Titel:
Barauszahlung, Einkommensberücksichtigung
Leitsatz:
Bareinzahlungen auf ein Konto eines Leistungsberechtigten ohne Herkunftsnachweis können als Einkommen berücksichtigt werden.
Schlagworte:
Barauszahlung, Einkommensberücksichtigung
Vorinstanz:
SG Landshut vom 11.07.2022 – S 13 AS 347/20
Rechtsmittelinstanz:
BSG Kassel, Beschluss vom 29.08.2025 – B 4 AS 10/25 BH
Fundstelle:
BeckRS 2024, 49868
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 11. Juli 2022 sowie der Bescheid des Beklagten vom 20.2.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.7.2020 und die Bescheide vom 12.4.2017 abgeändert und die SGB II-Leistungen für den Kläger im August 2016 auf 32,53 € endgültig festgesetzt und die Erstattungsforderung für August 2016 von 276,79 € auf 244,26 € reduziert.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Streitig ist die Rechtmäßigkeit einer Nullfestsetzung und Erstattungsforderung von 1.562,48 € nach vorläufiger Bewilligung für die Zeit vom 1.8.2016 bis 31.1.2017 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X.
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Der 1958 geb. Kläger wohnt zusammen mit seiner SGB XII-Leistungen beziehenden Ehefrau und der 1992 geb. Tochter im Eigenheim. Nebenkosten fallen monatlich in unterschiedlicher Höhe an. Laut Gewerbeanmeldung vom 26.11.2009 betreibt der Kläger einen Kunsthandel mit Restaurierung.
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Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 25.7.2016 bewilligte der Beklagte dem Kläger mit vorläufigem Bescheid vom 17.8.2016 für die Zeit vom 1.8.2016 bis 31.1.2017 monatlich 276,79 € sowie der Tochter 248,45 €. Angerechnet wurde ein monatliches bereinigtes Einkommen aus selbständiger Tätigkeit von 216 €. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraums reichte der Kläger die abschließende EKS für August 2016 bis Januar 2017 ein sowie Kontounterlagen. Nach einem Abgleich der EKS mit den Kontounterlagen ergaben sich für den Beklagten nicht nachvollziehbare Differenzen (s. Vermerk des Beklagten vom 12.4.2017), insbesondere waren nicht sämtliche Betriebseinnahmen entsprechend den Kontoauszügen in der EKS erfasst. Den Sachverhalt konnte der Beklagte nachfolgend nicht weiter aufklären und setzte deshalb gemäß § 41a Abs. 3 Satz 4 SGB II mit Bescheiden vom 12.4.2017 die Leistungen für den streitigen Zeitraum auf 0 € fest und machte gegenüber dem Kläger eine Erstattung von 1.562,48 € geltend (gegenüber der Tochter eine Erstattungsforderung von 1.023,51 €). Am 9.6.2017 legten der Kläger und seine Tochter Dienstaufsichtsbeschwerde ein bzgl. der Forderungen aus den Bescheiden vom 12.4.2017, die der Beklagte als Überprüfungsanträge auslegte und mit Bescheid vom 20.2.2018 ablehnte. Dagegen legte der Kläger für sich und seine Tochter Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 6.7.2020 wurde der Widerspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen.
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Hiergegen erhob der Kläger am 4.8.2020 Klage zum Sozialgericht Landshut. Auf die gerichtliche Nachfrage, ob nur der Kläger selbst Kläger sei oder auch seine Tochter als Klägerin im Verfahren auftrete, teilte dieser mit Schreiben vom 15.9.2020 mit, dass nur er Kläger sei.
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Mit Urteil vom 11.7.2022 wurde die Klage als unbegründet abgewiesen. Die abgegebene EKS sei unter Berücksichtigung der vorgelegten Kontoauszüge widersprüchlich. Der Kläger habe nicht weiter mitgewirkt. Daher habe der Beklagte zu Recht die Leistungen auf 0 € festgesetzt und den Überprüfungsantrag abgelehnt.
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Hiergegen legte der Kläger am 22.8.2022 Berufung beim Sozialgericht ein, die dem Bay. Landessozialgericht am 24.8.2022 zugeleitet wurde. Sein Gewinn sei nur 1.788 € gewesen.
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Auf gerichtliche Aufforderung vom 27.7.2023, 9.10.2023, 4.12.2023, 10.1.2024, 21.2.2024 und 27.3.2024 vervollständigte der Kläger die Kontoauszüge zu seinem Privat- und Geschäftskonto, legte sein Kassenbuch und Nachweise zur Kfz-Haftpflichtversicherung und zu den tatsächlich angefallenen Kosten der Unterkunft und Heizung vor. Nach Auswertung der Unterlagen, zu der der Kläger wiederholt Gelegenheit zur Stellungnahme hatte, um ggf. höhere Betriebsausgaben oder Kosten der Unterkunft nachzuweisen, erfolgte durch den Beklagten eine Neuberechnung der SGB II-Leistungen. Der Kläger erhob daraufhin die Einrede der Verjährung und bekräftigt erneut, dass er alle Unterlagen vorgelegt habe.
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Nach gerichtlicher Anfrage vom 15.7.2024 stimmte der Kläger mit Schreiben vom 25.7.2024 und der Beklagte mit Schriftsatz vom 29.7.2024 einer Entscheidung nach § 124 Abs. 2 SGG zu.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 11.7.2022 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 20.2.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.7.2020 zu verpflichten, die Bescheide vom 12.4.2017 zurückzunehmen und die SGB II-Leistungen in vorläufiger Höhe endgültig festzusetzen und seine Erstattungsforderung vollumfänglich aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
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Er hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Der Kläger habe seine Betriebsausgaben nicht nachgewiesen und die Widersprüche zwischen den Angaben in der EKS und den Einnahmen, wie sie sich aus den Kontoauszügen ergeben, nicht aufgelöst.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143,144, 151 SGG) ist nur in Bezug auf den Monat August teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.
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Der Senat konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden. Die Beteiligten haben zugestimmt.
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Streitgegenständlich ist der Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 20.2.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.7.2020, mit dem es der Beklagte abgelehnt hat, die im Bescheid vom 12.4.2017 erfolgte Nullfestsetzung und die daraus resultierende Erstattungsforderung gegen den Kläger von 1.562,48 € aufzuheben und die SGB II-Leistungen betreffend den Kläger in Höhe der vorläufig bewilligten SGB II-Leistungen endgültig festzusetzen.
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Der Bedarf des Klägers nach §§ 20, 22 SGB II schwankt nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlich hohen monatlichen Kosten der Unterkunft und Heizung für das zu dritt bewohnte Eigenheim. Bei den anfallenden Kosten für Unterkunft und Heizung sind keine Durchschnittswerte zu bilden, sondern die Kosten in dem Monat als Bedarf zu berücksichtigen, in dem sie fällig sind (vgl. BSG vom 22.8.2012, B 14 AS 1/12 R). Desweiteren sind die Kosten der Unterkunft und Heizung auch in einer sog. gemischten Bedarfsgemeinschaft nach dem Kopfteilprinzip aufzuteilen (vgl. BSG vom 12.10.2017, B 4 AS 19/16 R). Folgende Kosten der Unterkunft und Heizung sind nachgewiesen:
August 2016: 127,08 € (Abfallgebühren und Abwasser) : 3 = 42,36 €
September 2016: 478,97 € (Wasser und Gebäudebrandversicherung) : 3 = 159,66 €
November 2016: 381,15 € (Wohngebäudeversicherung, Grundsteuer, Abwasser, Abfallgebühren und Abschlag Wasser) : 3 = 127,05 €.
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Im Übrigen sind keine höheren bzw. in anderen Monaten keine Kosten der Unterkunft und Heizung festzustellen oder sonst vom Kläger nachgewiesen worden.
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Nach Auswertung der Kontoauszüge und des Kassenbuchs ist ein Einkommen des Klägers aus selbständiger Tätigkeit nach §§ 11, 11b SGB II i.V.m. §§ 3, 6 Bürgergeld-V in der ab 1.8.2016 geltenden Fassung in Höhe von 6.276,80 € (Betriebseinnahmen von 7.906,57 € minus Betriebsausgaben von 1.629,77 € incl. betriebliche Fahrten) festzustellen, mithin ein monatlicher Gewinn von 1.046,13 €. Bzgl. der Einzelheiten wird auf das gerichtliche Schreiben vom 22.5.2024 Bezug genommen. Die vom Kläger in der EKS bezifferten Betriebseinnahmen stimmen nicht mit den Einnahmen überein, die sich aus seinen Kontoauszügen und seinem Kassenbuch ergeben. Höhere Betriebsausgaben sind hieraus nicht festzustellen. Der Kläger hat außer den Kontoauszügen und dem Kassenbuch keine weiteren Unterlagen vorgelegt, obwohl er dazu wiederholt Gelegenheit gehabt hatte, aus denen sich höhere Betriebsausgaben ergeben würden. Das Erwerbseinkommen ist nach § 11b SGB II in der ab 1.8.2016 geltenden Fassung zu bereinigen. Der Erwerbstätigenfreibetrag beträgt 184,61 € und die Absetzbeträge monatlich 150,66 € (freiwillige Rentenzahlung zur DRV von 84,15 €, Kfz-Haftpflichtversicherung 2016 (1/12 von 438,15 €) von 36,51 € sowie Versicherungspauschale von 30 €) bzw. 142,30 € im Januar wegen der geringeren Kfz-Haftpflichtversicherung 2017 (1/12 von 337,76 €) von 28,15 €. Dies ergibt ein anzurechnendes Erwerbseinkommen im August bis Dezember von monatlich 710,86 € und 719,22 € im Januar.
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Hinzu kommen als sonstiges Einkommen diverse Bareinzahlungen, von denen der Kläger zwar behauptet hat, es handle sich lediglich um Umbuchungen, die er aber nicht nachvollziehbar als solche dargelegt hat. Im Einzelnen sind das im September insgesamt 600 €, Oktober 400 €, November 200 €, Dezember 200 € und Januar 450 €. Bei der Tochter sind es im November 100 € und im Januar 200 €. Soweit der Kläger behauptet hat, es habe sich um Geldgeschenke der Ehefrau an die Tochter gehandelt, wurde dies nicht weiter nachvollziehbar belegt.
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Demnach ergibt sich folgende Bedarfs- und Einkommenssituation:
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Dem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft von insgesamt 772,72 € (364 € und 324 € Regelbedarf und 84,72 € Kosten der Unterkunft) stand ein anzurechnendes Einkommen von 710,86 € gegenüber, mithin ein ungedeckter Bedarf von 61,86 €, von dem nach § 9 SGB II ein Betrag von 32,53 € auf den Kläger entfällt.
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In dieser Höhe war der SGB II-Leistungsanspruch des Klägers endgültig festzustellen und um diesen Betrag die Erstattungsforderung von 276,79 € auf 244,26 € zu reduzieren.
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Dem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft von insgesamt 1.007,32 € (688 € Regelbedarfe und 319,32 € Kosten der Unterkunft) stand ein anzurechnendes Einkommen von 1.310,86 € (710,86 € Erwerbseinkommen und 600 € sonstiges Einkommen) gegenüber. Ein Anspruch errechnet sich somit nicht.
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Dem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft von 688 € steht ein anzurechnendes Einkommen von 1.110,86 € (710,86 € und 400 € sonstiges Einkommen) gegenüber. Das Einkommen war bedarfsdeckend.
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Dem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft von insgesamt 942,10 € (688 € Regelbedarfe und 254,10 € Kosten der Unterkunft) steht ein anzurechnendes Einkommen von 1.010,86 € (710,86 € Erwerbseinkommen und 300 € sonstiges Einkommen) gegenüber. Das Einkommen war bedarfsdeckend.
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Dem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft von 688 € (Regelbedarfe) stand ein anzurechnendes Einkommen von 910,86 € (710,86 € Erwerbseinkommen und 200 € sonstiges Einkommen) gegenüber. Ein Leistungsanspruch bestand nicht.
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Dem Bedarf der Bedarfsgemeinschaft von insgesamt 695 € (Regelbedarfe von 368 € und 327 €) stand ein anzurechnendes Einkommen von 1.369, 22 € (719,22 € Erwerbseinkommen und 650 € sonstiges Einkommen) gegenüber. Ein Leistungsanspruch bestand für diesen Monat nicht.
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Anders als der Kläger meint, ist die Erstattungsforderung nicht verjährt. Die Verjährung beginnt erst nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Erstattungsbescheid bestandskräftig geworden ist, § 50 Abs. 4 Satz 1 SGB X. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger nur in geringem Umfang in einem Monat erfolgreich war.
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Gründe für die Zulassung der Revision i.S.v. § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.