Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 04.11.2024 – Au 9 K 24.1077, Au 9 K 24.1080, Au 9 K 24.1086, Au 9 K 24.1088, Au 9 K 24.1089, Au 9 K 24.1090
Titel:

Anforderungen an die Heilung einer fehlenden Anhörung, Masernschutzimpfung, Aufforderung zur Nachweisvorlage, Nachweis einer Kontraindikation, Anforderungen an ein ärztliches Zeugnis

Normenketten:
BayVwVfG Art. 28
BayVwVfG Art. 45
IfSG § 20 Abs. 9 S. 1
IfSG § 20 Abs. 12 S. 1 und 2
Schlagworte:
Anforderungen an die Heilung einer fehlenden Anhörung, Masernschutzimpfung, Aufforderung zur Nachweisvorlage, Nachweis einer Kontraindikation, Anforderungen an ein ärztliches Zeugnis
Fundstelle:
BeckRS 2024, 50126

Tenor

I. Die jeweiligen Bescheide des Landratsamts ... vom 27. März 2024 und 28. März 2024 werden aufgehoben.
II. Der Beklagte trägt die Kosten der Verfahren.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Kläger wenden sich mit ihren Klagen gegen die Nichtanerkennung vorgelegter ärztlicher Bescheinigungen sowie die Verpflichtung zur (erneuten) Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses oder eines Impfnachweises.
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Die Kinder der Kläger, E. (geboren am ... 2011), F. (geboren am ... 2014) und M. (geboren am ... 2016), besuchen die Grundschule ... bzw. mittlerweile die ... -Realschule ... . Die Kinder haben keine Schutzimpfung gegen Masern erhalten.
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Die Grundschule ... teilte dem Landratsamt ... (Landratsamt) mit Schreiben vom 11. März 2021 und E-Mail vom 15. März 2021 mit, dass für die Kinder E. und F. ein Nachweis über eine dauerhafte medizinische Kontraindikation des Arztes Dr. ... aus ... vorgelegt worden sei.
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Am 5. Oktober 2022 legten die Kläger für das Kind M. der Grundschule ... ebenfalls eine ärztliche Bescheinigung des Arztes Dr. ... vom 7. August 2020 über eine medizinische Kontraindikation vor.
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Mit Schreiben vom 6. Oktober 2022 teilte das Landratsamt den Klägern mit, dass die vorgelegte ärztliche Bescheinigung für das Kind M. in dieser Form vom Gesundheitsamt nicht akzeptiert werden könne. Die Bescheinigung müsse zumindest solche Angaben enthalten, die das Gesundheitsamt in die Lage versetzen, das ärztliche Zeugnis auf Plausibilität hin zu überprüfen.
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Am 25. Oktober 2022 wurde eine weitere ärztliche Bescheinigung vom 18. Oktober 2022 für M. vorgelegt. In dieser wird ausgeführt, dass sich in der Familienanamnese des Kindes eine ungewöhnliche Häufung von Krebserkrankungen als Hinweis auf eine generelle Immunstörung zeige. Zudem habe es bei der Tante der Kinder Impfkomplikationen nach einer Masernimpfung im Kindesalter gegeben. Es bestehe aufgrund einer Autoimmunthyreoditis und einem Raynaud-Syndrom im engeren Familienumfeld eine Prädisposition für Autoimmunerkrankungen, für die ein Impfkomplikationsrisiko in der Literatur belegt sei. Eine Impfung berge ein erhebliches Risiko für das Triggern einer chronischen Erkrankung, weshalb M. nicht geimpft werden könne.
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Mit Schreiben vom 25. Januar 2024 wurden die Kläger erneut darauf hingewiesen, dass ein ärztliches Zeugnis im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) durch einen Arzt ausgestellt und unterzeichnet werden, auf der eigenen Wahrnehmung des Arztes beruhen und bei Vorlage gegenüber dem Gesundheitsamt wenigstens solche Angaben zur Art der medizinischen Kontraindikation enthalten müsse, die eine Plausibilitätsprüfung ermöglichten. Für die Vorlage eines Nachweises bezüglich des Vorliegens einer Kontraindikation hinsichtlich aller Kinder wurde den Klägern eine Frist bis zum 9. Februar 2024 eingeräumt und für den Fall, dass kein erneuter Nachweis erbracht wird, der Erlass eines entsprechenden Bescheids angekündigt.
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Mit E-Mail vom 29. Februar 2024 legte die Klägerin zu 2 für alle Kinder jeweils eine ärztliche Bescheinigung vom Arzt Dr. ... datiert auf den 17. Februar 2024 vor. Der Inhalt deckt sich weitestgehend mit dem der ärztlichen Bescheinigung vom 25. Oktober 2022.
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Am 19. März 2024 gab die Amtsärztin des Gesundheitsamtes eine Stellungnahme zu den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen ab. In dieser wird ausgeführt, dass der die Bescheinigung ausstellende Arzt eine Studie zitiere, in der ein möglicher Zusammenhang zwischen Impfungen und Autoimmunerkrankungen diskutiert werde. Den Ausführungen und Schlussfolgerungen der Studie sei zu entnehmen, dass noch geeignete epidemiologische Studien folgen müssten, um diese Hypothese zu bestätigen. Da sich die Hypothese vor allem auf Beistoffe im Zusammenhang mit dem HPV-Impfstoff gestützt habe, sei die Hypothese in Folgestudien weitestgehend widerlegt worden. Auch wenn schwere Allergien, Autoimmunerkrankungen und Immundefizienz beim Impfling selbst als richtige Kontraindikation vom RKI beschrieben würden, so finde man im Bundesgesundheitsblatt Anwendungshinweise zu den von der Impfkommission empfohlenen Impfungen. Im vorliegenden Fall würden bei den betroffenen Kindern noch keine derartigen Diagnosen vorliegen. Somit erscheine die Begründung der Impfunfähigkeit seitens Dr. ... nicht plausibel.
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Mit jeweils eigenständig an die Kläger zu 1 und 2 gerichteten Bescheiden vom 27. März 2024 (zwei Bescheide) und 28. März 2024 (vier Bescheide) werden die Kläger jeweils separat als Sorgeberechtigte ihrer Kinder M., F. und E. dazu aufgefordert, dem Gesundheitsamt ... bis zum 2. Mai 2024 ein (neues) ärztliches Zeugnis darüber vorzulegen, dass das jeweilige Kind aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen Masern geimpft werden kann. Alternativ kann ein Impfnachweis bzw. Impfbescheinigung über die Durchführung zunächst einer Masernschutzimpfung vorgelegt werden (Ziffer I. der jeweiligen Bescheide). In Ziffer II. wird jeweils festgestellt, dass die bisher vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen vom 7. August 2020, 18. Oktober 2022 und 17. Februar 2024 nicht als ausreichende Nachweise i.S.v. § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 IfSG anerkannt werden können. In den insgesamt sechs Bescheiden wurde jeweils eine Gebühr von 100,00 EUR und Auslagen von 3,50 EUR festgesetzt, zu deren Zahlung die Kläger jeweils eigens verpflichtet werden (Ziffer III. der Bescheide). Der Bescheid betreffend das Kind M., gerichtet an den Kläger zu 1, ist zum Seitenanfang mit dem Wort „Entwurf“ gekennzeichnet.
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Zur Begründung wird in allen Bescheiden ausgeführt, dass nach § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 9 IfSG Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG betreut werden bzw. deren Sorgeberechtigte der Leitung der Einrichtung vor Beginn der Betreuung entweder einen Nachweis einer Impfdokumentation nach § 22 Abs. 1 und 2 IfSG oder ein ärztliches Zeugnis darüber, dass ein ausreichender Impfschutz gegeben ist (Nr. 1), ein ärztliches Zeugnis darüber, dass eine Immunität gegen Masern vorliegt oder die betreffende Person aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden kann (Nr. 2) oder eine Bestätigung einer staatlichen Stelle, dass ein Nachweis nach den Nrn. 1 oder 2 bereits vorgelegt wurde (Nr. 3), vorzulegen hätten. Nach § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 IfSG habe der Nachweis zudem auf Anforderung unmittelbar gegenüber dem Gesundheitsamt zu erfolgen. Die Kläger zu 1 und 2 hätten bislang keine ausreichenden Nachweise für ihre Kinder vorgelegt, sodass die entsprechende Verpflichtung noch nicht erfüllt sei. Die vorgelegten Bescheinigungen des Arztes Dr. ... könnten nicht als ausreichende Nachweise anerkannt werden. Die Bescheinigungen würden keine Angaben zur Art der medizinischen Kontraindikation enthalten, die eine Plausibilitätsprüfung ermöglichen könnten. Aus der jeweiligen Bescheinigung gehe nicht hervor, ob Dr. ... die Kinder überhaupt selbst untersucht habe. Es werde stattdessen ausschließlich auf die Familien-Anamnese abgestellt und daraus eine „familiär-hereditäre Kontraindikation“ abgeleitet. Die Diagnosen würden weder in Bezug auf die Eltern noch auf die Kinder selbst genannt. Nachweise für die behaupteten Impfschäden bei einer Tante seien nicht vorgelegt worden. Für eine anerkennungsfähige Kontraindikation sei jedoch Mindestvoraussetzung, dass die die Kontraindikation begründenden medizinischen Umstände bei der betroffenen Person selbst vorliegen. Entsprechende Diagnosen oder Gegebenheiten bei Eltern, Geschwistern, naher oder entfernter Verwandter in Verbindung mit einer ärztlich nicht weiter abgeklärten Vermutung, dass die betroffene Person ebenfalls darunter leide, sei grundsätzlich nicht ausreichend. Selbst wenn die behauptete familiäre Häufung von Krebserkrankungen als Hinweis auf eine generelle Immunstörung tatsächlich auf die Kinder vererbt worden sein sollte, würde dies nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft nicht automatisch eine zwingende Kontraindikation für eine Masern-Impfung bedeuten. Die Ausführungen in den Bescheinigungen seien deshalb viel zu pauschal und die medizinische Beurteilung im Ergebnis nicht vertretbar. Das Gesundheitsamt sei daher gem. § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 IfSG dazu berechtigt, einen neuen Nachweis zu verlangen, da bislang kein ausreichender Nachweis vorgelegt worden sei. Es liege kein Fall des § 20 Abs. 12 Satz 2 IfSG vor, nachdem das Gesundheitsamt auf die Anordnung einer ärztlichen Untersuchung oder des Auskunftsverlangens verwiesen werde. Das Gesundheitsamt habe keine Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der „Nachweis-Bescheinigung“ des Arztes Dr. ... . Es halte den Nachweis vielmehr als insgesamt für nicht verwertbar.
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Am 6. Mai 2024 ließen die Kläger gegen die jeweiligen Bescheide Klage erheben. Die Verfahren Au 9 K 24.1077, Au 9 K 24.1086 und Au 9 K 24.1088 betreffen die Klagen des Klägers zu 1. Die Verfahren Au 9 K 24.1080, Au 9 K 24.1089 und Au 9 K 24.1090 die der Klägerin zu 2. Der Klägerbevollmächtigte beantragt zuletzt in allen Verfahren
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die Aufhebung der jeweiligen Bescheide vom 27. und 28. März 2024.
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Zur Begründung der Klagen wird ausgeführt, dass zwischen der Vorlage der weiteren Atteste von Dr. ... und dem Erlass der Bescheide keine Anhörung mehr erfolgt sei. Diese sei jedoch erforderlich gewesen, da durch die weiteren Ausführungen des Arztes eine neue Sachlage eingetreten sei. Des Weiteren handele es sich bei den Ziffern II. der Bescheide um feststellende Verwaltungsakte. Eine solche Feststellung könne nur dann gerechtfertigt sein, wenn ein besonderes und erhebliches Interesse bestehe, eine Vorfrage zu klären. Es sei zwar grundsätzlich richtig, dass die praktizierte Verwerfung ärztlicher Bescheinigungen einen Regelungscharakter aufweise, da sie das Rechtsverhältnis des Bürgers mit der Behörde entscheidend prägen würden. Die Feststellung sei jedoch dann entbehrlich, wenn ein verfügender Teil im selben Bescheid enthalten sei. Die Verwerfung sei außerdem ermessensfehlerhaft in sechs Einzelbescheiden anstatt zusammen festgestellt worden. Dadurch bestünde die Möglichkeit, dass die Bescheide in ihrem Bestand unterschiedliche Wege gehen könnten. Die elterliche Sorge werde gemeinsam ausgeübt, weshalb kein Anlass für eine Aufspaltung in mehrere Bescheide bestehe. Die Anerkennung bestehender Kontraindikationen sei aus der staatlichen Schutzpflicht gem. Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz (GG) für Leben und Gesundheit zwingend erforderlich. Der Beklagte gebe in diesem Verfahren nicht zu erkennen, dass er die Gesundheit der Kinder der Kläger mit im Blick gehabt hätte. Ein ärztliches Zeugnis i.S.d. § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 IfSG müsse zwar Angaben zur Art der medizinischen Kontraindikation enthalten, die das Gesundheitsamt in die Lage versetze, das Zeugnis auf Plausibilität hin zu überprüfen. Es sei jedoch nicht erforderlich, Befunde und Diagnosen mitzuteilen. Der ausstellende Arzt treffe seine fachliche Entscheidung in Kenntnis der Empfehlungen der ständigen Impfkommission und unter Abwägung der Gefahren einer Maserninfektion für den Einzelnen. Zudem sei der Arzt mit dem Straftatbestand des Ausstellens eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses konfrontiert. Da die Feststellung einer Kontraindikation dem Arzt obliege, komme dem Attest ein hoher Beweiswert zu. Der Aussagegehalt des Attests sei deshalb nicht erschüttert. Die vorgelegten Bescheinigungen, welche ein wissenschaftliches Literaturzitat enthalten, würden bei Weitem die gesetzlichen Anforderungen übersteigen. Das Schriftstück beschreibe ausführlich die Leidensgeschichte der Familie. Der Vorwurf, es sei keine körperliche Untersuchung bescheinigt worden, sei unzutreffend, da eine solche nach der strafrechtlichen Rechtsprechung sachgedanklich miterklärt werde. Es mangele nicht an der Prüffähigkeit des Attests. Da durch die vorgelegten Bescheinigungen ein Nachweis gem. § 20 Abs. 9 IfSG erbracht worden sei, bestehe kein Grund, erneut einen Nachweis zu verlangen. Der Behörde stehe außerdem nicht zu, so lange einen neuen Nachweis zu verlangen, bis ein Nachweis vorgelegt werde, der der Behörde zusage. Im Übrigen erweise sich die Kostenbelastung aufgrund der sechsfachen Kumulation als rechtswidrig. Durch die Kostenbelastung von insgesamt 600,00 EUR plus Auslagen werde ein immenser Kostendruck erzeugt. Außerdem sei eine Gebührenfestsetzung von 100,00 EUR pro Bescheid zu hoch angesetzt.
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Der Beklagte ist den Klagen mit Schreiben vom 24. Juli 2024 entgegengetreten und beantragt,
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die Klagen abzuweisen.
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Die Bescheide seien formell rechtmäßig, da eine Heilungsmöglichkeit nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) in Bezug auf die bemängelten unterbliebenen Anhörungen bestehe. Im Übrigen sei gem. Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG von einer Anhörung abzusehen gewesen, da eine solche mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keinem Umdenken der Kläger geführt hätte. Aus Behördensicht habe keine neue Sachlage vorgelegen. Das vorliegende Verfahren sei in einem fallübergreifenden Kontext zu sehen, da dem Landratsamt eine Vielzahl vergleichbarer Nachweise des ausstellenden Arztes vorliegen würden. Den Nachweisen sei gemein, dass das Vorliegen einer Kontraindikation fast ausschließlich aus der Krankengeschichte mit i.d.R. nur behaupteten Erkrankungen bei Verwandten hergeleitet werde. Dies werde jedoch nach Auffassung des Gesundheitsamtes und des Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege als unzureichend angesehen. Die medizinischen Umstände müssten bei der betroffenen Person selbst vorliegen. Die ärztlichen Zeugnisse würden sich vorliegend auf bloße Vermutungen beschränken und das in einer solchen Anzahl an Fällen, die schon allein aus statistischer Sicht den Beweiswert insgesamt erschüttern. Außerdem werde die vorgenommene Risikoabwägung allein auf die behaupteten Risiken abgestellt und der Nutzen einer Masernimpfung im konkreten Einzelfall ausgeblendet. Die vom ausstellenden Arzt zitierte Studie sei weitestgehend widerlegt, worauf das Gesundheitsamt in seiner Stellungnahme vom 19. März 2024 verweise. Der Vorwurf, der Beklagte habe die Gesundheit der Kinder nicht in den Blick genommen, gehe an der Sache vorbei. Entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten seien die Kläger der Pflicht zur Nachweiserbringung noch nicht nachgekommen. Sowohl in Bezug auf die für die Kinder vorgelegten Atteste als auch unter Berücksichtigung der Vielzahl inhaltsgleicher Nachweise des Arztes für andere Kinder bestünden nicht lediglich Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit. Das Gesundheitsamt sei vielmehr von der Unrichtigkeit der angenommenen Kontraindikation überzeugt. Es liege damit kein Fall vor, bei dem die Bewertung der individuellen medizinischen Verfassung der betroffenen Person durch den Arzt aus fachlicher Sicht als noch vertretbar eigeschätzt werde und die durch eine ärztliche Untersuchung oder die Anforderung weiterer Auskünfte ausgeräumt werden müsste. Müssten Nachweise, die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und der Auffassung der übergeordneten Fachbehörde als nicht plausibel einzustufen sind, als bloße Zweifelsfälle i.S.d. § 20 Abs. 12 Satz 2 IfSG gewertet werden, so würde dies zu einer behördlichen Pflicht zum Nachweis einer Impffähigkeit hinauslaufen. Die Gebührenfestsetzung als solche sei mit 100,00 EUR nicht zu hoch angesetzt. Richtig sei jedoch, dass bei gleichgelagerten Fällen innerhalb einer Familie der Aufwand nicht mehrfach im vollem Umfang anfalle. Als Kompromiss werde vorgeschlagen, dass lediglich für den ersten Bescheid eine Gebühr in Höhe von 100,00 EUR und für die weiteren Bescheide lediglich eine reduzierte Gebühr von je 20,00 EUR erhoben werde. Hierdurch werde auch kein unzulässiger Zwang auf die Eltern ausgeübt.
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Am 4. November 2024 fand die mündliche Verhandlung statt. Auf das hierüber gefertigte Protokoll wird verwiesen.
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Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die vom Beklagten vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Verfahren konnten gemäß § 93 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden werden, da ein identischer Sachverhalt vorliegt und die streitgegenständlichen Verpflichtungen beide Kläger als gemeinsam Sorgeberechtigte betreffen. Insoweit erscheint die Verbindung der Verfahren sachgerecht und prozessökonomisch.
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Die zulässige Klage hat Erfolg.
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1. Die Bescheide vom 27. und 28. März 2024 sind bereits formell rechtswidrig, da es an einer ordnungsgemäßen Anhörung i.S.d. Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG fehlt und eine Heilung gem. Art. 45 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 BayVwVfG nicht erfolgt ist.
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a) Nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG muss die Behörde einen Beteiligten grundsätzlich anhören, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift. Eine Anhörung hat die Ankündigung zu enthalten, dass in einem konkreten Einzelfall der Erlass eines bestimmten Verwaltungsakts beabsichtigt ist. Hierzu ist den Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (vgl. Herrmann in BeckOK Bader/ Ronellenfitsch, VwVfG, 57. Ed., Stand: 1.4.2024, § 28 Rn. 15, 17). Von einer Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist (vgl. Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG). Nach Art. 28 Abs. 3 BayVwVfG hat sie sogar zu unterbleiben, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht. Dies ist nur dann der Fall, wenn besonders gewichtige öffentliche Interesse gegeben sind, die offensichtlich und unzweifelhaft gegenüber dem Zweck der Anhörung und dem Interesse des Betroffenen Vorrang haben (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG 25. Aufl. 2024, § 28 Rn. 76).
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Vorliegend fehlt es an einer solchen Anhörung. Zwar hat der Beklagte in seinem Schreiben vom 25. Januar 2024 die Kläger erneut zur Vorlage eines entsprechenden Nachweises aufgefordert und dabei angekündigt, dass bei einer Nichtvorlage ein entsprechender Bescheid erlassen werde. Die Kläger legten daraufhin mit E-Mail vom 29. Februar 2024 für alle drei Kinder neue ärztliche Bescheinigungen des Arztes Dr. ... vor. Der Beklagte erließ unmittelbar darauf die hier streitgegenständlichen Bescheide. Eine erneute Mitteilung an die Kläger, weshalb die vorgelegten Bescheinigungen als nicht ausreichend angesehen würden und deshalb eine behördliche Anordnung erlassen werde, sowie das Einräumen einer zumindest kurzen Frist zur Stellungnahme, erfolgte nicht. Dies wäre jedoch erforderlich gewesen, da mit Schreiben vom 25. Januar 2024 lediglich für den Fall der Nichtvorlage der Erlass eines Bescheids angekündigt worden war. Der Erlass der Bescheide erfolgte somit für die Kläger überraschend.
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b) Das Absehen von der Anhörung findet auch keine Rechtfertigung in Art. 28 Abs. 2 und 3 BayVwVfG, da keiner der dort aufgeführten Ausnahmetatbestände vorliegt.
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Die Prüfung der Voraussetzungen eines Absehens von der Anhörung gebietet ein gestuftes Vorgehen. Zunächst ist auf der Tatbestandsseite – gerichtlich voll nachprüfbar – festzustellen, ob nach den Umständen des Einzelfalls die Anhörung nicht geboten ist. Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen, auch bei Vorliegen eines Regelbeispiels, gegeben, ist auf der zweiten Stufe das Ermessen auszuüben und darüber zu entscheiden, ob eine Anhörung, die von Rechts wegen nicht zwingend geboten ist, gleichwohl durchgeführt wird. Angesichts der hohen rechtsstaatlichen Bedeutung der Anhörung sind zum einen die Regelbeispiele restriktiv auszulegen, und zum anderen ist bei der Ermessensausübung der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz strikt zu beachten (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2022 – 4 A 7.20 – juris Rn. 21).
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Der Beklagte macht geltend, dass von der Anhörung abgesehen werden konnte, da eine solche mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keinem Umdenken der Kläger geführt hätte. Dies stellt eine unzulässige Vorabbewertung in Unkenntnis der von den Klägern möglicherweise vorgebrachten sachlichen Erwägungen dar. Dadurch wird die den Klägern in Art. 28 BayVwVfG eingeräumte Rechtsposition im Verwaltungsverfahren in unzulässiger Weise verkürzt. Die Voraussetzungen der in Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 BayVwVfG aufgezählten Ausnahmetatbestände liegen damit offensichtlich nicht vor. Zwar ist die Aufzählung in Abs. 2 der Vorschrift aufgrund der Formulierung „insbesondere“ nicht abschließend. Jedoch greift auch die hierin zu sehende Generalklausel vorliegend nicht. Diese ist grundsätzlich restriktiv auszulegen und greift nur in seltenen Fällen (vgl. Hermann in BeckOK VwVfG, Bader/Ronellenfitsch, 64. Edition, § 28 Rn. 21). Die Anhörung ist auch nicht nach Art. 28 Abs. 3 BayVwVfG ausgeschlossen, da offensichtlich kein zwingendes öffentliches Interesse hierfür ersichtlich ist.
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c) Eine Heilung der fehlenden Anhörung gem. Art. 45 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 BayVwVfG durch die Äußerungsmöglichkeit der Kläger im gerichtlichen Verfahren scheidet ebenfalls aus. Denn eine derartige Heilung tritt nur dann ein, wenn die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2015 – 7 C 5.14 – NVwZ-RR 2016, 449 m.w.N.). Die Funktion einer Anhörung besteht nicht allein darin, dass der Betroffene seine Einwendungen vorbringt und die Behörde diese zur Kenntnis nimmt (vgl. VG Sigmaringen, U.v. 18.10.2017 – A 5 K 2247/16 – juris Rn. 25). Die Behörde muss vielmehr dem Betroffenen eine vollwertige Äußerungsmöglichkeit in einem ergebnisoffenen Heilungsverfahren einräumen und sodann eine Entscheidung darüber treffen und dem Betroffenen mitteilen, ob sie den erlassenen Verwaltungsakt auch unter Berücksichtigung der im Rahmen der nachgeholten Anhörung vorgetragenen Argumente aufrechterhält (vgl. VGH BW, B.v. 16.8.2022 – 10 S 2829/21 – juris Rn. 29). Die Behörde darf sich nicht darauf beschränken, die einmal getroffene Sachentscheidung zu verteidigen. Sie muss vielmehr das Vorbringen der Betroffenen erkennbar zum Anlass nehmen, die Entscheidung kritisch zu überdenken (vgl. VG Sigmaringen, U.v. 18.10.2017 – A 5 K 2247/16 – juris Rn. 25). Bloße Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen Verfahren erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16.11 – NJW 2012, 2823 Rn. 18).
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d) Schließlich liegt auch kein Anwendungsfall des Art. 46 BayVwVfG vor. Nach dieser Bestimmung kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach Art. 44 BayVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zu Stande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Dabei reicht der Nachweis der fehlenden Kausalität allein nicht aus. Die Offensichtlichkeit der fehlenden Relevanz des Fehlers setzt voraus, dass jeder vernünftige Zweifel ausgeschlossen ist, dass es bei der Vermeidung des Fehlers zur selben Entscheidung in der Sache gekommen wäre. Im Hinblick auf die Bedeutung des Anhörungsrechts und der Effektivität des Rechtsschutzes muss hinsichtlich der Offensichtlichkeit ein strenger Maßstab angelegt werden. Unerheblich ist ein Verstoß nur dann, wenn er im konkreten Fall unter keinem denkbaren Gesichtspunk Einfluss auf die Entscheidung haben konnte. Bleiben Zweifel, ist die Vorschrift nicht anwendbar. Erforderlich ist nicht nur die Gewissheit, dass der Mangel sich nicht auf das Ergebnis ausgewirkt haben kann, dieses muss auch offenkundig, d.h. für jedermann erkennbar sein. Schon eine denkbare Alternative, auch die Möglichkeit eines Nicht-Erlasses des Verwaltungsakts schließt die Anwendung von Art. 46 VwVfG aus (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 25. Aufl. 2024, § 46 Rn. 25 ff). Für die Beurteilung ist grundsätzlich von den Feststellungen und Erwägungen auszugehen, die bereits Gegenstand des dem Erlass des Verwaltungsakts vorangegangenen Verfahrens waren.
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Es ist jedoch nicht für jedermann offensichtlich, dass die Behörde bei Beachtung des Anhörungserfordernisses und Würdigung der im Rahmen der Anhörung erfolgten Äußerungen der Kläger zu keiner anderen Entscheidung gekommen wäre. Die Vermutung des Beklagten, dass die Anhörung der Kläger mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu keinem Umdenken der Kläger geführt hätte, verengt den Entscheidungsspielraum der Behörde in unzulässiger Weise. Denn die Anhörung dient nicht dazu, den Betroffenen von der Richtigkeit der Entscheidung der Behörde zu überzeugen. Die Behörde soll vielmehr ihre ins Auge gefasste Entscheidung im Lichte des Vorbringens der Beteiligten überdenken.
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2. Die Bescheide erweisen sich auch als materiell rechtswidrig, da die Kläger ihrer Pflicht zur Vorlage eines Nachweises gem. § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG durch Vorlage eines ärztlichen Zeugnisses über eine medizinische Kontraindikation nachgekommen sind. Die Aufforderung zur erneuten Nachweisvorlage verletzt die Kläger somit in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
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a) Rechtsgrundlage für die Anordnung zur Vorlage eines Nachweises nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG ist § 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG. Danach haben Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen nach § 33 Nr. 1 bis 3 IfSG betreut werden, dem Gesundheitsamt, in dessen Bezirk sich die jeweilige Einrichtung befindet, auf Anforderung einen Nachweis nach § 20 Abs. 9 Satz 1 IfSG (Dokumentation über ausreichenden Impfschutz, ärztliches Zeugnis über eine Immunität oder das Bestehen einer medizinischen Kontraindikation oder die Bestätigung einer staatlichen Stelle) vorzulegen (§ 20 Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 IfSG). Soweit – wie hier – die verpflichtete Person minderjährig ist, hat derjenige für die Einhaltung der diese Person nach den Absätzen 9 bis 12 treffenden Verpflichtungen zu sorgen, dem die Sorge für diese Person zusteht (§ 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG). Dabei hat der Gesetzgeber mit § 20 Abs. 13 Satz 1 IfSG nicht nur eine Vertretung des Kindes durch den Personensorgeberechtigten, sondern eine Übertragung der Verpflichtung auf den Sorgeberechtigten selbst statuiert (vgl. BayVGH, B.v. 6.10.2021 – 25 CE 21.2383 – juris Rn. 8).
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b) Dieser Verpflichtung sind die Kläger im vorliegenden Fall nachgekommen, indem sie mit E-Mail vom 29. Februar 2024 dem Gesundheitsamt nach Aufforderung für alle drei Kinder ärztliche Bescheinigungen des Arztes Dr. ... über das Bestehen einer medizinischen Kontraindikation vorgelegt haben.
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aa) Ärztliche Zeugnisse im Sinne von § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 IfSG müssen solche Angaben zur Art der medizinischen Kontraindikation enthalten, die das Gesundheitsamt und im Falle eines Gerichtsverfahrens auch das Gericht in die Lage versetzen, das ärztliche Zeugnis auf seine Plausibilität hin zu überprüfen (vgl. BayVGH, B.v. 7.7.2021 – 25 CS 21.1651 – BeckRS 2021, 18528 Rn. 14). Für diese Auslegung des § 20 Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 IfSG spricht insbesondere, dass nach dem ausdrücklichen Wortlaut ein „Nachweis“ gefordert wird, das heißt, es soll der Behörde bzw. dem Gericht die volle Überzeugung von dem Inhalt des Zeugnisses verschafft werden. Dafür ist zumindest notwendig, dass das ärztliche Zeugnis nachvollziehbar und selbstständig prüfbar ist, da sonst eine Überzeugung nicht gewonnen werden kann (vgl. VG Ansbach, B.v. 28. Mai 2021 – AN 18 S 21.932 – BeckRS 2021, 13614 Rn. 20). Damit dies möglich ist, muss das ärztliche Zeugnis seine Aussagen in substantiierter Weise darstellen und untermauern. Die Erstellung eines solchen Zeugnisses setzt somit eine ausführliche und aussagekräftige Dokumentation der Grundlagen der nach sachverständiger Bewertung festgestellten Kontraindikation voraus (vgl. VG Cottbus, B.v. 2.9.2024 – VG 8 L 477/24 – BeckRS 2024, 23485, Rn. 13).
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Die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen werden diesen Anforderungen gerecht. In diesen wird ausgeführt, dass sich in der Familienanamnese der Kinder eine ungewöhnliche Häufung von Krebserkrankungen als Hinweis auf eine generelle Immunstörung zeige. Zudem habe es bei der Tante der Kinder Impfkomplikationen nach einer Masernimpfung im Kindesalter gegeben. Es bestehe aufgrund einer Autoimmunthyreoditis und einem Raynaud-Syndrom im engeren Familienumfeld eine Prädisposition für Autoimmunerkrankungen, für die ein Impfkomplikationsrisiko in der Literatur belegt sei. Die eingehende Schaden-Nutzen-Analyse ergebe, dass eine Impfung ein erhebliches Risiko für das Triggern einer chronischen Erkrankung berge, weshalb eine Impfung nicht möglich sei.
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Die vorgelegten Bescheinigungen enthalten damit konkrete Angaben zur Art der medizinischen Indikation und dazu, wie der ausstellende Arzt zu dieser Schlussfolgerung gelangt. Das Gesundheitsamt wurde somit in die Lage versetzt, die Zeugnisse selbstständig auf ihre Plausibilität hin zu überprüfen. Dies zeigt sich auch darin, dass die zuständige Amtsärztin sich mit dem Rückschluss des ausstellenden Arztes, dass ein Zusammenhang zwischen dem Auftreten von chronischen Erkrankungen und der Impfung bei Immunschwäche besteht, auseinandersetzen konnte. In ihrer Stellungnahme vom 19. März 2024 kommt die Amtsärztin sodann zu dem Ergebnis, dass die Rückschlüsse des Arztes nicht plausibel seien. Eine Plausibilitätsprüfung seitens des Gesundheitsamts hat somit offensichtlich stattgefunden.
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bb) Der Umstand, dass das Gesundheitsamt die medizinische Schlussfolgerung des ausstellenden Arztes nicht teilt, ändert nichts an der Erfüllung der Nachweispflicht seitens der Kläger. Denn der Erfüllung der Nachweispflicht steht nicht entgegen, dass der Beklagte an der inhaltlichen Richtigkeit der ärztlichen Bescheinigungen vom 17. Februar 2024 zweifelt bzw. von dessen Unrichtigkeit überzeugt ist. Der Gesetzgeber geht vielmehr von einer Erfüllung der Nachweispflicht auch dann aus, wenn Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen. Das ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von § 20 Abs. 12 Satz 2 IfSG, in dem von Zweifeln an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des „vorgelegten“ Nachweises die Rede ist. Es folgt im Übrigen eindeutig aus der weiteren, in § 20 Abs. 12 Sätze 2 bis 4 IfSG geregelten Handlungsoptionen des Gesundheitsamts. Der Gesetzgeber unterscheidet allein zwischen dem Fall, dass Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises bestehen (§ 20 Abs. 12 Satz 2 IfSG), und dem Fall, dass ein Nachweis nicht innerhalb einer angemessenen Frist vorgelegt wird (§ 20 Abs. 12 Satz 3 IfSG). Im Umkehrschluss heißt dies, dass auch ein inhaltlich zweifelhafter Nachweis als vorgelegt gilt (vgl. VG Düsseldorf, B.v. 7.2.2024 – 29 L 3343/23 – juris Rn. 44). Es hat seitens des Gesundheitsamts und auch des Gerichts keine Kontrolle stattzufinden, die über eine Plausibilitätskontrolle hinausgeht. Der Gesetzgeber hat auf die grundsätzliche Integrität ärztlicher Zeugnisse vertrauen wollen. Es ist somit keine Glaubhaftmachung medizinischer Gründe erforderlich. Es steht dem Gericht damit auch nicht zu, zu beurteilen, ob die vom ausstellenden Arzt aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse getroffenen Schlussfolgerungen aus medizinisch-fachlicher Sicht getroffen werden konnten (vgl. VG Regensburg, B.v. 30.8.2024 – RO 5 E 24.1907 – BeckRS 2024, 26059, Rn. 26ff.). Somit steht der Erfüllung der Nachweispflicht nicht entgegen, dass das Gesundheitsamt im vorliegenden Fall die Ausführungen des Arztes Dr. ... nicht für überzeugend hält.
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cc) Es liegt auch kein Fall vor, in dem der Aussagegehalt der vorgelegten ärztlichen Zeugnisse durch die Begleitumstände seiner Vorlage erschüttert wäre (vgl. hierzu SächsOVG, B.v. 5.5.21 – 3 B 411/20 – juris Rn. 21ff.). Derart starke Anhaltspunkte, die den Beweiswert der vorgelegten Bescheinigungen erschüttern würden, sind nicht gegeben. Der Umstand, dass dem Landratsamt im Laufe der Zeit in mehreren Fällen Atteste des Arztes Dr. ... zum Vorliegen einer medizinischen Kontraindikation vorgelegt wurden, die das Gesundheitsamt des Beklagten als nicht plausibel ansah, reicht hierfür nicht aus.
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Die Kläger haben in der mündlichen Verhandlung plausibel ausgeführt, was sie dazu veranlasst hat, ihre Kinder bei Dr. ... in ... vorzustellen und sie von diesem auf ihre Impffähigkeit untersuchen zu lassen. Es liegen für das Gericht keine belastbaren Indizien dafür vor, dass es sich bei den vorgelegten Attesten um adhoc ausgestellte reine Gefälligkeitsatteste handelt. Die Kläger gaben in der mündlichen Verhandlung auch an, Dr. ... habe ihnen mitgeteilt, dass vor Ausstellung der Atteste noch eine medizinische Überprüfung der gewonnenen Erkenntnisse stattfinden müsse. Die Atteste für ihre Kinder seien ihnen erst einige Zeit nach der Untersuchung postalisch zugesandt worden.
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c) Folglich wurde die Möglichkeit der Anordnung nach § 20 Abs. 12 Satz 1 IfSG durch die Aufforderung mit Schreiben vom 25. Januar 2024 bereits „verbraucht“. Eine erneute Aufforderung zur Nachweisvorlage durch die hier streitgegenständlichen Bescheide durfte deshalb nicht mehr erfolgen. Der Beklagte ist in diesen Fällen auf die ihm in § 20 Abs. 12 Satz 2 IfSG eröffneten Möglichkeiten, insbesondere die Anordnung einer amtsärztlichen Untersuchung, zu verweisen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beklagte hat als Unterlegener die Kosten der Verfahren zu tragen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 i.V.m. § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).