Inhalt

SG Landshut, Gerichtsbescheid v. 30.10.2024 – S 11 AS 760/15 FdV
Titel:

Prozesskostenhilfe, Bescheid, Gerichtsbescheid, Rechtsanwaltskosten, Widerspruchsbescheid, Berufung, Feststellungsklage, Zahlung, Feststellung, Verfahren, Klage, Streitgegenstand, Kenntnis, Verhandlung, von Amts wegen

Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Bescheid, Gerichtsbescheid, Rechtsanwaltskosten, Widerspruchsbescheid, Berufung, Feststellungsklage, Zahlung, Feststellung, Verfahren, Klage, Streitgegenstand, Kenntnis, Verhandlung, von Amts wegen
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Urteil vom 01.04.2025 – L 16 AS 529/24
BSG, Beschluss vom 26.09.2025 – B 7 AS 155/25 BH
Fundstelle:
BeckRS 2024, 50659

Tenor

I. Die Klage vom 22.06.2024 wegen Fortführung des Verfahrens S 11 AS 176/13 bzw. S 11 AS 760/15 FdV wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

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Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das vor dem Sozialgericht Landshut geführte Verfahren mit dem Aktenzeichen S 11 AS 176/13 (bzw. S 11 AS 760/15 FdV) vollständig erledigt ist.
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Im Jahr 2013 bezog der Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) vom Beklagten.
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Im März 2013 beantragte der Kläger beim Beklagten die Übernahme einer Nebenkostennachzahlung in Höhe von 1.984,66 Euro sowie von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 229,55 Euro.
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Mit Bescheid vom 15.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 10.04.2013 wurde die beantragte Leistung durch den Beklagten abgelehnt.
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Mit Schreiben vom 11.04.2013 wandte sich der Kläger an das Sozialgericht Landshut. Unter Ziffer I des Schreibens focht er den Bescheid vom 15.03.2013 und den Widerspruchsbescheid vom 10.04.2013 an, soweit die Zahlung eines Betrags in Höhe von 2.214,21 Euro abgelehnt worden sei. Des Weiteren beantragte er Prozesskostenhilfe. In Ziffer II des Schreibens erhebt der Kläger eine Feststellungsklage mit dem Antrag, festzustellen, dass der Beklagte durch seine im Schreiben vom 15.03.2013 dargelegte Kommunikation mit dem Rechtsanwalt des Vermieters unbefugt Sozialgeheimnisse des Klägers offenbart habe. Hierfür beantragte er Prozesskostenhilfe. Unter Ziffer III beantragte der Kläger, ihm die Entscheidung über die beantragte Prozesskostenhilfe jeweils rechtzeitig vor einer mündlichen Verhandlung zuzuleiten.
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Das Verfahren wurde beim Sozialgericht unter dem Aktenzeichen S 11 AS 176/13 geführt. Eine Trennung der Klagebegehren wurde nicht vorgenommen.
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Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2013 wurde der Kläger durch den Vorsitzenden der 11. Kammer des Sozialgerichts, Dr. G., darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Nebenkostenforderung durch die frühere Ehefrau des Klägers bereits am 11.03.2013 beglichen worden seien. Sofern die Mahngebühren eines Rechtsanwalts überhaupt berechtigt sind, seien sie nicht vom Beklagten zu übernehmen. Daraufhin erklärte der Kläger ausweislich der Niederschrift vom 14.10.2013: „Ich nehme die Klage S 11 AS 176/13 zurück.“ Darunter ist vermerkt: – vorgelesen und genehmigt – .
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Das Protokoll wurde dem Kläger am 22.10.2013 zur Kenntnisnahme übermittelt.
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In einem Schreiben vom 24.05.2014 ersuchte der Kläger um Mitteilung des Aktenzeichens der mit Schreiben vom 11.04.2013 unter Nr. II erhobenen Feststellungsklage sowie um Sachstandsmitteilung. Nachdem ihm mit Schreiben vom 28.05.2014 mitgeteilt worden war, dass die Klage zurückgenommen worden sei, beantragte er am 25.11.2015 die Fortsetzung des Feststellungsklageverfahrens, da dieses bis dato nicht verhandelt und von ihm nicht zurückgenommen worden sei.
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Das Sozialgericht hat das Verfahren unter dem Aktenzeichen S 11 AS 760/15 FdV fortgesetzt. Der Kläger führte aus, dass in der mündlichen Verhandlung lediglich der Klageantrag zu I verhandelt und zurückgenommen worden sei, nicht jedoch der Klageantrag zu II. Das Aktenzeichen S 11 AS 176/13 sei nur der Ziffer I des Klageantrags zugeordnet worden. In Bezugnahme auf die Eingangsbestätigung vom 18.04.2013 teilte das Sozialgericht mit, dass die Klage vom 11.04.2013 in Ziffern I und II unter dem Aktenzeichen S 11 AS 176/13 geführt worden sei.
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Nach Anhörung der Beteiligten stellte das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 09.03.2016 fest, dass der Rechtsstreit S 11 AS 176/13 durch Klagerücknahme des Klägers vom 14.10.2013 beendet worden ist. Die am 14.10.2013 erklärte Klagerücknahme sei wirksam erklärt worden und auch nicht nachträglich weggefallen. Die in der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2013 erklärte Klagerücknahme sei ordnungsgemäß in der Sitzungsniederschrift protokolliert, vorgelesen und vom Kläger genehmigt sowie von dem damaligen Vorsitzenden und der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben worden. Sie könne als prozessbeendende Erklärung selbst dann nicht wegen Irrtums angefochten werden, wenn sie infolge einer unrichtigen Belehrung über die Prozessaussicht abgegeben worden wäre. Dies ergebe sich aus der Rechtsnatur von Prozesshandlungen, die nur widerrufen, ergänzt, geändert oder berichtigt werden könnten, solange der Rechtsstreit anhängig sei.
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Allerdings seien derartige Mängel auch nicht feststellbar, abgesehen davon, dass der Kläger hierzu keinerlei Angaben gemacht habe. Soweit eine Rücknahmeerklärung allenfalls entsprechend den Regeln über die Wiederaufnahmeklage widerrufen werden könne, falls ein gesetzlicher Restitutionsgrund vorliege, sei ein solcher vom Kläger weder vorgetragen noch erkennbar.
13
Der Gerichtsbescheid wurde dem Kläger am 12.03.2016 zugestellt.
14
Mit Schreiben vom 11.04.2016 legte Kläger gegen den Gerichtsbescheid Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) ein. Die Feststellungsklage habe entgegen der Aktenordnung kein eigenes Aktenzeichen erhalten. Bis dato sei kein Aktenzeichen für die Feststellungsklage vergeben worden.
15
Mit Urteil vom 14.12.2018 wurde die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 09.03.2016 durch das LSG zurückgewiesen. Der Streitgegenstand beziehe sich auf die Feststellung, dass die Klage nicht zurückgenommen worden sei. Ein Anspruch des Klägers auf Fortführung des Verfahrens S 11 AS 176/13 bestehe jedoch nicht. Das Sozialgericht habe zu Recht festgestellt, dass der Rechtsstreit durch Rücknahme insgesamt erledigt sei.
16
Mit Schreiben vom 22.06.2024 hat sich der Kläger erneut an das Sozialgericht Landshut gewandt. Er habe die Klage nicht zurückgenkommen.
17
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Verfahren S 11 AS 176/13 fortzusetzen.
18
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Klage abzuweisen.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten des Verfahrens S 11 AS 176/13 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Das Gericht kann gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Rechtssache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt bereits hinreichend geklärt ist und die Beteiligten hierzu ordnungsgemäß angehört wurden.
21
Die Klage ist insgesamt unzulässig.
22
Das Gericht prüft in jeder Instanz von Amts wegen, ob die Prozessvoraussetzungen vorliegen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, 14. Auflage 2023, vor § 51 Rn. 20 mwN).
23
Die Klage ist unzulässig, weil das Sozialgericht bereits mit Urteil (Gerichtsbescheid vom 09.03.2016) über den Streitgegenstand entschieden hat. Die Berufung wurde zurückgewiesen. Das Urteil ist daher rechtskräftig geworden. Eine neue Klage über einen Gegenstand, über den bereits rechtskräftig zwischen denselben Beteiligten entschieden worden ist, ist unzulässig (vgl. nur Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 12. Dezember 2013 – B 4 AS 17/13 R –, Rn. 17 mwN).
24
Nach § 141 Abs. 1 SGG binden rechtskräftige Urteile oder Gerichtsbescheide die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Der materiellen Rechtskraft fähig sind alle Urteile, mit denen endgültig und vorbehaltlos entschieden wird (vgl. Keller, a. a. O., § 141 Rn. 5).
25
Eine neue Klage ist daher unzulässig, wenn sie den abgelehnten Klageantrag (wie vorliegend) lediglich ohne Änderung der Sach- oder Rechtslage wiederholt. Die Entscheidung des Gerichts vom 09.03.2016 ist keine Feststellungsentscheidung im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Es handelt sich vielmehr um einen prozessuale Entscheidung sui generis (vgl. Burkiczak in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 102 SGG (Stand: 21.10.2024), Rn. 117 mwN). Soweit daher entschieden wurde, dass der Rechtsstreit S 11 AS 176/13 (bzw. S 11 AS 760/15 FdV) durch Klagerücknahme des Klägers vom 14.10.2013 beendet worden ist, ist die Entscheidung rechtskräftig geworden.
26
Es kann daher dahinstehen, ob der Antrag des Klägers aus weiteren Gründen unzulässig ist.
27
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 105 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit § 193 SGG und folgt dem Ergebnis des Rechtsstreits in der Hauptsache.