Inhalt

VerfGH München, Entscheidung v. 23.01.2024 – Vf. 18-VI-23
Titel:

Unzulässige Verfassungsbeschwerde – Recht auf rechtliches Gehör

Normenketten:
BV Art. 91 Abs. 1, Art. 118 Abs. 1
VfGHG Art. 51 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
Unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen Entscheidungen in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Zusammenhang mit der Versagung einer bauaufsichtlichen (Tektur-)Genehmigung. (Rn. 11 – 21)
1. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde beschränkt sich die Prüfung auf die Frage, ob die Gerichte gegen vom Beschwerdeführer bezeichnete Normen der Bayerischen Verfassung verstoßen haben, die ein in zulässiger Weise als verletzt gerügtes subjektives Recht des Beschwerdeführers verbürgen. Gegenüber der Anwendung von Bundesrecht, das wegen seines höheren Rangs nicht am Maßstab der Bayerischen Verfassung überprüft werden kann, beschränkt sich die Prüfung darauf, ob das Gericht willkürlich gehandelt hat. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gericht wird durch Art. 91 Abs. 1 BV nicht verpflichtet, in seiner Entscheidung auf alle Ausführungen eines Beteiligten einzugehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht die von ihm entgegengenommenen Äußerungen eines Beteiligten zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung gewürdigt hat. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verfassungsbeschwerde, Recht auf rechtliches Gehör, Substanziierungsanforderungen, Willkürverbot
Vorinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 03.05.2023 – 15 ZB 23.579
VGH München, Beschluss vom 08.03.2023 – 15 ZB 22.2463
VG Augsburg, Urteil vom 20.10.2022 – Au 5 K 22.587
Fundstellen:
BayVBl 2024, 335
BeckRS 2024, 5023
LSK 2024, 5023

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Beschwerdeführerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, wendet sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. März 2023 Az. 15 ZB 22.2463, mit dem ihr Antrag auf Zulassung der Berufung gegen ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg abgelehnt worden ist, und gegen die Zurückweisung ihrer Anhörungsrüge durch den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Mai 2023 Az. 15 ZB 23.579.
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1. Die Beschwerdeführerin hatte bei der Bauaufsichtsbehörde eine Tekturgenehmigung im Hinblick auf die Lage der Tiefgaragenabfahrt, der Mülltonneneinhausung, einer behindertengerechten Rampe sowie eines Wintergartens für ein bereits genehmigtes, aber planabweichend errichtetes Mehrfamilienhaus beantragt. Mit Bescheid vom 3. Februar 2022 wurde dieser Antrag unter Verweis auf die Festsetzung in § 3 Abs. 3 Satz 1 (Fassung vom 4.5.2000) bzw. § 4 Abs. 3 (Fassung vom 5.2.2015) des maßgeblichen Bebauungsplans der im verwaltungsgerichtlichen Ausgangsverfahren beigeladenen Gemeinde abgelehnt. Nach dieser Festsetzung müssen Gebäude u. a. einen Mindestabstand von zehn Metern zu einem das Plangebiet durchfließenden Gewässer einhalten. § 6 Abs. 6 Satz 3 des Bebauungsplans sieht vor, dass Tiefgaragenzufahrten auch außerhalb der überbaubaren Grundstücksflächen errichtet werden dürfen.
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2. Die nach der Antragsablehnung erhobene Verpflichtungsklage wies das Verwaltungsgericht Augsburg mit Urteil vom 20. Oktober 2022 ab. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, das Vorhaben sei nicht genehmigungsfähig. Die Festsetzung über den Mindestabstand zum Gewässer sei eine eigenständige Festsetzung, für die § 6 Abs. 6 Satz 3 des Bebauungsplans keine im Sinn von § 31 Abs. 1 BauGB festgesetzte Ausnahme darstelle. Da die Tiefgaragenabfahrt den festgesetzten Mindestabstand um 3 Meter unterschreite, entspreche sie nicht den Festsetzungen des Bebauungsplans. Angesichts des Ausmaßes der Überschreitung und weil der 10-Meter-Abstand einen Grundzug der Planung darstelle, sei weder eine Abweichung nach § 23 Abs. 3 Satz 2 BauNVO noch eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB möglich. Entsprechendes gelte für die Mülltonneneinhausung. Eine Genehmigung für die behindertengerechte Rampe und den Wintergarten scheide aus, weil der Genehmigungsantrag nur für das Gesamtvorhaben gestellt worden sei.
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3. Den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil lehnte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit dem angegriffenen Beschluss vom 8. März 2023, dem Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin zugestellt am 14. März 2023, ab. Der Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liege nicht vor.
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4. Die Beschwerdeführerin erhob hiergegen mit Schriftsatz vom 23. März 2023 Anhörungsrüge. Der Verwaltungsgerichtshof habe den zentralen Schwerpunkt des Vortrags der Beschwerdeführerin im Zulassungsverfahren, dass es sich bei der Festsetzung des Mindestabstands deshalb nicht um eine eigenständige Festsetzung handeln könne, weil für einen absolut verstandenen Mindestabstand keine Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 1 BauGB existiere und den Gemeinden kein Festsetzungserfindungsrecht zustehe, übergangen. Dazu sei im Rahmen der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2022 und erneut in der Erwiderung auf einen Schriftsatz der Landesanwaltschaft ausführlich vorgetragen worden, dass als Ermächtigungsgrundlage nur § 9 Abs. 1 Nr. 10 sowie Nr. 24 BauGB in Betracht kommen könnten, die Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlagen aber jeweils nicht vorgelegen hätten. Der Senat gehe in seinem Beschluss vom 8. März 2023 davon aus, dass es sich bei der Regelung des Mindestabstands um eine eigenständige Regelung handle, die die textlichen und zeichnerischen Festsetzungen zur überbaubaren Grundstücksfläche ergänze. Das Gericht gehe aber mit keinem Wort darauf ein, auf welcher Ermächtigungsgrundlage des Festsetzungskatalogs des § 9 Abs. 1 BauGB eine solche weitere textliche Festsetzung zu den überbaubaren Grundstücksflächen in Form von Mindestgrenzabständen beruhen solle. Es werde lediglich negativ festgestellt, dass es sich dabei nicht um eine Festsetzung nach § 9 Abs. 1 Nr. 10 oder Nr. 24 BauGB handle. Das Gericht gehe damit auf einen wesentlichen Kern des rechtlichen Vortrags der Beschwerdeführerin in den Entscheidungsgründen nicht ein und lasse diesen unberücksichtigt. Eine Rechtsgrundlage für die Festsetzung eines Mindestabstands zu einem Gewässer sei auch nicht ersichtlich. Die Entscheidung beruhe auf dem Gehörsverstoß. Denn gebe es in § 9 Abs. 1 BauGB keine Ermächtigungsgrundlage, scheide die Annahme einer selbstständigen Festsetzung aus, da einem Satzungsgeber kein Festsetzungserfindungsrecht zustehe.
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5. Mit dem ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 3. Mai 2023, dem Prozessbevollmächtigten der Beschwerdeführerin zugestellt am 8. Mai 2023, wies der Verwaltungsgerichtshof die von der Beschwerdeführerin erhobene Anhörungsrüge als unbegründet zurück. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Zulassungsverfahren, es gebe für die Festsetzung eines Mindestabstands zum Gewässer im Bebauungsplan der Beigeladenen keine Rechtsgrundlage, sei vom Senat zur Kenntnis genommen und gewürdigt worden. Im Beschluss vom 8. März 2023 sei – worauf die Beschwerdeführerin in ihrer Begründung zur Anhörungsrüge auch zutreffend Bezug genommen habe – hierzu ausgeführt worden, dass die Festsetzung des Abstandsmaßes von 10 Metern die zu den Gewässern festgesetzten Baugrenzen dahingehend ergänze, dass textlich weitere Festsetzungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen in Form von Mindestgrenzabständen zu den Grenzen des Gewässers festgesetzt worden seien. Der Senat sei ferner auf die im Zulassungsvorbringen ausdrücklich angeführten § 9 Abs. 1 Nr. 10 und Nr. 24 BauGB eingegangen. Soweit die Beschwerdeführerin die fehlende Angabe einer Rechtsgrundlage durch den Senat beanstande, werde nicht ein Übergehen des Vortrags der Klägerin, sondern die inhaltliche Richtigkeit des Beschlusses kritisiert. Eine Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit finde durch die Anhörungsrüge jedoch nicht statt.
II.
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1. Mit der am 15. Mai 2023 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 91 Abs. 1 BV (rechtliches Gehör) und Art. 118 Abs. 1 BV (Willkürverbot).
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Der Verwaltungsgerichtshof habe zentralen Vortrag der Beschwerdeführerin unberücksichtigt gelassen. Sie habe im Zulassungsverfahren substanziiert gerügt, dass es für die Festsetzung eines Mindestabstands zu einem Gewässer keine Ermächtigungsgrundlage in § 9 Abs. 1 BauGB gebe und dass den Gemeinden kein Festsetzungserfindungsrecht zukomme. Der Senat habe in seinem den Antrag auf Zulassung der Berufung ablehnenden Beschluss vom 8. März 2023 lediglich negativ festgestellt, dass § 9 Abs. 1 Nr. 10 und Nr. 24 BauGB nicht einschlägig seien. Indem er jedoch selbst keine Rechtsgrundlage für die streitentscheidende Festsetzung nenne, übergehe der Verwaltungsgerichtshof ihren zentralen Vortrag zur fehlenden Ermächtigungsgrundlage. Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Mai 2023 über die Anhörungsrüge habe diese Gehörsverletzung nicht beseitigt, weil auch in ihm keine Ermächtigungsgrundlage benannt werde. Insofern verletze auch dieser Beschluss ihren Anspruch auf rechtliches Gehör. Ohne die Benennung einer einschlägigen Ermächtigungsgrundlage sei die Entscheidung auch willkürlich und verletze Art. 118 Abs. 1 BV. Die Festsetzung eines Mindestabstands zu einem Gewässer sei unzulässig.
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2. Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration hält die Verfassungsbeschwerde im Hinblick auf den die Anhörungsrüge zurückweisenden Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Mai 2023 für unzulässig, im Übrigen für unbegründet. Ein Gehörsverstoß liege nicht vor, weil sich der Verwaltungsgerichtshof mit den von der Beschwerdeführerin im Rahmen der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung vorgebrachten Argumenten auseinandergesetzt und diese knapp, aber zutreffend gewürdigt habe. Dafür, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs inhaltlich willkürlich wäre, werde mit der Verfassungsbeschwerde nichts vorgetragen.
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3. Die Beschwerdeführerin ergänzte daraufhin ihren Vortrag mit einem weiteren Schreiben vom 2. Oktober 2023 bzw. (wortgleich) 5. Oktober 2023. Wollte man die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs so verstehen, dass dieser annehme, Ermächtigungsgrundlage für die streitgegenständliche Festsetzung sei § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB, sei der Beschluss willkürlich. Es entspreche ganz herrschender Meinung, dass Festsetzungen der überbaubaren und nicht überbaubaren Grundstücksflächen nur in den in § 23 Abs. 1 BauNVO abschließend aufgezählten Formen (Baulinien, Baugrenzen und Bebauungstiefen) vorgenommen werden könnten; die Festsetzung eines Mindestabstands falle nicht hierunter.
III.
11
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
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1. Unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde zunächst, soweit sie sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 3. Mai 2023 richtet. Denn diese Entscheidung, mit der der Verwaltungsgerichtshof die Anhörungsrüge (§ 152 a VwGO) der Beschwerdeführerin gegen seinen Beschluss vom 8. März 2023 zurückgewiesen hat, schafft keine eigenständige Beschwer. Sie lässt allenfalls eine bereits durch die Ausgangsentscheidung eingetretene Verletzung des rechtlichen Gehörs fortbestehen, indem eine „Selbstkorrektur“ durch die Fachgerichte unterbleibt (ständige Rechtsprechung; VerfGH vom 2.10.2013 VerfGHE 66, 179/186; vom 23.3.2022 – Vf. 36-VI-21 – juris Rn. 25 m. w. N.).
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2. Die Verfassungsbeschwerde ist auch unzulässig, soweit sie sich gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 8. März 2023 richtet, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts abgelehnt wurde. Sie erfüllt die Substanziierungsanforderungen des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG nicht.
14
Der Verfassungsgerichtshof überprüft gerichtliche Entscheidungen nur in engen Grenzen. Er ist kein Rechtsmittelgericht; es ist nicht seine Aufgabe, fachgerichtliche Entscheidungen dahingehend zu kontrollieren, ob die tatsächlichen Feststellungen zutreffen oder ob die Gesetze richtig ausgelegt und angewandt wurden. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde beschränkt sich die Prüfung vielmehr auf die Frage, ob die Gerichte gegen vom Beschwerdeführer bezeichnete Normen der Bayerischen Verfassung verstoßen haben, die ein in zulässiger Weise als verletzt gerügtes subjektives Recht des Beschwerdeführers verbürgen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 26.1.1990 VerfGHE 43, 12/17 f.; vom 5.10.2017 BayVBl 2018, 164 Rn. 18; vom 2.5.2019 NJW 2019, 2154 Rn. 21). Gegenüber der Anwendung von Bundesrecht, das wegen seines höheren Rangs nicht am Maßstab der Bayerischen Verfassung überprüft werden kann, beschränkt sich die Prüfung darauf, ob das Gericht willkürlich gehandelt hat. In verfahrensrechtlicher Hinsicht überprüft der Verfassungsgerichtshof Entscheidungen, die in einem bundesrechtlich geregelten Verfahren ergangen sind, auch daraufhin, ob ein Verfahrensgrundrecht der Bayerischen Verfassung verletzt wurde, das, wie das Recht auf rechtliches Gehör gemäß Art. 91 Abs. 1 BV, mit gleichem Inhalt im Grundgesetz gewährleistet ist (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 21.3.1997 VerfGHE 50, 60/62; vom 22.7.2015 VerfGHE 68, 167 Rn. 25; vom 4.1.2023 BayVBl 2023, 192 Rn. 28, jeweils m. w. N.).
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Die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass die behauptete Verletzung verfassungsmäßiger Rechte im Einzelnen dargelegt wird. Der Beschwerdeführer darf sich nicht damit begnügen, irgendeine ein verfassungsmäßiges Recht verbürgende Norm der Bayerischen Verfassung anzuführen und als verletzt zu bezeichnen. Es muss vielmehr – mindestens in groben Umrissen – zu erkennen sein, inwiefern durch eine Maßnahme oder Entscheidung ein solches Recht verletzt sein soll. Auf der Grundlage des Vortrags in der Verfassungsbeschwerde muss die behauptete Grundrechtsverletzung zumindest möglich erscheinen. Die bloße Behauptung, eine gerichtliche Entscheidung sei unrichtig oder fehlerhaft, genügt den Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde dagegen nicht (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 14.2.2006 VerfGHE 59, 47/50 f.; vom 27.2.2017 BayVBl 2018, 34 Rn. 17; vom 28.1.2020 – Vf. 80-VI-18 – juris Rn. 19). Der Beschwerdeführer muss seinen Substanziierungspflichten innerhalb der Zweimonatsfrist des Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG genügen (vgl. VerfGH vom 15.11.2018 – Vf. 10-VI-17 – juris Rn. 15; vom 8.11.2019 – Vf. 48-VI-18 – juris Rn. 22; vom 9.8.2021 – Vf. 111-VI-20 – juris Rn. 41; vom 23.2.2022 BayVBl 2022, 407 Rn. 52).
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Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdeführerin nicht.
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a) Einen Verstoß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) zeigt die Beschwerdeführerin nicht den Substanziierungsanforderungen des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 BV entsprechend auf. Der Anspruch auf rechtliches Gehör hat eine doppelte Ausprägung. Zum einen untersagt er den Gerichten, ihren Entscheidungen Tatsachen oder Beweisergebnisse zugrunde zu legen, zu denen die Parteien sich nicht äußern konnten. Zum anderen gibt er den Parteien einen Anspruch darauf, dass die Gerichte ein rechtzeitiges und möglicherweise erhebliches Vorbringen zur Kenntnis nehmen und bei ihren Entscheidungen in Erwägung ziehen, soweit es nach den Prozessvorschriften nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 31.3.2008 VerfGHE 61, 66/70; vom 8.7.2021 BayVBl 2021, 658 Rn. 27). Das Gericht wird durch Art. 91 Abs. 1 BV jedoch nicht verpflichtet, in seiner Entscheidung auf alle Ausführungen eines Beteiligten einzugehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht die von ihm entgegengenommenen Äußerungen eines Beteiligten zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung gewürdigt hat. Dies gilt auch dann, wenn es davon abgesehen hat, sie in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu erörtern. Nur dann, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls klar und deutlich ergibt, dass das Gericht ein entscheidungserhebliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen hat, kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs angenommen werden. Geht das Gericht etwa auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vorbringens schließen, sofern es nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstanziiert war. Hingegen ergibt sich aus Art. 91 Abs. 1 BV kein Anspruch darauf, dass sich das Gericht der Bewertung eines Beteiligten anschließt, also „auf ihn hört“. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs kann auch nicht damit begründet werden, die vom Gericht vertretene Auffassung sei unrichtig (vgl. VerfGH vom 28.10.2020 – Vf. 41-VI-20 – juris Rn. 27; BayVBl 2021, 658 Rn. 27, jeweils m. w. N.).
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Gemessen daran zeigt die Verfassungsbeschwerde einen Verstoß des Verwaltungsgerichtshofs gegen Art. 91 Abs. 1 BV nicht substanziiert auf. Die von der Beschwerdeführerin im Rahmen der Begründung ihres Antrags auf Zulassung der Berufung aufgeworfene und als übergangen gerügte Frage nach der Ermächtigungsgrundlage für die hier streitentscheidende Festsetzung eines Mindestabstands von Gebäuden zu Gewässern hat der Verwaltungsgerichtshof im angegriffenen Beschluss vom 8. März 2023 aufgegriffen und – wenn auch ohne ausdrückliche Nennung der einschlägigen Rechtsnorm – beantwortet. Danach hat der Senat – wie selbst die Beschwerdeführerin bereits mit ihrer fachgerichtlichen Anhörungsrüge eingeräumt hat – ausgeführt, dass die Festsetzung des Abstandsmaßes von 10 Metern die „festgesetzten Baugrenzen dahingehend ergänz[t], dass textlich weitere Festsetzungen zu den überbaubaren Grundstücksflächen in Form von Mindestgrenzabständen zu den Grenzen des Gewässers…“ festgesetzt worden seien. Mit diesen Formulierungen nimmt der Senat offensichtlich Bezug auf diejenige in § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB, der Gemeinden dazu ermächtigt, die überbaubaren und die nicht überbaubaren Grundstücksflächen festzusetzen, sowie auf § 23 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, der gestützt auf die Ermächtigungsgrundlage in § 9 a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c BauGB die insofern zulässigen Festsetzungen näher regelt und dabei Baugrenzen ausdrücklich nennt. Da der Verwaltungsgerichtshof sich zudem mit den Erwägungen in der Zulassungsbegründung zu § 9 Abs. 1 Nr. 10 und Nr. 24 BauGB auseinandergesetzt hat, ist nichts ersichtlich und von der Beschwerdeführerin auch nichts vorgetragen, das darauf hindeuten könnte, das Gericht habe ihren Vortrag nicht zur Kenntnis genommen. Der Sache nach wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Rüge der Verletzung von Art. 91 Abs. 1 BV – wie bereits im fachgerichtlichen Anhörungsrügeverfahren – lediglich gegen die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, es bestehe eine Rechtsgrundlage für die planerische Festsetzung eines Mindestabstands von Gebäuden zu Gewässern, bzw. gegen dessen Annahme, § 6 Abs. 6 Satz 3 des Bebauungsplans sei insofern keine festgesetzte Ausnahme; einen Gehörsverstoß legt sie aber nicht substanziiert dar.
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b) Auch einen Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 118 Abs. 1 BV) zeigt die Beschwerdeführerin nicht den Substanziierungsanforderungen des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 BV entsprechend auf.
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Eine fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts begründet, selbst wenn sie vorläge, allein noch keinen Verstoß gegen Art. 118 Abs. 1 BV. Willkürlich im Sinn des Art. 118 Abs. 1 BV ist eine gerichtliche Entscheidung nur dann, wenn sie bei Würdigung der die Verfassung beherrschenden Grundsätze nicht mehr verständlich ist und sich der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. Die Entscheidung dürfte unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar erscheinen, sie müsste schlechthin unhaltbar, offensichtlich sachwidrig, eindeutig unangemessen sein. Dies ist anhand objektiver Kriterien festzustellen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 7.2.2019 – Vf. 60-VI-17 – juris Rn. 30; vom 30.10.2019 – Vf. 52-VI-18 – juris Rn. 26; vom 21.7.2020 – Vf. 59-VI-17 – juris Rn. 28).
21
Die Beschwerdeführerin legt nicht nachvollziehbar dar, dass die angegriffene Entscheidung in diesem Sinn willkürlich wäre, sondern hält die tragenden Rechtsauffassungen des Verwaltungsgerichtshofs schlicht für unzutreffend und wiederholt mit der Verfassungsbeschwerde vom 15. Mai 2023 der Sache nach lediglich ihren Vortrag aus dem Zulassungsverfahren. Damit wird aber kein Verstoß gegen das Willkürverbot dargelegt, worauf bereits das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration in seiner Stellungnahme zur Verfassungsbeschwerde zu Recht hingewiesen hat. Einen solchen Verstoß zeigt auch der als Reaktion auf diese Stellungnahme nachgereichte Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 2. bzw. 5. Oktober 2023 nicht auf. Selbst wenn man den darin enthaltenen Vortrag berücksichtigte, obwohl er nach Ablauf der zweimonatigen Frist des Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG und damit verspätet erfolgte, wäre eine willkürliche Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs – zumal unter Berücksichtigung des eingeschränkten Prüfungsmaßstabs im Zulassungsverfahren (§ 124 Abs. 2 i. V. m. § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO; hierzu etwa VerfGH vom 9.2.2015 – Vf. 11-VI-14 – juris Rn. 75) – nicht substanziiert ausgeführt. Warum die Festsetzung einer Baugrenze durch die Formulierung eines Mindestabstands zu einem Gewässer von § 23 Abs. 1 Satz 1 BauNVO, der Baugrenzen ausdrücklich nennt, nicht gedeckt sein soll, legt die Beschwerdeführerin bereits nicht nachvollziehbar dar (zur Festsetzung von Mindestgrenzabständen etwa BayVGH vom 17.12.2020 – 9 CS 20.2172 – juris Rn. 23); im Zulassungsvorbringen im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof spricht sie vielmehr selbst davon, dass es sich bei der Festsetzung des Mindestabstands um „eine Festsetzung[ ] einer überbaubaren Grundstückflache auf Grundlage von § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB“ handle (S. 12 der Zulassungsbegründung). Erst recht fehlt es demnach an der Darlegung, dass das gegenteilige Ergebnis des Verwaltungsgerichtshofs willkürlich wäre. Auch das nicht näher erläuterte Argument der Beschwerdeführerin, die Heranziehung von § 9 Abs. 1 Nr. 2 BauGB als Rechtsgrundlage für die Festsetzung eines Mindestabstands sei widersprüchlich, weil der Verwaltungsgerichtshof § 6 Abs. 6 des Bebauungsplans als Ausnahme zu den Festsetzungen der überbaubaren Grundstücksfläche ansehe, nicht aber als Ausnahme zu dessen § 3 Abs. 3, genügt den dargestellten Substanziierungsanforderungen nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat die tragende Annahme des Verwaltungsgerichts, die zuständige Kommune habe in Ausübung ihrer Planungshoheit zwar Ausnahmen für ihre allgemeinen Festsetzungen zu überbaubaren Grundstücksflächen geregelt, nicht aber für die selbstständige Festsetzung zu überbaubaren Grundstückflächen in der Nähe von Gewässern, als nicht ernstlich zweifelhaft im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO angesehen, weil das Zulassungsvorbringen der Beschwerdeführerin sich dazu nicht verhalte. Dass dies für sich genommen abwegig oder widersprüchlich wäre, ist nicht erkennbar und wird von der Beschwerdeführerin auch nur behauptet, aber nicht substanziiert dargelegt.
III.
22
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).