demonstrierte Unfähigkeit zur sachlichen Kommunikation, um die Wünsche und Belange der Betroffenen zu sichern und gegebenenfalls durchzusetzen.
39
Über diese durchaus nachvollziehbare Begründung hinaus ist das Beschwerdegericht davon überzeugt, dass die Mutter weiterhin ihre eigenen Wünsche in den Vordergrund stellt und nicht dazu in der Lage ist, eine selbstbestimmte Lebensführung ihrer Tochter zu unterstützen oder zu begleiten. Dies zeigt sich nicht zuletzt an ihrem Telefonanruf beim zuständigen Betreuungsrichter vom 08.08.2024, dem sie sehr aufgebracht vorwarf, dass ihre Tochter seit der richterlichen Anhörung vom 02.08.2024 verstört sei und dass das Gericht nicht dazu befugt sei, das Mutter-Kind-Verhältnis zu regeln. In diesem Telefonat äußerte die Mutter ausschließlich ihre eigenen Ängste und Sorgen, die sie auf ihre Tochter projiziert. Denn ausweislich des Anhörungsvermerks des überaus erfahrenen und als zuverlässig bekannten Betreuungsrichters wirkte die Betroffene bei ihrer Anhörung keinesfalls aufgelöst oder verstört und erklärte sich ausdrücklich mit dem ihr bekannten Berufsbetreuer als Verhinderungsbetreuer einverstanden.
40
Die von den Verfahrensbeteiligten geschilderte, eigennützige Einflussnahme der Mutter auf das Leben ihrer Tochter rechtfertigt die Prognose, dass die Mutter die eigenen Wünsche der Tochter nicht nach § 1821 Abs. 2 Satz 2 BGB feststellen können wird und deren Umsetzung daher auch nicht rechtlich unterstützen wird, § 1821 Abs. 2 Satz 3 BGB, weshalb sie als rechtliche Betreuerin ungeeignet ist.
41
Wie bereits mehrfach ausgeführt, lässt dies ihre persönliche Beziehung zu ihrer Tochter und das von beiden gelebte Näheverhältnis unberührt. Beide können und sollen ihre Nähe so gestalten, wie es beiden guttut. Die rechtlichen Umstände des Aufenthalts, der Gesundheitsfürsorge und der Vermögenssorge allerdings müssen zum – subjektiv verstandenen – Wohle der Betroffenen vom Vater oder einem Berufsbetreuer gesteuert werden.
42
c) Eine Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht war nach § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG entbehrlich, da eine solche bereits vom Ausgangsgericht vorgenommen wurde und von einer erneuten Anhörung keine neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Das Beschwerdevorbringen veranlasst nicht zu einer nochmaligen Anhörung, zumal die Betroffene keine konkreten Umstände darlegt, welche Anlass geben würden, die Richtigkeit der getroffenen Feststellungen anzuzweifeln.
III.
43
Von der Erhebung von Kosten wird gemäß §§ 81 Abs. 1 S. 2, 84 FamFG abgesehen.