Inhalt

VG Regensburg, Urteil v. 24.10.2024 – RN 7 K 21.1740
Titel:

Vermessungskosten, Klage gegen Kostenbescheid, Gebühren für Teilungsvermessung, Bodenwert (Verkehrswert) als Grundlage für Bestimmung des anzusetzenden Wert-faktors

Normenketten:
BauGB § 194
GebOVerm §§ 3, 4
ImmoWertV § 2
Kostenbekanntmachung – KBek
Schlagworte:
Vermessungskosten, Klage gegen Kostenbescheid, Gebühren für Teilungsvermessung, Bodenwert (Verkehrswert) als Grundlage für Bestimmung des anzusetzenden Wert-faktors
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Urteil vom 03.07.2025 – 13a B 25.224
Fundstelle:
BeckRS 2024, 50650

Tenor

I. Der Kostenbescheid des Amtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung A. … vom 11. August 2021 in der Fassung des geänderten Kostenbescheids vom 23. September 2021 wird aufgehoben, soweit dieser die festgesetzten Kosten von 610,56 EUR übersteigt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.  

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen einen Kostenbescheid für eine Teilungsvermessung.
2
Die Klägerin ist Miteigentümerin des Wohngrundstücks Fl.-Nr. …1 der Gemarkung … (…).
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Mit notariell beurkundetem Vertrag des Notariats … vom 28. April 2021 (Urk.R.Nr. …) veräußerte der … unentgeltlich eine noch zu vermessende Teilfläche des Grundstücks Fl.-Nr. …2, Gemarkung …, an Herrn … … zu ¾ und an die Klägerin zu ¼. Der Verkehrswert der ca. 5 m² großen Teilfläche wurde von den Vertragsparteien mit 7,50 EUR pro m² beziffert.
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Am 6. Mai 2021 stellte die Klägerin beim Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung A. … einen Antrag auf Vermessung der erworbenen Teilfläche. Am 2. August 2021 fand die Teilungsvermessung statt. Bei der Zerlegung wurde ein neues Flurstück (Fl.-Nr. …3, Gemarkung ….) aus dem bestehenden Flurstück (Fl.-Nr. …2, Gemarkung ….) herausgemessen und abgemarkt.
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Mit Kostenbescheid des Amtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung A. … vom 11. August 2021 wurden Kosten in Höhe von 1.221,12 EUR für die Teilungsvermessung festgesetzt. Nach der Zusammenstellung der Gebühren und Auslagen zu diesem Bescheid wurde ein Wertfaktor von 2,0 (Bodenwert je m²: über 200,00 EUR bis 500,00 EUR) zugrunde gelegt.
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Mit Schriftsatz vom 29. August 2021 hat die Klägerin Klage gegen den Kostenbescheid vom 11. August 2021 erhoben.
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Mit Kostenbescheid vom 23. September 2021 reduzierte das Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung A. … die für die Teilungsvermessung anfallenden Kosten auf 1.037,95 EUR. Zur Änderung des Kostenbescheids führt das Amt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung A. … aus, dass es sich bei der Kauffläche von 5 m² um eine Straßenfläche von 3,2 m² sowie einer mit H-Steinen gepflasterten Fläche von 1,8 m² (Zufahrt zu Wohnhaus und Garage) handle. In solchen Fällen sei eine Mischkalkulation vorgesehen, wonach zur Bestimmung des Wertfaktors der durchschnittliche Bodenwert in Abhängigkeit von der Fläche zu ermitteln sei, wenn die betroffenen Flurstücke einen unterschiedlichen Bodenwert aufwiesen. Die Straßenfläche mit einer Größe von 3,2 m² habe einen Verkehrswert von 7,50 EUR pro m² und stelle somit einen Geldwert von 24,00 EUR dar. Die gepflasterte Zufahrt von 1,8 m² sei der Wohnbaufläche zuzuordnen. Hier sei der Verkehrswert dem Bodenrichtwert in Höhe von 280,00 EUR pro m² zu entnehmen. In der Summe ergebe sich ein Geldwert von 528,00 EUR für die unentgeltliche Kauffläche von 5 m², sodass ein Wertfaktor von 1,7 zugrunde zu legen sei.
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Die Klägerin beantragt zuletzt,
die Aufhebung des Kostenbescheids des Amtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung A. … vom 11. August 2021 in der Fassung des geänderten Kostenbescheids vom 23. September 2021, soweit dieser die festgesetzten Kosten von 610,56 EUR übersteigt.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgetragen, dass der geänderte Kostenbescheid wegen des fehlerhaften Wertansatzes rechtswidrig sei. Es handle sich bei der Neubildung der Fl.-Nr. …3 der Gemarkung … um eine Teilungsvermessung und nicht um eine Katasterneuvermessung. Es sei der Bodenwert, d.h. der Verkehrswert für das neu gebildete Flurstück mit 5 m² als Grundlage zur Ermittlung des Wertfaktors und nicht wie bei Katasterneuvermessung der vorherrschende Bodenrichtwert anzusetzen. Die Fläche werde faktisch als öffentliche Straße bzw. als Verlängerung des bestehenden gewidmeten Gehweges benutzt. Der Verkehrswert könne nicht zugrunde gelegt werden, da die Teilfläche von 5 m² nicht am offenen Markt teilnehme. Die erworbene Teilfläche bilde keine wirtschaftliche Einheit mit dem Hausgrundstück. Daher sei der Ansatz eines Bodenrichtwerts falsch.
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Das Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung beantragt für den Beklagten,
die Klage abzuweisen.
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Der Bodenwert (Verkehrswert) im Bereich der betroffenen Flurstücke sei mit 105,60 EUR pro m² richtig angesetzt worden. Dies entspreche einem Wertfaktor von 1,7. Grundsätzlich sei der Kaufpreis gegenüber dem Bodenrichtwert vorzuziehen, sofern der Kaufpreis verwertbar sei. Hiervon könne vorliegend jedoch nicht ausgegangen werden, da der Kaufpreis objektiv betrachtet hätte höher als 0,00 EUR ausfallen müssen, da das bestehende Wohngrundstück eine Wertsteigerung erfahre.
12
Mit Schriftsatz vom 26. September 2022 haben die Klägerin und mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2022 der Beklagte das Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
13
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage, über die mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist begründet.
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Der Kostenbescheid des Amtes für Digitalisierung, Breitband und Vermessung A. … vom 11. August 2021 in der Fassung des geänderten Kostenbescheids vom 23. September 2021 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit dieser die festgesetzten Kosten von 610,56 EUR übersteigt.
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Rechtsgrundlage des streitgegenständlichen Kostenbescheids ist Art. 21 Abs. 1 und 3 Kostengesetz (KG) i.V.m. §§ 3, 4 der Verordnung über die Benutzungsgebühren der staatlichen Vermessungsämter (GebOVerm). Danach können für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen des Staates Benutzungsgebühren erhoben werden. Die Höhe der Gebühren ist nach dem Verwaltungsaufwand der in Anspruch genommenen Einrichtung und nach der Bedeutung der Leistung für die Benutzer zu bemessen. Die hier zur Anwendung kommende Verordnung über die Benutzungsgebühren der staatlichen Vermessungsämter (GebOVerm) stellt eine solche Rechtsverordnung im Sinne des Art. 21 Abs. 1 KG dar.
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Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 GebOVerm werden für Teilungsvermessungen Gebühren nach § 3 Abs. 2 GebOVerm erhoben.
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Die im streitgegenständlichen Bescheid festgesetzten Gebührengegenstände und deren Höhe von insgesamt 530,00 EUR sind nicht zu beanstanden.
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Zu beanstanden ist hingegen der zugrunde gelegte Wertfaktor. Anstelle des Wertfaktors von 1,7 ist als Multiplikator für die Gebühren der Teilungsvermessung gemäß § 3 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 GebOVerm ein Wertfaktor von 1,0 zugrunde zu legen, da der zu berücksichtigende Bodenwert 7,50 EUR je m² beträgt.
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Die Gebühren für die Teilungsvermessung sind gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 GebOVerm mit einem Wertfaktor zu multiplizieren, der den Bodenwert (Verkehrswert) im Bereich der betroffenen Flurstücke zum Zeitpunkt der Beendigung der Leistung berücksichtigt.
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Die Beklagtenseite hat für die neu vermessene Teilfläche von 5 m² eine Mischkalkulation vorgenommen, wobei für die Wohnbaufläche von 1,8 m² ein Bodenrichtwert von 280,00 EUR pro m² angenommen wurde. Nach Auffassung der Beklagtenseite seien die verbleibenden 3,2 m² als Straßenfläche zu bewerten und daher ein Bodenrichtwert von 7,50 EUR pro m² anzunehmen.
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Die Beklagtenseite stützt ihre Rechtsauffassung auf die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat vom 23. Dezember 2022, Az. 74-VM 1018-1/10 (BayMBl. 2023 Nr. 22) zum Vollzug kostenrechtlicher Vorschriften durch die staatlichen Vermessungsbehörden (Kostenbekanntmachung – KBek).
23
Nach Nr. 4.1 der KBek ist für jeden Antrag ein Wertfaktor auf Grundlage des Bodenwertes zu bestimmen. Als Bodenwert ist der Verkehrswert im Bereich der betroffenen Flurstücke im Sinne des § 194 Baugesetzbuch (BauGB) ohne Gebäude und ohne außergewöhnliche, wertmäßig bedeutende bauliche oder sonstige Anlagen (zum Beispiel Aufwuchs) anzusehen. Der von den Beteiligten vereinbarte Kaufpreis dient als Anhalt. Ist der Kaufpreis nicht verwertbar, ist grundsätzlich der Bodenrichtwert (vergleiche hierzu §§ 12 ff. der Bayerischen Gutachterausschussverordnung – BayGaV) zu verwenden. Ansonsten ist der Bodenwert in einfacher Weise nach Werten vergleichbarer Objekte in der näheren Umgebung der betroffenen Flurstücke zu ermitteln.
24
Diese Regelungen der KBek sind jedoch nicht Prüfmaßstab des Gerichts, denn die Kostenbekanntmachung ist eine normeninterpretierende Verwaltungsvorschrift, die zwar im Innenverhältnis die Vermessungsbehörden bindet, nicht jedoch die Gerichte (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, 10. Aufl. 2022, VwVfG § 1 Rn. 213).
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Maßstab für die gerichtliche Prüfung im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG sind im vorliegenden Fall somit lediglich Art. 21 Abs. 1 und 3 KG i.V.m. §§ 3, 4 GebOVerm.
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Ungeachtet dessen gehen die Ausführungen der Beklagtenseite auf Grundlage der KBek zum Kaufpreis fehl, weil zwischen den Beteiligten kein Kaufpreis vereinbart wurde. Nach dem beurkundeten Veräußerungsvertrag vom 28. April 2021 erfolgte die Veräußerung unentgeltlich ohne jegliche Gegenleistung (vgl. § 4). Rechtsgrund für die Veräußerung (Verfügung) war demnach kein Verkauf, sondern eine Schenkung.
27
Folglich ist für die Ermittlung des Wertfaktors nicht auf den Bodenrichtwert, sondern auf den Bodenwert, d. h. den Verkehrswert gemäß § 194 BauGB des neu gebildeten Flurstücks (Fl.-Nr. …3, Gemarkung ….) abzustellen.
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Für das Gericht bestehen keine Anhaltspunkte, einen anderen als den von den Vertragsparteien bestimmten Verkehrswert von 7,50 EUR zugrunde zu legen.
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Der Verkehrswert (Marktwert) wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.
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Gewöhnlicher Geschäftsverkehr ist der allgemeine Grundstücksverkehr unter gewöhnlichen Bedingungen, also unter Ausschluss von Umständen und Situationen, die für den Markt nicht charakteristisch sind. Es sind daher alle Umstände unberücksichtigt zu lassen, die nicht den allgemeinen Wert des Objekts, sondern nur dessen Preis im einzelnen Fall beeinflussen, ohne dass der gesunde Markt das nachvollzieht (Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Dieterich, 154. EL April 2024, BauGB § 194 Rn. 35; Battis/Krautzberger/Löhr/Reidt, 15. Aufl. 2022, BauGB § 194 Rn. 6).
31
Bei der Wertermittlung sind ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse außer Betracht zu lassen. Kaufpreise, bei denen anzunehmen ist, dass sie nur aufgrund ungewöhnlicher oder persönlicher Verhältnisse erzielbar sind, wirken sich folglich auf den Verkehrswert nicht aus. Von ungewöhnlichen oder persönlichen Verhältnissen ist auszugehen, wenn beispielsweise ein Liebhaber des betreffenden Objektes oder ein Erwerber mit strategischen oder spekulativen Absichten einen höheren Preis als andere Marktteilnehmer bezahlen würde. In solchen Fällen ist für die Ermittlung des Verkehrswertes allein der objektive Wert maßgeblich (Battis/Krautzberger/Löhr/Reidt, 15. Aufl. 2022, BauGB § 194 Rn. 7; Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger/Dieterich, 154. EL April 2024, BauGB § 194 Rn. 47; Jarass/Kment/Kment, 3. Aufl. 2022, BauGB § 194 Rn. 4).
32
Für die Ermittlung des objektiven Verkehrswertes sind die Regelungen der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV) zu beachten. Hiernach sind die allgemeinen Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt und der Grundstückszustand zugrunde zu legen. Der Grundstückszustand ergibt sich aus der Gesamtheit der rechtlichen Gegebenheiten, der tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Wertermittlungsobjekts (Grundstücksmerkmale). Zu den Grundstücksmerkmalen zählen insbesondere die Art der baulichen Nutzung, die tatsächliche Nutzung, die Grundstücksgröße sowie der Grundstückszuschnitt (§ 2 Abs. 3 Satz 2 Nrn. 2,3,7 und 8 ImmoWertV).
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Hiervon ausgehend handelt es sich bei der streitgegenständlichen Teilfläche um eine solche, die überwiegend (ca. 3,2 m²) als öffentliche Verkehrsfläche gewidmet wurde und auch als solche tatsächlich genutzt wird. Nur der geringere Flächenteil von 1,8 m² kann von den Grundstückseigentümern im Zusammenhang mit dem bestehenden Wohnbaugrundstück Fl.-Nr. …1 der Gemarkung … genutzt werden. Daraus ergibt sich, dass andere Marktteilnehmer nur ein geringes wirtschaftliches Interesse an der Teilfläche haben, denn diese Kleinstfläche kann weder bebaut werden, noch kann sie anderweitig außer zur Erschließung des Wohnbaugrundstücks Fl.-Nr. …1, Gemarkung …, genutzt werden. Auch der Grundstückszuschnitt (dreieckig, mit Schenkellänge von ca. 6 m) stellt einen wertmindernden Faktor dar, der in der Gesamtschau mit der geringen Grundstücksfläche dazu führt, dass eine wirtschaftliche Nutzung kaum in Betracht kommt.
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Dass ausschließlich die Klägerin ein wirtschaftliches Interesse an der streitgegenständlichen Teilfläche hat, weil sie zugleich Eigentümerin des angrenzenden Wohnbaugrundstücks Fl.-Nr. …1 der Gemarkung … ist, ist gerade ein solcher persönlicher Umstand, der für die Ermittlung des Verkehrswertes im Sinne des § 194 BauGB außer Acht bleiben muss.
35
Die Gebührensumme in Höhe von 530,00 EUR ist demnach gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GebOVerm mit einem Wertfaktor von 1,0 zu multiplizieren. Zuzüglich der Umsatzsteuer ergibt dies Gesamtkosten für die Teilungsvermessung in Höhe von 610,56 EUR.
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Nach alledem ist der streitgegenständliche Bescheid aufzuheben, soweit dieser die festgesetzten Kosten von 610,56 EUR übersteigt.
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Die Kostenentscheidung fußt auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.