Inhalt

LG München I, Endurteil v. 08.08.2024 – 29 O 13516/23
Titel:

Widerrufsrecht, Verbrauchervertrag, Rückforderungsansprüche, Glücksspielstaatsvertrag, Elektronisches Dokument, Verjährung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Berufliche oder gewerbliche Tätigkeit, Gewöhnlicher Aufenthalt, Unerlaubte Handlung, Prozeßbevollmächtigter, Dienstleistungsfreiheit, Hilfsantrag, Spielvertrag, Elektronischer Rechtsverkehr, Online-Sportwetten, Streitwertfestsetzung, Haupt- und Hilfsanträge, Rückzahlungsanspruch, Aktivlegitimation

Schlagworte:
Klageabweisung, Verbrauchervertrag, Online-Glücksspiel, Rückforderungsanspruch, Beweislast, Widerrufsrecht, Zuständigkeit
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 29.07.2025 – 3 U 3157/24 e
Fundstelle:
BeckRS 2024, 50128

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 24.747,52 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Der Kläger macht Rückzahlungsansprüche im Zusammenhang mit der Teilnahme an Online-Glücksspielen auf einer von der Beklagten betriebenen Webseite geltend und begehrt die Erstattung seiner hierbei erlittenen Verluste.
2
Die Beklagte, die ihren Sitz in Malta hat, betrieb bis zum 19.04.2023 die Internetseite .... Auf dieser veranstaltete sie öffentlich verschiedene Online-Glücksspiele wie Online-Poker, Online-Casinospiele (virtuelle Automatenspiele) sowie Online-Sportwetten.
3
Die Beklagte verfügte im streitgegenständlichen Zeitraum zwar über eine maltesische Glücksspiellizenz, nicht aber über eine Erlaubnis im Sinne des § 4 des Glücksspielstaatsvertrags (GlüStV), um in Bayern Glücksspiel zu betreiben.
4
Die Internetpräsenz der Beklagten war in deutscher Sprache verfasst. Die Beklagte verwies auf ihrer Homepage ausdrücklich auf ihre allgemeinen Geschäftsbedingungen sowie die maltesische Glückspiellizenz. Die Besucher der Seite der Beklagte wurden darüber aufgeklärt, dass es sich um ein im EU-Ausland lizenziertes Angebot handelte.
5
Der Kläger nahm nach seiner Registrierung am 07.05.2010 vom 08.11.2013 bis 12.01.2023 auf der deutschsprachigen Internetdomain der Beklagten an Online-Glücksspielen (Casinospiele), Online-Poker und Online-Sportwetten teil.
6
Der Kläger tätigte in diesem Zeitraum unter seinem Nutzernamen (E-Mail-Adresse:) zahlreiche Transaktionen. Der Kläger tätigte die Einzahlungen in Euro. Diese wurden teilweise seinem Guthabenkonto in USD gutgeschrieben worden.
7
Der Kläger nahm nicht nur von Deutschland, sondern jedenfalls auch von Bosnien und Herzegowina an Online-Glücksspielen teil.
8
Für die Spielteilnahme nutze er seine privaten digitalen Endgeräte, nämlich sein Smartphone sowie PC.
9
Der Kläger beauftragte einen Prozessfinanzierer.
10
Mit Klageerhebung widerrief der Kläger sämtliche Spielverträge mit der Beklagten.
11
Die Klage ist der Beklagten am 19.01.2024 zugestellt worden.
12
Der Kläger behauptet, er habe überwiegend von seinem Wohnsitz in München aus gespielt. Es habe insgesamt Verluste in Höhe von 24.747,52 EUR erlitten, wobei im Rahmen der Spieltätigkeit in Bosnien ein Verlust von 192,10 EUR eingetreten sei. Dieser sei in Abzug zu bringen.
13
Er habe keine Kenntnis davon gehabt, dass das von ihm getätigte Onlineglücksspiel in Deutschland nicht erlaubt gewesen sei. Er sei bei seiner Teilnahme davon ausgegangen, dass es sich um legale Online-Spiele handele. Erst im Juli 2023 habe er erfahren, dass das Angebot der Beklagten illegal sein könnte, als er eine Werbung zum Thema bei Instagram wahrgenommen habe. Daraufhin habe er sich an den Prozessbevollmächtigten gewandt. Erst nach der Konsultation seiner Prozessbevollmächtigten hat der Kläger erfahren, dass die von der Beklagten angebotenen Online-Glücksspiele am Wohnort des Klägers in Deutschland tatsächlich gesetzlich verboten gewesen seien.
14
Er sei durch den Prozessfinanzierer zudem zur Geltendmachung der Ansprüche ermächtigt (K50)
15
Der Kläger ist der Auffassung, er habe gegen die Beklagten einen Anspruch auf Rückerstattung der erlittenen Verluste in der geltend gemachten Höhe gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1,1. Alt BGB und Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 sowie § 284 StGB.
16
Die Verluste seien ihm nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zurückzuerstatten.
17
Die Spielverträge zwischen ihm und der Beklagten, die den vom ihm getätigten Online-Spielen und -Wetten zugrunde lägen, seien wegen der Verstöße der Beklagten gegen das Verbot des Veranstaltens und Vermittelns öffentlicher Glücksspiele im Internet gem. § 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 4 des Staatsvertrags zum Glückspielwesen in Deutschland in seiner Fassung vom 15.11.2011 (=GlüStV 2012) nach § 134 BGB nichtig. Eine etwaige ausländische Lizenz der Beklagten habe keine Legalisierungswirkung in Deutschland. Das Verbot nach § 4 Abs. 4 GlüStV stehe mit Europarecht in Einklang. Das Onlineglücksspielverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV verstoße nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit aus Art. 56 AEUV. Das neue Erlaubnisverfahren ab dem 01.07.2021 sowie die dem vorangegangene Entwicklung im deutschen Onlineglücksspielrecht seien für seinen Anspruch irrelevant und würden sich nicht rückwirkend auf das Verbot nach § 4 Abs. 4 GlüStV auswirken. Auch der Umlaufbeschluss vom 08.09.2022 habe das geltende Glücksspielrecht nicht ändern können; jedenfalls könne keine Duldung unterstellt werden.
18
Im Übrigen führe die bloße Genehmigungsfähigkeit nicht dazu, dass die Erteilung einer Konzession unterstellt werden könne und dass aus einem verbotenen ein erlaubtes Onlinespiel gemacht werde. Unstreitig habe im streitgegenständlichen Zeitraum keine Konzession der Beklagten vorgelegen. Im Übrigen sei das Angebot der Beklagten auch überhaupt nicht genehmigungsfähig gewesen.
19
Zudem liege auch ein Verstoß gegen § 284 Abs. 1 StGB vor, wobei es sich ebenfalls um ein gesetzliches Verbot handele.
20
Ein Ausschluss der Ansprüche komme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht, auch nicht wegen §§ 762 Abs. 1 S.2, 814 Alt. 1 oder 817 S. 2 BGB oder § 242 BGB. Er habe keine Kenntnis von dem Verbot der Teilnahme an Online-Spielen gehabt. § 817 Satz 2 Halbsatz 1 BGB sei jedenfalls teleologisch zu reduzieren.
21
Darüber hinaus habe er gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 Abs. 1, 4, 5 GlüStV 2012 sowie § 284 StGB. Es handele sich dabei um Verbotsgesetze, die den Einzelnen schützen sollten. Die Beklagte habe gegen diese Vorschriften vorsätzlich und schuldhaft verstoßen, indem sie ihm ermöglicht habe, ihr illegales Onlineglücksspielangebot zu nutzen. Der ihm entstandene Schaden in Höhe der Klageforderung sei durch die Handlungen der Beklagten entstanden.
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Die Ansprüche seien nicht verjährt, da der Kläger erst im Juli 2023 Kenntnis von der Illegalität des Angebots von Glückspielanbietern erlangt habe.
23
Der Kläger beantragt,
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 24.747,52 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hilfsweise:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 11.667,52 € zu bezahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 14.861,49 US-Dollar zu bezahlen.
24
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung
25
Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation des Klägers, da dieser einen Prozessfinanzierer beauftragte.
26
Die Beklagte bestreitet die eingetretenen Verluste der Höhe nach. Zudem hätte die Klagepartei, da Zahlungen in US-Dollar erfolgt sein sollen, auch US-Dollar einklagen müssen.
27
Auch nahm die Klagepartei nicht nur an Online-Casinospielen, sondern auch an Online-Poker und Online-Sportwetten teil.
28
Auch wird bestritten, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Teilnahme an den Online-Spielen davon ausgegangen sei, dass es sich um legale Spiele handele und dass er später erfahren habe, dass diese in Deutschland (angeblich) verboten seien. Aufgrund der langjährigen und intensiven Spielteilnahme des Klägers sei davon auszugehen, dass er positive Kenntnis von dem gesetzlichen Verbot der von ihm gespielten Spiele gehabt habe oder sich dieser Kenntnis zumindest leichtfertig verschlossen habe.
29
Im Übrigen zeige die Auswertung der IP-Adressen, dass sich der Kläger mehrfach nachweislich nicht von seinem Wohnort, sondern vielmehr auch aus dem Ausland, u.a. aus Bosnien und Herzegowina sowie Spanien eingeloggt habe (Anlage B9).
30
Ein Ersatzanspruch scheide bereits aus, da die Spielverluste, insbesondere bei Pokerspielen, nur zu einem geringen Teil der Beklagten zuflössen, da sie im Übrigen an die gewinnenden Spieler gegangen seien und auch nicht dargelegt worden sei, zu welchem Teil die eingeklagten Verluste auf welche Glücksspielart entfielen. Der Kläger wolle lediglich die Verlustrisiken auf sie überwälzen, wohingegen er sich die Gewinnchancen erhalten wolle.
31
Die Beklagte ist der Ansicht, dass dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche nicht zustünden.
32
Die Klage sei unschlüssig, da in der Bezifferung der angeblich bestehenden Ansprüche nicht zwischen den verschieden zu beurteilenden Angeboten von Online-Casinospielen, Online-Poker und Online-Pokerturnieren sowie Online-Sportwetten trotz der erheblichen Unterschiede in regulatorischer Hinsicht differenziert werde.
33
Im übrigen handle es sich beim Online-Poker – insbesondere in der Variante Texas Hold’em nicht um Glücksspiel, sondern um ein Geschicklichkeitsspiel.
34
Zwischen der Klagepartei und der Beklagten habe keine bereicherungsrechtliche Leistungsbeziehung bestanden, soweit es um das Online-Pokern gehe. Der Spielvertrag sei zwischen den Spielern zustande gekommen. Der Gewinnpot sei direkt von der Klagepartei als Verlierer an den Gewinner geleistet worden. Die Beklagte habe lediglich eine Gebühr („Rake“) für die Vermittlung erhalten. Lediglich hinsichtlich der Gebühr („Rake“) habe im Rahmen des Dienstleistungsvertrags zwischen dem Kläger und dem Beklagten eine Leistungsbeziehung bestanden. Insoweit sei die Beklagte bereits nicht passivlegitimiert. Die Einzahlung des Spielguthabens sei zudem ein neutraler Vorgang, da sich der Kläger, falls er sich entscheiden sollte nicht zu spielen, diesen Betrag jederzeit wieder auszahlen lassen konnte.
35
Zudem sei die Klage auch unbegründet. Insbesondere stehe dem Kläger kein Anspruch auf Rückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB zu.
36
Da die Spielteilnahme der Klagepartei von außerhalb Deutschlands erfolgt sei, sei der Glücksspielstaatsvertrag 2012 (GlüStV a.F.) bereits nicht anwendbar.
37
Der Kläger könne sich nicht auf die Nichtigkeit der Spielverträge berufen. Ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 S.1., 4 GlüStV liege nicht vor. Die zwischen den Parteien abgeschlossenen Spielverträge wäre nur nach § 134 BGB nichtig, wenn ein beiderseitiger Verstoß gegen ein Verbotsgesetz vorliege. Nachdem dem Kläger die Rechtslage jedoch nicht bekannt gewesen sei, sei dies nicht der Fall gewesen.
38
Die Beklagte habe im streitgegenständlichen Zeitraum das von ihr im Internet angebotene Online-Glückspielangebot zulässigerweise auf der Grundlage der ihr nach maltesischem Recht erteilten, gültigen Glücksspielerlaubnis und gestützt auf ihre unionsrechtlich verbürgte Dienstleistungsfreiheit gem. Art. 56 AEUV veranstaltet.
39
Online-GlücksspielAngebote seien zudem schon vor dem Erlaubnisbeschluss 2021 entgegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 entsprechend von behördlicher und verwaltungsgerichtlicher Seite explizit – auch rückwirkend – geduldet worden.
40
§ 284 StGB stelle allein deswegen kein Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB dar, da deutsches Strafrecht nicht anwendbar sei; weder der Handlungs- noch der Erfolgsort lägen im Inland.
41
Die Teilnahme an Online-Sportwetten sei in Deutschland auch bereits in dem streitgegenständlichen Zeitraum legal gewesen. Die Beklagte hätte einen Anspruch auf Erteilung einer Konzession gehabt. Insofern liege kein Verstoß gegen eine vermeintliche Schutznorm vor. Sportwettenverträge seien insofern nicht nichtig.
42
Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 4 GlüStV bzw. § 284 StGB zu, da beide Normen keine Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB darstellten.
43
Zudem stehe dem Kläger auch kein Widerrufsrecht zu. Ein Widerrufsrecht gem. § 312 g Abs. 1 BGB scheide schon gemäß § 312 g Abs. 2 Nr. 12 BGB aus.
44
Auch sei der Anspruch des Klägers teilweise verjährt, da die Verjährung mit Beginn der Spielteilnahme beginne; zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger ausreichend Kenntnis von den Umständen gehabt. Eine unsichere Rechtslage, welche für den Kläger die Klageerhebung unzumutbar gemacht habe, habe nicht bestanden.
45
In dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11.07.2024 hat das Gericht den Kläger informatorisch angehört; insoweit wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
46
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.07.2024 Bezug genommen.
47
Nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung eingereichte und nicht nachgelassene Schriftsätze blieben gem. § 296a ZPO unberücksichtigt, soweit sie nicht lediglich Beweiswürdigungen oder Rechtsausführungen enthielten, und gaben auch keine Veranlassung, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten (§ 156 ZPO).

Entscheidungsgründe

48
Die Klage und der Hilfsantrag sind zulässig, aber unbegründet. A. Die Klage ist zulässig.
49
1. Das Landgericht München I ist als Gericht des Ortes, an dem der Kläger als Verbraucher seinen Wohnsitz hat, gemäß Art. 18 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1 c, Art. 26 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 (Brüssel Ia-VO/EuGVVO) international zuständig.
50
Der Kläger macht seinen Anspruch unter anderem aus einem Verbrauchervertrag in seiner Eigenschaft als Verbraucher im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit c Brüssel I a – VO geltend.
51
Nach Art. 17 EuGVVO kann ein Verbraucher an seinem Wohnsitz einen Vertragspartner, der in dem Mitgliedstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgendeinem Wege auf diesen Mitgliedstaat ausrichtet, wegen Streitigkeiten aus Vertrag verklagen. „Streitigkeiten aus Vertrag“ ist dabei weit zu verstehen. Neben vertraglichen Anspruchsgrundlagen sowie Ansprüchen aus Rückabwicklung eines Vertragsverhältnisses nach Bereicherungsrecht als den Vertrag ergänzendes Gesetzesrecht sind auch konkurrierende deliktische Ansprüche bei engem Zusammenhang von dieser Zuständigkeit umfasst (EuGH WM 20, 870 Rn. 64; BGH NJW 11, 532; Thomas/Putzo, ZPO, 43. Auflage, 2022, Art. 17 EuGVVO, Rn. 4; Stadler, in: Musielak/Voit, ZPO, 19. Auflage 2022, Art. 17 EuGVVO Rz. 1e).
52
a) Der Kläger ist im Hinblick auf den streitgegenständlichen Sachverhalt Verbraucher im Sinne von Art. 17 Abs. 1 EuGVVO.
53
Danach ist Verbraucher eine Person, die den betreffenden Vertrag zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dient.
54
Der Kläger hat an dem von der Beklagten angebotenen Glücksspielangebot überwiegend von seinem Wohnsitz in München aus als Verbraucher teilgenommen. Im Rahmen seiner informatorischen Anhörung hat der Kläger plausibel und im Ergebnis glaubhaft angegeben, dass er überwiegend an seinem Wohnsitz in München gespielt hat. Ein beruflicher oder gewerblicher Zweck wurde dagegen von der Beklagten weder substantiiert vorgetragen noch ist ein solcher ersichtlich. Zudem gab der Kläger an, sich noch nie in Schleswig-Holstein aufgehalten zu haben. Er wisse nicht, ob er einen VPN-Klient verwendet habe.
55
b) Die Beklagte betreibt ihre Website gewerblich, ihr Angebot ist auf den deutschen Markt ausgerichtet. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sowohl ihre Internetpräsenz als auch ihre Werbung in deutscher Sprache verfasst sind, obwohl in dem Mitgliedstaat der Niederlassung der Beklagten üblicherweise Maltesisch und Englisch als Sprache verwendet wird (vgl. EuGH, Urteil vom 07.12.2010, C-585/08 und C-144/09, C-585/08, C-144/09 Randziffern 92, 93).
56
c) Soweit der Kläger vorträgt, dass er an den Glückspielangeboten aus dem Ausland, unter anderem aus Bosnien und Herzegowina teilgenommen hat, hat sich die Beklagte jedenfalls gemäß Art. 26 EuGVVO rügelos eingelassen.
57
2. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I ergibt sich im Übrigen auch aus Art. 7 Nr. 1 a) und b) EuGVVO.
58
Das Veranstalten öffentlicher Glücksspiele ist eine unerlaubte Handlung im Sinne des Art. 7 Nr. 2) EuGVVO. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.
59
Zur Überzeugung des Gerichts ist hier an die Spielverträge anzuknüpfen. Veranstaltet und vermittelt wird ein Glücksspiel dort, wo dem Spieler die Möglichkeit zur Teilnahme eröffnet wird, § 3 Abs. 4 GlüStV, mithin am Wohnsitz des Klägers in München.
60
3. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts München I folgt aus §§ 23 Abs. 1, 71 S. 1 GVG.
B.
61
Die Klage erweist sich als unbegründet.
62
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückgewähr der von ihm an diese geleisteten Zahlungen in Höhe von 24.552,42 EUR zu.
63
1. Auf den Sachverhalt ist gemäß Art. 6 Abs. 1 b) der EG VO 593/2008 (Rom-I-VO) deutsches materielles Zivilrecht als Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes des Klägers anzuwenden.
64
Der Kläger hat in seiner Eigenschaft als Verbraucher am Onlineglücksspiel der Beklagten teilgenommen, welches zumindest auch auf den deutschen Markt ausgerichtet ist.
65
Nach Art. 6 Abs. 1 lit b) Rom-I-VO unterliegt ein Verbrauchervertrag dem Recht des Staates, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt – vorliegend Deutschland – hat, sofern der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Die Voraussetzungen sind bei Spielerklagen gegen ausländische Online-Spielanbieter gegeben.
66
Eine entgegenstehende wirksame Rechtswahl liegt nicht vor. Auch eine entsprechende Regelung in der Endnutzerlizenzvereinbarung der Beklagten steht der Anwendung von deutschem Recht nicht entgegen, da die geltend gemachten Ansprüche als zwingende Verbraucherschutzvorschriften des Landes anzusehen sind.
67
Etwaige einzelne Spielteilnahmen des Klägers während (Urlaubs-)aufenthalten in Bosnien und Herzegowina oder Spanien bzw. während des Transits durch die Schweiz, Österreich und Slowenien auf dem Weg nach Bosnien und Herzegowina ändern an der Beurteilung nichts. Der Kläger hatte unabhängig von diesen kurzen Auslandsaufenthalten seinen Wohnsitz und Lebensmittelpunkt und damit auch seinen gemäß Art. 6 Abs. 1 Rom VO-I-VO maßgeblichen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Damit bleibt es dabei, dass materielles deutsches Zivilrecht zur Anwendung kommt. Anhaltspunkte dafür, dass die insoweit maßgebliche erstmalige Registrierung und Anmeldung des Klägers (Abschluss des „Rahmenvertrages“) bei dem Online-Angebot der Beklagten nicht von seinem Wohnsitz aus erfolgt sein könnte, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
68
2. Zwar kommt bei Online-Glücksspielen grundsätzlich ein Rückforderungsanspruch des Spielers auf Rückzahlung der gezahlten Spieleinsätze in Betracht, soweit die jeweiligen Spielverträge gegen den Glücksspielstaatsvertrag verstießen. Mangels Lizenz der Beklagten zum Angebot der hier streitgegenständlichen Spiele in Deutschland – mit Ausnahme von Schleswig-Holstein – verstieß dieses Angebot und der Abschluss des Vertrages gegen § 4 Abs. 4 GlüStV a.F. (2012), der ein Totalverbot enthielt (und auch in neuer Form nach 2021, der ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt statuierte).
69
Vorliegend scheidet ein Zahlungsanspruch des Klägers, gleich ob aus Bereicherungsrecht oder dem Recht der unerlaubten Handlung, bereits deshalb aus, weil nicht zur Überzeugung des Gerichts feststeht, in welchem Umfang der Kläger im Geltungsbereich des GlüStV an den Angeboten der Beklagten teilgenommen hat. Die Darlegungs- und Beweislast für diese anspruchsbegründende Tatsache liegt bei der Klagepartei (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 28.11.2022 – 19 W 16/22; LG Hagen, Urteil vom 27.09.2023 – 8 O 50/23). Voraussetzung für den mit Klage geltend gemachten Anspruch ist, dass die betreffenden Spieleinsätze des Klägers von Deutschland aus (nicht jedoch aus Schleswig-Holstein) getätigt wurden und damit die Vorschriften des Glücksspielstaatsvertrags auf das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis anwendbar sind. Dies ist vorliegend nicht festzustellen. Der Kläger ist insofern beweisfällig geblieben. Die Beklagte hat – insbesondere unter Vorlage der in den Anlagen B 9 enthaltenen Log-In-Daten aus dem Ausland des Klägers – hinreichend substantiiert vorgetragen, das der Kläger nicht nur an Orten, an denen das von der Beklagten offerierte Glücksspiel nicht erlaubt war, gespielt hat, sondern insbesondere auch aus dem Ausland, wobei sich aus den in der Anlage B 9 aufgeführten Daten Login-Vorgänge aus Bosnien und Herzegowina ergeben. Weiter hat die Beklagte schriftsätzlich vorgetragen, dass der Kläger von Spanien aus am Online-Glücksspiel teilgenommen habe.
70
Der Vortrag der Beklagten wird durch die schriftsätzlichen Angaben der Klagepartei im Schriftsatz vom 02.07.2024 gestützt, wonach eingeräumt wurde, dass der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum von Bosnien aus gespielt und hierbei einen Gesamtverlust von 221,12 US-Dollar erlitten habe. Daraus ergibt sich jedoch im Umkehrschluss nicht, dass die Spielteilnahmen im Übrigen vom Wohnsitz des Klägers aus erfolgt sind. Der Kläger hat im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vielmehr angegeben, sich im streitgegenständlichen Zeitraum auch in Kroatien und Spanien aufgehalten zu haben. Zudem sei er auf dem Weg nach Bosnien durch Österreich, Slowenien und die Schweiz gefahren. Hinsichtlich seines Aufenthalts in Spanien und seiner Aufenthalte in Kroatien könne er sich nicht mehr erinnern, ob er gespielt habe. Er glaube, dass er nicht gespielt habe, könne dies aber nicht mit Sicherheit ausschließen. Gleiches gilt für den Transit durch Österreich, Slowenien und die Schweiz.
71
Diese Einlassung des Klägers schließt von vornherein nicht aus, dass er nicht auch im streitgegenständlichen Zeitraum während seiner Aufenthalte in Kroatien und Spanien sowie während des Transits durch Österreich, Slowenien und die Schweiz das Angebot der Beklagte an Online-Spielen wahrgenommen hat und ist somit zum Beweis der bestrittenen Behauptung, er habe im streitgegenständlichen Zeitraum hinsichtlich der mit der Klage geltend gemachten Verluste – mit Ausnahme der Verluste, die in Bosnien eingetreten sind – von Deutschland (und hier nicht aus Schleswig-Holstein) aus gespielt, nicht geeignet. Aufgrund der Angaben des Klägers kann das Gericht nicht ausschließen, dass der Kläger auch während seiner Auslandsaufenthalte in Spanien und Kroatien sowie während des Transits der genannten Länder am Online-Spielen teilgenommen hat. Der Kläger hat lediglich hinsichtlich Bosnien und Herzegowina substantiiert vorgetragen, welche Verluste dort eingetreten sind.
72
Das Gericht kann sich so nicht davon überzeugen, der Kläger habe hinsichtlich der geltend gemachten Verluste in Deutschland gespielt. Auch daraus, dass der Kläger sich mit seinem deutschen Wohnsitz registriert hat, kann nicht geschlossen werden, dass die neben den aus Bosnien und Herzegowina erfolgten weiteren Spielteilnahmen ausschließlich von seinem Wohnsitz aus erfolgt sind.
73
Dies zugrunde gelegt, geht die Ungewissheit, ob die noch streitgegenständlichen Login-Vorgänge des Klägers vollständig oder möglicherweise nur teilweise aus Deutschland erfolgten zu Lasten des Klägers, so dass der streitgegenständliche Anspruch nicht gegeben ist.
74
3. Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Rückzahlung in beantragter Höhe aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 346 Abs. 1 BGB aufgrund des erklärten Widerrufs.
75
Das Gericht schließt sich insoweit den Rechtsausführungen des Landgerichts Mannheim im Urteil vom 09.01.2023 – 2 O 57/22 an und macht sich diese zu eigen:
„(…)
Zwar kann das verbraucherschützende Widerrufsrecht grundsätzlich auch dann gegeben sein, wenn der widerrufene Vertrag nichtig ist (BGH, Urteil v. 25.11.2009 – VIII ZR 318/08; Rn. 14 ff.; Schwab in MüKo-BGB, 8. Aufl., § 812, Rn. 428); allerdings ist im vor liegenden Fall zweifelhaft, ob es sich überhaupt um einen Verbrauchervertrag i.S.d. § 312 Abs. 1 BGB handelt, bei dem gemäß § 312g Abs. 1 BGB ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB besteht, und jedenfalls wäre das Widerrufsrecht hier nach § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 12 BGB ausgeschlossen.
Es dürfte hier schon kein Verbrauchervertrag i.S.d. § 312 Abs. 1 BGB vorliegen, weil die von der Beklagten angebotenen Spielchancen keine gegen Entgelt angebotenen Waren, Dienstleistungen oder andere Gegenleistungen im Sinne der auf gegenseitige Austausch verträge angelegten Vorschrift sind (vgl. Wendehorst in MüKo-BGB, 8. Aufl., § 312, Rn. 26, 36). I.E. kommt es darauf jedoch nicht an, weil das Widerrufsrecht jedenfalls gemäß § 312g Abs. 2 Nr. 12 BGB ausgeschlossen ist. Wett- und Lotteriegeschäfte, denen Dienstleistungscharakter zuzuerkennen ist, können nach dieser gesetzlichen Wertung nicht widerrufen werden. Diese Ausnahme vom Widerrufsrecht ist im Lichte der Verbraucherrechte-Richtlinie auszulegen. Hiernach verbietet sich eine teleologische Reduktion dieser Ausnahme auf Fälle rechtsverbindlicher Glücksspielverträge i.S.d. § 763 BGB ((Wendehorst in MüKo-BGB, B8. Aufl., § 312g, Rn. 52; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2002, 1127f.)).
Die Nichtanwendbarkeit des Widerrufsrechts nach dieser Vorschrift ist auch nicht durch ihren zweiten Halbsatz ausgeschlossen. Die hier streitgegenständlichen Verträge sind weder telefonisch zustande gekommen noch unter den Bedingungen des § 312b Abs. 1 BGB. Eine solchen Vertragsschlüssen vergleichbare Überrumpelungssituation, die Gegenstand dieser Rückausnahme ist, ist im vorliegenden Fall auch weder tatsächlich erkenn bar noch wäre sie rechtlich zu begründen. Wegen der Vollharmonisierung der Verbrau cherrechte-Richtlinie kommt eine erweiternde Auslegung oder eine analoge Anwendung von § 312b Abs. 1 BGB auf vermeintlich vergleichbare Fälle schon mangels einer Regelungs lücke nicht in Betracht (Grüneberg in Palandt, BGB, 81. Aufl., § 312b, Rn. 3). Weil § 312g Abs. 2 Nr. 12, 2. Halbsatz BGB als Ausnahme von der Ausnahme rechtstechnisch selbst eine Ausnahmevorschrift ist, scheiden extensive Auslegung und analoge Anwendung auch aus methodischen Gründen aus (vgl. Larenz, NJW 1965, 1, 4f.; Säcker in MüKo-BGB, 8. Aufl., Einl. Rn. 121). Schließlich ist die Anwendung der Rückausnahme auf den Fall auch teleologisch nicht geboten, weil es einen Grundsatz, nach dem der Gesetzgeber in einer freiheitlichen Gesellschaft seine Bürger vor marktwirtschaftlichen Risiken oder gar sich selbst zu schützen hat, nicht gibt. Onlineglücksspiele können deshalb nicht unter die Rückausnahme des § 312g Abs. 2 Nr. 12, 2. Halbsatz BGB fallen (Grüneberg in Palandt, BGB, 81. Aufl., § 312g, Rn. 15 a.E.).
Im Übrigen stünde einem Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung aus den §§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 1 BGB hier ebenfalls die generalpräventive Wertung des § 817 Satz 2 BGB entgegen, weil die Vorschrift beim Zusammentreffen des Nichtigkeitsgrundes aus § 134 BGB mit dem Widerrufsrecht richtigerweise analoge Anwendung finden muss (vgl. Schwab in MüKo-BGB, 8. Aufl., § 817, Rn. 21).
(…)“
76
4. Nachdem der klägerseits geltend gemachte Anspruch schon aus dem Vorgesagten nicht gegeben ist, erübrigen sich Ausführungen zur Aktivlegitimation sowie zu einer möglichen Kenntnis des Klägers von der Illegalität des Onlineglücksspiel im streitgegenständlichen Zeitraum sowie zur Frage der Verjährung. Ebenso ist mangels Begründetheit zur Frage eine Aussetzung nach § 148 ZPO analog Stellung zu nehmen.
C.
77
Der Hilfsantrag ist zulässig. Insbesondere ist der erforderliche rechtliche oder wirtschaftliche Zusammenhang zwischen Haupt- und Hilfsantrag gegeben. Beide Ansprüche resultieren aus demselben vertraglichen Verhältnis. Dem Kläger steht es zudem gemäß § 260 ZPO frei, mehrere Ansprüche in einem Verfahren gegen die Beklagte zu binden. Dies ist gemäß § 260 ZPO immer dann gestattet, wenn bei Identität der Parteien für sämtliche Ansprüche das Prozessgericht zuständig, dieselbe Prozessart zulässig ist und wenn kein Verbindungsverbot besteht. Dies ist vorliegend der Fall.
D.
78
Der Hilfsantrag erweist sich jedoch als unbegründet. Der Hilfsantrag ist aus denselben Gründen wie der Hauptantrag abzuweisen. Die Forderung besteht – unabhängig davon, in welcher Währung sie geltend gemacht wird – bereits dem Grunde nach nicht.
E.
79
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
80
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.
F.
81
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 48, 63 GKG, 3, 4 ZPO.