Inhalt

OLG München, Beschluss v. 23.04.2024 – 4 UF 1318/22 e
Titel:

Bewertung einzelner Positionen im Zugewinnausgleichsverfahren

Normenkette:
BGB § 1361, § 1373, § 1375
Leitsätze:
1. Ein am Bewertungsstichtag bestehender Rückstand wegen Trennungsunterhalt ist als Passivposten im Endvermögen des Unterhaltsschuldners einzustellen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bereits entstandene Verbindlichkeiten sind grundsätzlich auch dann, wenn sie am Stichtag noch nicht fällig sind, als Verbindlichkeiten iSv § 1375 Abs. 1 BGB anzusehen, die das Endvermögen mindern. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ziel der Wertermittlung ist es, den Unternehmenswert mit seinem „vollen, wirklichen“ Wert anzusetzen. Die Auswahl der Methode zur Wertermittlung und ihre Anwendung ist Aufgabe des – sachverständig beratenen – Tatrichters. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
4. Das modifizierte Ertragswertverfahren ist im Regelfall geeignet, um zur Bemessungsgrundlage für den Wert eines Unternehmens zu gelangen. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
5. Mit der Ertragswertmethode wird die Summe aller zukünftigen Erträge des fortgeführten Unternehmens ermittelt, und zwar durch eine Rückschau auf die Erträge des Unternehmens in den letzten Jahren. Auf dieser Grundlage wird eine Prognose zur Ertragslage der nächsten Jahre erstellt. Damit wird das Unternehmen in seiner Gesamtheit bewertet. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zugewinnausgleich, Berücksichtigung rückständigen Trennungsunterhalts, Unternehmensbewertung, Tatrichter, Methodenwahl, modifizierte Ertragswertmethode, Gewinnprognose
Vorinstanz:
AG Kaufbeuren vom 23.11.2022 – 1 F 951/17
Rechtsmittelinstanz:
VerfGH München, Entscheidung vom 11.09.2025 – Vf. 30-VI-24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 50114

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird Ziffer 4. des Teil-Anerkenntnis- und Endbeschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Kaufbeuren vom 23.11.2022 aufgehoben und der Antrag der Antragsgegnerin auf Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung eines Zugewinnausgleichs abgewiesen.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 328.494,68 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Das Amtsgericht Kaufbeuren hat mit Teil-Anerkenntnis- und Endbeschluss vom 23.11.2022 auf den der Antragsgegnerin am 18.12.2017 zugestellten Scheidungsantrag des Antragstellers die am 12.08.2005 geschlossene Ehe geschieden, den Versorgungsausgleich geregelt und den Antragsteller zur Zahlung nachehelichen Unterhalts nebst Kranken- und Pflegeversicherung bis einschließlich 31.12.2022 verpflichtet. Unter Ziffer 4. hat es den Antragsteller verpflichtet, an die Antragsgegnerin einen Zugewinnausgleich in Höhe von 40.153,69 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtskraft des Scheidungsausspruchs zu bezahlen. Im Übrigen hat es den Antrag der Antragsgegnerin abgewiesen. Unter Ziffer 5. hat es die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben.
2
In den Gründen führte das Amtsgericht aus, dass die Antragsgegnerin unstreitig keinen Zugewinn erzielt habe.
3
Beim Anfangsvermögen des Antragstellers, welches es in Höhe von 529.169,12 €, indexiert 626.163,00 €, feststellte, legte es folgende Posten zugrunde:

Einzelunternehmen … – Tankwagenzubehör

829.000,00 €

abzüglich latenter Steuerlast

397.852,00 €

431.148,00 €

Privatanteil Grundstück/Wohnhaus

113.656,00 €

Guthaben Wüstenrot

10.061,80 €

554.865,80 €

Unter Passiva wurde ein Zwischendarlehen in Höhe von

25.696,68 €

in Abzug gebracht.

4
In den Gründen führte das Amtsgericht aus, dass aus dem Gutachten nicht ersichtlich sei, ob das Darlehen betrieblich erfasst ist. Da der Antragsteller die Beweislast für das Anfangsvermögen habe, sei der Abzug zu Gunsten der Antragsgegnerin vorzunehmen.
5
In das Endvermögen des Antragstellers, welches es auf 706.470,38 € berechnete, stellte es folgende Posten ein:

… – … für Tankwagen

463.000,00 €

… – Betriebsverpachtung und Betrieb einer PV-Anlage

246.000,00 €

abzüglich latenter Steuerlast

210.698,00 €

bereinigter Gesamtverkehrswert

498.302,00 €

Privatanteil Grundstück/Wohnhaus

203.500,00 €

PKW Mercedes Benz C 220

33.000,00 €

Bankguthaben

29.107,62 €

Geschäftsanteil Raiffeisenbank

300,00 €

Nach Abzug von Verbindlichkeiten in Höhe von

57.739,24 €

errechnete das Amtsgericht einen Zugewinn in Höhe von

80.307,38 €

und

einen Zugewinnausgleichsanspruch in Höhe von

40.153,69 €

6
Wegen der weiteren Gründe wird auf die Ausführungen in der Entscheidung des Amtsgerichts Kaufbeuren vom 23.11.2022, insbesondere unter Ziffer 4., verwiesen.
7
Gegen die ihm am 23.11.2022 zugestellte Entscheidung des Amtsgerichts wendet sich der Antragsteller mit seiner am 15.12.2022 eingegangenen Beschwerde vom selben Tag, die er auf Ziffer 4. beschränkte und binnen verlängerter Frist mit Schriftsatz vom 23.02.2023 begründete.
8
Er trägt vor, dass bei der Antragsgegnerin ein Endvermögen in Höhe von 9.301,81 € anzusetzen sei. Dessen Ermittlung seien als Aktiva die Forderung auf rückständigen Trennungsunterhalt für den Zeitraum von Juli 2017 bis Dezember 2017 in Höhe von 12.401,88 € und das Bankguthaben laut Saldenbestätigung der Sparkasse … zum 18.12.2017 in Höhe von 1.899,93 € zugrunde zu legen. Von den Aktiva in Höhe von insgesamt 14.301,81 € sei die Bankverbindlichkeit in Höhe von 5.000,00 € laut Darlehensbestätigung vom 31.12.2018 in Abzug zu bringen.
9
Die vom Amtsgericht vorgenommene Indexierung des Anfangsvermögens des Antragstellers sei unzutreffend, da dieses mit falschen Indizes gerechnet habe.
10
Da die Verbindlichkeiten gegenüber der Bausparkasse Wüstenrot vollumfänglich im Unternehmen erfasst wurden, seien diese beim Anfangsvermögen des Antragstellers nicht in Höhe von 25.696,68 € in Abzug zu bringen.
11
Die Verbindlichkeiten im Endvermögen des Antragstellers seien um die Beträge von 13.973,71 € wegen des Erwerbs des PKWs Mercedes und 12.401,88 € wegen der Unterhaltsrückstände zu erhöhen, so dass sich ein Endvermögen des Antragstellers von 680.094,79 € errechne. Da für die Entstehung der Verbindlichkeiten wegen des Kaufs des PKWs Mercedes der Abschluss des Kaufvertrags am 11.12.2017 und nicht die Rechnungsstellung am 19.12.2017 entscheidend sei, sei anstatt des angesetzten Darlehensbetrags in Höhe von 19.026,29 € der vollständige Kaufpreis in Höhe von 33.000,00 €, mithin ein weiterer Betrag von 13.979,71 €, anzusetzen.
12
Unter Berücksichtigung eines indexierten Anfangsvermögens in Höhe von 658.141,40 € und eines Endvermögens in Höhe von 680.094,79 € errechne sich ein Zugewinn des Antragstellers in Höhe von 21.953,39 €. Nach Abzug des Zugewinns der Antragsgegnerin in Höhe von 9.301,81 € verbleibe eine Differenz in Höhe von 12.651,58 €. Der Zugewinnausgleichsanspruch der Antragsgegnerin belaufe sich auf 6.325,79 €. Dieser sei aufgrund der erklärten Aufrechnung mit Gegenansprüchen in Höhe von 9.616,63 € erloschen.
13
Der Antragsteller beantragt die Abänderung von Ziffer 4 und Abweisung des Antrags auf Zahlung von Zugewinnausgleich.
14
Mit Schriftsatz vom 14.12.2022, eingegangen am 16.12.2022, wendet sich die Antragsgegnerin gegen Ziffer 4. der ihr am 25.11.2022 zugestellten Entscheidung des Amtsgerichts.
15
Sie beantragt, Ziffer 4. abzuändern und den Antragsteller zu verpflichten über 40.153,69 € hinaus weitere 244.017,47 €, insgesamt 284.171,16 € nebst Zinsen ab Rechtskraft zu zahlen.
16
Die Antragsgegnerin trägt vor, dass ihre Forderung auf rückständigen Unterhalt in ihrem Endvermögen nicht einzustellen sei, weil sie erst nach dem Stichtag entstanden sei.
17
Das Erstgericht habe das Anfangs- und Endvermögen des Antragstellers nicht korrekt bestimmt, weil es die Vorschrift des § 1374 Abs. 3 BGB hinsichtlich der betrieblichen Verbindlichkeiten nicht berücksichtigt habe. Es sei richtig, dass im Rahmen der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorzüglich die sogenannte (modifizierte) Ertragswertmethode zur Anwendung komme. Es könnten allerdings Korrekturen veranlasst sein.
18
Die Nennwerte der zum Anfangsstichtag vorhandenen betrieblichen Verbindlichkeiten (Bankkreditverbindlichkeit in Höhe von 296.102,80 €, Verbindlichkeit aus Lieferung und Leistung in Höhe von 90.654,55 € und sonstige Verbindlichkeiten in Höhe von 38.712,10 €), bereinigt um die Abschreibungen in Höhe von 31.671,00 €, hätten den betrieblichen Ertrag und damit die Zukunftsprognose nicht beeinflusst. Sie seien über die Höhe des Anfangsvermögens hinaus gemäß § 1374 Abs. 3 BGB von diesem abzuziehen.
19
Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass es sich bei den Verbindlichkeiten in Höhe von 25.696,68 € um dieselben Verbindlichkeiten handle, die in der Bilanz zum 31.12.2005 angegeben sind.
20
Beim Endvermögen des Antragstellers sei der Kaufpreis des PKWs nicht einzustellen. Die Forderung des Autohauses sei nicht mit Vertragsschluss, sondern mit Erstellung der Rechnung am 19.12.2017, mithin nach dem Stichtag, entstanden.
21
Auch die Unterhaltsschuld des Antragstellers sei erst nach dem Stichtag durch die Vereinbarung vom 06.10.2020 im Beschwerdeverfahren (Az.: 4 UF 489/20) entstanden. Ihre Berücksichtigung im Endvermögen des Antragstellers führe auch zu einer Verzögerung des Verfahrens.
22
Bei der Ermittlung des Endvermögens hätten die privaten Verbindlichkeiten bei der Wüstenrot-Bausparkasse wegen des Verbots der Doppelverwertung das Endvermögen nicht mindern dürfen. Die privaten Verbindlichkeiten im Endvermögen belaufen sich daher nicht auf 57.739,24 €, sondern nur auf 43.858,32 €. Weiterhin zu berücksichtigen seien die Verbindlichkeiten des Einzelunternehmens in Höhe von 25.133,64 € zuzüglich der Abschreibungen des Einzelunternehmens im Durchschnitt in Höhe von 7.603,00 Euro.
23
Das Anfangsvermögen errechne sich demgemäß mit 135.370,67 €, indexiert mit 160.183,39 Euro, das Endvermögen belaufe sich auf 702.820,66 Euro, was einem Zugewinn von 542.637,27 € und einem Zugewinnausgleichsanspruch von 271.318,64 € entspreche.
24
Hinsichtlich der zur Aufrechnung gestellten Forderungen sei in Höhe von 1.474,13 € keine Aufrechnung möglich, da diese bereits im Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Kaufbeuren vom 11.05.2018 im Verfahren 3 F 828/17 verrechnet worden sei.
25
Mit am 17.03.2023 eingegangenem Schriftsatz vom 14.03.2023 erhob die Antragsgegnerin Anschlussbeschwerde im Hinblick auf den Scheidungsausspruch, die sie mit Schriftsatz vom 14.03.2024 zurücknahm.
26
Der im Termin vom 19.03.2024 abgeschlossene Vergleich wurde von der Antragsgegnerin widerrufen.
II.
27
Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache Erfolg, die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist unbegründet.
28
Der Zugewinnausgleichsanspruch der Antragsgegnerin in Höhe von 6.325,79 € ist durch die im Beschwerdeverfahren erklärte Aufrechnung des Antragstellers mit unstreitigen Gegenforderungen in Höhe von 9.616,63 € erloschen.
29
Zu den streitigen Positionen im Endvermögen der Antragsgegnerin und im Anfangs- und Endvermögen des Antragstellers ist folgendes auszuführen:
Endvermögen der Antragsgegnerin
30
Neben dem unstreitigen Bankguthaben in Höhe von 1.899,93 € ist die Forderung der Antragsgegnerin wegen rückständigen Trennungsunterhalts für den Zeitraum von Juli 2017 bis Dezember 2017 in Höhe von 12.401,88 € einzustellen.
31
Die der Gesamtforderung zugrunde liegenden einzelnen Forderungen wegen Trennungsunterhalts (§ 1361 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1 und 2 BGB) entstanden nicht erst im Zeitpunkt der Vereinbarung im Beschwerdeverfahren am 06.10.2020 (Az.: 4 UF 489/20) und damit nach dem Stichtag. Der Anspruch auf Trennungsunterhalt gelangt jeweils beim Vorhandensein bestimmter Voraussetzungen zur Entstehung bzw. wird fällig (BGH NJW 2003, 3339). Er entstand im gegenständlichen Verfahren mit der Geltendmachung durch Schriftsatz vom 26.07.2018 durch die anwaltliche Vertreterin der Antragsgegnerin (§§ 1361 Abs. 4 S. 4, 1360 a Abs. 3, 1613 Abs. 1 BGB).
Anfangsvermögen des Antragstellers
32
Das Darlehen der Bausparkasse Wüstenrot in Höhe von insgesamt 25.696,68 € ist beim Anfangsvermögen des Antragstellers nicht als Verbindlichkeit in Abzug zu bringen, weil es bereits im Unternehmen des Antragstellers erfasst ist.
33
Aus der Summen- und Saldenliste der Einzelfirma … Tankwagenzubehör für Juli 2005 ergeben sich Verbindlichkeiten gegenüber der Bausparkasse Wüstenrot in Höhe von 18.129,20 €, 6.925,23 €, 671,84 €, 120,00 € und 120,00 € (Anlage zum Gutachten des Sachverständigen … vom 12.11.2019). Die Differenz der Summen resultiert nach der Überzeugung des Senats aus den unterschiedlichen Zeitpunkten (Juli 2005 und 12.08.2005). Da sich die Erfassung im Unternehmen aus der Anlage zum Sachverständigengutachten ergibt, ist das bloße Bestreiten der Antragsgegnerin mit Nichtwissen nicht ausreichend.
Endvermögen des Antragstellers
34
Der am Bewertungsstichtag (18.12.2017) bestehende Rückstand wegen Trennungsunterhalt für den Zeitraum von Juli 2017 bis Dezember 2017 ist als Passivposten im Endvermögen des Antragstellers als Unterhaltsschuldner einzustellen (BGH NJW 2003, 3339). Soweit die Antragsgegnerin die Rechtsauffassung vertritt, dass auch die Unstreitigkeit der Verbindlichkeit Voraussetzung der Berücksichtigung ist, verkennt sie, dass der Bundesgerichtshof in seiner von ihr insoweit in Bezug genommenen Entscheidung vom 06.10.2010 (NJW-RR 2011, 73) nicht zwischen unstreitigem und streitigem Unterhaltsrückstand differenzierte, sondern auf den der Entscheidung zugrunde liegenden unstreitigen Unterhaltsrückstand Bezug nahm. Das Vorbringen des Antragstellers hinsichtlich des Rückstands wegen Trennungsunterhalt im Beschwerdeverfahren ist nicht als verspätet zurückzuweisen. Der Sachvortrag erfolgte binnen nachgelassener Frist in der Beschwerdebegründung vom 23.02.2023. Es verzögert nach der freien Überzeugung des Senats auch nicht die Erledigung des Rechtsstreits. Die Höhe der der Vereinbarung vom 06.10.2020 im Beschwerdeverfahren (Az.: 4 UF 489/20) zugrundeliegenden Rückstände und die Monate, für die Rückstände bestanden, sind zwischen den Beteiligten unstreitig.
35
Im Hinblick auf den zum Kaufpreis von 33.00,00 € erworbenen Mercedes C 220 sind nicht nurwie in der erstinstanzlichen Entscheidung erfolgt – die Raten nebst Kosten als Verbindlichkeit anzusetzen, sondern der Kaufpreis in voller Höhe. Die Verbindlichkeit des Antragstellers entstand nicht erst mit Rechnungsstellung am 19.12.2017, sondern bereits mit Abschluss des Kaufvertrags am 11.12.2017 und somit vor dem Stichtag 18.12.2017. Bereits entstandene Verbindlichkeiten sind grundsätzlich auch dann, wenn sie am Stichtag noch nicht fällig sind, als Verbindlichkeiten im Sinne von § 1375 Abs. 1 BGB anzusehen, die das Endvermögen mindern (BGH NJW 2003, 3339; Schulz/Hauß, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 6. Auflage, Rn. 348; Grüneberg/Siede, BGB, 82. Auflage, § 1376 Rn. 60-61; Johannsen/Kohlenberg, 7. Auflage, § 1376 Rn. 76).
36
Der Abzug von Bankverbindlichkeiten der Unternehmen, Verbindlichkeiten aus Lieferung und Leistung und sonstigen Verbindlichkeiten unter Hinzurechnung der Abschreibungen beim Anfangsvermögen des Antragstellers ist im Hinblick auf das anzuwendende modifizierte Ertragswertverfahren nicht veranlasst. Für die Bewertung des Endvermögens nach § 1375 BGB ist der objektive (Verkehrs-) Wert der Vermögensgegenstände maßgebend. Ziel der Wertermittlung ist es, den Unternehmenswert mit seinem „vollen, wirklichen“ Wert anzusetzen. Grundsätze darüber, nach welcher Methode das zu geschehen hat, enthält das Gesetz nicht. Die sachverhaltsspezifische Auswahl aus der Vielzahl der zur Verfügung stehenden Methoden und deren Anwendung ist Aufgabe des – sachverständig beratenen – Tatrichters (BGH NJW 2018, 61).
37
Das vom Erstgericht angewandte modifizierte Ertragswertverfahren ist unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung der Obergerichte, insbesondere des Bundesgerichtshofs, im Regelfall geeignet, um zur Bemessungsgrundlage für den Wert eines Unternehmens zu gelangen. Im gegenständlichen Verfahren ist im Hinblick auf die Beeinflussung des unternehmerischen Ertrags durch die Person des Antragstellers das sogenannte modifizierte Ertragswertverfahren anzuwenden.
38
Im Rahmen der Ertragswertmethode wird die Summe aller zukünftigen Erträge des fortgeführten Unternehmens ermittelt (Zukunftserfolgswert), und zwar durch eine Rückschau auf die Erträge des Unternehmens in den letzten Jahren. Auf dieser Grundlage wird eine Prognose zur Ertragslage der nächsten Jahre erstellt. Damit wird das Unternehmen in seiner Gesamtheit bewertet. Der Wert der einzelnen Gegenstände ist insoweit ohne Bedeutung. Der Ertragswert eines Unternehmens ist nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen allein aus seiner Eigenschaft abzuleiten, nachhaltig ausschüttbare Überschüsse zu produzieren. Diese werden kapitalisiert und auf den Bewertungsstichtag bezogen (BGH a.a.O., Rn 17). Ein Ansatz einzelner vermögenswerter Gegenstände, insbesondere der von der Antragsgegnerin vorgetragenen Verbindlichkeiten, ist deshalb im Hinblick auf die Art der Wertermittlung nicht möglich.
39
Dementsprechend waren die vom Sachverständigen … in seinen Gutachten und Ergänzungsgutachten ermittelten, unstreitigen Unternehmenswerte jeweils zu Grunde zu legen. Eine Korrektur derselben kommt nach vorstehenden Erwägungen nicht in Betracht.
40
Danach ergibt sich unter Berücksichtigung der im übrigen unstreitigen Vermögenswerte folgende Zugewinnausgleichsberechnung.
A. Zugewinn von … (§ 1373 BGB)
I.
Endvermögen (§ 1375 Abs. 1 BGB)

Aktiva

1. …

463.000,00 Euro

2. …

246.000,00 Euro

3. Privatanteil beb. Grundstück

203.500,00 Euro

4. PKW Mercedes C 220

33.000,00 Euro

5. Bankguthaben

29.107,62 Euro

6. Geschäftsanteil Raiba

300,00 Euro

Aktiva

974.907,62 Euro

Passiva

7. latente Steuer

210.698,00 Euro

8. Verbindlichkeiten

71.712,95 Euro

9. Unterhaltsrückstand Juli 2017 bis Dezember 2017 (2.066,98 × 6)

12.401,88 Euro

Passiva

294.812,83 Euro

Saldo

Aktiva

974.907,62 Euro

Passiva

- 294.812,83 Euro

Endvermögen von …

680.094,79 Euro

II.
Anfangsvermögen (§ 1374 Abs. 1 BGB)

Aktiva

10. …

829.000,00 Euro

11. Privatanteil beb. Grundstück

113.656,00 Euro

12. Guthaben Wüstenrot (14.600 – 4.626,20)

10.061,80 Euro

Aktiva

952.717,80 Euro

Passiva

13. latente Steuer

397.852,00 Euro

Passiva

397.852,00 Euro

Saldo

Aktiva

952.717,80 Euro

Passiva

- 397.852,00 Euro

Anfangsvermögen von …

554.865,80 Euro

umgerechnet: * 102,6/86,5 Basis 2015

658.141,40 Euro

III.

Zusammenfassung:

Endvermögen von …

680.094,79 Euro

abz. Anfangsvermögen von …

- 658.141,40 Euro

Zugewinn:

21.953,39 Euro

B. Zugewinn von Antragsgegner/in (§ 1373 BGB)
I.
Endvermögen (§ 1375 Abs. 1 BGB)

Aktiva

14. Bankguthaben

1.899,93 Euro

15. Forderung Unterhaltsrückstand

12.401,88 Euro

Aktiva

14.301,81 Euro

Passiva

16. Verbindlichkeiten

5.000,00 Euro

Passiva

5.000,00 Euro

Saldo

Aktiva

14.301,81 Euro

Passiva

- 5.000,00 Euro

Endvermögen von Antragsgegner/in

9.301,81 Euro

II.
Anfangsvermögen (§ 1374 Abs. 1 BGB)

Aktiva

Aktiva

0,00 Euro

Passiva

Passiva

0,00 Euro

Anfangsvermögen von Antragsgegner/in

0,00 Euro

III.

Zusammenfassung:

Endvermögen von Antragsgegner/in:

9.301,81 Euro

abz. Anfangsvermögen von Antragsgegner/in:

0,00 Euro

Zugewinn:

9.301,81 Euro

C. Ausgleichsanspruch (§ 1378 BGB)

Zugewinn von …

21.953,39 Euro

Zugewinn von Antragsgegner/in

- 9.301,81 Euro

Differenz

12.651,58 Euro

Ausgleichsanspruch von Antragsgegner/in

6.325,79 Euro

41
Der Zugewinnausgleichsanspruch der Antragsgegnerin in Höhe von 6.325,79 € ist durch die Aufrechnung des Antragstellers mit unstreitigen Gegenforderungen in Höhe von 9.616,63 € erloschen.
III.
42
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 1 FamFG, 92 Abs. 1 ZPO.
43
Die Festsetzung des Verfahrenswerts basiert auf §§ 40 Abs. 1 und 2, 43, 39 FamGKG.
44
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil ihre Voraussetzungen nicht vorliegen (§ 70 Abs. 2 FamFG).