Titel:
Darlehensverträge, Darlehensrückzahlungsanspruch, Darlehensvaluta, Darlehensgeber, Darlehensvereinbarung, Unverzinsliches Darlehen, Darlehensforderung, Darlehensbetrages, Aufrechnung mit Forderung, Darlegungs- und Beweislast, Honorarforderungen, Elektronisches Dokument, Gesamtschuldner, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Außerordentliche Kündigung, Rückzahlungsanspruch, Streitwert, Elektronischer Rechtsverkehr, Abschleppkosten, Tätigkeitsvergütung
Schlagworte:
Rückzahlung, Darlehensvertrag, Kündigung, Beweislast, Verzinsung, Prozesszinsen, persönliche Haftung, Darlehensrückzahlung, Prozessaufrechnung, Gesellschafterhaftung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 50545
Tenor
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 12.510,91 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.08.2021 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 38 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 62 % zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 27.129,15 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über Ansprüche auf Rückzahlung eines Darlehensbetrags.
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Der Kläger betreibt einen inhabergeführten Handwerksbetrieb unter der …, die Beklagte zu 1) ist eine Anwaltskanzlei in Form einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, deren Gesellschafter die Beklagten zu 2) und 3) sind.
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In der Vergangenheit haben die Beklagten … und eine …, inhabergeführt durch …, in zahlreichen rechtlichen Angelegenheiten vertreten und beraten.
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Im Zeitraum vom 21.07.2016 bis 22.06.2017 hat der Kläger an die Beklagte zu 1) in mehreren Tranchen einen Gesamtbetrag von 80.000,00 € auf Grundlage einer Darlehensvereinbarung ausbezahlt. Unstreitig wurden darauf insgesamt 65.000,00 € von den Beklagten an den Kläger zurückbezahlt. Eine (explizite) Abrede über eine Verzinsung des Darlehensbetrags wurde nicht getroffen; ebenso wenig über die Laufzeit.
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Mit Schreiben vom 06.04.2020 hat der Kläger eine fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung eines Darlehens „in Höhe von 24.000,00 €“ an die Beklagte zu 1) adressiert.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass er einen Anspruch auf Rückzahlung der noch offenen Darlehensvaluta in Höhe von 15.000,00 € aus dem Darlehensvertrag habe. Zudem sei der Betrag zum ortsüblichen und angemessenen Zinssatz von 9% zu verzinsen.
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Der Kläger beantragt daher – nach Durchführung eines Mahnverfahrens:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 22.743,55 € nebst 9 Prozent Zinsen seit dem 28.12.2017 zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen
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Sie behaupten, dass am 22.08.2017 von den Beklagten € 4.000,- und am 29.09.2017 € 1.000,-, und zwischen dem 13.09.2017 und dem 12.12.2017 € 1.000,-, sowie im April 2019 € 300,- und am 17.05.2019 € 500,- in bar an … zurückgezahlt wurden.
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Zudem hätten die Beklagten am 13.09.2017 als Rückzahlung die Tätigkeitsvergütung für den Mitarbeiter der Klägerin, …, in Höhe von € 500,- entrichtet, da die Klägerin hierfür kein Geld gehabt habe.
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Am 12.07.2018 hätten die Beklagten die Beiträge zur AOK für die Klägerin in Höhe von € 1.500,- gezahlt.
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Am 23.07.2018 hätte die Beklagte zu 1) die Kosten in Höhe von € 193,01 für das von Herrn … genutzte Fahrzeug der Beklagten übernommen, nach hatte und es abgeschleppt wurde.
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Die Beklagten erklären zudem hilfsweise die Aufrechnung mit Honorarforderungen in Höhe von 4.385,60 €; auf den Beklagtenvortrag wird insoweit Bezug genommen, vgl. auch die Anlagen B3 ff.
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Die Beklagten sind der Ansicht, dass keine Ansprüche mehr bestehen. Auch eine Zinszahlungspflicht bestehe nicht.
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Der Kläger hält die zur Aufrechnung gestellten Beträge nicht für „valide“.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
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Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das LG München I sachlich wie örtlich zuständig, §§ 23, 71 GVG, §§ 1, 12, 17, 21, 39 ZPO
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Auch ist der Kläger, der unter seiner Firma klagen kann (§ 17 HGB), ohne weiteres parteifähig.
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Die Klage ist teilweise begründet.
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1. Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückzahlung der Darlehensvaluta in Höhe von 12.510,91 €.
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a) aa) Zur Überzeugung des Gerichts steht – nachdem das auch von Beklagtenseite nicht wirksam bestritten ist – fest, dass der Kläger an die Beklagte zu 1) einen Betrag von 80.000,00 € darlehensweise ausgekehrt hat.
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Die Beklagten tragen zwar vor, dass die „Darlehensforderungen schon nicht schlüssig vorgetragen seien“, gleichwohl ergibt sich daraus, dass sie selbst Rückzahlungen auf das Darlehen vortragen, dass die entsprechende Darlehensvaluta ausgekehrt worden ist.
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Darauf wurde – wie schon klägerseits vorgetragen – (zumindest) der Betrag in Höhe von 65.000,00 € zurückbezahlt.
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bb) Das Darlehen ist auch – soweit noch nicht erfolgt – zurückzubezahlen.
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Ein Darlehensvertrag, der nicht auf bestimmte Zeit abgeschlossen worden ist, endet durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung. Eine solche Kündigung ist hier – wobei offen bleiben kann, ob in Form einer fristlosen oder ordentlichen Kündigung – erfolgt durch klägerisches Schreiben vom 06.04.2020. Diese Kündigung war wirksam. Aus dem mit Anlage K5 vorgelegten Schreiben ergibt sich, dass der Kläger das von ihm mit der aus den Beklagten zu 2) und 3) bestehenden Gesellschaft geschlossene Darlehen „fristlos, hilfsweise fristgerecht“ kündigen wollte. Gemäß § 720 Abs. 5 BGB ist, wenn der Gesellschaft gegenüber eine Willenserklärung abzugeben, die Abgabe gegenüber einem vertretungsbefugten Gesellschafter ausreichend. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Zudem ist dem Schreiben auch zu entnehmen, dass das hier streitgegenständliche Darlehen beendet werden sollte. Der in dem Schreiben genannte Betrag entspricht zwar nicht der Darlehenssumme, soll aber offensichtlich den nach damaliger Auffassung des Klägers noch offenen Betrag bezeichnen. Für den verständigen Empfänger der Kündigung ist ersichtlich, dass das Darlehen beendet werden sollte.
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b) aa) Soweit die Beklagtenseite weitere Zahlungen zur Tilgung des Darlehens behauptet, trägt sie nach den allgemeinen Regeln die Darlegungs- und Beweislast.
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Die Darlegungs- und Beweislast für das Ob und das Wie der zur Erfüllung als rechtsvernichtender Einwendung erbrachten Haupt- oder Nebenleistung trifft nach allgemeinen Grundsätzen den Schuldner.
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bb) Vor diesem Hintergrund kann nur davon ausgegangen werden, dass über die klägerseits vorgetragenen Rückzahlungen hinaus lediglich 2.000,00 € zurückbezahlt wurden.
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Die Beklagten tragen vor, dass im Zeitraum vom 22.08.2017 bis 12.12.2017 diverse Barzahlungen zur Rückzahlung des Darlehens vorgenommen worden seien. Dies wird von Klägerseite bestritten. Die Beklagtenseite ist in Ermangelung von Beweisangeboten oder auch sonstiger Anhaltspunkte hierzu beweisfällig geblieben.
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Anders stellt sich das nur für von den Beklagten für den Kläger geleisteten Beiträgen zur AOK in Höhe von 1.500,00 € und für die Rückzahlung der Tätigkeitsvergütung für den Mitarbeiter der Klägerin, …, in Höhe von 500,00 € dar.
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Diese Zahlungen können durch Kontoauszüge der Beklagten belegt werden. Der Verweis des Klägers darauf, dass diese Zahlungen erfolgten, weil der Beklagte zu 3) dem Kläger anderweitig Geld schuldete, ist nicht mit weiteren Angaben unterfüttert worden. Es ist daher davon auszugehen, dass mit diesen Zahlungen das Darlehen zurückgeführt wurde.
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c) Zu den von den Beklagten erklärten hilfsweisen Aufrechnungen (in Höhe von insgesamt 4.385,60 €) sind folgende Erwägungen anzustellen:
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aa) Eine Prozessaufrechnung macht die Aktivforderung nicht rechtshängig. Mit einer anderweitig rechtshängigen Forderung kann daher im Prozess aufgerechnet werden, ebenso mit einer Forderung, die in einem anderen anhängigen Rechtsstreit zur Aufrechnung gestellt ist.
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Der Einwand der Klageseite, dass die in den Rechnungen in den Anlagen B 6, B 8, B 9 verkörperten Forderungen bereits in einem Parallelverfahren zur Aufrechnung gebracht worden sind – ohne dass dort rechtskräftig über sie entschieden worden ist –, und sie hier schon deshalb nicht mehr zu berücksichtigen seien, verfängt daher nicht.
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bb) Eine Aufrechnung mit der Forderung aus der Rechnung 2145/20 vom 08.11.2020 (Anlage B4) kommt nicht in Betracht.
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Die Beklagten sind hinsichtlich aller Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs darlegungs- und beweisbelastet.
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Der Forderung in Höhe von 1.003,40 € soll nach Beklagtenvortrag zugrunde liegen, dass … in der Wohnung des Herrn …, beim Abbau einer Spülmaschine, die er im Gegenzug überlassen bekam, einen erheblichen Wasserschaden verursacht habe, da er den Wasserhahn nicht zudrehte.
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Der genaue Schadenshergang ist nicht substantiiert vorgetragen. Vielmehr wird schlicht behauptet, dass der Schaden, der zu der abgetretenen Honorarforderung geführt haben soll, durch den Kläger verursacht worden sei. Als Zeuge wurde ein nicht näher benannter Hausmeister angegeben. Seitens des Klägers wird die Verursachung des Schadens bestritten. Aus dem Anlagenkonvolut B13 (s. Das Schreiben vom 03.04.2020) ergibt sich zudem vielmehr der Eindruck, dass Ursache für den Wasserschaden „ein tropfendes Eckventil“ gewesen sei.
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Es ist also nicht ersichtlich, aus welchem Rechtsgrund der Kläger für die Honorarforderung haften sollte.
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cc) Anders verhält es sich mit der Forderung in Höhe von 489,09 € aus der Rechnung 2185/20 vom 23.12.2020.
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Dieser liegt die Vertretung des Klägers im Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Köln mit dem Aktenzeichen 972 Js 6603/16 zugrunde, die die Beklagte zu 1) mit besagter Rechnung abgerechnet hat.
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Das Ermittlungsverfahren wurde im Jahr 2017 eingestellt, vgl. Anlage B14, sodass sich die Forderungen im Jahr 2020 – nach Rechnungsstellung – aufrechenbar gegenüberstanden, weshalb eine etwaige spätere Verjährung gemäß § 215 BGB die Aufrechnung nicht hindert.
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Auch ein möglicher Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse hindert das Entstehen der Forderung nicht, da jener dem Kläger zustehen würde, der gegenüber den Beklagten aber zahlungspflichtig bliebe.
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dd) Die Aufrechnungen mit Forderungen aus der Rechnung 2143/20 vom 08.11.2020 in Höhe von € 1.171,67 (Anlage B6) und in Höhe von € 383,24 aus der Rechnung 2202604 vom 04.07.2022 (Anlage B8) scheitern daran, dass etwa entstandene Gebührenansprüche nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klageseite wieder entfallen sind, nachdem das Mandat ohne Veranlassung durch die Klageseite gekündigt worden ist, und ein Interesse an bisherigen Leistungen nicht fortbesteht, nachdem die Verfahren durch die hiesige Prozessbevollmächtigte des Klägers fortgeführt werden mussten, vgl. § 628 BGB.
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ee) Auch eine Aufrechnung mit einer Forderung in Höhe von € 597,74 aus der Rechnung 2202605 vom 04.07.2022 (Anlage B7) kommt nicht in Betracht. Die Rechnung betrifft das von dem Kläger nicht anwaltlich vertreten geführte Verfahren gegen die Beklagte … wegen der geleisteten Miete für sie im Dezember 2019. Die Klage vor dem Amtsgericht München wurde abgewiesen.
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Wird allerdings eine Forderung zu Unrecht geltend gemacht und entstehen dem Gegner Kosten im Zusammenhang mit der Verteidigung, ist nicht ohne Weiteres ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch gegeben. Anhaltspunkte dafür, dass hier ein solcher Anspruch bestehen würde, wurden nicht vorgetragen.
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ff) Soweit mit einer Forderung in Höhe von € 740,46 aus der Rechnung 2146/20 vom 08.11.2020 (Anlage B9) aufgerechnet werden soll, ist auch keine Erfüllung eingetreten. Hier fehlt es schon an einem Nachweis einer entsprechenden Beauftragung der Beklagten durch den Kläger zur anwaltlichen Beratung im Zusammenhang mit der Übernahme einer Hausverwaltung.
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gg) Soweit mit Abschleppkosten in Höhe von € 193,01 aufgerechnet wurde, steht auch diese Forderung nicht zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Kläger hat bestritten, dass er die Abschleppkosten verursacht habe. Letztlich ist auch hier die Beklagtenseite beweisfällig geblieben.
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2. Ein Anspruch auf Verzinsung des Darlehens besteht nicht.
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Die in der Praxis dominierende Verzinsung entspricht zwar gem. § 488 Abs. 1 S. 2 BGB dem gesetzlichen Regelfall. Der Gesetzesbegründung ist jedoch nicht zu entnehmen, ob damit auch die Beweislast für die Verzinsungsvereinbarung gegenüber dem früheren Rechtszustand (unverzinsliches Darlehen als gesetzlicher Regelfall) geändert werden sollte. Dagegen spricht die Formulierung des Abs. 1 S. 2, wonach ein geschuldeter Zins zu zahlen sei. Dies spricht dafür, dass der Darlehensvertrag nicht ohne weiteres eine Verzinsung des Darlehens beinhaltet. Für Vorliegen und Inhalt der Verzinsungsvereinbarung trägt deshalb weiterhin der Darlehensgeber die Beweislast.
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Schließlich sind unverzinsliche Darlehen selbstverständlich zulässig.
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Eine Vereinbarung über eine Zinspflicht ist klägerseits nicht (hinreichend) dargetan. Aus der „Verkehrssitte“ ergibt sich ein solcher Anspruch bei fehlender Vereinbarung nicht.
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3. Prozesszinsen ergeben sich aus §§ 288, 291, 187 BGB, wobei maßgeblich der Eingang der Akten beim Prozessgericht am 13.08.2021 ist.
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§ 288 Abs. 3 BGB gilt nicht für den Darlehensrückzahlungsanspruch, s. nur BGH BeckRS 2023, 13302 Rn. 54.
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4. Als Gesellschafter haften die Beklagten zu 2) und 3) persönlich, vgl. § 721 BGB.
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Die Entscheidung über die Kosten erfolgte nach § 92 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit nach § 709 ZPO.
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Die Entscheidung über den Streitwert folgt aus §§ 39, 45, 48 GKG i. V. m. §§ 3, 4 ZPO, wobei die hilfsweise erklärten Aufrechnungen betragsmäßig hinzuzuaddieren waren.