Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 18.11.2024 – Au 9 K 23.1714
Titel:

Hygieneanforderungen an Lebensmittelunternehmer mit Tätigkeiten auf Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen

Normenketten:
LFGB § 39 Abs. 1
LMHV § 3 Abs. 1
VO (EG) 852/2004 Art. 4 Abs. 2, Anhang II Kapitel 5 Nr. 1
VO (EU) 2017/625 Art. 138 Abs. 1 lit. b
VO (EG) 178/2002 Art. 14 Abs. 5
VwZVG Art. 29, Art. 31
Leitsätze:
1. Bei der Untersagung der Wiederverwendung von Einwegbackformen bzw. der Wiederverwendung von Mehrwegbackformen ohne vorherige Reinigung handelt es sich um einen solchen Dauerverwaltungsakt, so dass die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich ist. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Betriebspraxis der mehrfachen Befüllung von Einweg-Aluminiumbackformen sowie der Mehrfachbefüllung von Mehrwegbackformen jeweils ohne durchgeführte Zwischenreinigung verstößt gegen unionsrechtliche Hygienevorschriften. (Rn. 30 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Lebensmittel können auch ohne stoffliche Beeinflussung ungeeignet zum Verzehr sein, wenn im Umgang damit hygienische Mindestanforderungen missachtet wurden, sodass das Erzeugnis ohne äußerlich erkennbare Veränderung Ekel oder Widerwillen bei einem normal empfindlichen Verbraucher auslösen würde, wenn er von bestimmten Herstellungs- oder Behandlungsverfahren Kenntnis hätte. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
4. Zwar ist für die Erfüllung der mit einer Zwangsgeldandrohung durchzusetzenden Verpflichtung im Grunde eine Frist zu bestimmen. Allerdings gilt dies unmittelbar nur für die Durchsetzung von Handlungs- nicht aber von Duldungs- oder Unterlassungspflichten. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Fleischverarbeitender Betrieb, lebensmittelrechtliche Anordnung, Mehrfachverwendung von Einweg- bzw. Mehrwegbackformen für Leberkäse ohne Vorreinigung, gute fachliche Praxis, hygienerechtliche Anforderungen in der Fleischverarbeitung, Zwangsgeld, Einwegformen, Mehrwegformen, fleischverarbeitender Betrieb, Betriebskontrolle, Leberkäsebackformen, Lebensmittelhygiene, Unterlassungspflicht, Zwangsgeldandrohung, Frist
Fundstelle:
BeckRS 2024, 50124

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die ihr von der Beklagten auferlegten Verpflichtungen, Einwegformen zur Herstellung von Leberkäse nicht mehrfach zu verwenden und Mehrwegformen nur nach vorheriger ordnungsgemäßer Reinigung wieder zu befüllen sowie gegen zwei Zwangsgeldandrohungen in Höhe von insgesamt 2.500,00 EUR.
2
Die Klägerin ist ein fleischverarbeitender Betrieb im Stadtgebiet der Beklagten.
3
Bei einer Betriebskontrolle durch das Veterinäramt am 6. Oktober 2022 wurde erstmalig festgestellt, dass die Klägerin Einweg- und Mehrwegkastenformen für die Herstellung von Leberkäse mehrfach ohne Reinigung wiederverwendet hat. Die ungereinigten Backformen waren ineinander gestapelt worden. Diese Handhabung wurde in späteren Lebensmittelkontrollen erneut festgestellt und von der Klägerin als ständige Betriebspraxis beschrieben.
4
Die Herstellerfirma der verwendeten Leberkäsebackformen hat unter dem 2. Mai 2023 erklärt, dass es sich bei dem verwendeten Produkt um ein Einwegprodukt handle. Weiter wurde hinsichtlich der chemischen Beständigkeit darauf hingewiesen, dass sich blankes Aluminium durch Säure, Base und/oder metallhaltige Kombination mit Basen und/oder Luftsauerstoff unter Bildung von Aluminium (III)-Verbindungen auflösen könne.
5
Am 16. Mai 2023 stellte die Beklagte erneut fest, dass Einwegformen mehrfach befüllt wurden.
6
Die Klägerin teilte unter dem 16. Mai 2023 mit, dass die Firma von der praktizierten Handhabe (maximal dreimaliges Verwenden der Formen ohne Zwischenreinigung) nicht abweichen würde. Die mikrobiologischen Untersuchungen seien unauffällig.
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Die Klägerin wurde zu den beabsichtigten Anordnungen mit Schreiben vom 5. Juni 2023 angehört.
8
Am 21. Juli 2023 erfolgte eine fachliche Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zu der mehrfachen Verwendung von Einweg- und Mehrwegbackformen. Nach Kapitel II Art. 4 Abs. 2 i.V.m. Anhang II Kapitel V Nr. 2 Buchst. a) bis c) der VO (EG) Nr. 852/2004 müssten Gegenstände, Armaturen und Ausrüstungen, mit denen Lebensmittel in Berührung kommen, gründlich gereinigt und erforderlichenfalls desinfiziert werden und so gebaut, beschaffen und instandgehalten sein, dass das Risiko einer Kontamination so gering wie möglich sei. Zudem müssten sie mit Ausnahme von Einwegbehältern oder -verpackungen so gebaut, beschaffen und instandgehalten sein, dass sie gereinigt und erforderlichenfalls desinfiziert werden könnten. Des Weiteren dürften Lebensmittel nach § 3 Abs. 1 Lebensmittelhygieneverordnung (LMHV) nur so hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht werden, dass sie bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung nicht ausgesetzt seien. Um diese Bestimmungen bei mehrfacher Verwendung von Behältnissen einzuhalten, sei es aus mikrobiologischer Sicht sowohl bei Einweg- als auch bei Mehrwegbehältnissen zwingend erforderlich, dass nach dem Leeren der Aluschalen keine Lebensmittelreste in den Behältnissen verbleiben, die während der Zeit, in der die Schalen unbenutzt seien, mikrobiologischem Wachstum Vorschub leisten könnten. Eine Zwischenreinigung sei aus fachlicher Sicht unumgänglich, da zumindest ausgetretener Fleischsaft vollständig entfernt werden müsse. Die Lagerung der Schalen bis zur nächsten Benutzung habe unter Bedingungen stattzufinden, die Kontaminationen unterbinden würden. Ein Stapeln ungereinigter Behältnisse führe zum Kontakt der (ungereinigten) Außenseite der oberen Schale mit der inneren Seite der unteren Schale und erfülle die Anforderungen der VO (EG) Nr. 852/2004 nicht. Auch aus diesem Grund sei eine Zwischenreinigung der Aluschalen erforderlich. Eine einmalige mikrobiologische Untersuchung könne nicht als Beleg für eine hygienische Unbedenklichkeit herangezogen werden.
9
Die Klägerin nahm hierzu unter dem 28. Juli 2023 Stellung. Sie legte einen Auszug aus dem von ihr durchgeführten Audit des TÜV ... vor. Der Prüfung lag eine zweimalige Verwendung der A. weg-Backformen für Leberkäse zugrunde. Der Prüfer habe vor Ort festgestellt, dass die Backformen vor der zweiten Verwendung manuell gereinigt würden und der Prozess dem Umgang mit den wiederverwendbaren Backformen für andere Fleischprodukte entsprochen habe. Die Klägerin habe eine Laboranalyse des Aluminiumgehalts im Produkt nach der zweiten Verwendung der Backformen veranlasst. Das Ergebnis deute dabei auf keine relevante Erhöhung des Aluminiumgehalts im Produkt hin. Aus lebensmittelchemischer Sicht sei Aluminium als Lebensmittelkontaktmaterial für Materialien mit hohem PH-Wert (bspw. Laugenbrezen) nicht geeignet. Eine Matrix mit neutralem oder niedrigem PH-Wert (wie bspw. verarbeitetes Fleisch) unterstütze die Migration von Aluminium-Ionen in das Produkt nicht. Es wurde keine Nichtübereinstimmung mit lebensmittelrechtlichen Normen aufgrund des Verfahrens der Klägerin festgestellt.
10
Mit Bescheid der Stadt ... vom 7. September 2023 wurde die Klägerin verpflichtet, ab Bestandskraft des Bescheides, Einwegformen zur Herstellung von Leberkäse nicht mehrfach zu verwenden (Nr. 1 des Bescheids). Nr. 2 des Bescheids verpflichtet die Klägerin weiter dazu, Mehrwegformen für die Herstellung von Leberkäse, eine Woche nach Bestandskraft des Bescheides nur nach vorheriger ordnungsgemäßer Reinigung wieder zu befüllen. Für den Fall von Zuwiderhandlungen gegen die Nr. 1 wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 1.500,00 EUR, für Zuwiderhandlungen gegen die Verpflichtung in Nr. 2 ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,00 EUR zur Zahlung angedroht. Die unter Nr. 3 verfügte Handlungsverpflichtung ist nicht Gegenstand der Klage.
11
Zur Begründung des Bescheids ist ausgeführt, Rechtsgrundlage für die Anordnungen unter den Nrn. 1 bis 3 sei § 39 Abs. 1 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) i.V.m. Art. 138 Abs. 1 Buchst. b) der VO (EU) 2017/625 des Europäischen Parlaments und des Rates. Nach § 39 Abs. 1 LFGB würden die für die Überwachung von Lebensmitteln, Futtermitteln und Bedarfsgegenständen zuständigen Behörden die Maßnahmen treffen, die nach den Art. 137 und 138 der VO (EU) 2017/625 zur Überwachung der Einhaltung der Vorschriften des LFGB erforderlich seien. Bei festgestellten Verstößen würden die zuständigen Behörden geeignete Maßnahmen ergreifen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beende und erneute Verstöße dieser Art verhindere. Diese Voraussetzungen lägen im Hinblick auf die mehrfache Verwendung von Einwegformen und der Verwendung von Mehrwegformen ohne die erforderliche Reinigung vor. Diese Praxis verstoße gegen Art. 4 Abs. 2 der VO (EG) 852/2004 i.V.m. Anhang II Kapitel 5 Nr. 1 Buchst. a) bis c) der VO (EG) 852/2004. Demnach müssten Gegenstände, Armaturen und Ausrüstungen, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, gründlich gereinigt und erforderlichenfalls desinfiziert werden. Die Reinigung und die Desinfektion müsse so häufig erfolgen, dass kein Kontaminationsrisiko bestehe, ferner müssten sie so gebaut, beschaffen und instandgehalten sein, dass das Risiko einer Kontamination so gering wie möglich sei. Im vorliegenden Fall würden Aluminiumschalen, die vom Hersteller als Einwegbehältnisse in Verkehr gebracht würden, von der Klägerin bis zu dreimal ohne Zwischenreinigung zum Backen von Leberkäse verwendet. Zur Lagerung würden die Schalen ineinander gestapelt. Um die Bestimmungen bei Verwendung von Behältnissen einzuhalten, sei es aus mikrobiologischer Sicht dringend erforderlich, dass nach dem Leeren der Aluminiumschalen keine Lebensmittelreste in den Behältnissen verblieben, die während der Zeit, in der die Schalen unbenutzt seien, mikrobiologischem Wachstum Vorschub leisten könnten. Eine Zwischenreinigung sei daher aus fachlicher Sicht unumgänglich, da zumindest ausgetretener Fleischsaft vollständig entfernt werden müsse. Die Lagerung der Schalen bis zur nächsten Benutzung habe unter Bedingungen stattzufinden, die eine Kontamination unterbinden würden. Ein Stapeln ungereinigter Behältnisse führe zum Kontakt der (ungereinigten) Außenseite der oberen Schale mit der Innenseite der unteren Schale und erfülle damit die Anforderungen der VO (EG) 852/2004 nicht. Auch aus diesem Grund sei eine Zwischenreinigung der Backformen erforderlich. Eine einmalige mikrobiologische Untersuchung könne nicht als Beleg für eine hygienische Unbedenklichkeit herangezogen werden, sondern es sei im Rahmen des bestehenden HACCP-Systems eine entsprechende Vorgehensweise zu etablieren und zu dokumentieren, die den lebensmittelrechtlichen Anforderungen gerecht werde. Zudem setze eine Mehrfachnutzung von Einwegaluminiumschalen eine grundsätzliche Reinigungsfähigkeit des verwendeten Materials voraus. Dass dies gefahrlos möglich sei, habe der Lebensmittelhersteller nachzuweisen. Diesen Nachweis habe die Klägerin bislang nicht führen können. An der fachlichen Einschätzung des Veterinäramts und des LGL ändere auch das vorgelegte Audit des TÜV ... nichts. Das Audit widerspreche bereits der durch die Klägerin gegenüber dem Veterinäramt dargelegten Vorgehensweise. Nach der Erklärung vom 16. Mai 2023 erfolge ein dreimaliges Wiederverwenden der Backformen. Aus Sicht des Veterinäramts könne bei mehrmaliger Verwendung der Einwegformen, d.h. wiederholte mechanische Beanspruchung durch Stürzen und Handhabung der Formen in Kombination mit dem wiederholten Backprozess, das Herauslösen von Aluminium aus den Einwegbackformen begünstigt und ein übermäßiger Übergang auf das Lebensmittel nicht sicher vermieden werden. Eine aussagekräftige Untersuchung auf Rückstände von Aluminium im Lebensmittel habe nicht stattgefunden. Würden bei der gewerbsmäßigen Herstellung von Lebensmitteln Gegenstände ungeachtet der Spezifikation des Herstellers verwendet, so liege die Verantwortung bei dem Verwender der Gegenstände/Materialien. Dieser sei als Lebensmittelunternehmer dazu verpflichtet, dass durch eine zweckwidrige Nutzung/Verwendung Lebensmittel nicht i.S.d. Art. 14 Abs. 5 der VO (EG) 178/2002 durch Fremdstoffe kontaminiert würden. Die Klägerin habe somit schlüssig und zweifelsfrei zu belegen, dass keine unvertretbare Kontamination des Lebensmittels durch den Mehrfachgebrauch der Einweggegenstände stattfinde. Dieser Nachweis könne durch die Klägerin nicht erbracht werden. Eine mehrfache Verwendung von Einwegkastenformen sei daher unzulässig, da ein Aluminiumeintrag in das Produkt bei zweimaliger Verwendung nicht auszuschließen sei. Die Beklagte ergreife als zuständige Behörde die geeigneten Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass die Klägerin den Verstoß beende und dass erneute Verstöße dieser Art verhindert würden. Der Beklagten stehe lediglich ein Auswahlermessen zu, welches sie pflichtgemäß ausübe. Die Maßnahmen seien geeignet, die festgestellten Verstöße zu verhindern. Mildere Mittel seien nicht ersichtlich, um den durch die VO (EG) 852/2004 bezweckten Gesundheitsschutz der Verbraucher zu erreichen. Auf eine Reinigung der Backformen könne nicht verzichtet werden. Die Anordnung sei angemessen und verhältnismäßig im engeren Sinne. Die Androhung der Zwangsmittel stütze sich auf Art. 29 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Art. 31 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG). Da die Klägerin sich bisher beharrlich weigere, die mehrfach angemahnten Mängel in der Betriebshygiene abzustellen, erscheine die Androhung eines Zwangsgelds erforderlich, um die Klägerin zur Einhaltung der getroffenen Anordnungen anzuhalten.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids vom 7. September 2023 wird ergänzend verwiesen.
13
Die Klägerin hat gegen den Bescheid mit Schriftsatz vom 11. Oktober 2023 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und hat zuletzt beantragt,
14
Der Verpflichtungsbescheid der Beklagten vom 7. September 2023, zugestellt am 13. September 2023, wird hinsichtlich seiner Ziffern 1, 2, 7 und 8 aufgehoben.
15
Zur Begründung der Klage ist mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2023 ausgeführt, dass die Klägerin neben anderen Produkten seit langer Zeit traditionellen bayerischen Leberkäse herstelle. Das Produkt sei auch zum Weiterbacken durch den Endkunden ausgelegt. Die Produktion erfolge derart, dass die Fleischmasse in metallene Formen (Backformen) eingefüllt und im unmittelbarem Anschluss einem Vorbackvorgang in speziellen Öfen über mehrere Stunden zugeführt werde. Nach dem Backvorgang würden die Formen von sichtbar groben Resten befreit werden. Sodann würden sie mit einer eigens dafür vorgesehenen Spritzpistole mit einem Trennfett für den Backvorgang flächig präpariert. Bei dem seltenen Fall grob anhaftenden Restmaterials werde die Backform aussortiert. Dieser Backvorgang werde je nach Bauart der Backform drei- bis viermal wiederholt. Es handle sich um einen einheitlichen sukzessiven Produktionsvorgang, der nach drei bis vier Durchläufen beendet sei. Anschließend würden die dickwandigen Backformen in einer Spülmaschine gespült und die dünnwandigen Backformen würden entsorgt. Die bei Beginn des Backvorgangs vollständig keimfreien Backformen würden bei hohen Temperaturen von annähernd 100°C mehrere Stunden mit dem Produkt gebacken, sodass sowohl die Innen- als auch die Außenflächen mikrobiologisch und hygienisch völlig sauber seien. Dies gelte auch für den etwaigen „Fleischsaft“, der ebenfalls denselben Temperaturen ausgesetzt sei. Im weiteren Verlauf des Umstürzens, des Spülens und Neubefüllens der Formen gebe es keine Eintragungsmöglichkeiten für etwaige Keime. Stark restbehaftete Formen würden entweder sofort entsorgt oder aussortiert. Hygienisch sei dies unbedenklich. Auch habe das von der Klägerin durchgeführte Audit des Produktionsprozesses durch den TÜV ... keine mikrobiologischen oder hygienischen Risiken ergeben. Aluminium sei in der Lebensmittelherstellung kein verbotener Stoff. Auch die dünnwandigen Aluminiumbackformen verfügten über eine Konformitätserklärung zur Nutzung für Lebensmittel. In dieser stehe kein Wort, wonach der Bedarfsgegenstand nur einmal genutzt werden dürfe. Sofern in der Konformitätserklärung stehe, der Aluminiumartikel sei als Einwegverpackung konzipiert, so stelle dies keine Aussage über seine tatsächlich lebensmittelrechtlich mögliche Einsatzfähigkeit (Zweckbestimmung) dar. Der Bedarfsgegenstand könne durchaus mehrfacher Nutzung und Temperaturexposition unterworfen werden, ohne dass nachteilige Beeinflussungen eines Lebensmittels oder der Umwelt befürchtet werden müssen. Die von der Klägerin vorgenommene Widmung sei nicht zu beanstanden. Der von der Beklagten getätigte Vorwurf des Verstoßes gegen das Gebot aus Art. 4 Abs. 2 VO (EG) 852/2004 habe nicht stattgefunden. Insofern sei die Verpflichtung der Klägerin, keine Einwegformen zur Herstellung von Leberkäse bei mehrfacher Verwendung zu nutzen, rechtswidrig. Bei dem einheitlichen Backdurchgang von drei- bis vierfach sukzessiver Nutzung der dünnwandigen Aluminiumbackformen bestehe kein mikrobiologisches Kontaminationsrisiko. Daher sei auch eine auf der Vorschrift des Anh. II Kap. 5 Nr. 1 Lit. a) VO (EG) 852/2004 fußende Anordnung bezüglich Einwegformen rechtswidrig. Auch ein toxikologisches Kontaminationsrisiko sei bei der praktizierten Verwendung der Backformen durch die Klägerin nicht zu besorgen. Die dünnwandigen Aluminiumbackformen könnten darüber hinaus auch gefahrlos gereinigt werden. Dass diese nach dem einheitlichen Produktionslauf nicht gereinigt würden, liege an der unternehmerischen Entscheidung, dies aus arbeitstechnischen Gründen nicht zu tun. Auch habe der von der Beklagten der Klägerin vorgeworfene Verstoß gegen das Gebot aus Art. 4 Abs. 2 VO (EG) 852/2004 i.V.m. Anh. II Kap. 5 Nr. 1 Lit. a) bis c) auch im Hinblick auf die Mehrwegformen (dickwandige Backformen) nicht stattgefunden. Die Ausführungen zu den dünnwandigen Backformen würden auch für die dickwandigen Backformen gelten. Eine rechtliche Grundlage für die Anordnung in Nr. 2 des angegriffenen Bescheids bestehe nicht. Sie sei ebenfalls rechtswidrig und aufzuheben. Die Zwangsgeldandrohungen in Nr. 4 und 5 des Bescheids hätten demnach auch keinen Bestand.
16
Auf die weiteren Ausführungen im Klagebegründungsschriftsatz vom 7. Dezember 2023 wird ergänzend verwiesen.
17
Der mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2023 zunächst gestellte Antrag, die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Anhörungsverfahren für notwendig zu erklären, wurde in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin nicht weiterverfolgt.
18
Die Beklagte ist der Klage mit Schriftsatz vom 16. Februar 2024 entgegengetreten und hat in der mündlichen Verhandlung beantragt, die Klage abzuweisen. Die zulässige Anfechtungsklage sei unbegründet. Der Vortrag der Klägerin führe zu keiner anderen rechtlichen Bewertung als in dem mit der Klage angegriffenen Bescheid. Es handle sich nicht um gute fachliche Praxis, die Einhaltung der erforderlichen Hygienemaßnahmen, wie sie in vergleichbaren Betrieben angewendet würden, zu unterlassen. Eine Reinigung von Mehrfachformen entspreche der gängigen fachlichen Praxis. Nicht nachvollziehbar und widersprüchlich sei der geschilderte Produktionsprozess. Nach den örtlichen Feststellungen würden die Backformen für Leberkäse zwischen den einzelnen Backvorgängen ungereinigt und ineinander gestapelt bis zur Wiederverwendung gelagert. Es finde gerade keine sofortige Vereinzelung statt, eine Reinigung von Mehrwegformen finde nur wöchentlich statt. Demzufolge sei auch das Audit des TÜV ... ungeeignet, um die lebensmittelrechtliche Unbedenklichkeit des Produktionsprozesses zu belegen. Der Auditor gehe von einer lediglich zweimaligen Verwendung inkl. manueller Zwischenreinigung aus. Das durchgeführte Audit beziehe sich damit auf einen hypothetischen Produktionsprozess. Keine Beweiskraft zur lebensmittelrechtlichen Unbedenklichkeit habe auch das von der Klägerin vorgelegte Gutachten vom 15. Mai 2023. Die Probe sei einem Leberkäse aus einer Originalverpackung, Kunststoffverpackung, vakuumiert, entnommen worden. Der im anwaltlichen Vortrag dargelegte Produktionsablauf entspreche nicht den tatsächlichen Umständen, da erst am 27. November 2023 eine schimmelähnliche Verunreinigung der Mehrwegbackformen bei einer Kontrolle festgestellt worden sei. Bei der Kontrolle am 15. November 2023 seien mehrfache Verunreinigungen im Leberkäsezubereitungsraum festgestellt worden. Im Kühlraum seien befüllte Leberkäseformen vorgefunden worden, obwohl die Klägerin angeblich einen durchgängigen Backprozess anwende. Der klägerische Vortrag missachte die Vorgaben des Art. 14 Abs. 1 i.V.m. mit Abs. 2 Buchst. b) der Verordnung (EG) 178/2002 und des § 3 Abs. 1 i.V.m. § 2 Nr. 1 LMHV. Danach dürften Lebensmittel nur so hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht werden, dass sie bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt der Gefahr einer nachteiligen Beeinflussung nicht ausgesetzt seien. Einer tatsächlichen Gesundheitsgefahr oder einer Veränderung der Beschaffenheit des Lebensmittels bedürfe es nicht. Ein Lebensmittel könne demnach auch ohne stoffliche Beeinflussung ungeeignet zum Verzehr sein, wenn im Umgang damit hygienische Mindestanforderungen missachtet würden. Hierbei sei ein objektiver Maßstab anzuwenden, sodass ein Lebensmittel ungeeignet zum Verzehr sei, wenn kein vernünftiger Verbraucher bei Kenntnis der Umstände des Umgangs mit dem Lebensmittel im Herstellungs-, Verarbeitungs- oder Vertriebsverlaufs dieses verzehren würde.
19
Auf die weiteren Ausführungen im Klageerwiderungsschriftsatz vom 16. Februar 2024 wird ergänzend verwiesen.
20
Die Klägerin hat ihr Vorbringen mit Schriftsatz vom 4. März 2024 ergänzt und vertieft. Sie hat insbesondere darauf hingewiesen, dass Lebensmittelunternehmen im Rahmen der rechtlich normierten Lebensmittelsicherheit nicht im Reinraum unter Bedingungen eines aseptischen Operationsumfelds produzierten. Der Betrieb der Klägerin verfolge bezüglich der Hygieneanforderungen ein zertifiziertes HACCP-Konzept, das planmäßig erfüllt und durch beständige innerbetriebliche und amtliche Kontrollen gelebt werde. Auf den Schriftsatz vom 4. März 2024 wird ergänzend verwiesen.
21
Am 18. November 2024 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf das hierüber gefertigte Protokoll verwiesen.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Bescheid der Beklagten vom 7. September 2023 ist, soweit er mit der Klage angegriffen worden ist rechtmäßig und nicht geeignet, die Klägerin in ihren Rechten zu verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
24
1. Die in den Nrn. 1 und 2 der streitgegenständlichen Anordnung der Beklagten vom 7. September 2023 ausgesprochenen Untersagung, Einwegformen zur Herstellung von Leberkäse nicht mehrfach zu verwenden (Nr. 1 des Bescheids) und die weitergehende Verpflichtung der Klägerin in Nr. 2, Mehrwegformen für die Herstellung von Leberkäse nur nach vorheriger ordnungsgemäßer Reinigung erneut zu befüllen, ist rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB i.V.m. Art. 138 der Verordnung VO (EU) 2017/625. Nach Art. 138 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) VO (EU) 2017/625 ergreifen die zuständigen Behörden, wenn ein Verstoß festgestellt wird, geeignete Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass der betreffende Unternehmer den Verstoß beendet und dass er erneute Verstöße dieser Art verhindert. Wenn die zuständigen Behörden hiernach tätig werden, ergreifen sie alle gem. Art. 138 Abs. 2 VO (EU) 2017/625 ihnen geeignet erscheinende Maßnahmen, um die Einhaltung der Vorschriften gem. Art. 1 Abs. 2 VO (EU) 2017/625 zu gewährleisten. Hierzu gehören die unter Art. 138 Abs. 2 VO (EU) 2017/625 genannten Maßnahmen. Nach Art. 138 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) 2017/625 berücksichtigen die zuständigen Behörden bei ihrer Entscheidung über die zu ergreifenden Maßnahmen die Art des Verstoßes und das bisherige Verhalten des betreffenden Unternehmers in Bezug auf die Einhaltung der Vorschriften.
25
a) Der sachliche Anwendungsbereich der VO (EU) 2017/625 ist vorliegend eröffnet, denn die von der Beklagten ausgesprochene Anordnung stellt eine „andere amtliche Tätigkeit“ (Art. 2 Abs. 2 VO (EU) 2017/25) dar, mit der die Einhaltung der Vorschriften überprüft werden soll, die entweder auf Unionsebene oder von den Mitgliedsstaaten zur Anwendung von Unionsrecht im Bereich Lebensmittel (vgl. Art. 2 VO (EG) 178/2002 i.V.m. Art. 3 Nr. 12 VO (EU) 2017/625) und Lebensmittelsicherheit erlassen wurden. Hierzu zählen etwa Art. 4 Abs. 2 VO (EG) 852/2004 i.V.m. mit deren Anhang II (hier insbesondere Kapitel V) und § 3 Satz 1 der Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Lebensmitteln (Lebensmittelhygiene-Verordnung – LMHV). Dabei dient die nationalrechtliche Lebensmittelhygiene-Verordnung der Regelung spezifischer lebensmittelhygienischer Fragen sowie der Umsetzung und Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene (vgl. § 1 LMHV).
26
b) Bei der Klägerin handelt es sich auch um eine Unternehmerin i.S.d. Art. 138 Abs. 1 Buchst. b) VO (EU) 2017/625. Unternehmer sind demnach alle natürlichen oder juristischen Personen, für die eine oder mehrere Pflichten nach den Vorschriften gem. Art. 1 Abs. 2 VO (EU) 2017/625 gelten. Für die Klägerin gilt insbesondere die Verpflichtung aus Art. 4 Abs. 2 VO (EG) Nr. 852/2004, da sie als juristische Person (GmbH) Lebensmittelunternehmerin im Sinne der Verordnung ist. Sie ist dafür verantwortlich, dass die Anforderungen des Lebensmittelrechts in dem ihrer Kontrolle unterstehenden Lebensmittelunternehmen erfüllt werden (vgl. Art. 3 Nr. 3 VO (EG) 178/2002 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 VO (EG) 852/2004).
27
c) Nach Auffassung der Kammer sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 138 Abs. 1 u. Abs. 2 VO (EU) 2017/625 für ein Tätigwerden der Beklagten gegeben. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegen hygienerechtlich beachtliche Verstöße i.S.d. Art. 138 Abs. 1 Satz 1 VO (EU) 2017/625 vor, die ein behördliches Einschreiten der zuständigen Behörde rechtfertigen.
28
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der ausgesprochenen Untersagungsverfügung ist der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, sodass auch die nach Bescheidserlass am 14. Februar 2024 erneut festgestellten Verstöße, gerichtliche Berücksichtigung finden können. Grundsätzlich ist für eine Anfechtungsklage i.S.d. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich. Bei der Beurteilung von Dauerverwaltungsakten ist aber die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung jedenfalls dann zu berücksichtigen, wenn das materielle Recht nicht die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts bestimmt (BVerwG, U.v. 11.7.2011 – 8 C 12.10 – juris). Bei der Untersagung der Wiederverwendung von Einwegbackformen bzw. der Wiederverwendung von Mehrwegbackformen ohne vorherige Reinigung handelt es sich um einen solchen Dauerverwaltungsakt. Die Bestimmung eines anderen maßgeblichen Zeitpunkts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dem Lebensmittelrecht nicht zu entnehmen.
29
Das Veterinäramt der Beklagten hat bei Betriebskontrollen am 6. Oktober 2022 sowie am 16. Mai 2023 festgestellt, dass die Klägerin wiederholt Aluminiumeinwegformen bis zu dreimal ohne Reinigung befüllt und wiederverwendet sowie Mehrfachbackformen ebenfalls ungereinigt erneut mit Fleischbrät füllt und ohne vorherige Reinigung verwendet. Bei einer erneuten lebensmittelrechtlichen Kontrolle des Veterinäramts der Beklagten nach Bescheidserlass am 14. Februar 2024 wurde die vorbezeichnete Praxis der Klägerin in Bezug auf Einweg- bzw. Mehrwegbackformen erneut festgestellt und beanstandet. Die Klägerin hat mehrfach mitgeteilt, dass sie von dieser betrieblichen Praxis der mehrfachen Verwendung ohne Reinigung nicht abweichen werde und diese auch in Zukunft weiter so praktizieren werde. Auch die bei der Lebensmittelüberwachung im Betrieb der Klägerin vom 14. Februar 2024 weiteren festgestellten und in der Behördenakte dokumentierten Umstände bei der Lebensmittelproduktion sprechen nicht für einen besonders sorgsamen Umgang mit hygienerechtlichen Vorgaben.
30
Die Kammer ist der Auffassung, dass die Klägerin mit der von ihr angewandten Betriebspraxis der mehrfachen (bis zu dreimaligen) Befüllung von Einweg-Aluminiumbackformen sowie der Mehrfachbefüllung von Mehrwegbackformen jeweils ohne durchgeführte Zwischenreinigung gegen unionsrechtliche Hygienevorschriften verstößt. Zum einen sind die verwendeten Einwegbackformen aus Aluminium gemäß der Konformitätserklärung der Fa. ... vom 2. Mai 2023 (vgl. Behördenakte Teil 1, Bl. 8) als Einwegverpackungen konzipiert und nicht für eine mehrfache Befüllung mit Fleischbrät zum Aufbacken von Leberkäse entwickelt bzw. gedacht. Auch die Klägerin geht aufgrund ihrer Erklärung in der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2024 davon aus, dass eine Reinigung der dünnwandigen Backformen aus Aluminium bereits aus technischen Gründen ausscheidet. Hinzukommt, dass nach Durchführung der jeweiligen Backvorgänge insbesondere hinsichtlich der verwendeten Aluminiumeinwegbackformen keine Vereinzelung und separate Lagerung stattfindet, sondern die verwendeten Backformen bis zur Wiederbefüllung verunreinigt (durch Fleischreste bzw. verbliebenen Fleischsaft) gestapelt werden (vgl. hierzu die Bilddokumentation des Kontrollberichts der Lebensmittelüberwachung vom 23. Mai 2023; Behördenakte Teil 1, Bl. 19). Ebenfalls hat der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass eine unmittelbare Wiederverwendung der Formen nach Durchführung eines Backvorgangs aufgrund erforderlicher Schichtwechsel im Betrieb nicht durchgängig sichergestellt werden kann, sodass es auch vorkomme, dass die verunreinigten Backformen erneut gefüllt mit Leberkäsebrät in Kühlräumen lagerten, um später dem eigentlichen Backvorgang zugeführt zu werden. Insoweit kommt es nach Auffassung der Kammer auch zu einem längeren Kontakt des frisch eingefüllten Fleischbräts mit den vom vormaligen Backvorgang verunreinigten Backformen. Die Lichtbilddokumentation in der Behördenakte belegt eindrücklich, in welchem Zustand der Verunreinigung sich die später wiederverwendeten Einweg- bzw. Mehrwegbackformen befinden (vgl. insbesondere Behördenakte Teil 2, Bl. 64). Bei der angewendeten Betriebspraxis kommt das neu eingefüllte Fleischbrät zwangsläufig mit den Restablagerungen in den bereits verwendeten Backformen in Kontakt. Dieser Vorgang kann hygienerechtlich betrachtet nicht hingenommen werden. Dabei ist es unerheblich, dass, wie die Klägerin vorträgt, bei einer äußeren Backtemperatur von 110°C und einer Kerntemperatur des Fleischbräts von 72°C das Endprodukt mikrobiologisch unauffällig ist und auch der von der Klägerin veranlasste Bericht des TÜV ... (Behördenakte Teil 1, Bl. 41 ff.) nach einer durchgeführten Laboranalyse der Endprodukte nach zweimaliger Verwendung der Backformen keine relevante Erhöhung des Aluminiumgehalts schließen lässt.
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Daneben widerspricht die Betriebspraxis der Klägerin der mehrfachen Befüllung von Einweg- und Mehrwegbackformen bis zu sechsmal pro Woche und einer Reinigung der Mehrwegbackformen erst am Ende einer Betriebswoche (ohne Zwischenreinigung) den Vorgaben des Art. 4 Abs. 2 VO (EG) 852/2004 i.V.m. Anhang II Kapitel V Nr. 1, Buchst. a). Gemäß Art. 4 Abs. 2 VO (EG) 852/2004 haben Lebensmittelunternehmer, die auf Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln tätig sind, die den Arbeitsgängen gem. Abs. 1 nachgeordnet sind, die allgemeinen Hygienevorschriften gem. Anhang II sowie etwaige spezielle Anforderungen der Verordnung (EG) 853/2004 zu erfüllen. Gemäß Anhang II Kapitel V „Vorschriften für Ausrüstungen“ müssen nach Nr. 1 Gegenstände, Armaturen und Ausrüstungen, mit denen Lebensmittel in Berührung kommen, nach Buchst. a) gründlich gereinigt und erforderlichenfalls desinfiziert werden. Die Reinigung und die Desinfektion muss dabei so häufig erfolgen, dass kein Kontaminationsrisiko besteht.
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Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) (Stellungnahme von 21. Juli 2023, Behördenakte Teil 1, Bl. 34 ff.) hat zur Einhaltung der vorbezeichneten Bestimmungen bei mehrfacher Verwendung von Behältnissen ausgeführt, dass es aus mikrobiologischer Sicht zwingend erforderlich sei, dass nach dem Leeren der Aluschalen keine Lebensmittelreste in den Behältnissen verbleiben, die während der Zeit, in der die Schalen unbenutzt seien, mikrobiologischem Wachstum Vorschub leisten könnten. Eine Zwischenreinigung sei aus fachlicher Sicht unumgänglich, da zumindest ausgetretener Fleischsaft vollständig entfernt werden müsse. Die Lagerung der Schalen bis zur nächsten Benutzung habe unter Bedingungen stattzufinden, die Kontaminationen unterbinden. Ein Stapeln ungereinigter Behältnisse führe zum Kontakt der „ungereinigten“ Außenseite der Oberschale mit der Innenseite der unteren Schale und erfülle die Anforderungen der VO (EG) 852/2004 nicht. Eine Zwischenreinigung der Aluschalen sei zwingend erforderlich. Die Kammer schließt sich dieser fachlichen Einschätzung des LGL uneingeschränkt an. Dies insbesondere vor dem Hintergrund der in der Behörden- und Gerichtsakte dokumentierten Verunreinigungen der verwendeten Behältnisse nach den Backvorgängen und der teilweisen Lagerung erneut mit Fleischbrät gefüllter Backformen im Kühlraum bis zum nächsten Backvorgang. Ein Entsorgen der Einweg-Backformen erst am Ende einer Betriebswoche genügt den maßgeblichen unionsrechtlichen Hygienemaßstäben nicht. Gleiches gilt für die verwendeten Mehrfachbackformen, die ebenfalls erst am Ende einer Betriebswoche einer endgültigen Reinigung zugeführt werden. Nach den Aussagen der Klägerin findet auch hier eine Zwischenreinigung der Backformen zwischen den einzelnen Backvorgängen nicht statt. Hygienerechtlich kann dieses Vorgehen der Klägerin nicht akzeptiert und toleriert werden, da es sich nach den Aussagen des LGL bei Fleisch um ein mikrobiologisch anfälliges Produkt handelt. Nicht erforderlich für das Vorliegen eines hygienerechtlichen Verstoßes ist hingegen, dass hiermit eine Gesundheitsgefährdung der Verbraucher verbunden ist. Die gegenüber der Klägerin ausgesprochene Beanstandung knüpft vielmehr ausschließlich an die bei Betriebskontrollen wiederholt festgestellten Zustände und die gängige betriebliche Praxis an.
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Die Kammer ist daher der Auffassung, dass das Vorgehen der Klägerin nicht der guten fachlichen Praxis entspricht. Von einer Einvernahme der im klägerischen Schriftsatz vom 4. März 2024 angebotenen Zeugen bzw. der Einholung eines Sachverständigengutachtens hat die Kammer abgesehen, da insbesondere auch kein diesbezüglicher Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung vom 18. November 2024 gestellt worden ist.
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Ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme, weist die Kammer ergänzend darauf hin, dass Lebensmittel auch ohne stoffliche Beeinflussung ungeeignet zum Verzehr sein können, wenn im Umgang damit hygienische Mindestanforderungen missachtet wurden, sodass das Erzeugnis ohne äußerlich erkennbare Veränderung Ekel oder Widerwillen bei einem normal empfindlichen Verbraucher auslösen würde, wenn er von bestimmten Herstellungs- oder Behandlungsverfahren Kenntnis hätte. Dies gilt insbesondere im Bereich von Produkten, bei denen es dem Verbraucher verwehrt ist, Einblick in das jeweilige Produktionsverfahren zu nehmen. Hierbei ist kein subjektiver Maßstab, sondern ein objektivierter Maßstab dahingehend anzuwenden, dass ein Lebensmittel ungeeignet ist, wenn kein vernünftiger Verbraucher bei Kenntnis der Umstände des Umgangs mit dem Lebensmittel im Herstellungs-, Verarbeitungs- oder Vertriebsverlauf dieses verzehren würde (vgl. VG München, B.v. 6.4.2016 – M 18 S 16.793 – juris Rn. 40; VG Regensburg, B.v. 15.11.2012 – RO 5 K 12.619 – juris Rn. 123; VG Augsburg, U.v. 27.7.2011 – Au 1 K 11.717 – juris Rn. 43 f.).
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Ein vernünftiger Verbraucher würde bei Kenntnis des Zustands der mehrfachverwendeten Backformen ohne die in der Sache gebotene Zwischenreinigung nach Auffassung der Kammer Widerwillen empfinden und vom Endprodukt Abstand nehmen.
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d) Die Beklagte hat auch eine zulässige Rechtsfolge angeordnet. Bei der Ausübung des der Beklagten zustehenden Auswahlermessens hinsichtlich der zu treffenden Maßnahme sind vom Gericht zu berücksichtigende Ermessensfehler (§ 114 Satz 1 VwGO) nicht zu erkennen. Insbesondere ist auch unter Berücksichtigung der Kriterien in Art. 138 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) 2017/625 die äußere Ermessensgrenze der Verhältnismäßigkeit nicht verletzt.
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Legitimes Ziel der ausgesprochenen Untersagung ist die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften und damit letztlich der Verbraucherschutz. Hierzu ist die vom Beklagten getroffene Maßnahme geeignet, da sie sicherstellt, dass für die Einmalverwendung konzipierte Aluminiumbackschalen nach einem einmaligen Backvorgang nicht nochmals befüllt werden und Mehrwegbackformen vor einer erneuten Verwendung nach Abschluss eines Produktionsvorgangs einer Zwischenreinigung unterzogen werden. Die Untersagungen sind auch erforderlich, um das Ziel des Verbraucherschutzes zu erreichen. Andere, weniger belastende, aber gleich geeignete Maßnahmen sind nicht ersichtlich, zumal die Klägerin bzw. deren Geschäftsführer mehrfach erklärt haben, an der praktizierten Betriebspraxis unverändert festhalten zu wollen. Die Anordnung ist schließlich auch angemessen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Aufwand für die Klägerin außer Verhältnis zu dem Schutz der betroffenen Belange der Lebensmittelsicherheit und der Verbraucherinteressen steht, zumal die Beklagte in Umsetzung der Anordnungen lediglich ihre Betriebspraxis für die Zukunft dahingehend ändern muss, dass Aluminiumeinwegformen nach einem Produktionsvorgang entsorgt und mehrfach verwendete Backformen nach jedem Gebrauch einem Reinigungsprozess unterzogen werden.
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2. Soweit der Klageschriftsatz dahingehend zu verstehen ist (§ 88 VwGO), dass sich die Klägerin auch gegen die in Nrn. 4 und 5 des streitgegenständlichen Bescheids ausgesprochenen Zwangsgeldandrohungen wendet und deren Aufhebung begehrt, bleibt die Klage auch insoweit ohne Erfolg. Die Zwangsgeldandrohungen in Nrn.4 und 5 des streitgegenständlichen Bescheids sind ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden.
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Sie finden ihre Rechtsgrundlage in Art. 19 Abs. 1 Nr. 1, Art. 29 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, Art. 31, Art. 36 Abs. 1 und Abs. 5 VwZVG und sind als geeignete und gleichzeitig mildeste Mittel rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere steht die Höhe der angedrohten Zwangsgelder, für welche das wirtschaftliche Interesse der Klägerin maßgeblich ist, mit Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG in Einklang. Auch die übrigen allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen sind vorliegend erfüllt, da die Zwangsgeldandrohungen jeweils an die Bestandskraft der Grundverfügungen in Nrn. 1 und 2 des Bescheids anknüpfen (Art. 19 Abs. 1 Nr. 1 VwZVG). Die Zwangsgelder begegnen schließlich auch hinsichtlich ihrer Bestimmtheit (Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG) keinen Bedenken. Für die von der Klägerin verlangten Handlungen bzw. Unterlassungen wurde jeweils ein gesondertes Zwangsgeld zur Zahlung angedroht. Auch erfolgte keine Androhung der Zwangsgelder auf Vorrat. Die der Klägerin in Nr. 4 und 5 gesetzten Fristen ab Bestandskraft des Bescheids vom 7. September 2023 bleiben gerichtlich unbeanstandet. Nach dem Wortlaut der Regelung in Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG ist für die Erfüllung der mit einer Zwangsgeldandrohung durchzusetzenden Verpflichtung zwar im Grunde eine Frist zu bestimmen. Allerdings gilt dies nach herrschender Auffassung unmittelbar nur für die Durchsetzung von Handlungsnicht aber von Duldungs- oder Unterlassungspflichten (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2013 – 22 CS 13.590 – juris Rn. 14). In solchen Fällen ist eine Fristsetzung nur erforderlich, wenn die Erfüllung der Duldungs- oder Unterlassungspflicht ausnahmsweise weitere Handlungen oder Vorkehrungen nötig macht und daher eine gewisse „Reaktionsfrist“ geboten erscheint. Dies zugrunde gelegt begegnet die geforderte sofortige Erfüllung der Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids ab Bestandskraft und die in Nr. 2 der Klägerin eingeräumte Frist von einer Woche nach Bestandskraft des Bescheids keinen rechtlichen Bedenken. Insbesondere ist die Entsorgung der verwendeten Aluminiumeinwegbackformen nach dem jeweiligen (einmaligen) Produktionsvorgang ohne zeitlichen Vorlauf unschwer möglich. Auch im Übrigen bedarf es zur Umsetzung der von der Beklagten geforderten Maßnahme lediglich einer geänderten Betriebsanweisung.
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3. Da sich die mit der Klage angegriffenen Grundverfügungen als rechtmäßig erweisen, begegnet auch die getroffene Kostenentscheidung in Nrn. 7 und 8 des Bescheids keinen durchgreifenden Bedenken (vgl. Art. 12 Abs. 3 Kostengesetz – KG). Die Klägerin ist als Veranlasserin der Handlung nach Art. 2 Abs. 1 KG kostenpflichtig. Die festgesetzte Gebührenhöhe hält sich noch im unteren Bereich des in Art. 6 Abs. 1 KG i.V.m. Tarifnummer 7.IX.11/5.8 Kostenverzeichnis (KVz) eröffneten Gebührenrahmens von 25,00 EUR bis 10.000,00 EUR und trägt der Bedeutung der Angelegenheit und dem Verwaltungsaufwand ausreichend Rechnung.
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4. Nach allem erweist sich der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 7. September 2023, soweit er mit der Klage angegriffen wurde, als rechtmäßig und war die Klage daher abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).