Inhalt

SG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 04.01.2024 – S 5 VJ 8/23
Titel:

Widerspruchsverfahren, Überzahlte Versorgungsbezüge, Ansprüche auf Versorgungsbezüge, Heilbehandlungsanspruchs, Impfschäden, Gesetzliche Unfallversicherung, Erstattungsanspruch, Verletztenrente, Kein Verwaltungsakt, Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, Grundrente, Unfallrente, Widerspruchsbescheid, Arbeitsunfall, Versorgungsrecht, Aufhebungsbescheid, Aufhebung des Bescheides, Anhörungsmangel, Wesentliche Änderung der Verhältnisse, Unbilligkeit

Schlagworte:
Verwaltungsakt, Ruhen von Ansprüchen, Impfschaden, Verletztenrente, Heilbehandlung, grobe Fahrlässigkeit, Doppelleistungen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 50076

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um einen Aufhebungsbescheid vom 07.12.2022 mit dem der Bescheid des Beklagten vom 16.02.2022 mit Wirkung ab dem 01.10.2022 insoweit aufgehoben wurde, als der Klägerin Grundrente nach § 31 BVG gezahlt wird und als mit Wirkung vom 01.03.2021 ein Anspruch auf Heilbehandlung (§ 10 BVG) festgestellt wurde.
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Die Klägerin stellte beim Beklagten am 26.05.2021 einen Antrag auf Beschädigtenversorgung nach dem Infektionsschutzgesetz. Sie ist Fachinformatikerin für Systemintegration. Ihre Zeugnisse weisen gute und sehr gute Leistungen aus. Im Fachabitur erreichte die Klägerin eine Durchschnittsnote von 2,8. Im Fach Rechtslehre wurden gute Leistungen bescheinigt.
3
Die Klägerin wurde am 10.03.2021 mit AstraZeneca geimpft und machte nunmehr einen Impfschaden geltend da u.a. eine Thrombose-mit-Thrombozytopenie (TTS) mit kompletter Thrombosierung des mesenterialvenösen Stromgebietes, der V.portae bis in die Leberpforte und der V.lienaris mit konsekutiver Infarzierung des Jejunums und subtotalem proximalen Ileums einschließlich postoperativen Kurzdarmsyndrom (40 bis 50 cm Restileum nach Anastomose) und resultierender Substitutionstherapie sowie Notwendigkeit einer Antikoagulation, Infarktarealen in Milz und beiden Nieren, akuter Blutungsanämie mit passageren Hämoperitoneum, intermittierende metabolische Acitose, intermittierender Hypoklämie, intermittierender Harnwegsinfekte und postoperative sekundäre Wundheilung ab 25.03.2021 geltend.
4
Mit Bescheid vom 17.09.2021 stellte die Berufsgenossenschaft (BG) fest, dass es sich beim Ereignis vom 25.03.2021 um keinen Arbeitsunfall handele. Die zum Unfallzeitpunkt ausgeübte Tätigkeit sei dem privaten Lebensbereich zu zuordnen.
5
Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 13.01.2022 wurde der Bescheid vom der BG aufgehoben und festgestellt, dass für die Impfung am 10.03.2021 Versicherungsschutz bestehe. Über die zustehenden Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung werde gesondert entschieden.
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Am 30.11.2021 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Untätigkeitsklage beim Sozialgericht Bayreuth (S 5 VJ 7/21) gegen den Beklagten. Es wurde um Verbescheidung des Antrags der Klägerin vom 26.05.2021 gebeten.
7
Nach versorgungsärztlicher Prüfung erkannte der Beklagte mit Bescheid vom 16.02.2022 als Folgen einer Schädigung durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 60 IfSG
1. Thrombose-mit-Thrombozytopenie (TTS) mit kompletter Thrombosierung des mesenterialvenösen Stromgebietes, der V.portae bis in die Leberpforte und der V.lienaris mit konsekutiver Infarzierung des Jejunums und subtotalem proximalen Ileums einschließlich postoperativen Kurzdarmsyndrom (40 bis 50 cm Restileum nach Anastomose) und resultierender Substitutionstherapie sowie Notwendigkeit einer Antikoagulation,
2. Infarktareale in Milz und beiden Nieren
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Im Sinne der Entstehung an. Der Gesamtgrad der Schädigungsfolgen betrage 50. Es stehe eine Versorgungsrente ab 03/2021 sowie ein Anspruch auf Heilbehandlung zu.
9
In den Gründen wurde u.a. ausgeführt, dass die Klägerin eine monatliche Grundrente unter Berücksichtigung eines Gds von 50 erhalten. Die Beschädigtenversorgung beginne gemäß § 60 Abs. 1 Satz 2 BVG mit dem Monat der Schädigung, weil der Antrag innerhalb eines Jahres nach Eintritt der Schädigung gestellt worden sei. Mit Schreiben vom 13.01.2022 habe die BG mitgeteilt, dass für die stattgefundene Impfung Versicherungsschutz bestehe. Nach § 65 BSG ruhten Ansprüche nach dem IfSG, wenn aufgrund der selben Ursache Ansprüche auf entsprechende Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestünden. Die Versorgungsbezüge ruhten daher in Höhe der Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung ebenso wie der Anspruch auf Heilbehandlung (§ 10 Abs. 1 BVG).
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Als Anlage zum Bescheid fand sich eine Berechnung der Versorgungsbezüge. Hieraus ergibt sich, dass der Klägerin ab 03/2021 monatlich 283,00 € zu zahlen sind. Es seien 3.679,00 € nachzuzahlen. Die laufende monatliche Zahlung erfolge ab 04/2022.
11
Der Beklagte machte mit Schreiben vom 17.02.2022 einen Ersatzanspruch bei der BG nach § 71b BVG geltend. Hierauf teilte die BG mit Schreiben vom 07.03.2022 mit, dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien.
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Am 09.03.2022 rief Herr L. von der BG die Klägerin an um sie telefonisch nach dem Gesundheitszustand, zum laufenden Verfahren nach dem Schwerbehindertenrecht sowie zum Verfahren wegen des Impfschadens gegen den Beklagten zu befragen. Hierüber fertigte Herr L. eine entsprechende Telefonnotiz. Dieser ist u.a. folgendes zu entnehmen:
„Ihr Impfschaden ist nach den Regelungen des BVG mit 50 von Hundert anerkannt worden (Beschädigtenrente) mit dem Vorbehalt, dass hier noch eine Entscheidung der BG aussteht. Ich habe Frau K. deshalb darüber informiert, dass die Beschädigtenrente ruhen kann, wenn es nachträglich zu einer Anerkennung eines Impfschadens verbunden mit einer Verletztenrente (VR) kommt.“
13
Gegen den Bescheid des Beklagten vom 16.02.2022 legte der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 17.03.2022 Widerspruch ein. Der bewilligte Grad der Schädigung sei mit 50 zu gering bemessen. Es hätten als Schädigungsfolgen noch die seelische Störung, Depression, Herzrhythmusstörungen und Verwachsungen als Impfschaden berücksichtigt werden müssen. Über diesen Widerspruch wurde bislang noch nicht entschieden.
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Mit Schreiben vom 10.06.2022 fragte der Beklagte erneut bei der BG an, wann mit einer Entscheidung über die Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu rechnen sei. Auf sich errechnende Nachzahlungen werde vorsorglich ein Erstattungsanspruch erhoben. Hierauf teilte die BG mit Schreiben vom 20.06.2022 mit, dass die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien.
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Auf Nachfrage des Beklagten mit Schreiben vom 29.09.2022 wurde mit Schreiben vom 25.10.2022 erneut mitgeteilt, dass zwar ein Gutachten vorliege. Dieses aber noch ausgewertet werden müsse.
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Auf weitere Nachfrage des Beklagten vom 29.09.2022 teilte die D., die Krankenkasse der Klägerin mit, dass der Anspruch auf Krankengeld mit dem 21.09.2022 durch Ausschöpfen der Anspruchsdauer geendet habe.
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Mit Schreiben vom 02.12.2022 wurde dem Beklagten eine Abschrift des Bescheides der BG vom 01.12.2022 an die Klägerin übersandt. Darin wurde der Klägerin ab 22.09.2022 wegen den Folgen des Arbeitsunfalles ein Anspruch auf Rente nach einer MdE von 50% auf unbestimmte Zeit bewilligt. Sie betrage monatlich 1.338,71 € und werde ab Dezember 2022 laufend zum Monatsende ausgezahlt. Der Nachzahlungsbetrage werde wegen eventueller Erstattungsansprüche anderer Sozialleistungsträger vorerst einbehalten.
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Mit Schreiben vom 06.12.2022 wurde der Klägerin mitgeteilt, dass die D. ausgeführt habe, dass der Anspruch auf Krankengeld entfallen sei. Im Anschluss bestehe möglicherweise ein Anspruch auf Erwerbsminderungsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Es werde gebeten unverzüglich einen Antrag beim zuständigen Rentenversicherungsträger zu stellen. Es werde gebeten das Datum der Antragstellung, die Anschrift des für die Antragsbearbeitung zuständigen Rentenversicherungsträgers sowie die Rentenversicherungsnummer mitzuteilen.
19
Der Beklagte machte mit Schreiben vom 06.12.2022 bei der BG unter Bezugnahme auf § 71b BVG einen Ersatzanspruch für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2022 in Höhe von jeweils 298,00 €, insgesamt daher 894,00 € geltend.
20
Mit Bescheid vom 07.12.2022 wurde – ohne vorherige Anhörung der Klägerin nach § 48 SGB X der Bescheid des Beklagten vom 16.02.2022 mit Wirkung ab dem 01.10.2022 insoweit aufgehoben, als der Klägerin Grundrente nach § 31 BVG gezahlt werde. Ferner wurde der Bescheid vom 16.02.2022 insoweit aufgehoben, als mit Wirkung vom 01.03.2021 ein Anspruch auf Heilbehandlung (§ 10 BVG) festgestellt wurde.
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Der Anspruch auf Versorgungsbezüge ruhe ab 01.10.2022 in Höhe der Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Die Berechnung der Versorgungsbezüge sei der Anlage 1 zu entnehmen. Hiernach habe die Klägerin ab Oktober 2022 monatlich 298,00 € erhalten, so dass Leistungen in Höhe von 894,00 € zu Unrecht empfangen worden seien. In Höhe dieser Überzahlung werde ein Erstattungsanspruch bei der die Überzahlung verursachenden Träger der gesetzlichen Unfallversicherung (BG) geltend gemacht. Sollte der Erstattungsanspruch von der BG nicht oder nicht vollumfänglich bedient werden, behalte man sich vor, die überzahlten Versorgungsbezüge gemäß § 50 SGB X zurückzufordern. Die BG habe mit Bescheid vom 01.12.2022 anerkannt, dass der infolge der Impfung vom 10.03.2021 eingetretenen Impfschaden als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anerkannt werde und festgestellt, dass ab 22.09.2022 der Klägerin eine Unfallrente zustehe. Nach § 65 Abs. 5 BVG werde die Zahlung der Versorgungsbezüge mit Ablauf des Monats eingestellt oder gemindert, in dem das Ruhen wirksame werde, also im September 2022. Ab 01.10.2022 betrage die Unfallrente monatlich 1.338,71 € und Grundrente betrage ab 01.10.2022 298,00 €. Der Anspruch auf Grundrente ruhe daher ab 01.10.2022 in voller Höhe. Der Eintritt des Ruhens der Versorgungsbezüge stelle eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar. Im vorliegenden Fall komme §§ 48 Abs. 1 Satz 3, sowie Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X zum Tragen. Die Formulierung „soll aufgehoben werden“ bedeute, dass der Bescheid im Regelfall mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der Änderung erlassen werden müsse. Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen sei es möglich, die Aufhebung nur mit Wirkung für die Zukunft vorzunehmen. Anhaltspunkte hierfür seien nicht ersichtlich. Im Bescheid vom 16.02.2022 sei darauf hingewiesen und deshalb bekannt, dass der Anspruch der Versorgungsbezüge in Höhe der Bezüge aus der gesetzlichen Rentenversicherung ruhe, wenn beide Ansprüche auf derselben Ursache beruhten.
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Mit Bescheid vom 27.12.2022 führte die BG gegenüber der Klägerin aus, dass mit Bescheid vom 01.12.2022 die Nachzahlung der Verletztenrente in Höhe von 4.417,74 € einbehalten worden sei um Erstattungsansprüche anderer Sozialleistungsträger befriedigen zu können. Das ZBFS habe einen Erstattungsanspruch von Oktober 2022 bis Dezember 2022 in Höhe von 894,00 € geltend gemacht. Dies sei rechtlich zutreffend. Die Erstattungsforderung sei daher aus der einbehaltenen Rentennachzahlungen beglichen worden. Der Restbetrag in Höhe von 3.523,47 € werde in den nächsten Tagen an die Klägerin ausgezahlt werden.
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Mit Schreiben vom 08.01.2023 legte der Bevollmächtigte der Klägerin gegen das Schreiben des Beklagten vom 06.12.2022 sowie gegen den Bescheid vom 07.12.2022 Widerspruch ein. Der Bescheid sei zu unbestimmt und die Rückforderung in Höhe von 894,00 € unbegründet. Die Grundrente werde insoweit aufgehoben. Dies sei zu unbestimmt, da nicht beschrieben werde in welcher Höhe sie bestehen bleibe. Außerdem sei § 31 BVG nicht anwendbar. Die gelte auch für die weiteren Regelungen des BVG. Die Grundrente werde nicht aus einem militärischen Grund herausbezahlt, sondern als Entschädigung für einen Impfschaden. Überleitungsnormen würden nicht zitiert. Eine vergleichbare Gesetzeslage zu Kriegsopfern liege nicht vor. Es werde von einem Ruhen der Versorgungsbezüge ausgegangen. Es sei nicht erkennbar, insoweit und inwieweit hier ein Ruhen erfolge. Unklar bleibe auch der letzte Absatz des Bescheides. Es entstehe der Eindruck, dass der Beklagte mit der BG einen völlig anderen Adressaten anvisiere. Auch habe die Klägerin keine Kenntnis wenn und wann die BG erstatte. Eine Rückforderung sei deshalb bereits schon gar nicht zu bestimmen. Einen Bescheid von der Zahlung eines Dritten abhängig zu machen sei rechtswidrig und zu unbestimmt. Die Behauptung, dass die Klägerin Leistungen in Höhe von 894,00 € zu Unrecht erhalten habe sei unwahr, da diese aufgrund eines rechtsgültigen Bescheides geleistet worden seien. Welche Forderung zurückgefordert werde, bleibe gänzlich offen. Die Klägerin habe bereits im Dezember 2022 gar keine Zahlung erhalten. Es werde rechtlich bestritten, dass die Grundrente in Höhe von 298,00 € monatlich nicht neben der Unfallrente bestehen dürfe. Die Entschädigung nach dem IfSG werde aufgrund des Opfers für die Allgemeinheit übernommen. Die Unfallrente entstehe aufgrund der Wertung der Impfung am 10.03.2021 als Arbeitsunfall. Beide Entstehungen seien rechtlich getrennt und beruhten auf anderen Rechtsgrundlagen. Eine Verrechnung ohne Rechtsgrundlage sei unbillig. Es sei reiner Zufall, dass die Impfung hier als Arbeitsunfall durch den Arbeitgeber veranlasst worden sei. Des Weiteren sei die Klägerin entreichert. Die Unfallrente werde ab 01.10.2022 gewährt. Der Bescheid über die Grundrente stamme vom 16.02.2022 und betrage 298,00 € hiervon könne man weder die Heizung bezahlen, noch die Krankenversicherung. Unter Vertrauensgesichtspunkten und der Entreicherung sei eine Rückzahlung unbillig. Warum auch der Anspruch auf Heilbehandlung aufgehoben worden sei, sei nicht nachvollziehbar und rechtswidrig. Der Anspruch auf Heilbehandlung folge aus dem Impfschaden und sei weiterhin zu gewähren. Der Darmverlust sei ein Dauerzustand.
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Da den Widersprüchen nicht abgeholfen werde konnte, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2023 der Widerspruch vom 08.01.2023 gegen den Bescheid vom 07.12.2022 als unbegründet sowie der Widerspruch vom 08.01.2023 gegen das Schreiben vom 06.12.2022 als unzulässig zurückgewiesen. Beim Schreiben vom 06.12.2022 handele es sich bereits nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X, daher sei der Widerspruch vom 08.01.2022 bereits unzulässig. Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 07.12.2022 sei unbegründet. Da nach § 60 Abs. 1 IfSG i.V.m. dem BVG mit Bescheid vom 16.02.2022 eine Grundrente aufgrund der Schädigungsfolgen aus der Impfung vom 10.03.2021 gewährt worden sei, gleichzeitig aber der Klägerin aus derselben Impfung von der BG mit Bescheid vom 01.12.2022 ab 22.09.2022 eine Rente nach einer MdE von 50% zu gewähren sei, ruhe der Anspruch auf Versorgungsrente nach § 60 Abs. 1 IfSG i.V.m. § 65 Abs. 1 Nr. 1 BVG. Der Anspruch auf Heilbehandlung ruhe insoweit, als aus derselben gesetzlichen Ursache Ansprüche auf entsprechende Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestehen (§ 65 Abs. 3 Nr. 1 BVG). Da nach den §§ 26 ff SGB VII gegenüber der BG ein Anspruch auf Heilbehandlung wegen der Anerkennung eines Arbeitsunfalles bestehe, sei zu Recht festgestellt worden, dass der nach § 10 Abs. 1 BVG bestehende Heilbehandlungsanspruch gemäß § 65 Abs. 3 Nr. 1 BVG ruhe. Durch § 65 BVG solle eine Doppelleistung beim Zusammentreffen mehrerer gesetzlicher Leistungen aus demselben Anlass vermieden werden. Die BG habe zwischenzeitlich den Ersatzanspruch befriedigt.
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Der Bevollmächtigte der Klägerin erhob am 28.04.2023 Klage beim Sozialgericht Bayreuth. Die Grundrente sei weiterhin zu gewähren und sei nicht abhängig von einer privat erhobenen Rente. Der Bescheid sei zu unbestimmt und die Rückforderung in Höhe von 894,00 € unbegründet. Die Grundrente werde insoweit aufgehoben. Dies sei zu unbestimmt, da nicht beschrieben werde in welcher Höhe sie bestehen bleibe. Außerdem sei § 31 BVG nicht anwendbar. Die gelte auch für die weiteren Regelungen des BVG. Die Grundrente werde nicht aus einem militärischen Grund herausbezahlt, sondern als Entschädigung für einen Impfschaden. Überleitungsnormen würden nicht zitiert. Eine vergleichbare Gesetzeslage zu Kriegsopfern liege nicht vor. Es werde von einem Ruhen der Versorgungsbezüge ausgegangen. Es sei nicht erkennbar, insoweit und inwieweit hier ein Ruhen erfolge. Sowohl die Unfallrente als auch die Grundrente seien Versorgungsbezüge. Unklar bleibe auch der letzte Absatz des Bescheides. Es entstehe der Eindruck, dass der Beklagte mit der BG einen völlig anderen Adressaten anvisiere. Auch habe die Klägerin keine Kenntnis wenn und wann die BG erstatte. Eine Rückforderung sei deshalb bereits schon gar nicht zu bestimmen. Einen Bescheid von der Zahlung eines Dritten abhängig zu machen sei rechtswidrig und zu unbestimmt. Die Behauptung, dass die Klägerin Leistungen in Höhe von 894,00 € zu Unrecht erhalten habe sei unwahr, da diese aufgrund eines rechtsgültigen Bescheides geleistet worden seien. Welche Forderung zurückgefordert werde, bleibe gänzlich offen. Möglicherweise handele es sich um die Monate Oktober bis Dezember 2022. Bei der Abrechnung als Anlage werde die Unfallrente überhaupt nicht bemessen und das Monatssoll nicht nachvollziehbar jeweils ab Oktober 2022 mit 0,00 € und dann mit einer Überzahlung angegeben. Die Klägerin habe bereits im Dezember 2022 gar keine Zahlung erhalten. Es werde rechtlich bestritten, dass die Grundrente in Höhe von 298,00 € monatlich nicht neben der Unfallrente bestehen dürfe. Die Entschädigung nach dem IfSG werde aufgrund des Opfers für die Allgemeinheit übernommen. Die Unfallrente entstehe aufgrund der Wertung der Impfung am 10.03.2021 als Arbeitsunfall. Beide Entstehungen seien rechtlich getrennt und beruhten auf anderen Rechtsgrundlagen. Eine Verrechnung ohne Rechtsgrundlage sei unbillig. Es sei reiner Zufall, dass die Impfung hier als Arbeitsunfall durch den Arbeitgeber veranlasst worden sei. Des Weiteren sei die Klägerin entreichert. Sie habe das Geld in der Krisensituation aufgebraucht. Die Unfallrente werde ab 01.10.2022 gewährte. Der Bescheid über die Grundrente stamme vom 16.02.2022 und betrage 298,00 € hiervon könne man weder die Heizung bezahlen, noch die Krankenversicherung. Unter Vertrauensgesichtspunkten und der Entreicherung sei eine Rückzahlung unbillig. Warum auch der Anspruch auf Heilbehandlung aufgehoben worden sei, sei nicht nachvollziehbar und rechtswidrig. Der Anspruch auf Heilbehandlung folge aus dem Impfschaden und sei weiterhin zu gewähren. Der Darmverlust sei ein Dauerzustand. Es werde beantragt, ein Sachverständigengutachten zu erstellen und die aktuellen Behandlungsunterlagen beizuziehen.
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Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung der Bescheide vom 06.12.2022 und vom 07.12.2022 sowie des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2023 die Grundrechte in Höhe von 298,00 € monatlich ab dem 01.12.2022 lebenslang weiter zu gewähren.
27
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Es werde auf den Bescheid vom 07.12.2022 sowie auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 24.03.2023 verwiesen.
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Auf Nachfrage des Gerichts übersandte der Bevollmächtigte der Klägerin den Kontoauszug für November 2022. Aus diesen ist ersichtlich, dass der Klägerin die Grundrente für Dezember 2022 in Höhe von 298,00 € am 28.11.2022 auf ihrem Konto der V.-Bank gutgeschrieben wurde.
30
Nach Einholung einer Einverständniserklärung der Klägerin hat das Gericht die Verwaltungsakte der BG beigezogen.
31
Mit Schreiben vom 20.12.2023 hörte das Gericht die Beteiligten über die beabsichtigte Entscheidung des Rechtsstreites ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid an, weil die Sache keine Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Der Bevollmächtigte der Klägerin teilte hierauf mit, dass es sich nicht um eine einfache rechtliche Angelegenheit handele, da ein Impfschaden streitgegenständlich sei.
32
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten, die Verwaltungsakte der BGW sowie auf die Prozessakte im Verfahren S 5 VJ 8/23 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
34
Das Gericht entscheidet gemäß § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 20.12.2023 angehört. Ein Einverständnis zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist nicht notwendig. Im Gegensatz zur den Ausführungen des Bevollmächtigten ist gerade die Anerkennung eines Impfschadens bzw. die Feststellung eines bestimmten Grad der Schädigungsfolgen im hiesigen Verfahren nicht streitgegenständlich, sondern lediglich die Aufhebung der Leistungen aufgrund der Gewährung einer Verletztenrente, welche auch auf dasselbe Impfereignis zurückzuführen ist.
35
Zunächst hat der Beklagte zu Recht mit Widerspruchsbescheid vom 24.03.2023 den Widerspruch vom 08.01.2023 gegen das Schreiben vom 06.12.2022 als unzulässig zurückgewiesen. Beim Schreiben vom 06.12.2022 handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt nach § 31 SGB X, so dass hiergegen auch nach § 62 SGB X, §§ 78, 83 SGG nicht zulässig Widerspruch eingelegt werden kann. Nach § 31 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Allgemeinverfügung ist ein Verwaltungsakt, der sich an einen nach allgemeinen Merkmalen bestimmten oder bestimmbaren Personenkreis richtet oder die öffentlich-rechtliche Eigenschaft einer Sache oder ihre Benutzung durch die Allgemeinheit betrifft.
36
Im vorliegenden Fall liegt unabhängig davon, dass dem Schreiben des Beklagten vom 06.12.2022 bereits keine Rechtsbehelfsbelehrungbeigefügt war, deshalb schon kein Verwaltungsakt vor, weil das Schreiben vom 06.12.2022 mit dem die Klägerin gebeten wurde, aufgrund des Auslaufens des Krankengeldes beim zuständigen Rentenversicherungsträger eine möglicherweise zustehende Erwerbsminderungsrente zu beantragen, keine Regelungswirkung aufweist. Diese muss nach dem Wortlaut des § 31 SGB X auf eine unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet sein. Eine Regelung liegt vor, wenn die Behörde eine potentiell verbindliche Rechtsfolge gesetzt hat. Dabei ist die Erklärung der Behörde unter entsprechender Anwendung der Grundsätze über die Auslegung von Willenserklärungen auszulegen. Maßgebend ist daher der objektive Sinngehalt der Erklärung, wie der Empfänger sie bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalls objektiv verstehen musste. Eine Regelung zielt allgemein ab auf die Begründung rechtlicher Verpflichtungen, entweder zu Lasten der Behörde oder zu Lasten des Bürgers. Dies ist der Fall, wenn Rechte begründet, abgelehnt, aufgehoben, festgestellt oder geändert werden oder wenn dies (jeweils) abgelehnt wird. (Luthe in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Aufl., § 31 SGB X (Stand: 15.11.2023), Rn. 39). Im vorliegenden Fall hat das Schreiben vom 06.12.2022 keinerlei Regelungswirkung. Es wurden damit weder Rechte begründet, abgelehnt, aufgehoben, festgestellt, geändert oder irgendein Anspruch abgelehnt. Der Beklagte hat demnach zu Recht den Widerspruch als unzulässig verworfen.
37
Auch hat die Klägerin keinen Anspruch auf Weitergewährung der Grundrente in Höhe von 298,00 € ab dem 01.12.2022 ein Leben lang unter Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2022 sowie des Widerspruchsbescheides vom 24.03.2023.
38
Zunächst einmal wäre zulässige Klageart ausschließlich die Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 1.Alt SGG. Bereits hierdurch könnte die Klägerin ihr Klageziel auf Weiterzahlung der Grundrente über Dezember 2022 hinaus erreichen, da im Falle einer Aufhebung des Änderungsbescheides vom 07.12.2022 mit dem der Bescheid des Versorgungsamtes 16.02.2022 mit Wirkung ab 01.10.2022 hinsichtlich der Grundrente und ab 01.03.2021 hinsichtlich des Anspruchs auf Heilbehandlung aufgehoben und ein Ruhen festgestellt wurde, der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 16.02.2022 wieder unbegrenzt wirksam werden würde. Einer weiteren Verpflichtung des Beklagten würde es hierzu nicht bedürfen.
39
Allerdings hat die Klägerin keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2022 mit dem das Ruhen des Anspruchs auf Grundrente ab 01.10.2022 sowie des Anspruchs auf Heilbehandlung ab 01.03.2021 verfügt wurde. Dieser Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
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Der Bescheid vom 07.12.2022 ist auch formell rechtmäßig. Es kann dahinstehen bleiben, ob der Beklagte die Klägerin vor Erlass des Änderungsbescheides nach § 48 SGB X nach § 24 SGB X hätte anhören müssen, was nicht erfolgt ist. Allerdings wäre dieser mögliche Anhörungsmangel im Rahmen des Widerspruchsverfahrens geheilt worden. Im Verwaltungsverfahren kann die Heilung eines Anhörungsmangels während des Widerspruchsverfahrens erfolgen, sofern der Betroffene dort hinreichende Gelegenheit hat, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Das ist anzunehmen, wenn die Behörde in dem erlassenen Bescheid und den beigefügten Anlagen alle entscheidungserheblichen Tatsachen mitgeteilt und der Betroffene deshalb die Gelegenheit zur sachgerechten Äußerung hat. Die Behörde dokumentiert dann durch Erlass des Widerspruchsbescheids (oder Abhilfebescheids), ob und inwiefern sie an ihrer Entscheidung festhält (Apel in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Aufl., § 24 SGB X (Stand: 15.11.2023), Rn. 82). Da der Bevollmächtigte umfassend sich im Widerspruchsverfahren geäußert hat, wurde ein möglicher Anhörungsmangel im Widerspruchsverfahren geheilt.
41
Darüber hinaus ist der Bescheid vom 07.12.2022 auch nicht zu unbestimmt. Nach § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Er muss also klar erkennen lassen, wer (erlassende Behörde, vgl. Rn. 11) gegenüber wem (Adressat, vgl. Rn. 12) was (Inhalt der Regelung, vgl. Rn. 18) regelt. Da es auf die im Verwaltungsakt getroffene Regelung ankommt muss nur diese Regelung, also der Verfügungssatz des Verwaltungsakts, hinreichend bestimmt sein. Ist der Verfügungssatz hinreichend bestimmt, nicht aber die Begründung des Verwaltungsakts, stellt sich allerdings die Frage, ob der aus § 35 SGB X folgenden Begründungspflicht Genüge getan worden ist (vgl. hierzu die Kommentierung zu § 35 SGB X Rn. 13-21); zudem kann in besonderen Fällen eine widersprüchliche Begründung einen Verfügungssatz in Frage stellen. (Pattar in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl, § 33 SGB X (Stand: 01.12.2017), Rn. 10).
42
Im vorliegenden Fall ist aus den Verfügungssätzen der Umfang der Regelung des Bescheides vom 07.12.2022 eindeutig zu entnehmen. Der Bescheid vom 16.02.2022 wurde hinsichtlich der dort bewilligten Grundrente ab 01.10.2022 in Gänze aufgehoben und verfügt, dass ab 01.10.2022 der Anspruch auf Versorgungsbezüge in Höhe der Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung ruht. Dies bedeutet, dass die Grundrente in Gänze ab 01.10.2022 so lange ruht und daher nicht an die Klägerin zur Auszahlung kommt, wie die Grundrente nicht die Höhe der von der BG zu zahlenden Verletztenrente übersteigt. Es ist also eindeutig zu entnehmen in welchem Umfang die Grundrente ab 01.10.2022 ruht. Gleiches gilt für die Heilbehandlung. Diese wurde ebenfalls mit Bescheid vom 16.02.2022 dem Grunde nach zugesprochen, ruht aber ebenfalls mit Eintritt der Schädigung insoweit, als das Ansprüche hierauf aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestehen. Auch wurde hinreichend in Verbindung mit der Anlage ausgeführt, dass es im Zeitraum Oktober 2022 bis Dezember 2022 zu einer Überzahlung in Höhe von 894,00 € (2 x 298,00 €) gekommen ist. Dieser Erstattungsanspruch wurde gegenüber der BG geltend gemacht und auch von dieser in entsprechender Höhe bedient, was der Klägerin von der BG mit Bescheid vom 27.12.2022 mitgeteilt wurde. Da der streitgegenständliche Bescheid vom 07.12.2022 zu einem Zeitpunkt erlassen wurde, in dem eine Befriedigung des Erstattungsanspruchs gegen die BG nach § 71b BVG noch nicht befriedigt war, ist auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte angekündigt hat im Fall der Nichtumsetzung des Anspruchs gegen die BG (also Auszahlung der vollen Verletztenrente an die Klägerin und Zahlung der Grundrente für dieselbe Zeiträume) sich vorzubehalten gegenüber der Klägerin einen Anspruch nach § 50 X (Erstattung) geltend zu machen. Dies stellt lediglich eine Absichtserklärung dar. Da der Anspruch von der BG nach § 71b BVG erstattet wurde, war eine Umsetzung des § 50 SGB X gegenüber der Klägerin durch separaten Erstattungsbescheid nicht notwendig und wurde vom Beklagten auch nicht umgesetzt, so dass jegliche Entreicherungseinwände ins Leere gehen. Darüber hinaus ist den Kontoauszügen, welche das Gericht von der Klägerin angefordert hatte, entgegen den Ausführungen des Bevollmächtigten, eindeutig zu entnehmen, dass die Klägerin die Grundrente in Höhe von 298,00 € für Dezember 2022 am 28.11.2022 als Gutschrift auf ihrem Konto erhalten hat, so dass die Erstattung der BG nach § 71b BVG auch für diesen Monat zu Recht erfolgt ist.
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Schlussendlich ist der Bescheid vom 07.12.2022 auch materiell rechtmäßig. Der Beklagte hat den Bescheid vom 16.02.2022 ab 01.10.2022 zu Recht insoweit aufgehoben, als dass eine Grundrente nach § 31 BVG gezahlt wurde, weil ab diesem Zeitpunkt der Anspruch auf Versorgungsbezüge in Höhe der Bezüge aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Verletztenrente) ruht. Gleiches gilt für die Ansprüche auf Heilbehandlung nach § 10 Abs. 1 BVG ab 01.03.2021.
44
Es ist zum jeweiligen Zeitpunkt eine wesentliche Änderung im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten. Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit (Nr. 1) die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, (Nr. 2) der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, (Nr. 3) nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder (Nr. 4) der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
45
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.
46
Im vorliegenden Fall ist mit der Anerkennung eines Arbeitsunfalles aufgrund der Impfung vom 10.03.2021 sowie die Gewährung einer Unfallrente ab dem 22.09.2022 (mit Bescheid der BWG vom 01.12.2022) eine wesentliche Änderung in den rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Bescheides vom 26.02.2022 (Verwaltungsakt im Dauerwirkung) vorgelegen haben, eingetreten, da der Anspruch auf Grundrente und Heilbehandlung entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ruht.
47
§ 63 Abs. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) regelt, das im Falle von Impfschäden § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII nicht gilt. Die Regelung stellt daher eine Günstigkeitsregelung auf. Nach Ihr gilt die, bei Zusammentreffen von Ansprüchen des sozialen Entschädigungsrechtes und solchen der gesetzlichen Unfallversicherung, grundsätzlich anzuwendende Ausschlussregelung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII für Versorgungsberechtigte nach dem IfSG nicht. § 4 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII würde nämlich in Verbindung mit § 60 Abs. 1 IfSG und dem dort geregelten Verweis auf das Bundesversorgungsgesetz (BVG) zum Ausschluss der Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung führen, die höher als die Leistungen aus dem Versorgungsrecht sein können. Durch § 63 Abs. 3 IfSG soll diese nachteilige Wirkung für Impfgeschädigte, wie die Klägerin, ausgeschlossen werden. Folglich können dann, wenn wie im Falle der Klägerin der vom Beklagten festgestellte Impfschaden gleichzeitig ein Arbeitsunfall ist (wie von der BG festgestellt), die ggf. günstigeren Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung gezahlt werden.
48
Für den Fall, wie den der Klägerin, dass aus der Impfung ein Anspruch aus dem IfSG (Versorgungsrente) mit Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (Unfallrente) zusammentreffen, verweist § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG (in der ab 27.12.2020 geltenden Fassung) auf die Regelung des § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BVG bzw. allgemein auf die Regelungen des BVG. Nur wenn und soweit Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung hinter dem Anspruch nach dem Versorgungsrecht zurückbleiben, sind zusätzliche Leistungen nach dem IfSG zu erbringen. Hierdurch wird eine Meistbegünstigung bei gleichzeitiger Vermeidung von Doppelleistungen gesichert. (Knierehm, § 63 Rn. 18).
49
Bezieht also eine Person aufgrund einer Impfung Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, ruht nach § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG, § 65 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BVG der Anspruch auf Versorgungsbezüge in Höhe der Bezüge aus der Unfallversicherung (Blagemann, Baumann, Corona-Impfschäden, CoVuR 2021, 514ff (520) m.w. N.) Die Klägerin erhält ab 01.10.2022 eine Unfallrente aufgrund der am 10.03.2021 durchgeführten Impfung in Höhe von monatlich 1.338,71 €. Die Grundrente in Höhe von 298,00 € ruht daher in voller Höhe, da diese viel geringer ist. Erst wenn die Grundrente die Verletztenrente aus der Unfallversicherung übersteigt und damit Leistungen nach dem SGB VII hinter den Ansprüchen nach dem Versorgungsrecht zurückbleiben, besteht ein Anspruch nach den §§ 60 ff. IfSG weiter. Die über den Anspruch gegen die Unfallversicherung bestehenden Leistungen können dann zusätzlich geltend gemacht werden. (Eckart/Winkelmüller, BeckOk, Infektionsschutzrecht, Stand 10.0.2023, § 63 Rn. 14).
50
Nach § 60 IfSG i.V.m. § 65 Abs. 5 BVG wird die Zahlung der Versorgungsbezüge mit Ablauf des Monats eingestellt oder gemindert, indem das Ruhen wirksam wird, vorliegend also mit dem Ablauf des Monats September 2022 (da ein Anspruch auf Verletztenrente ab dem 22.09.2022 bewilligt wurde.)
51
Der Anspruch auf Heilbehandlung nach § 60 IfSG, § 10 Abs. 1 BVG, § 15 BVG ruht insoweit, als auch derselben Ursache (Impfung vom 10.03.2021) Ansprüche auf entsprechende Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§§ 26 ff SGB VII) bestehen § 60 IfSG, § 65 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BVG). Es ist daher eine wesentliche Änderung des Dauerverwaltungsaktes nämlich ein Ruhen der Ansprüche eingetreten.
52
Auch konnte der Beklagte den Bescheid vom 16.02.2020 mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse (Oktober 2022 hinsichtlich der Grundrente, und 10.03.2021 hinsichtlich der Heilbehandlung) auf heben, da die Klägerin wusste oder nicht wusste, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
53
Eine grob fahrlässige Unkenntnis Ruhen des Anspruchs kraft Gesetzes liegt vor, wenn es dem Betroffenen aufgrund der ihm bekannten Umstände möglich war, die fehlende das Ruhen bzw. den Wegfall des Anspruch zu erkennen. (Padé in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 3. Aufl., § 45 SGB X (Stand: 15.11.2023), Rn. 87).
54
Das Gesetz definiert den Begriff der groben Fahrlässigkeit selbst als Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße. Für die Erfüllung der groben Fahrlässigkeit reicht es also nicht aus, dass der Betroffene Zweifel hat, sondern die Zweifel müssen so ausgestaltet sein, dass es für jeden erkennbar wäre, dass hier wenigstens eine Nachfrage notwendig wäre. Vom Begünstigten wird dabei nicht verlangt, dass er den Bescheid in allen Einzelheiten rechtlich überprüft. Allerdings soll er den ihm bekannt gegebenen Bescheid wenigstens von vorne bis hinten lesen und zur Kenntnis nehmen, denn im Sozialrechtsverhältnis sind alle Beteiligten gehalten, sich gegenseitig vor vermeidbaren, das Versicherungsverhältnis betreffenden Schäden zu bewahren.
55
Dabei ist ein subjektiver Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Das Bundessozialgericht umschreibt diese Voraussetzung wie folgt: Es müssen einfachste, ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt werden. Das ist der Fall, wenn nicht beachtet wird, was im gegebenen Fall jedem einleuchten musste. Dabei ist auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und Verhalten der Betroffenen sowie die besonderen Umstände des Falles abzustellen.
56
Im vorliegenden Fall ist zumindest von einer groben Fahrlässigkeit bei der Klägerin auszugehen. Sowohl der Beklagte hat bereits im Bescheid vom 16.02.2022 auf Seite 4 die Klägerin darauf hingewiesen, dass der Anspruch auf Versorgungsbezüge in Höhe der Bezüge der aus der gesetztlichen Unfallversicherung ruht, wenn beide Ansprüche auf derselben Ursache beruhen sowie der Anspruch auf Heilbehandlung nach § 10 Abs. 1 BVG ruht, soweit aus derselben Ursache Ansprüche auf entsprechende Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestehen.
57
Darüber hinaus wurde die Klägerin auch durch die BG hinsichtlich des Ruhen der Grundrente beim Bezug einer Verletztenrente aufgeklärt.
58
Am 09.03.2022 rief Herr L. von der BG die Klägerin an um sie telefonisch nach dem Gesundheitszustand, zum laufenden Verfahren nach dem Schwerbehindertenrecht sowie zum Verfahren wegen des Impfschadens gegen den Beklagten zu befragen. Hierüber fertigte Herr L. eine entsprechende Telefonnotiz. Dieser ist u.a. folgendes zu entnehmen.
„Ihr Impfschaden ist nach den Regelungen des BVG mit 50 von Hundert anerkannt worden (Beschädigtenrente) mit dem Vorbehalt, dass hier noch eine Entscheidung der BG aussteht. Ich habe Frau K. deshalb darüber informiert, dass die Beschädigtenrente ruhen kann, wenn es nachträglich zu einer Anerkennung eines Impfschadens verbunden mit einer Verletztenrente (VR) kommt.“
59
Da die Klägerin Fachinformatikerin für Systemintegration ist, ihre Zeugnisse gute und sehr gute Leistungen ausweisen, sie ein Fachabitur abgelegt und ihr im Fach Rechtslehre gute Leistungen bescheinigt worden sind, war sie in der Lage, diese zweimalige Belehrung bzw. rechtlichen Hinweis zu verstehen. Der Klägerin hätte es daher sowohl beim Durchlesen des Bescheides vom 16.02.2022, spätestens aber beim Telefonat am 09.03.2022 einleuchten müssen, dass bei Gewährung einer Verletztenrente die Ansprüche auf Grundrente und Heilbehandlung ruhen. Hierzu war sie auch aufgrund ihrer Bildung und des Intellekts jederzeit in der Lage. Zudem bestand auch während des Telefonats mit Herrn L. die Gelegenheit, falls hierzu Unklarheiten bestanden, unmittelbar nachzufragen.
60
Schlussendlich hat der Beklagte auch sowohl die Jahresfrist, als auch die 10 Jahresfrist seit Änderung der Verhältnisse nach § 48 Abs. 4 Satz 1, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 SGB X sowie § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X eingehalten.
61
Der Bescheid des Beklagten ist daher rechtlich nicht zu beanstanden, so dass die Klage in Gänze abzuweisen war.
62
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.