Inhalt

OLG München, Hinweisbeschluss v. 29.08.2024 – 3 U 2557/23 e
Titel:

Hinreichende Individualisierung des Anspruchs im Mahnbescheid bei fehlerhafter Anlageberatung

Normenketten:
BGB § 204 Abs. 1 Nr. 3, § 280
ZPO § 167, § 690 Abs. 1 Nr. 3 Hs. 1
Leitsätze:
1. Für die hinreichende Individualisierung des Anspruchs im Mahnbescheid ist erforderlich, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels (Vollstreckungsbescheid) sein kann und dem Antragsgegner eine Entscheidung darüber ermöglicht, ob er sich dagegen zur Wehr setzen will. Die Anforderungen richten sich im Ergebnis nach dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des konkreten Anspruchs, wobei dem Antragsgegner – im Gegensatz zu einem "außenstehenden Dritten" – bekannte Umstände außerhalb des Mahnbescheids zu berücksichtigen sind. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer aus einer Mehrzahl von Einzelforderungen zusammengesetzten Gesamtforderung ist jede Einzelforderung zu bezeichnen. Bei einer Teilforderung, insbesondere einem Teilbetrag aus mehreren zusammengesetzten Ansprüchen einer Gesamtsumme, ist eine Aufteilung auf die Einzelansprüche (Anspruchsteile) vorzunehmen. Ausnahmen bestehen insoweit, als bei einer Schadensersatzforderung wegen fehlerhafter Anlageberatung im Falle einer einzigen Anlage bzw. einer Entscheidung zu deren Erwerb nicht einzelne Beratungsfehler und bei der Prospekthaftung nicht einzelne Prospektfehler im Mahnbescheidsantrag angegeben werden müssen, und zudem insoweit, als das Erfordernis, einen angegebenen Gesamtbetrag bereits im Mahnbescheid hinreichend aufzuschlüsseln, dann nicht besteht, wenn Gegenstand des Mahnbescheids eine einheitliche Schadensersatzforderung ist, die sich aus mehreren unselbstständigen Rechnungsposten zusammensetzt. (Rn. 12 – 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es liegen mehrere, jeweils voneinander unabhängige Schadensereignisse aufgrund der betreffenden Geschäftsentscheidungen zu verschiedenen Daten vor, wenn jede der Anlageentscheidungen sowohl zeitlich als auch inhaltlich unabhängig war und eine jeweils klar abgrenzbare Schadensfolge hatte. In diesem Fall ist es für die Bestimmbarkeit der materiellen Rechtskraft eines etwaigen Urteils oder Vollstreckungsbescheids erforderlich, dass eindeutig klargestellt ist, welche einzelnen Schadensereignisse in welcher Schadenshöhe von der im Mahnbescheid geltend gemachten Gesamtsumme umfasst sein sollen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
4. Individualisierungsmängel des Mahnbescheids können nicht rückwirkend durch Nachholung der erforderlichen Aufschlüsselung im Streitverfahren geheilt werden. Die nachträgliche Individualisierung des Anspruchs wirkt ausschließlich ex nunc. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Anlageberatung, Schadensersatzanspruch, Beratungspflichtverletzung, Mahnbescheid, hinreichende Individualisierung des Anspruchs, Mehrzahl von Einzelforderungen, Hemmung der Verjährung, Individualisierung nach Eintritt der Verjährung
Vorinstanz:
LG München I, Urteil vom 10.05.2023 – 29 O 12897/15
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 03.04.2025 – 3 U 2557/23 e
Fundstelle:
BeckRS 2024, 50160

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 10.05.2023, Az. 29 O 12897/15, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf 12.001.029,08 € festzusetzen.
3. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31.10.2024.

Entscheidungsgründe

1
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 10.05.2023, Az. 29 O 12897/15, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Landgerichts München I erscheint ohne Aussicht auf Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zutreffend die Klage vor allem wegen Verjährung der streitgegenständlichen Ansprüche abgewiesen. Die Rügen der Berufung der Klägerin greifen nicht.
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1. Soweit das Landgericht den geltend gemachten Anspruch auf Ersatz der Kosten des rechtlichen Gutachtens gemäß § 280 BGB wegen Beweisfälligkeit der Klägerin abgewiesen hat, ist auch hiergegen nichts zu erinnern. Die Klägerin hat in der Anspruchsbegründung vom 02.09.2015 (dort Seite 42, Bl. 69 der erstinstanzlichen Akte) behauptet, die Erstellung des Rechtsgutachtens habe Kosten in Höhe von 70.000,00 € zzgl. Umsatzsteuer verursacht. Die Beklagte hat in ihrer Klageerwiderung vom 28.04.2022 (dort Seite 62, Bl. 232 der erstinstanzlichen Akte) die Existenz des Gutachtens und die Verursachung von Kosten in Höhe von 70.000,00 € zzgl. Umsatzsteuer mit Nichtwissen bestritten. Im Schriftsatz vom 05.09.2022 (dort Seite 101, Bl. 382 der erstinstanzlichen Akte) hat die Klägerin als Beweis für ihre Behauptung, dass die Parteien des Gutachtens ein Stundenhonorar vereinbart hätten, die Zeugen Frau M1. und RA H. benannt. Im Schriftsatz vom 18.10.2022 (dort Seite 40, Bl. 427 der erstinstanzlichen Akte) hat die Beklagte ausgeführt, dass die angeblichen Gutachterkosten nach wie vor nicht belegt seien und daher mit Nichtwissen bestritten blieben. Die Klägerin hat dennoch im Folgenden für die Höhe der Gutachterkosten keinen Beweis angeboten, sondern sie lediglich im Schriftsatz vom 01.03.2023 (dort Seite 15, Bl. 491 der erstinstanzlichen Akte) und im Schriftsatz vom 12.04.2023 (dort Seite 20, Bl. 553 der erstinstanzlichen Akte) als Schadensposten erneut erwähnt. Ein Beweisangebot dafür, dass für die Erstellung des Gutachtens ein Stundenhonorar vereinbart worden sei, stellt ersichtlich kein Beweisangebot für die Höhe der Gesamtkosten des Gutachtens dar. Im Hinblick darauf, dass der fehlende Beleg bereits von der Beklagten moniert worden war, war ein Hinweis des Gerichts gemäß § 139 ZPO insofern nicht mehr erforderlich. Der neue Vortrag der Klägerin auf Seiten 65 und 66 der Berufungsbegründung (Bl. 91/92 d. A.) ist daher nicht gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen. Selbst wenn man jedoch von einer Hinweispflicht des Erstgerichts ausgehen würde und daher der Vortrag der Klägerin aus der Berufungsbegründung wegen Verletzung von § 139 ZPO gemäß § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zuzulassen wäre, würde dies am Ergebnis nichts ändern, da auch ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Gutachterkosten verjährt wäre (siehe hierzu unter Ziffer 2.). Das Ersturteil würde somit auch nicht auf dem behaupteten Verstoß gegen die Hinweispflicht beruhen.
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2. Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche der Klägerin verjährt sind. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 28.04.2022 (dort Seite 3, Bl. 173 der erstinstanzlichen Akte) die Einrede der Verjährung erhoben.
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2.1. Die Klägerin macht Ansprüche gegen die Beklagte gemäß § 280 BGB aus vorsätzlicher Beratungspflichtverletzung geltend. Für derartige Ansprüche gilt die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB; die Vorsatzhaftung fällt nicht unter die Verjährungsfrist des § 37a WpHG a. F. (BGH, Urteil vom 08.03.2005, Az. XI ZR 170/04, NJW 2005, 1579; Urteil vom 28.04.2015, Az. XI ZR 378/13, NJW 2015, 2248). Die Verjährung beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
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2.1.1. Die streitgegenständlichen, nach dem Vortrag der Klägerin auf Beratungspflichtverletzungen der Beklagten beruhenden Anlageentscheidungen bzw. Geschäftsabschlüsse datieren auf den 15.03.2006 (Abschluss der Swaps IRS 504, 506, 508; Schaden in Höhe von 110.939,57 €), den 21.05.2008 bzw. 30.09.2008 (Swaptions Ref. 199 bis 203 bzw. die daraus hervorgegangenen Swaps IRS 1002 bis 1004; Schaden in Höhe von 2.776.892,25 € sowie Feststellungsantrag Ziffer I. 3. der Berufungsbegründung), den 25.06.2008 (Doppelswap 968/969; Schaden in Höhe von 1.200.581,27 € sowie 4.475.894,28 € und 196.766,93 €, insgesamt 5.873.242,48 € sowie Feststellungsantrag Ziffer I. 2. der Berufungsbegründung), den 16.10.2008 (Forward Rate Agreements FRA 70 bis FRA 74; Schaden in Höhe von 196.045,48 €) und den 05.02.2010 (Auflösung des Swaps IRS 504; Schaden in Höhe von 97.147,12 €) bzw. sind – hinsichtlich der Zinsen und der Gutachterkosten (nach dem Vortrag der Klägerin in Höhe von 70.000,00 € zzgl. Umsatzsteuer, siehe hierzu oben Ziffer 1.) – Folgeschäden dieser Schadensereignisse. Die Ansprüche sind daher zu diesen Zeitpunkten entstanden im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB.
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2.1.2. Das Landgericht ist richtigerweise von einer Kenntnis der Klägerin im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB durch das Rechtsgutachten vom 23.12.2011 (Anlage B 23) und somit von einem Verjährungsbeginn am 31.12.2011 ausgegangen. Auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Landgerichts München I vom 10.05.2023 wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Vorbehaltlich der im Folgenden zu prüfenden Hemmungstatbestände wäre daher am 31.12.2014 Verjährung eingetreten.
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2.2. Zwischen den Parteien haben unstreitig am 12.01.2012 und am 25.01.2012 Vergleichsgespräche stattgefunden; die Verhandlungen brachen am 25.01.2012 ab. Somit war die Verjährung im Zeitraum vom 12.01.2012 bis zum 25.01.2012, mithin 14 Tage lang, gemäß § 203 Satz 1 BGB gehemmt. Da die Verjährungsfrist nicht innerhalb von drei Monaten nach dem 25.01.2012 ablief, ist § 203 Satz 2 BGB nicht anwendbar. Vorbehaltlich weiterer Hemmungstatbestände wäre daher gemäß § 209 BGB am 14.01.2015 Verjährung eingetreten.
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2.3. Die Verjährung wurde durch die Zustellung des Mahnbescheids des Amtsgerichts Coburg vom 23.12.2014 nicht gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt.
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2.3.1. Die Zustellung am 30.01.2015 wirkt zwar gemäß § 167 ZPO auf den 19.12.2014 zurück. Der Antrag der Klägerin auf Erlass eines Mahnbescheids ging am 19.12.2014 beim Amtsgericht Coburg ein. Die mit Kostenrechnung vom 23.12.2014 angeforderten Kosten wurden mit Zahlungseingang am 14.01.2015 durch die Klägerin bezahlt; dies war aber ohnehin nicht Voraussetzung für die Zustellung des Mahnbescheids, § 12 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Satz 2 GKG. Der am 23.12.2014 erlassene Mahnbescheid konnte beim ersten Zustellungsversuch nicht zugestellt werden, woraufhin am 15.01.2015 an die Klägerin eine Nachricht über die Nichtzustellung versandt wurde. Am 22.01.2015 ging ein Antrag auf Neuzustellung des Mahnbescheids unter Nennung der Anschrift S1.str. 21, 8... M2., beim Amtsgericht Coburg ein. Mit Schreiben vom 23.01.2015 erläuterte die Klägerin, dass die fehlgeschlagene Zustellung an die im Handelsregister zum Antragszeitpunkt angegebene Adresse (Löwengrube 18, 8... M2.) erfolgt sei, das Handelsregister seit dem 20.01.2015 jedoch als Geschäftsanschrift der Beklagten eine andere Adresse (S. straße 12 in München) ausweise. Ein Gebäude mit dieser Postanschrift existiere nicht; Nachfragen hätten ergeben, dass die Beklagte ihren Geschäftssitz in die S1. straße 21 verlegt habe, dort sei aber weder ein Firmenschild noch ein Briefkasten zu finden. Der Mahnbescheid wurde der Beklagten am 30.01.2015 unter der Anschrift S1. straße 21, 8... M2. zugestellt. Da der Mahnantrag bereits vor dem Ablauf der Verjährung am 14.01.2015 eingereicht wurde, sind etwaige Versäumnisse der Klägerin, die in die Zeit bis zum Fristablauf am 14.01.2015 fallen, nicht in die 14-Tages-Frist (“demnächst“) einzurechnen, da es sich andernfalls zum Nachteil des Zustellungsveranlassers auswirken würde, dass er die zu wahrende Frist nicht ausgeschöpft hat (MüKoZPO/Häublein/Müller, 6. Aufl. 2020, ZPO § 167 Rn. 16). Dass die im Handelsregister genannte Anschrift der Beklagten zum Zeitpunkt des ersten Zustellungsversuchs nicht mehr korrekt war, ist nicht der Klägerin, sondern der Beklagten zuzurechnen und hindert die Rückwirkung nicht; vielmehr muss in einem solchen Fall der Zustellungsbetreiber, hier die Klägerin, innerhalb eines zumutbaren Zeitrahmens die möglichen Maßnahmen ergreifen (Zöller/Greger, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024, § 167 ZPO Rn. 13). Dies hat die Klägerin getan, indem sie unverzüglich innerhalb weniger Tage nach Erhalt der Nachricht über die fehlgeschlagene Zustellung einen Antrag auf Neuzustellung des Mahnbescheids unter Nennung der neuen Anschrift einreichte. Die Zustellung am 30.01.2015 ist somit „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO erfolgt.
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2.3.2. Die Bezeichnung des Anspruchs im Mahnbescheid gemäß § 690 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 1 ZPO muss jedoch die hinreichende Individualisierung des Anspruchs und dessen Abgrenzung von anderen in Betracht kommenden Ansprüchen ermöglichen (Zöller/Seibel, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024, § 690 ZPO Rn. 12); dies ist vorliegend nicht der Fall.
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Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist für eine solche Kennzeichnung des Anspruchs erforderlich, dass er Grundlage eines der materiellen Rechtskraft fähigen Vollstreckungstitels (Vollstreckungsbescheid) sein kann und dem Antragsgegner eine Entscheidung darüber ermöglicht, ob er sich dagegen zur Wehr setzen will; die Anforderungen richten sich im Ergebnis nach dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des konkreten Anspruchs, wobei dem Antragsgegner – im Gegensatz zu einem „außenstehenden Dritten“ – bekannte Umstände außerhalb des Mahnbescheids zu berücksichtigen sind (ebenda). Bei einer aus einer Mehrzahl von Einzelforderungen zusammengesetzten Gesamtforderung ist jede Einzelforderung zu bezeichnen; bei einer Teilforderung, insbesondere einem Teilbetrag aus mehreren zusammengesetzten Ansprüchen einer Gesamtsumme, ist eine Aufteilung auf die Einzelansprüche (Anspruchsteile) vorzunehmen (ebenda, Rn. 13; BGH, Urteil vom 21.10.2008, Az. XI ZR 466/07, NJW 2009, 56, 57 Rn. 18, 21).
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Eine Ausnahme besteht zwar insoweit, als bei einer Schadensersatzforderung wegen fehlerhafter Anlageberatung nicht einzelne Beratungsfehler und bei der Prospekthaftung nicht einzelne Prospektfehler im Mahnbescheidsantrag angegeben werden müssen (BGH, Beschluss vom 21.10.2014, Az. XI ZB 12/12, BGHZ 203, 1, Rn. 145, 146). Dem liegen aber Fälle zugrunde, in denen es nur um eine einzige Anlage bzw. die Entscheidung zu deren Erwerb geht. Liegen wie hier mehrere Geschäftsabschlüsse mit jeweils vorangehender Beratung und jeweils abgrenzbarer Schadensfolge vor, muss im Mahnbescheid hinreichend klargestellt werden, welche dieser Geschäfte in welcher Schadenshöhe umfasst sein sollen.
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Eine weitere Ausnahme besteht darin, dass das Erfordernis, einen angegebenen Gesamtbetrag bereits im Mahnbescheid hinreichend aufzuschlüsseln, dann nicht besteht, wenn Gegenstand des Mahnbescheids eine einheitliche Schadensersatzforderung ist, die sich aus mehreren unselbstständigen Rechnungsposten zusammensetzt (BGH, Urteil vom 17.11.2010, Az. VIII ZR 211/09, NJW 2011, 613, Rn. 14). Hiervon abzugrenzen ist der Fall, dass eine Mehrzahl von Einzelforderungen geltend gemacht wird (ebenda). Im zitierten Fall des BGH lag ein einheitlicher Lebenssachverhalt vor, da es um eine Schadensersatzforderung aufgrund von Schimmelbefall in einer Mietwohnung und dessen Auswirkungen ging, wobei der BGH zur Unterscheidung zwischen selbständigen Forderungen und unselbständigen Rechnungspositionen auf sein Urteil vom 14.07.2010 (Az. VIII ZR 229/09, NJW-RR 2010, 1455), dort Rn. 16, verweist, bei dem mehrere Beschädigungen einer Mietsache streitgegenständlich waren. Dem Urteil des BGH vom 21.10.2008 (Az. XI ZR 466/07, NJW 2009, 56) wiederum lag ein Anspruch auf Rückzahlung zweier Darlehen zugrunde, wobei Gegenstand des Mahnbescheids nur ein Teilbetrag der Summe der beiden Darlehensrückzahlungsforderungen war. Der BGH stellte fest, dass keine ausreichende Individualisierung vorlag, da nicht spezifiziert wurde, auf welche der beiden Forderungen und in welcher Höhe die Klagepartei den geltend gemachten Teilbetrag beziehen wollte, so dass ein auf der Grundlage des Mahnbescheids erlassener Vollstreckungsbescheid keinen der materiellen Rechtskraft fähigen Inhalt gehabt hätte (ebenda, Rn. 18). Vor dem Hintergrund dieser Abgrenzung des BGH ist im hier streitgegenständlichen Fall nicht von einem einheitlichen Lebenssachverhalt auszugehen, dessen Schadensfolge sich aus mehreren unselbstständigen Rechnungsposten zusammensetzt. Denn es liegen jeweils voneinander unabhängige Schadensereignisse aufgrund von insgesamt fünf Geschäftsentscheidungen der Klägerin am 15.03.2006, 21.05.2008 bzw. 30.09.2008, 25.06.2008, 16.10.2008 und 05.02.2010 vor (siehe oben unter Ziffer 2.1.1). Jede dieser Anlageentscheidungen war sowohl zeitlich als auch inhaltlich unabhängig und hatte eine jeweils klar abgrenzbare Schadensfolge. Weder kann von einer Klammerwirkung des zwischen der Klägerin und der Beklagten am 15.03.2005 geschlossenen Rahmenvertrags „CHARM Chancen und Risikomanagement“ ausgegangen werden, noch ergibt sich ein anderes Ergebnis daraus, dass die behaupteten Pflichtverletzungen der Beklagten sich möglicherweise als Aufrechterhaltung und Vertiefung derselben beratungsvertraglichen Pflichtverletzung darstellen (siehe hierzu BGH, Urteil vom 28.04.2015, Az. XI ZR 378/13, NJW 2015, 2248, Rn. 51-54). Denn zwischen den verschiedenen schadensbegründenden Ereignissen bestand kein kausaler Zusammenhang dahingehend, dass die erste Anlageentscheidung zwingend zu den weiteren Anlageentscheidungen führen musste. Vielmehr müsste auch von Seiten des Gerichts für jedes Schadensereignis gesondert festgestellt werden, ob eine kausale Beratungspflichtverletzung vorlag oder nicht, zumal es von den Eigenschaften des jeweiligen Zinsderivats abhängt, welche Beratung die Beklagte der Klägerin schuldete. In einem Urteil könnten somit Schadensersatzansprüche hinsichtlich einzelner Geschäftsabschlüsse zuzusprechen sein, während hinsichtlich anderer Geschäftsabschlüsse ein Anspruch bereits dem Grunde nach (und nicht nur der Höhe nach) abzuweisen sein könnte. Dies führt jedoch vorliegend dazu, dass es für die Bestimmbarkeit der materiellen Rechtskraft eines etwaigen Urteils oder Vollstreckungsbescheids erforderlich ist, dass eindeutig klargestellt ist, welche einzelnen Schadensereignisse in welcher Schadenshöhe von der im Mahnbescheid geltend gemachten Summe von 3.400.000,00 € umfasst sein sollen. Da der von der Klägerin genannte Gesamtschadensbetrag sowohl in der im Mahnbescheid in Bezug genommenen Streitverkündung nebst dortiger Klageschrift als auch in der Anspruchsbegründung und den weiteren Schriftsätzen im vorliegenden Verfahren die Summe von 3.400.000,00 € übersteigt und ersichtlich auch nicht die Addition eines bestimmten Teils der Schadenspositionen die Summe von 3.400.000,00 € ergibt, gab es auch keine der Beklagten bekannte Umstände außerhalb des Mahnbescheids, deren Berücksichtigung zu einer hinreichenden Individualisierung führen konnte.
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2.3.3. Eine hinreichende Individualisierung des Anspruchs erfolgte erst mit Schriftsatz vom 12.04.2023 (dort auf den Seiten 20 und 21, Bl. 553/554 der erstinstanzlichen Akten). Erst dort stellte die Klägerin eindeutig klar, welche der von ihr geltend gemachten Einzelansprüche in welcher Höhe von der Summe von 3.400.000,00 € umfasst sein sollten und welcher Teil von welcher Einzelforderung nicht Teil dieser Summe sein sollte. Zum Zeitpunkt des Eingangs dieses Schriftsatzes bei Gericht am 12.04.2023 war jedoch bereits Verjährung eingetreten, so dass eine Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 (oder Nr. 1) BGB nicht mehr greifen konnte. Nach Eintritt der Verjährung scheidet eine Hemmung aus (Staudinger/Peters/Jacoby, Neubearbeitung 2019, BGB § 209 Rn. 7; BGH, Urteil vom 15.12.2016, Az. IX ZR 58/16, BGHZ 213, 213, Rn. 23, 24). Eine rückwirkende Heilung von Individualisierungsmängeln des Mahnbescheids durch Nachholung der erforderlichen Aufschlüsselung im Streitverfahren wird von der herrschenden Meinung, der der Senat folgt, verneint; die nachträgliche Individualisierung des Anspruchs wirkt ausschließlich ex nunc (Zöller/Seibel, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024, § 690 ZPO Rn. 12; BGH, Urteil vom 21.10.2008, Az. XI ZR 466/07, NJW 2009, 56, 57 Rn. 20; Urteil vom 14.07.2022, Az. VII ZR 255/21, NJW-RR 2022, 1286 Rn. 28). Gleiches gilt für die Nachholung der Individualisierung bei einer mangels ausreichender Individualisierung unwirksamen Klageerhebung (MüKoBGB/Grothe, 9. Aufl. 2021, BGB § 204 Rn. 23; BGH, Urteil vom 17.10.2000, Az. XI ZR 312/99, NJW 2001, 305).
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2.4. Das Ende der Verjährung wurde auch nicht durch eine etwaige Hemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB aufgrund der am 23.08.2013 zugestellten Streitverkündung vom 14.08.2013 im Verfahren 3 O 6368/12 vor dem Landgericht München I (Anlage K 90) auf einen Zeitpunkt nach dem 12.04.2023 nach hinten verschoben.
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2.4.1. Zwar ist der Ansicht des Landgerichts, die Streitverkündung sei unzulässig, wohl nicht zu folgen. Denn nach der Rechtsprechung des BGH, nach welcher für die Zulässigkeit der Streitverkündung gemäß § 72 ZPO wesentlich ist, dass der vermeintliche Anspruch gegen den Dritten, dessentwegen die Streitverkündung erfolgt, mit dem im Erstprozess vom Streitverkünder geltend gemachten Anspruch in einem Verhältnis der wechselseitigen Ausschließung (Alternativverhältnis) steht (BGH, Urteil vom 18.12.2014, Az. VII ZR 102/14, NJW 2015, 559, Rn. 15), reicht für das erforderliche Alternativverhältnis eine wenigstens teilweise alternative Schuldnerschaft aus (BGH, Urteil vom 09.10.1975, Az. VII ZR 130/73, NJW 1976, 39, BGHZ 65, 131). So ist z. B. Alternativität zu bejahen, wenn Gesamtschuldner nicht im gleichen Umfang haften (BGH, Urteil vom 22.12.1977, Az. VII ZR 94/76, NJW 1978, 643). Da vorliegend hinsichtlich eines Teils des Schadens Bereicherungsansprüche gegen die zunächst verklagte Hauck & Aufhäuser Kommanditgesellschaft auf Aktien (im Folgenden: HAL Bank) geltend gemacht wurden, bei deren Bestehen (bei Solvenz der HAL Bank) insoweit mangels Schaden ein Schadensersatzanspruch aus Beratungspflichtverletzung gegen die hiesige Beklagte ausgeschlossen gewesen wäre, lag wohl eine teilweise Alternativität der Ansprüche gegen die HAL Bank einerseits und die hiesige Beklagte andererseits vor. Von einer Gesamtschuld ist insofern wohl nicht auszugehen (siehe hierzu MüKoBGB/Heinemeyer, 9. Aufl. 2022, BGB § 421 Rn. 57). Im Ergebnis kann jedoch offen bleiben, ob die für den Eintritt der Hemmung erforderliche und vom Landgericht verneinte Zulässigkeit der Streitverkündung gemäß § 72 ZPO gegeben ist, denn auch im Falle der Zulässigkeit der Streitverkündung endete die Hemmung am 22.04.2019 und trat Verjährung jedenfalls vor dem 12.04.2023 ein (siehe sogleich unter Ziffer 2.4.2).
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2.4.2. Eine etwaige aufgrund der Streitverkündung eingetretene Hemmung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 6 BGB endete gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München vom 28.11.2016, Az. 17 U 643/14 (Anlage B 20), mit welchem die Berufung gegen das Grund- und Teilurteil des Landgerichts München I vom 15.01.2014, Az. 3 O 6368/12 (Anlage K 82) zurückgewiesen wurde. Entscheidend ist der Zeitpunkt, in dem formelle Rechtskraft im Sinne von § 705 ZPO, § 19 Abs. 1 EGZPO eintritt (MüKoBGB/Grothe, 9. Aufl. 2021, BGB § 204 Rn. 76; Staudinger/​Peters/​Jacoby, Neubearbeitung 2019, BGB § 204 Rn. 144). Im Fall der Nichtzulassungsbeschwerde hemmt gemäß § 544 Abs. 7 Satz 1 ZPO deren Einlegung die Rechtskraft des Urteils. Gemäß § 544 Abs. 7 Satz 3 ZPO wird das Urteil mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Revisionsgericht rechtskräftig. Die formelle Rechtskraft des Berufungsurteils tritt dabei nicht bereits mit dem Erlass, sondern erst mit der (gemäß § 544 Abs. 6 Satz 3 ZPO vorgeschriebenen) Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses ein (BGH, Urteil vom 19.10.2005, Az. VIII ZR 217/04, BGHZ 164, 347, NJW 2005, 3724; MüKoZPO/Krüger, 6. Aufl. 2020, ZPO § 544 Rn. 30; Zöller/Feskorn, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024, § 544 ZPO Rn. 27). Der Zurückweisungsbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 16.10.2018, Az. XI ZR 770/16 (Anlage B 27) wurde der HAL Bank am 19.10.2018 und der Klägerin am 22.10.2018 zugestellt. Die Hemmung endete daher am 22.04.2019.
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Dass es sich bei dem Grund- und Teilurteil des Landgerichts München I vom 15.01.2014 nur hinsichtlich der Klage gegen die HAL Bank um ein Endurteil und hinsichtlich der Widerklage der HAL Bank lediglich um ein Grundurteil handelt, steht dem Ende der Hemmung nicht entgegen. Als rechtskräftige Entscheidung im Sinne des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB kommen sowohl Endurteile gemäß § 300 ZPO als auch Teilurteile gemäß § 301 ZPO und Vorbehaltsurteile gemäß § 302 ZPO in Betracht; ein Teilurteil lässt die Hemmung der Verjährung nur für den betreffenden Teil der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche enden (MüKoBGB/Grothe, 9. Aufl. 2021, BGB § 204 Rn. 76). Ein Teilurteil stellt (nur) dann eine rechtskräftige Entscheidung dar, wenn es den für die Streitverkündung vorgreiflichen Prozessstoff vollständig aus dem Vorprozess ausscheidet (BGH, Urteil vom 09.10.1975, Az. VII ZR 130/73, NJW 1976, 39). Für den Beginn der Sechsmonatsfrist des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der noch nicht erledigte Teil des Vorprozesses für die Streitverkündung schlechterdings unerheblich ist (ebenda). Diese Voraussetzungen sind vorliegend bereits deshalb gegeben, weil die Klage, auf welche sich die Streitverkündung bezieht, mit dem Grund- und Teilurteil vom 15.01.2014 vollständig und nicht nur teilweise abgewiesen wurde. Darüber hinaus kann die von der Klägerin zur Begründung der Zulässigkeit der Streitverkündung vorgetragene Alternativität der Ansprüche gegen die HAL Bank einerseits und gegen die Beklagte andererseits nur insoweit vorliegen, als die Klägerin meinte, gegen die HAL Bank Ansprüche aus Bereicherungsrecht wegen Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Finanzgeschäfte zu haben. Hinsichtlich der von der Klägerin ebenfalls geltend gemachten Ansprüche aus Beratungspflichtverletzung hingegen kam von vornherein nur eine kumulative Haftung der Beklagten und der HAL Bank in Betracht. In seinem inzwischen rechtskräftigen Grund- und Teilurteil hat das Landgericht München I die Klage vollumfänglich abgewiesen und dabei festgestellt, dass der Klägerin gegen die HAL Bank weder Ansprüche aus § 280 BGB noch Ansprüche aus § 812 BGB zustehen, da einerseits der HAL Bank weder eine fehlerhafte Beratung noch eine Aufklärungspflichtverletzung vorgeworfen werden könne und andererseits die streitgegenständlichen Swap- bzw. Swapderivategeschäfte zwischen der Klägerin und der HAL Bank wirksam zustande gekommen seien und die von der Klägerin geleisteten Zahlungen damit nicht ohne Rechtsgrund erfolgt seien. Damit wurde der Prozessstoff der Klage vollständig aus dem Prozess ausgeschieden.
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Dies hat der 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München mit Urteil vom 23.05.2022, Az. 17 U 2345/21 (Anlage K 84, Anlage B 19) im Betragsverfahren über die Widerklage entgegen dem Urteil des Landgerichts München I vom 13.04.2021, Az. 3 O 6368/12 (Anlage K 72) ebenso gesehen. Die diesbezügliche Nichtzulassungsbeschwerde hat der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 16.05.2023, Az. XI ZR 137/22 (Anlage BK 1) zurückgewiesen. Der 17. Zivilsenat hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Wirksamkeit der noch streitgegenständlichen Swapgeschäfte gemäß § 322 ZPO aufgrund der rechtskräftigen Abweisung der auf die Unwirksamkeit dieser Swapgeschäfte gerichteten Klageanträge durch das Urteil des Landgerichts vom 15.01.2014 zwischen den Parteien feststehe. Der Rechtsansicht des 17. Zivilsenats in dessen Urteil vom 23.05.2022, Az. 17 U 2345/21 schließt sich der Senat an.
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Der Lauf der durch rechtskräftige Entscheidung des der Streitverkündung zugrunde liegenden Verfahrens in Gang gesetzten Sechsmonatsfrist des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB und der Ablauf der nach dem Ende der Hemmung sodann weiterlaufenden Verjährungsfrist können nicht davon abhängen, ob nach erfolgtem Eintritt der Rechtskraft eine Entscheidung ergeht, wonach diese bereits eingetretene Rechtskraft durchbrochen wird. Dies ist zwar nicht unumstritten (vgl. Staudinger/​Peters/​Jacoby, Neubearbeitung 2019, BGB § 204 Rn. 144). Der BGH hat für den Fall der Anhörungsrüge gemäß § 321a ZPO (und obiter dictum auch für die Verfassungsbeschwerde) jedoch bereits entschieden, dass durch deren Einlegung der Verjährungseintritt gegenüber dem Streitverkündeten durch die Dauer des Rügeverfahrens nicht weiter hinausgeschoben wird (BGH, Versäumnisurteil vom 10.05.2012, Az. IX ZR 143/11, NJW 2012, 3087). Erst bei begründeter Rüge wird die Hauptsache ähnlich einer Wiedereinsetzung oder Wiederaufnahme des Verfahrens fortgesetzt und daher die Rechtskraft der ergangenen Entscheidung durchbrochen; durch die Fortsetzung der Hauptsache erneuert sich auch die Hemmung einer noch laufenden Verjährungsfrist (ebenda, Rn. 13). Der BGH führt hierzu aus (ebenda, Rn. 15): „Die verjährungsrechtliche Unbeachtlichkeit der Anhörungsrüge ist insbesondere für den Fall der Streitverkündung und die Dauer der hierdurch bewirkten Verjährungshemmung auch interessengerecht, weil die Interventionswirkung der §§ 74 I, 68 ZPO gegen den Streitverkündeten durch eine Anhörungsrüge im Ursprungsprozess oder eine Verfassungsbeschwerde gegen das dort ergangene Urteil nicht gehindert wird. Der Klagepartei, die einem Dritten den Streit verkündet hat, ist es folglich zuzumuten, den Folgeprozess gegen diesen alsbald einzuleiten, wenn der Ursprungsprozess rechtskräftig entschieden ist, ohne in jedem Fall schon das Ergebnis von Grundrechtsrügen gegen die ergangene Entscheidung zu kennen, welche deren Rechtskraft nicht hemmen.“ Diese Argumentation ist auf den vorliegenden Fall zu übertragen, dass nach rechtskräftiger Entscheidung über die Klage, die die Grundlage einer Streitverkündung bildet, im Betragsverfahren über die als Reaktion auf die Klage erhobene und dem Grunde nach zugesprochene Widerklage darüber gestritten wird, ob die Rechtskraft der Klageabweisung aufgrund später eingetretener Umstände (hier aufgrund von später ergangenen Verwaltungsentscheidungen) durchbrochen worden ist. Auch hier ist entsprechend den Erwägungen in der genannten Entscheidung des BGH davon auszugehen, dass eine weitere Hemmung nur möglich ist, wenn eine Rechtskraftdurchbrechung rechtskräftig bejaht wird und die Verjährungsfrist zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgelaufen ist.
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Da die Streitverkündung vom 14.08.2013 am 23.08.2013 und somit „demnächst“ im Sinne des § 167 ZPO zugestellt wurde, wäre bei zulässiger Streitverkündung am 14.08.2013 Hemmung eingetreten. Bis zum Verjährungsablauf am 14.01.2015 verblieben somit noch 519 Tage, die nach dem Ende der Hemmung am 22.04.2019 zu laufen begonnen hätten (§ 209 BGB), so dass am 23.09.2020 Verjährung eingetreten wäre.
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2.5. Es kann offen bleiben, ob die Beklagte in die weiteren Vergleichsgespräche von November 2014 bis Februar 2015 eingebunden war. Denn im Falle der Zulässigkeit der Streitverkündung würde dieser Zeitraum in die Zeit der bereits aufgrund der Streitverkündung ab 14.08.2013 bis 22.04.2019 eingetretenen Hemmung fallen. Überschneiden sich mehrere Hemmungsgründe zeitlich, wird die Überschneidungsphase nicht doppelt gerechnet (MüKoBGB/Grothe, 9. Aufl. 2021, BGB § 209 Rn. 1; Staudinger/Peters/Jacoby, Neubearbeitung 2019, BGB § 209 Rn. 7). Im Falle der Unzulässigkeit der Streitverkündung würde eine etwaige weitere Hemmung von November 2014 bis Februar 2015 lediglich dazu führen, dass der Zeitpunkt des Verjährungseintritts sich gemäß § 203 Satz 2, § 209 BGB auf den 31.05.2015 nach hinten verschiebt: die 75 Tage der verbleibenden Verjährungsfrist (von November 2014 bis 14.01.2015) würden ab März 2015 zu laufen beginnen bis 14.05.2015, § 209 BGB. Aufgrund der Ablaufhemmung des § 203 Satz 2 BGB würde die Verjährung jedoch frühestens drei Monate nach dem Ende der Hemmung, also nach dem Ende der Verhandlungen eintreten (MüKoBGB/Grothe, 9. Aufl. 2021, BGB § 203 Rn. 13), somit erst am 31.05.2015. In beiden Fällen würde die Verjährung nicht auf einen Zeitpunkt nach dem 12.04.2023 nach hinten verschoben.
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2.6. Die Höchstfrist des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB greift vorliegend nicht. Sie endet hinsichtlich der jeweiligen in Ziffer 2.1.1 aufgeführten Finanzgeschäfte – vorbehaltlich der verwirklichten Hemmungstatbestände – am 15.03.2016, am 21.05.2018 bzw. 30.09.2018, am 25.06.2018, am 16.10.2018 und am 05.02.2020. Da die Hemmungstatbestände jedoch auch im Rahmen der Höchstfrist des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB zu berücksichtigen sind (MüKoBGB/Grothe, 9. Aufl. 2021, BGB § 199 Rn. 49) und die regelmäßige Verjährungsfrist ohne Berücksichtigung der Hemmungstatbestände bereits am 31.12.2014 abgelaufen wäre, liegt der Ablaufzeitpunkt sämtlicher streitgegenständlicher Höchstfristen nach dem Ablaufzeitpunkt der regelmäßigen Verjährungsfrist.
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2.7. Etwaige Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte sind somit spätestens seit dem 23.09.2020 verjährt.
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3. Die mit der Berufungsbegründung vorgenommene Klageänderung sowie der neu gestellte Hilfsantrag schließen die Zurückweisung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO nicht aus (vgl. Zöller/Heßler, Zivilprozessordnung, 35. Aufl. 2024, § 522 ZPO Rn. 37 m. w. N.; MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 522 Rn. 38 m. w. N.).
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Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).