Inhalt

LSG München, Beschluss v. 28.11.2024 – L 8 SO 199/24 B ER
Titel:

Leistungsausschluss für Ausländer, Unionsbürger, Verlust des Freizügigkeitsrechts durch Feststellung der Ausländerbehörde

Normenketten:
FreizügG/EU § 7
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 1
SGB XII § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2
SGB XII § 23 Abs. 3 S. 6
SGB XII § 23 Abs. 3 S. 7
Leitsätze:
1. Die Feststellung des Verlusts der Freizügigkeit entfaltet gemäß § 7 Abs. 1 FreizügG/EU schon vor Bestandskraft dieser Entscheidung Wirksamkeit, beendet das Aufenthaltsrecht und begründet eine Ausreisepflicht. Dies begründet einen Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII.
2. Die Bestandskraft einer Verlustfeststellung ist nicht Voraussetzung für die Entfaltung von rechtlichen Wirkungen. Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII führt bereits die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts zur Unanwendbarkeit der Ausnahmeregelung vom Leistungsausschluss für Ausländer, die sich seit mindestens fünf Jahren ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten.
3. Auch der vor einem Verwaltungsgericht beantragte Eilrechtsschutz ändert hieran nichts. Selbst eine bestehende aufschiebende Wirkung suspendiert nur die sofortige Ausreisepflicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU, lässt aber nicht die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts wiederaufleben.
4. Es ist auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten, grundsätzlich EU-Bürgern, die ihr Freizügigkeitsrecht verloren haben und verpflichtet sind auszureisen, bei denen diese Verpflichtung jedoch nicht vollzogen wird, existenzsichernde Leistungen zu gewähren.
5. Aus § 23 Abs. 3 Satz 6 Halbsatz 2 SGB XII ergibt sich kein Anspruch für laufende Leistungen nach dem SGB XII.
Schlagworte:
Bestandskraft, Feststellung, FreizügG/EU, Freizügigkeit, Leistungsausschluss, Verlust, Verlustfeststellung
Vorinstanz:
SG München, Beschluss vom 16.07.2024 – S 22 SO 250/24 ER
Fundstelle:
BeckRS 2024, 50332

Tenor

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 16. Juli 2024 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII).
2
Die 1974 in Kasachstan geborene Antragstellerin ist griechische Staatsangehörige. Sie reiste am 28.06.2010 in das Bundesgebiet ein. Am 14.09.2010 kehrte sie nach Griechenland zurück. Am 24.10.2011 reiste sie erneut in das Bundesgebiet ein. Seitdem ist sie durchgehend in M gemeldet.
3
Zuletzt bezog die Antragstellerin aufgrund des Bescheids vom 19.12.2023 in der Fassung des Bescheids vom 09.01.2024 Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII für die Zeit vom 01.01.2024 bis 30.04.2024.
4
Einem ärztlichen Attest vom 10.01.2024 ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin aufgrund eines schwerwiegenden angeborenen Herzfehlers mit Zustand nach mehreren Operationen aus kardiologischen Sicht nicht arbeitsfähig sei.
5
Mit Bescheid vom 12.04.2024 stellte die Landeshauptstadt M., Kreisverwaltungsreferat (Ausländerbehörde) fest, dass die Antragstellerin ihr Recht auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland verloren habe. Sie sei somit verpflichtet, das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu verlassen. Hierzu wurde eine Frist von einem Monat ab Bestandskraft des Bescheids gesetzt. Sollte sie ihrer Ausreisepflicht nicht fristgerecht nachkommen, würde sie nach Griechenland abgeschoben.
6
Am 25.04.2024 stellte die Antragstellerin beim Verwaltungsgericht München einen Eilantrag und erhob Klage betreffend den Bescheid der Landeshauptstadt M. vom 12.04.2024. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wurde beantragt. Sie habe nur Familie, soziale Kontakte, Versicherung, medizinische Versorgung und Wohnung in Deutschland. Im Ausland habe sie nichts und niemanden. Sie brauche ärztliche Behandlung aufgrund eines angeborenen Herzfehlers. In Griechenland habe sie einmal ärztliche Hilfe in Anspruch genommen. Dabei sei jedoch etwas schief gelaufen, was in Deutschland habe korrigiert werden müssen. In ihrem gesundheitlichen Zustand könne sie in Griechenland keine Arbeit finden. Aktuell suche sie nach Arbeit in Deutschland, die sie mit ihrem Herzfehler machen könne. Sie habe auch einen Pflegegrad beantragt, da sie alleine nicht mehr leben und den Alltag bewältigen könne. In einem anderen Land könne ihr niemand helfen.
7
Mit Bescheid vom 02.05.2024 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Weitergewährung der Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII ab dem 01.05.2024 ab. Die Antragstellerin habe ihr Recht auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland mit Bescheid vom 12.04.2024 verloren. Ein fehlendes Aufenthaltsrecht stelle einen Leistungsausschluss dar. Daher sei der Antrag auf Weitergewährung der Leistungen abzulehnen.
8
Hiergegen legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 16.05.2024 Widerspruch ein. Zur Begründung verwies sie auf ihren Gesundheitszustand (drei Herz-OPs, Herzschrittmacher, Behandlung im Herzzentrum). Ihre Familie lebe auch in M. Hinsichtlich der Verlustfeststellung habe sie Klage erhoben.
9
Am 18.06.2024 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht München (SG) unter dem Aktenzeichen S 22 O 250/24 ER die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Das Verfahren betreffe den Bescheid vom 02.05.2024. Sie bitte um Weitergewährung von Leistungen, da sie schwer krank und auf die Leistungen angewiesen sei. Sie habe beim Verwaltungsgericht eine Klage gegen eine Abschiebungsanordnung der Antragsgegnerin eingereicht. Das Verfahren laufe noch.
10
Mit Schreiben vom 25.06.2024 ist die Antragsgegnerin dem Antrag entgegengetreten. Der Antrag sei unbegründet. Ein Anordnungsanspruch sei nicht glaubhaft gemacht worden. Als griechische Staatsangehörige habe die Antragstellerin nur unter den Voraussetzungen des § 23 SGB XII einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII. Die Antragstellerin verfüge aber über kein materielles Aufenthaltsrecht nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU), so dass ein Ausschlussgrund nach § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII gegeben sei. Die Rückausnahme gem. § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII greife nicht, da der Verlust der Freizügigkeit festgestellt worden sei. Dass diese noch nicht bestandskräftig sei, habe auf § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII keine Auswirkungen, da die aufschiebende Wirkung der Klage nur die sofortige Ausreisepflicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU suspendiere, nicht jedoch die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts wiederaufleben lasse. Die Antragstellerin habe allenfalls einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen gem. § 23 Abs. 3 SGB XII, dies allerdings nur für einen Monat. Ein Härtefall im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 6, 2. Hs. SGB XII, der Überbrückungsleistungen für einen längeren Zeitraum rechtfertigen würde, sei nicht ersichtlich. Ein solcher wäre nur dann zu bejahen, wenn die Antragstellerin nicht reisefähig wäre. Dies sei aber nicht der Fall. Die Behandlung der Herzerkrankung könne auch in Griechenland fortgeführt werden.
11
Mit weiterem Schreiben vom 11.07.2024 hat die Antragstellerin beim SG unter dem Aktenzeichen S 22 SO 287/24 ER erneut die Gewährung von einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Der aktuelle Mietrückstand belaufe sich auf knapp 2.000,00 €. Es drohe die Wohnungskündigung. Sie leide gesundheitlich an einem Herzfehler, für welchen Arztbesuche und Medikamente notwendig seien. Sie habe kein Geld mehr zum Leben.
12
Im Verfahren S 22 SO 250/24 ER hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 16.07.2024 abgelehnt. Streitig sei zwischen den Beteiligten die vorläufige Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bei Verlustfeststellung nach dem FreizügG/EU. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sei unbegründet. Die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht ausreichend glaubhaft machen können. Sie habe nach summarischer Überprüfung keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, da sie gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nummer 2 SGB XII vom Leistungsbezug ausgeschlossen sei. Habe die Ausländerbehörde den Verlust des Freizügigkeitsrechts gem. § 5 Abs. 4 FreizügG/EU eines Unionbürgers festgestellt, entfalle der Leistungsanspruch. Es verbleibe bei einem ggf. vorhandenen Anspruch auf Härtefallleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII. Dies gelte auch dann, wenn gegen die Verlustfeststellung Widerspruch bzw. verwaltungsgerichtlich Klage erhoben worden sei. Die hierdurch ausgelöste aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO betreffe jedoch nur die sofortige Ausreisepflicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU und lasse nicht die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts wiederaufleben. Die förmliche Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts durch die Ausländerbehörde sei für die Sozialgerichte bindend und habe Tatbestandswirkung. Hinsichtlich der möglichen Härtefallleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII sei auszuführen, dass die Antragstellerin ausdrücklich solche Leistungen nicht beantragt habe. Sofern die Antragstellerin derartige Leistungen begehre, sei sie daran gehalten, einen entsprechenden Antrag bei der Antragsgegnerin zu stellen. Darüber hinaus sei aber auch nicht ersichtlich, inwiefern die Antragstellerin an einer Ausreise nach Griechenland gehindert sei. Eine Weiterbehandlung der Antragstellerin erscheine unter den Bedingungen in Griechenland möglich und auch zumutbar. Eine etwaige Reiseunfähigkeit habe die Antragstellerin nicht vorgetragen. Es sei auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen geboten, Unionsbürgern, die ihr Freizügigkeitsrecht verloren hätten, existenzsichernde Leistungen in Deutschland zu gewähren. Grundsätzlich könnten Unionsbürger innerhalb der europäischen Union in ihre Heimatstaaten ohne Gefahr für Leib und Leben zurückreisen und dort existenzsichernde Unterstützungsleistungen im Rahmen der sozialen Mindeststandards nach der europäischen Sozialcharta beantragen.
13
Im Verfahren S 22 SO 287/24 ER hat das SG den Antrag ebenfalls mit Beschluss vom 16.07.2024 zurückgewiesen. Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sei unzulässig. Der Bescheid vom 02.05.2024, d.h. die Frage der Leistungsberechtigung der Antragstellerin, sei bereits Gegenstand des Verfahren S 22 SO 250/24 ER. Hierbei begehre die Antragstellerin die Weitergewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Da diese Leistungen nach § 42 SGB XII auch die Kosten für Unterkunft und Heizung beinhalten würden, sei die Übernahme von Mietkosten auch Gegenstand dieses Verfahrens. Das vorliegende Verfahren sei daher wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig.
14
Die Beschlüsse des SG wurden der Antragstellerin am 19.07.2024 zugestellt.
15
Mit Schreiben vom 26.07.2024, Eingang beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) am 01.08.2024, hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt. Dabei hat sie das Aktenzeichen S 22 SO 287/24 ER benannt und ausgeführt, dass sie in Griechenland keine Anhaltspunkte, keine Krankenversicherung und keine Wohnung habe. Auch ihre ganze Familie sei in Deutschland. Da es ihr gesundheitlich oft schlecht ginge, brauche sie oft Hilfe im Alltag. Eine lange Reise sei ihr auch nicht zumutbar. Außerdem suche sie eine zumutbare Arbeit. Sie bitte darum, ihrem Begehr nachzukommen und für die Zeit, während das Verwaltungsgericht noch keine Entscheidung über ihren Aufenthaltsverlust getroffen habe, ihre Sozialhilfe zu leisten. Dem Schreiben beigefügt war eine beglaubigte Abschrift des Beschlusses des SG vom 16.07.2024 zum Aktenzeichen S 22 SO 250/24 ER.
16
Mit Schreiben vom 08.08.2024 hat die Antragstellerin die Kopie eines unbefristeten Arbeitsvertrages vom 02.08.2024 für geringfügig Beschäftigte mit Tarifbindung mit der Konditorei/Cafe K GmbH in M vorgelegt. Demnach würde die Antragstellerin ab 05.08.2024 als Verkaufskraft eingestellt. Sie würde ausschließlich als Teilzeitbeschäftigte beschäftigt. Eine in vollem Umfang versicherungspflichtige Beschäftigung würde ausdrücklich ausgeschlossen. Die ersten sechs Monate würden als Probezeit gelten. Während der Probezeit sei das Arbeitsverhältnis beiderseitig nach den tarifvertraglichen Bestimmungen mit einer Frist von sieben Kalendertagen kündbar. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit würde 10 Stunden ausschließlich der Pausen betragen. Die Antragstellerin erhalte als Arbeitsentgelt je Stunde ein Gesamtentgelt in Höhe von 13,00 € brutto. Auf den Inhalt des Arbeitsvertrags wird im Übrigen verwiesen.
17
Mit Schreiben vom 13.08.2024 ist die Antragsgegnerin der Beschwerde entgegengetreten. Sie gehe davon aus, dass sich die Beschwerde gegen das Verfahren S 22 SO 250/24 ER richte. Die Antragstellerin nenne zwar in ihrer Beschwerdeschrift das Aktenzeichen S 22 SO 287/24 ER. Beigelegt worden sei jedoch der Beschluss zum Verfahren S 22 SO 250/24 ER. Zudem würde auch nur dieser Beschluss eine Entscheidung in der Sache treffen. Die Beschwerde sei jedoch unbegründet. Das SG habe den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt. Die Antragstellerin verfüge derzeit über kein materielles Aufenthaltsrecht nach dem FreizügG/EU. Sie sei daher gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 SGB XII von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen. Die Rückausnahme gem. § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII greife nicht, da der Verlust der Freizügigkeit festgestellt worden sei. Dass gegen die Verlustfeststellung Klage erhoben worden sei, habe auf § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII keine Auswirkungen, da die aufschiebende Wirkung der Klage nur die sofortige Ausreisepflicht nach § 7 Abs. 1 S. 1 FreizügG/EU suspendiere, nicht jedoch die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts wiederaufleben lasse. Die Antragstellerin habe allenfalls einen Anspruch auf Überbrückungsleistungen, dies allerdings nur für einen Monat. Ein Härtefall im Sinne von § 23 Abs. 3 Satz 6, 2. Hs. SGB XII, der Überbrückungsleistungen für einen längeren Zeitraum rechtfertigen würde, sei vorliegend nicht gegeben. Ein solcher wäre nur dann zu bejahen, wenn bei der Antragstellerin eine ärztlich bestätigte längerfristige Reiseunfähigkeit vorliegen würde. Die pauschalen Ausführungen, dass eine längere Reise nicht zumutbar sei, seien hierfür nicht ausreichend. Außerdem gebe sie gleichzeitig an, eine Arbeit zu suchen. Wenn sie aber in der Lage sei zu arbeiten, sei auch von einer Reisefähigkeit auszugehen. Die Behandlung der Herzerkrankung könne auch in Griechenland fortgeführt werden. Im Übrigen seien Überbrückungsleistungen bislang nicht beantragt worden.
18
Mit weiterem Schreiben vom 14.08.2024 hat die Antragsgegnerin weiter Stellung genommen. Ob der Antragstellerin durch die Aufnahme der geringfügigen Beschäftigung ein Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmerin zukomme (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU) und wie sich diese auf die von der Ausländerbehörde festgestellte Verlustfeststellung auswirke, vermöge die Antragsgegnerin nicht abschließend zu beurteilen, insbesondere da hier auch eine missbräuchliche Arbeitsaufnahme nicht auszuschließen sei. Eine solche würde z.B. angenommen bei Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses nach Androhung der Abschiebung oder wenn der Umfang einer Beschäftigung im Rahmen eines Arbeitsvertrags nach Ergehen einer Verlustfeststellung angepasst würde. Letztendlich liege es an der Ausländerbehörde dies zu beurteilen. Diese müsse entscheiden, ob die Verlustfeststellung aufgrund der neuen Sachlage z.B. ex nunc aufgehoben oder zeitlich begrenzt würde. Von der Entscheidung der Ausländerbehörde hänge ab, ob der Antragstellerin ab August 2024 wieder Leistungen zu gewähren seien.
19
Mit Schreiben vom 06.09.2024 hat die Antragsgegnerin über die vorläufige Entscheidung der Ausländerbehörde informiert. Mit Nachricht vom 05.09.2024 wurde mitgeteilt, dass die Aufnahme der Erwerbstätigkeit vorerst keinen Einfluss auf den Bescheid vom 12.04.2024 habe, da Zweifel an der Dauerhaftigkeit des Arbeitsverhältnisses bestünden. Die Antragstellerin sei deshalb mit Schreiben vom 13.08.2024 aufgefordert worden, nach Ende der Probezeit ihre gesamten Lohnabrechnungen sowie den Bewilligungsbescheid einzureichen. Mit den eingereichten Unterlagen erfolge sodann die weitere Prüfung. Innerhalb dieser sechs Monate würde die Ausländerbehörde vom Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen absehen.
20
Zu etwaigen sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 19.09.2024 Stellung genommen. Da die Ausländerbehörde an der Verlustfeststellung festhalte, greife die Rückausnahme gem. § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII weiterhin nicht. Die Tatsache, dass vorübergehend vom Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen abgesehen würde, ändere hieran nichts. Dies entspreche im Ergebnis dem Sachverhalt, wenn Klage gegen die Verlustfeststellung erhoben würde. Auch hier würde lediglich die sofortige Ausreisepflicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU suspendiert, dagegen lebe die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nicht wieder auf.
21
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts München vom 16. Juli 2024 abzuändern und die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, ihr laufende Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu zahlen.
22
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
23
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
24
1. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig (§§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG).
25
2. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
26
Der Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist dahingehend auszulegen, dass sich die Antragstellerin gegen den Beschluss des SG im Verfahren S 22 SO 250/24 ER wendet und dabei die vorläufige Gewährung von laufenden Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII begehrt. Maßstab der Auslegung von Prozesserklärungen und Anträgen bei Gericht ist der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, wobei der Grundsatz einer rechtsschutzgewährenden Auslegung zu berücksichtigen ist. Verbleiben Zweifel, ist von einem umfassenden Rechtsschutzbegehren auszugehen, um dem Grundrecht des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Grundgesetz (GG) auf wirksamen und möglichst lückenlosen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt sowie dem damit verbundenen Gebot der Effektivität des Rechtsschutzes gerecht zu werden (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 18.01.2022 – L 2 U 167/20 B PKH, juris).
27
Bei Beachtung dieser Vorgaben kann das Begehren der Antragstellerin nur vollumfänglich in o.g. Sinne verstanden werden. Zwar benennt die Antragstellerin in ihrer Beschwerdeschrift ein Aktenzeichen eines anderen Verfahrens (S 22 SO 287/24 ER). Ihr konkretes Begehren wird jedoch in ihrer Begründung dahingehend deutlich, dass sie die vorläufige Gewährung von Leistungen begehrt. Dies ist aber nur möglich, wenn sie sich gegen den Beschluss im Verfahren S 22 SO 250/24 ER wendet. Denn nur dort ist eine Entscheidung in der Sache ergangen. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass die Antragstellerin einen Abdruck eben jenes Beschlusses ihrer Beschwerdeschrift beigefügt hat. Auch sind bloße Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII nicht Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens. Hierfür spricht auch zuletzt der Inhalt der Beschwerdeschrift der Antragstellerin, in der sie ausführt, dass sie Leistungen der Sozialhilfe bis zu einer Entscheidung des Verwaltungsgerichts betr. den „Aufenthaltsverlust“ begehrt. Bloße Überbrückungsleistungen i.S.v. § 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII werden hiermit nicht geltend gemacht, sondern vielmehr laufende Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach §§ 19 Abs. 2, 41 ff. SGB XII).
28
Gemäß dem hier einschlägigen § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG – angestrebt wird eine Erweiterung der Rechtsposition – sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsanspruches – das ist der materiell-rechtliche Anspruch, auf den der Antragsteller sein Begehren stützt und der dem Streitgegenstand eines Hauptsacheverfahrens entspricht – sowie eines Anordnungsgrundes – das ist in der Regel die Eilbedürftigkeit – voraus. Die Angaben hierzu müssen glaubhaft gemacht werden (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung – ZPO), wobei als Beweismittel auch eine eidesstattliche Versicherung (§ 294 Abs. 1 ZPO) möglich ist. Hinsichtlich des Beweismaßstabes genügt also die überwiegende Wahrscheinlichkeit (vgl. § 23 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – SGB X), verbleibende Zweifel sind unschädlich (vgl. Burkiczak in jurisPK-SGG, § 86b, Stand: 21.10.2024, Rn. 494).
29
Zwischen Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch besteht dabei eine Wechselbeziehung. An das Vorliegen des Anordnungsgrundes sind dann weniger strenge Anforderungen zu stellen, wenn bei der Prüfung der Sach- und Rechtslage in dem vom BVerfG vorgegebenen Umfang (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – Breith 2005, 803) das Obsiegen in der Hauptsache sehr wahrscheinlich ist. Ist bzw. wäre eine in der Hauptsache erhobene Klage offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist wegen des fehlenden Anordnungsanspruches der Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen. Sind hierbei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, kommt dem Anordnungsgrund entscheidende Bedeutung zu.
30
Im Beschwerdeverfahren trifft das Beschwerdegericht unter erneuter summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage eine neue Entscheidung, ohne auf die Überprüfung der Ausgangsentscheidung beschränkt zu sein (vgl. Karl in jurisPK-SGG, Stand 02.07.2024, § 176 Rn. 11 f.). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der Regelungsanordnung wie bei der Anfechtungs- und Leistungsklage der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl., § 86b Rn. 42).
31
Soweit existenzsichernde Leistungen in Frage stehen und deshalb eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in den Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, droht, ist eine Versagung der Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nur dann möglich, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.09.2016 – 1 BvR 1335/13 – juris); eine lediglich summarische Prüfung genügt nicht. Für eine Entscheidung aufgrund einer sorgfältigen und hinreichend substantiierten Folgenabwägung ist nur dann Raum, wenn eine – nach vorstehenden Maßstäben durchzuführende – Rechtmäßigkeitsprüfung auch unter Berücksichtigung der Kürze der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren regelmäßig zur Verfügung stehenden Zeit nicht verwirklicht werden kann, was vom zur Entscheidung berufenen Gericht erkennbar darzulegen ist (vgl. zum Ganzen auch: BVerfG, Beschluss vom 14.09.2016 – 1 BvR 1335/13; Beschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05; weniger eindeutig: BVerfG, Beschluss vom 06.08.2014 – 1 BvR 1453/12 – alle nach juris).
32
Nach diesen Maßstäben liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor.
33
Vorliegend ist ein Anspruch der Antragstellerin für laufende Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII nicht glaubhaft. Denn es liegt ein Anspruchsausschluss gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII vor. Danach erhalten Ausländer und ihre Familienangehörigen keine Leistungen nach § 23 Abs. 1 SGB XII oder nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, wenn sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche, der Ausbildungs- oder Studienplatzsuche oder aus einer Aufenthaltserlaubnis nach § 20a des Aufenthaltsgesetzes ergibt.
34
Der Senat weist die Beschwerde der Antragstellerin aus den überzeugenden Gründen der Entscheidung des SG zurück und sieht daher gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG insoweit von einer Begründung ab.
35
Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
36
Die Antragstellerin hat kein Aufenthaltsrecht in Deutschland. Vorliegend wurde der Verlust der Freizügigkeit der Antragstellerin festgestellt, was gemäß § 7 Abs. 1 FreizügG/EU schon vor Bestandskraft dieser Entscheidung Wirksamkeit entfaltet, das Aufenthaltsrecht beendet und eine Ausreisepflicht begründet (vgl. auch Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 08.07.2021 – L 6 AS 92/21 B ER –, Rn. 25, juris). Es liegt daher ein Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII vor.
37
a. Die Ausführungen, dass die Antragstellerin betreffend den Bescheid der Ausländerbehörde vom 12.04.2024, mit dem festgestellt wurde, dass sie ihr Recht auf Einreise und Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland verloren hat, Klage und Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht gestellt habe, ändert an diesem Ergebnis nichts. Die Bestandskraft einer Verlustfeststellung ist nicht Voraussetzung für die Entfaltung von rechtlichen Wirkungen. Nach dem Wortlaut des § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII führt bereits die Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts zur Unanwendbarkeit der Ausnahmeregelung vom Leistungsausschluss für Ausländer, die sich seit mindestens fünf Jahren ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten (vgl. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, a.a.O., Rn. 26, juris).
38
Auch der vor dem Verwaltungsgericht beantragte Eilrechtsschutz ändert hieran nichts. Denn selbst eine bestehende aufschiebende Wirkung der Klage suspendiert nur die sofortige Ausreisepflicht nach § 7 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU, lässt aber nicht die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts wiederaufleben (vgl. Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, a.a.O., Rn. 23, 26).
39
b. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass auch der von der Antragstellerin vorgelegte Arbeitsvertrag kein anderes Ergebnis zu begründen vermag. Die Aufnahme der Erwerbstätigkeit hat vorerst keinen Einfluss auf den Bescheid vom 12.04.2024, da Zweifel an der Dauerhaftigkeit des Arbeitsverhältnisses bestehen. Die Antragstellerin ist mit Schreiben der Ausländerbehörde vom 13.08.2024 aufgefordert worden, nach Ende der Probezeit ihre gesamten Lohnabrechnungen sowie den Bewilligungsbescheid einzureichen. Mit den eingereichten Unterlagen erfolgt sodann durch die Ausländerbehörde die weitere Prüfung. Innerhalb dieser sechs Monate wird die Ausländerbehörde vom Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen absehen. Auswirkungen auf die Verlustfeststellung ergeben sich daher nicht und § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII greift als Rückausnahme nicht ein.
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Auch das vorstehend von der Ausländerbehörde erklärte Absehen vom Vollzug aufenthaltsbeendender Maßnahmen führt nicht zum Wiederaufleben des Aufenthaltsrechts (s.o. lit. a.).
41
c. Der Senat hält es auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen für geboten, grundsätzlich EU-Bürgern, die ihr Freizügigkeitsrecht verloren haben und verpflichtet sind auszureisen, bei denen diese Verpflichtung jedoch nicht vollzogen wird, existenzsichernde Leistungen zu gewähren. Zwar ist es richtig, dass für Ausländer aus Drittstaaten das AsylbLG in dieser Situation ein Unterstützungssystem der materiellen Existenzsicherung in Deutschland vorsieht. Die Situation für EU-Bürger stellt sich jedoch anders dar, weil es innerhalb der europäischen Union generell eine Ausreisealternative gibt und ggf. auch die Rückkehr unterstützt wird. Für eine unterschiedliche Behandlung von EU-Bürgern und Ausländern aus Drittstaaten, die eine entsprechende Anwendung des AsylbLG ausschließen, sprechen insbesondere die Erwägungen des Gesetzgebers zur Neuregelung zu § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II: „Die Neuregelung berücksichtigt, dass die Situation von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern einerseits sowie Asylbewerberinnen und Asylbewerbern andererseits nicht vergleichbar ist. Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern stehen andere Möglichkeiten der Selbsthilfe offen, als dies für Asylbewerberinnen und Asylbewerber der Fall ist. Während Leistungsberechtigte nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oftmals nicht ohne möglicherweise drohende Gefahren (etwa durch Verfolgung) in ihr Heimatland zurückkehren können, ist dies Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern gefahrlos möglich und zumutbar. Die betroffenen Personen können in ihren Heimatstaaten ohne Gefahr für Leib und Leben wohnen und existenzsichernde Unterstützungsleistungen erlangen, da in der EU soziale Mindeststandards bestehen, auf die sich die Mitgliedstaaten geeinigt haben. Nach Artikel 13 der Europäischen Sozialcharta vom 18. Oktober 1961 haben sich die Vertragsparteien verpflichtet, sicherzustellen, dass jedem, der nicht über ausreichende Mittel verfügt und sich diese auch nicht selbst oder von anderen verschaffen kann, ausreichende Unterstützung im Heimatland gewährt wird. Daneben besteht ein uneingeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt.“ (vgl. BT-Drs. 18/10211, S. 14).
42
d. Abschließend bleibt darauf hinzuweisen, dass sich ein Anspruch für laufende Leistungen nach dem SGB XII auch nicht aus § 23 Abs. 3 Satz 6 Halbsatz 2 SGB XII (Überbrückungsleistungen für mehr als einen Monat) ergibt. Danach sind zwar Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Bedarfslage geboten ist.
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Der Normzweck der hier enthaltenen Härtefallregelung zielt darauf ab, im Einzelfall besonderen Umständen Rechnung zu tragen, die eine Ausreise binnen eines Monats unmöglich oder unzumutbar machen; entsteht hierdurch eine besondere Härte und eine zeitlich befristete Bedarfslage, sind „soweit“ Leistungen zu erbringen. Es handelt sich also auch insoweit um eine Regelung, die lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände eingreifen soll, um im Einzelfall unzumutbare Härten zu vermeiden, nicht hingegen einen dauerhaften Leistungsbezug ermöglichen soll (vgl. Treichel in BeckOGK, Stand: 01.09.2024, SGB XII § 23 Rn. 132).
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§ 23 Abs. 3 Satz 6 Halbsatz 2 SGB XII setzt besondere Umstände im Einzelfall voraus, die einen Härtefall sowie eine befristete Bedarfslage entstehen lassen. Durch das Kriterium „zeitlich befristete Bedarfslage“ steht Halbsatz 2 im Vergleich zu Halbsatz 1 unter noch höheren gesetzlichen Anforderungen. Anwendungsfall ist etwa die Reiseunfähigkeit des Ausländers infolge nachgewiesener Erkrankung. Demgegenüber kann die – nicht auf den Einzelfall bezogene – allgemeine soziale Situation im Herkunftsland einen Härtefall nicht begründen. Die zeitlich befristete Bedarfslage muss nach prognostischer Einschätzung feststehen. Eine besondere zeitliche Eingrenzung der über den Überbrückungsmonat hinausgehenden Leistungsgewährung sieht das Gesetz allerdings nicht vor; mithin kann eine „befristete Bedarfslage“ auch für einen vorhersehbaren Zeitraum über mehrere Monate bestehen (vgl. Treichel a.a.O., § 23 Rn. 133).
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Ein Anordnungsanspruch liegt auch insoweit nicht vor. Gründe wurden hierzu nicht glaubhaft gemacht. Dies gilt vor allem für die Ausführungen der Antragstellerin zu ihren gesundheitlichen Problemen. Denn wie sich diese negativ auf die Reisefähigkeit der Antragstellerin auswirken sollen oder warum diese nicht in Griechenland behandelt werden könnten, ist nicht nachvollziehbar. Dass eine lange Reise unzumutbar sei, wird lediglich von der Antragstellerin behauptet. Ferner ist in diesem Zusammenhang auch nicht nachvollziehbar, warum die Antragstellerin einerseits nicht reisefähig sein sollte, während sie aber andererseits ausführt, eine Beschäftigung aufgenommen zu haben.
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3. Nach alledem ist die Beschwerde zurückzuweisen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
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5. Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.