Titel:
Kein Differenzkindergeld zum deutschen Kindergeld bei einem Anspruch auf Familienleistungen in Ungarn
Normenketten:
EStG § 62 ff., § 65, § 70 Abs. 2
VO 883/2004 Art. 12, Art. 68 Abs. 2 S. 3
FGO § 52d, § 115 Abs. 2, § 135 Abs. 1
Leitsatz:
Die Verordnung Nr. 883/2004 behält die Regel bei, dass der entsandte Arbeitnehmer den Rechtsvorschriften des Staates unterliegt, in dem sein Arbeitgeber gewöhnlich tätig ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kindergeld in Entsendungsfällen, Anspruchskonkurrenz, Anspruch auf Kindergeld, Familienleistung, Familienkasse, Differenzkindergeld, Kindergeld, Kindergeldanspruch, Rente, Prioritätsregelung, Wohnortprinzip, Leistung, Wohnort, Wohnsitz, sachlicher Anwendungsbereich
Fundstelle:
BeckRS 2024, 50192
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Entscheidungsgründe
1
Streitig ist, ob die beklagte Familienkasse (FK) verpflichtet ist, Differenzkindergeld für X, geboren am ... 2010, für Februar 2022 bis Juli 2023 festzusetzen.
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Der Kläger unterhielt im Streitzeitraum mit der Kindsmutter und X in Ungarn einen gemeinsamen Haushalt. Seit Oktober 2015 war der Kläger von seinem ungarischen Arbeitgeber jeweils für weniger als 24 Monate nach Deutschland entsandt, so auch für den 1. Februar 2022 bis zum 31. Januar 2024 (A1-Bescheinigung, S. 174 FK-Akte; Arbeitgeberbescheinigung Dolex Kft. NL vom 27. Juli 2023, S. 183 FG-Beiakte). Die Kindsmutter war in Ungarn erwerbstätig, nur vom 17. August bis zum 1. Januar 2023 war sie unbezahlt beurlaubt und nicht in Ungarn versichert. Für x bezog die Kindsmutter ungarische Familienleistungen.
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Mit Bescheid vom 5. Januar 2022 (S. 159 FK-Akte) hob die FK die Kindergeldfestsetzung für X ab Dezember 2021 gem. § 70 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) auf.
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Im Juli 2022 beantragte der Kläger Kindergeld für seine Entsendung ab dem 1. Februar 2022 (S. 172 FK-Akte).
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Mit Bescheid vom 25. April 2023 (S. 259 FK-Akte) lehnte die FK den Kindergeldantrag für X ab Februar 2022 ab. Da Familienleistungen im Wohnland des Kindes zustünden und der Anspruch in Deutschland lediglich durch den Wohnsitz ausgelöst werde, könne nach Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Amtsblatt der Europäischen Union – ABlEU – 2004 Nr. L 166, S. 1) in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung (VO Nr. 883/2004) kein Kindergeld gewährt werden.
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Dagegen legte der Kläger Einspruch ein.
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Der Einspruch blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2023). Zur Begründung führte die FK aus, der Kläger erfülle zwar die Anspruchsvoraussetzungen des § 62 Abs. 1 EStG. Für das Kind bestehe jedoch in Ungarn ein vorrangiger Anspruch auf Kindergeld. Eine Anspruchskonkurrenz sei gegeben. Aufgrund der Entsendung des Klägers von einer ungarischen Firma nach Deutschland fänden ungarische Rechtsvorschriften auf ihn Anwendung (Art. 12 der VO Nr. 883/2004). Auch für die Kindsmutter seien wegen ihrer Erwerbstätigkeit bzw. ihres Wohnsitzes in Ungarn ungarische Rechtsvorschriften anzuwenden. Gem. Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004 seien für Kinder mit Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat keine Unterschiedsbeträge zu gewähren, wenn der Anspruch in Deutschland lediglich durch den Wohnort ausgelöst werde. Das sei auch dann der Fall, wenn eine Beschäftigung im Rahmen einer Entsendung ausgeübt werde und im Inland weder eine den deutschen Rechtsvorschriften unterliegende Erwerbstätigkeit ausgeübt werde noch eine Rente bezogen werde. X lebe in Ungarn. Die Kindsmutter wohne in Ungarn und übe dort z. T. eine Erwerbstätigkeit aus. Aus Ungarn würden Familienleistungen bezogen. Der Kläger als entsandter Arbeitnehmer habe in Deutschland nur einen Wohnsitz. Aufgrund des Anspruchs auf Familienleistungen im Wohnsitzstaat der anderen anspruchsberechtigten Person und der Kinder bestehe kein Anspruch auf deutsches Differenzkindergeld.
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Mit seiner Klage bringt der Kläger im Wesentlichen Folgendes vor: Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) habe bereits in seinem Urteil Hudzinski/Wawrzyniak vom 12. Juni 2012 C-611/10 und C-612/10 (ECLI:EU:C:2012:339, DStRE 2012, 999) zur Auslegung von Art. 14 Nr. 1 Buchst. a und Art. 14a Nr. 1 Buchst. a der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABlEU 1971 Nr. L 149, S. 1; VO Nr. 1408/71) – die nahezu wortgleich in Art. 12 der VO 883/2004 enthalten seien – entschieden, dass die früheren Antikumulierungsregeln des Art. 76 der VO Nr. 1408/71 und Art. 10 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO Nr. 574/72) keine Anwendung fänden. Dies gelte auch für Art. 68 der VO 883/2004 (vgl. EuGH-Urteil Kommission/Belgien vom 11. Juli 2018 C-356/15, ECLI:EU:C:2018:555, Rz 79 ff.). Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 sei vorliegend nicht anwendbar, weil es keine konkurrierenden Ansprüche im Sinne der genannten Verordnung gebe. Der entsandte Kläger unterliege nach Art. 12 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 weiterhin den ungarischen Rechtsvorschriften. Der nationale Anspruch auf Kindergeld in Deutschland bestehe trotzdem und werde auch nicht durch § 65 EStG verdrängt. Für die Frage, was die Ansprüche i.S. des Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 auslöse, sei nicht auf die nationalen Regelungen nach § 62 ff. EStG, sondern auf Art. 11 bis 16 der VO Nr. 883/2004 abzustellen.
- 1.
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unter Aufhebung des Bescheids vom 25. April 2023 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juli 2023 die Beklagte zu verpflichten, Differenzkindergeld für X für Februar 2022 bis Juli 2023 festzusetzen, sowie
- 2.
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hilfsweise die Revision zuzulassen.
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Die Familienkasse verweist auf die Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt sie Folgendes vor: Art. 68 der VO Nr. 883/2004 sei anwendbar, da in den Mitgliedsstaaten tatsächlich konkurrierende Ansprüche auf Familienleistungen bestünden. Ein Anspruch auf deutsches Differenzkindergeld scheide wegen Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004 aus, da der Kindergeldanspruch in Deutschland ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst werde.
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Mit Beschluss vom 3. November 2023 (5 K 1573/23) hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz-Saarland sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Finanzgericht München verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze und die vorgelegten Akten verwiesen.
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Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung – FGO –).
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Die Klage ist unbegründet.
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1. Der Kläger, der im Streitzeitraum jedenfalls seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 Abgabenordnung – AO –) im Inland gehabt hat, erfüllt von Februar 2022 bis Juli 2023 nach § 62 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 EStG die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Kindergeld.
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2. Ist der persönliche und sachliche Geltungsbereich der VO Nr. 883/2004 eröffnet, dann richtet sich die Kindergeldberechtigung nach den §§ 62 ff. EStG und die Anspruchskonkurrenz zwischen dem deutschen Kindergeldanspruch und der ausländischen Familienleistung nach Art. 68 der VO Nr. 883/2004. Diese Prioritätsregelung ist gegenüber § 65 EStG grundsätzlich vorrangig (Bundesfinanzhof – BFH – Urteil vom 26. Juli 2017 III R 18/16, BFHE 259, 98, BStBl II 2017, 1237, Rz. 11, m.w.N.).
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a) Der Anwendungsbereich der VO Nr. 883/2004 ist im Streitfall eröffnet. Der Kläger ist Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats der Europäischen Union (EU), Ungarn, und fällt damit nach Art. 2 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 in den persönlichen Anwendungsbereich dieser Verordnung. Ebenso ist das Kindergeld nach dem EStG eine Familienleistung i.S. des Art. 1 Buchst. z der VO Nr. 883/2004, so dass auch deren sachlicher Anwendungsbereich nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. j der VO Nr. 883/2004 eröffnet ist.
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b) Entgegen der Auffassung des Klägers ist auch der Anwendungsbereich des Art. 68 der VO Nr. 883/2004 eröffnet, da konkurrierende Ansprüche im Sinne dieser Vorschrift vorliegen.
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aa) Gemäß Art. 68 Abs. 2 Satz 1 der VO Nr. 883/2004 werden beim Zusammentreffen von Ansprüchen die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 Vorrang haben. Nach dem Einleitungssatz des Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 gelten die in dieser Vorschrift festgelegten Prioritätsregeln, wenn für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren sind. Für die Frage, ob ein Zusammentreffen von Ansprüchen auf Familienleistungen vorliegt, ist im Grundsatz ausreichend, dass ein materiell-rechtlicher Anspruch auf die entsprechende Leistung nach deutschem und ausländischem Recht besteht (BFH-Urteil in BFHE 259, 98, BStBl II 2017, 1237, Rz. 16, m.w.N.).
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bb) Im Streitfall treffen die Ansprüche des Klägers auf Familienleistungen nach deutschem Recht (Kindergeld) und die Ansprüche der Kindsmutter auf Familienleistungen nach ungarischem Recht (Familienbeihilfe) für sein Kind für den Streitzeitraum aufeinander. Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine Anspruchskonkurrenz i.S. des Art. 68 Abs. 2 Satz 1 der VO Nr. 883/2004 nicht deshalb zu verneinen, weil der entsandte Kläger nach Art. 12 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 weiterhin den ungarischen Rechtsvorschriften unterliegt.
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Zwar hat der EuGH zu Art. 10 der VO Nr. 574/72 und Art. 76 der VO Nr. 1408/71 entschieden, dass diese Antikumulierungsregeln Fälle der Kumulierung von Ansprüchen nach dem nationalen Recht des Wohnmitgliedstaats des Kindes mit Ansprüchen nach dem Recht des Beschäftigungsmitgliedstaats betreffen; darunter falle nicht die Situation, dass ein Mitgliedstaat zugleich der Wohnmitgliedstaat des betroffenen Kindes und der Beschäftigungsmitgliedstaat des entsandten Arbeitnehmers ist (vgl. EuGH-Urteil in ECLI:EU:C:2012:339, DStRE 2012, 999, Rz. 73 ff.). Dies kann jedoch nicht auf Art. 68 der VO Nr. 883/2004 übertragen werden. Denn die Antikumulierungsregel des Art. 68 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 setzt nach ihrem Einleitungssatz – nur – voraus, dass für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren sind (so auch Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, § 65 EStG Rz. 9). Für das Zusammentreffen von Ansprüchen auf Familienleistungen genügt es daher grundsätzlich – wie bereits unter aa) ausgeführt –, dass ein materiell-rechtlicher Anspruch auf die entsprechende Leistung nach deutschem und ausländischem Recht besteht.
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Auch der EuGH hat in dem vom Kläger angeführten Urteil vom 25. April 2024 C-36/23, juris, Rz. 40 f., im Einklang mit der Auffassung des Senats ausgeführt, die Antikumulierungsvorschriften von Art. 68 der VO Nr. 883/2004 müssten Anwendung finden, wenn mehrere Ansprüche auf der Grundlage unterschiedlicher Rechtsordnungen geschuldet werden. Wie sich aus dem 35. Erwägungsgrund der VO Nr. 883/2004 ergebe, dienten diese Antikumulierungsvorschriften der Vermeidung ungerechtfertigter Doppelleistungen für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen auf Familienleistungen. Soweit der 35. Erwägungsgrund der VO Nr. 883/2004 – wie der Kläger meint – ein anderes Verständnis nahe legen sollte, hat dies weder im Wortlaut des Art. 68 der VO Nr. 883/2004 noch in dem genannten EuGH-Urteil Niederschlag gefunden; nach diesem Erwägungsgrund sind zur Vermeidung ungerechtfertigter Doppelleistungen für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats mit Ansprüchen auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedstaats der Familienangehörigen Prioritätsregeln vorzusehen.
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Gegenteiliges ergibt sich nicht aus dem EuGH-Urteil in ECLI:EU:C:2018:555. Der EuGH hat dort unter Rz. 84 ausgeführt, Art. 12 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 übernehme im Wesentlichen den Inhalt von Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 1408/71. Da die Verordnung Nr. 883/2004 die Regel beibehalte, dass der entsandte Arbeitnehmer den Rechtsvorschriften des Staates unterliegt, in dem sein Arbeitgeber gewöhnlich tätig ist, und mit den beiden Verordnungen dieselben Ziele verfolgt würden, sei die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur VO Nr. 1408/71 weiter analog heranzuziehen. Demgegenüber wurden die Kumulierungsregeln der VO Nr. 1408/71 und der VO Nr. 574/72 nicht, auch nicht im Wesentlichen, in Art. 68 der VO Nr. 883/2004 übernommen. Die Rechtsprechung des EuGH zur VO Nr. 1408/71 ist daher nicht auf Art. 68 der VO Nr. 883/2004 übertragbar. Dementsprechend befassen sich die BFH-Urteile vom 20. April 2023 III R 4/20, BFH/NV 2023, 953, und in BFHE 269, 320, BStBl II 2022, 176, auch nicht mit dem EuGH-Urteil in ECLI:EU:C:2018:555.
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3. Nach Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 ist der Anspruch der Kindsmutter auf ungarische Familienbeihilfe gegenüber dem Anspruch des Klägers auf deutsches Kindergeld vorrangig.
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a) Nach Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 gelten zur Vermeidung grenzüberschreitender Doppelleistungen konkurrierende Kindergeldansprüche folgende Priorisierungsregeln: Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer EU-Mitgliedstaaten zu gewähren, so stehen nach Art. 68 Abs. 1 Buchst. a der VO Nr. 883/2004 an erster Stelle die durch eine Beschäftigung oder eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche. Hiernach folgen die durch den Bezug einer Rente und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche. Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien: Bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden, ist der Wohnort des Kindes maßgeblich (Art. 68 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der VO Nr. 883/2004). Für die Frage, was die Ansprüche i. S. des Art. 68 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 auslöst, ist darauf abzustellen, aufgrund welchen Tatbestands die berechtigte Person den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats nach Art. 11 bis 16 der VO Nr. 883/2004 unterstellt ist (BFH-Urteil in BFHE 259, 98, BStBl II 2017, 1237, Rz. 25, m.w.N.). Auch insoweit kann der Senat dem EuGH-Urteil vom 25. April 2024 C-36/23, juris, nichts Gegenteiliges entnehmen.
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b) Der Kläger wurde nach der Bescheinigung A1 vom 28. Februar 2022 im Streitzeitraum von seinem ungarischen Arbeitgeber zur Arbeit nach Deutschland entsandt. Als entsandter Arbeitnehmer hat er nach Art. 12 Abs. 1 der VO Nr. 883/2004 weiterhin den Rechtsvorschriften des Entsendestaats Ungarn unterlegen, weshalb auch der Kindergeldanspruch in Deutschland nicht durch die Beschäftigung ausgelöst worden ist. Da der Kläger auch keine Rente in Deutschland bezogen hat, ist der Anspruch als durch den Wohnort in Deutschland ausgelöst anzusehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 269, 320, BStBl II 2022, 176, Rz. 18); der Wohnort des Klägers ist in Deutschland, da er dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (vgl. Art. 1 Buchst. j der VO Nr. 883/2004).
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4. Der vorrangige Anspruch der Kindsmutter auf ungarische Familienbeihilfe im Streitzeitraum schließt nach Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004 auch einen Anspruch auf die Zahlung eines Unterschiedsbetrags in Deutschland aus.
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a) Im Falle der Nachrangigkeit des Kindergeldanspruchs in Deutschland wird dieser nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 der VO Nr. 883/2004 bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt. Der an sich nach Art. 68 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 der VO Nr. 883/2004 vorgesehene Differenzbetrag muss gemäß Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004 allerdings nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird (BFH-Urteil in BFHE 269, 320, BStBl II 2022, 176, Rz. 21, m.w.N.).
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b) Im Streitfall sind die Voraussetzungen des Art. 68 Abs. 2 Satz 3 der VO Nr. 883/2004 erfüllt, da der Kindergeldanspruch des Klägers in Deutschland – wie unter 3b) ausgeführt – im Streitzeitraum nur durch den Wohnort ausgelöst worden ist und das Kind in Ungarn gewohnt hat.
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5. Die Revision war mangels eines Zulassungsgrunds i.S. des § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 1 i.V.m. § 135 Abs. 1 FGO.